TE Bvwg Beschluss 2020/5/4 G306 2219817-1

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Veröffentlicht am 04.05.2020
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Entscheidungsdatum

04.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

G306 2219817-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Polen, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2019, Zl. XXXX, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 03.05.2019 wurde der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem BF gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II).

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 07.06.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist polnischer Staatsangehöriger.

1.2. Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides vom 03.05.2019 wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen, dies, nachdem die zuständige NAG-Behörde dem BFA mit Schreiben vom 07.06.2016 mitgeteilt hatte, dass die Erteilungsvoraussetzungen nach § 51 NAG nicht erfüllt seien, weil der BF keiner Erwerbstätigkeit nachgehe, nicht krankenversichert sei und keine ausreichenden Existenzmittel vorhanden seien, und dem BF folglich mit Schreiben des BFA vom 28.10.2016 die behördliche Absicht, gegen ihn eine Ausweisung zu erlassen, vorgehalten worden war.

Die belangte Behörde stützte sich bei ihrer Prüfung, ob dem BF ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukomme, auf keinen aktuellen, sondern einen am 28.10.2016, dem Tag der Verfassung der schriftlichen Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, erstellten Sozialversicherungsauszug bzw. AJ WEB - Auskunftsverfahrensauszug vom 28.10.2016, und kam zu Schluss, dass dem BF das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht zukomme, gehe er doch keiner Erwerbstätigkeit nach und verfüge er nicht über hinreichende Existenzmittel, um seinen Lebensunterhalt im Bundesgebiet zu finanzieren, und auch über keinen ausreichenden Krankenversicherungsschutz.

2. Beweiswürdigung:

Der Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen ergaben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1

B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung des Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.

Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

3.2. Der im gegenständlichen Fall mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG lautet wie folgt:

"§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitsuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Absicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht 8§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20.11.1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."

§ 55 Abs. 3 NAG lautet:

" § 55. (...)

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. (...)."

§ 53 Abs. 2 NAG lautet:

" § 53. (...)

(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass sowie folgende Nachweise vorzulegen:

1. nach § 51 Abs. 1 Z. 1: eine Bestätigung des Arbeitgebers oder ein Nachweis der Selbstständigkeit;

2. nach § 51 Abs. 1 Z. 2: Nachweise über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz;

(...)."

Der mit "Gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate" betitelte § 51 Abs. 1 NAG lautet:

" § 51. (1) Aufgrund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbstständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen."

3.3. Im gegenständlichen Fall wurde der BF mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen, nachdem dem BFA mit Schreiben der zuständigen NAG-Behörde vom 07.06.2016 mitgeteilt worden war, dass der BF keiner Arbeit nachgehe, über keine ausreichenden Existenzmittel und keine Krankenversicherung verfüge, und die belangte Behörde dem BF mit Schreiben vom 28.10.2016 das Ergebnis der Beweisaufnahme bzw. ihre Absicht, gegen den BF eine Ausweisung zu erlassen, vorgehalten hatte.

Auch wenn auf den Parteivorhalt vom 28.10.2016 keine schriftliche Stellungnahme des BF gefolgt ist, wäre die belangte Behörde, anstelle sich auf einen veralteten Sozialversicherungsauszug vom 28.10.2016 zu stützen, verpflichtet gewesen, vor Erlassung ihrer am 03.05.2019 ausgefertigten Entscheidung aktuelle Informationen dazu einzuholen, ob der BF erwerbstätig ist, über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügt, um auf ein bestehendes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht schließen oder ein solches ausschließen zu können.

Die belangte Behörde kam jedoch stützend auf die Mitteilung der NAG-Behörde vom 07.06.2016 in Verbindung mit dem am 28.10.2016, dem Tag der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, erstellten Sozialversicherungsauszug, ohne zu ihrer Entscheidung vom 03.05.2019 zeitnahe Ermittlungen angestellt zu haben, zum Schluss, dass dem BF kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukomme, sei er im Bundesgebiet doch laut Sozialversicherungsauszug "noch nie einer legalen Beschäftigung" nachgegangen und verfüge er nicht über ausreichende Existenzmittel, um seinen Lebensunterhalt im Bundesgebiet finanzieren zu können, und über keine Krankenversicherung.

In weiterer Folge gab die belangte Behörde § 66 Abs. 2 FPG wieder, benannte diesen Paragraphen jedoch - offenbar versehentlich - mit § 66 Abs. 3 FPG und kam zum Schluss, dass die gegenständliche Ausweisung verhältnismäßig sei, könne doch von keiner nachhaltigen Integration des BF in Österreich ausgegangen werden, sei der BF doch "lt. melderechtlichen Angaben bereits mehrere Jahre durchgehend im Bundesgebiet aufhältig" gewesen, "ohne über eine Unterkunft, eine Krankenversicherung und die notwendigen Unterhaltsmittel zu verfügen" und habe der BF "auch keinen Nachweis über den Erwerb der deutschen Sprache" vorgelegt. Der BF sei im arbeitsfähigen Alter und seiner Landessprache mächtig. Es sei daher anzunehmen, dass er in seinem Heimatland bestens integriert sei, zumal er auch offensichtlich seine Schulbildung dort absolviert habe.

Die belangte Behörde kam ohne aktuelle Ermittlungen zum Privat- und Familienleben des BF angestellt zu haben, zum Schluss, dass der durch die Ausweisung in das Privat- und Familienleben des BF erfolgende Eingriff verhältnismäßig sei, und führte, ohne zeitnah zur gegenständlich angefochtenen Entscheidung ermittelt zu haben, welche Interessen der zum Zeitpunkt der Erlassung der Ausweisung 44 Jahre alte BF an einem weiteren Bleiberecht hat, an, dass die Abwägung der Interessen des BF gegen das öffentliche Interesse ergeben habe, dass das Verlassen des Bundesgebietes notwendig und geboten sei.

Aktuelle Ermittlungen zum Privat- und Familienleben bzw. zur individuellen Situation des BF iSv § 66 Abs. 2 FPG wären jedenfalls nur dann notwendig gewesen, wenn die Prüfung nach § 66 Abs. 1 FPG iVm §§ 55 Abs. 3 und 51 Abs. 1 NAG kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht und in weiterer Folge eine grundsätzliche Rechtfertigung einer Ausweisung des BF ergeben hätte.

Notwendige aktuelle bzw. zur angefochtenen Entscheidung vom 03.05.2019 zeitnahe Ermittlungen zum Erwerbs- bzw. Einkommens- und Krankenversicherungsstand des BF, um zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung hinreichend begründet auf ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nach § 51 Abs. 1 NAG schließen oder ein solches ausschließen zu können, sind jedoch unterblieben.

Aufgrund fehlender aktueller bzw. zur angefochtenen Entscheidung zeitnaher Ermittlungen und Feststellungen war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das BVwG selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, war nicht erkennbar.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da im gegenständlichen Fall bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2219817.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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