Entscheidungsdatum
04.05.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G301 2227173-6/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren zur Überprüfung der Anhaltung in Schubhaft des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Pakistan, zu BFA-Zl. XXXX, zu Recht:
A) Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Am 29.04.2020 langten beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Kärnten, gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zum Zweck der periodischen amtswegigen Überprüfung der seit 15.09.2019 andauernden Anhaltung in Schubhaft des im gegenständlichen Verfahren betroffenen Fremden (im Folgenden: BF) vorgelegten Verwaltungsakten ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF führt die im Spruch angeführte Verfahrensidentität (Namen, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit). Identitätsdokumente liegen nicht vor.
Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Kärnten, vom 15.09.2019 zu der im Spruch angeführten Geschäftszahl, dem BF persönlich ausgefolgt am selben Tag um 10:00 Uhr, wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.
Das BVwG hat zuletzt mit Erkenntnis vom 08.04.2020, G307 2227173-5/2E, eine amtswegige Überprüfung der seit über vier Monaten andauernden Schubhaft durchgeführt und gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
Den im Erkenntnis vom 08.04.2020 getroffenen Entscheidungsgründen betreffend Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft kommt zum Zeitpunkt dieser Entscheidung weiterhin unverändert Geltung zu. Der darin festgestellte Sachverhalt, auf den hier vollinhaltlich verwiesen werden kann, wird auch der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Das Verfahren zur Abklärung der Identität des BF und zur anschließenden Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) ist weiterhin im Laufen. Die belangte Behörde hat zuletzt am 07.04.2020 der Botschaft der Islamischen Republik Pakistan in Wien ein Erinnerungsschreiben ("Reminder") zum Antrag auf Ausstellung eines Ersatzreisedokuments übermittelt.
Konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Identifizierung der Person des betroffenen Fremden und die Ausstellung eines für die Rückführung notwendigen Reisedokuments durch die Vertretungsbehörde Pakistans nicht hinreichend wahrscheinlich oder gänzlich ausgeschlossen wäre, liegen jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt - auch unter besonderer Berücksichtigung der derzeit bestehenden (Flug-)Reisebeschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie - nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG, einschließlich des Gerichtsakts zu der zuletzt ergangenen Haftprüfungsentscheidung des BVwG vom 08.04.2020.
Die getroffenen Feststellungen beruhen auf dem auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahren und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Die Feststellung, dass die Durchführung einer Personenidentifizierung (einschließlich der Staatsangehörigkeit) und einer daran anschließenden Ausstellung eines Heimreisezertifikates weder völlig unwahrscheinlich noch tatsächlich ausgeschlossen sind, beruht darauf, dass sowohl im gegenständlichen Verfahren als auch in den vorangegangenen Schubhaftbeschwerde- bzw. Haftprüfungsverfahren des BVwG keine konkreten Umstände hervorgekommen sind, wonach anzunehmen gewesen wäre, dass seitens der zuständigen (Vertretungs-)Behörden Pakistans eine Kooperation mit der belangten Behörde mit dem Ziel einer Identifizierung bzw. Rückführung des betroffenen Fremden und letztlich eine Erledigung der entsprechenden Ersuchen nicht gegeben wären.
Was die aufgrund der aktuellen COVID-19-Pandemie praktisch weltweit geltenden (Flug-)Reisebeschränkungen anbelangt, ist festzuhalten, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine baldige Aufhebung oder zumindest eine Abschwächung der getroffenen Maßnahmen in einigen Wochen nicht völlig unwahrscheinlich erscheint und die tatsächliche Möglichkeit einer Rückführung des betroffenen Fremden auch weiterhin besteht.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft (Spruchpunkt A.):
§ 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, lautet:
"§ 22a. [...]
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde."
Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit 15.09.2019 andauernden Schubhaft wegen Vorliegens von Fluchtgefahr (auf Grund des § 76 Abs. 2 Z 2 iVm. Abs. 3 FPG) weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit auch als verhältnismäßig.
Zunächst ist festzuhalten, dass den vom BVwG im Erkenntnis vom 08.04.2020 dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung weiterhin unverändert Geltung zukommt.
Das von der belangten Behörde mit der Botschaft von Pakistan in Wien eingeleitete Verfahren zur Abklärung der Identität des BF und zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) ist im Laufen. Die belangte Behörde hat der Botschaft überdies wiederholt, zuletzt am 07.04.2020, ein Erinnerungsschreiben ("Urgenz") übermittelt.
Die Annahme, wonach es sehr wahrscheinlich ist, dass im Fall der Beendigung der Schubhaft und Freilassung letztlich eine Rückführung des weiterhin rückkehrunwilligen BF durch Untertauchen vereitelt oder erschwert werden könnte, erweist sich unter Berücksichtigung des bisherigen Gesamtverhaltens des BF, insbesondere der mangelnden Vertrauenswürdigkeit, der Vornahme illegaler Reisebewegungen, des mittlerweile rechtskräftigen Abschlusses eines Asylverfahrens in Österreich sowie einer fehlenden sozialen Verankerung in Österreich nach wie vor als begründet. Der BF hat bislang keine Bereitschaft gezeigt hat, trotz aufrechter Ausreiseverpflichtung aus Österreich auszureisen und in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.
Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Dass besondere, in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen, die der Schubhaft entgegenstehen würden, war nicht anzunehmen.
Ein Sicherungsbedarf zur Durchführung einer Rückführung in den Herkunftsstaat ist somit weiterhin gegeben. Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere des Vorliegens von Fluchtgefahr und einer fehlenden sozialen Verankerung, nicht geeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck (Durchführung der Abschiebung) zu erreichen.
Im Zusammenhang mit den weltweit zur Bekämpfung und Eindämmung der COVID-19-Pandemie ergriffenen Maßnahmen, wie insbesondere Einschränkungen im (Flug-)Reiseverkehr, ist die weitere Entwicklung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit einer weiteren Aufrechterhaltung der Schubhaft zu berücksichtigen, weil die Schubhaft ihren Zweck nur dann erfüllen kann, wenn das zu sichernde Verfahren letztlich auch in eine Abschiebung münden kann (VwGH 01.04.2020, Ra 2020/21/0116). Im vorliegenden Fall hat sich aber jedenfalls nicht ergeben, dass - zumindest in diesem Stadium - eine Identifizierung und Ausstellung eines Heimreisezertifikates völlig unwahrscheinlich oder die Durchführung einer Abschiebung in den Herkunftsstaat unmöglich wäre.
Die Fortsetzung der Schubhaft wegen Fluchtgefahr erweist sich vor diesem Hintergrund und der tatsächlichen Möglichkeit der Ausstellung eines Heimreisezertifikats und einer daran zeitnah anschließenden Abschiebung als verhältnismäßig.
Die in § 80 Abs. 2 Z 2 FPG grundsätzlich vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft im Ausmaß von sechs Monaten wurde zum Entscheidungszeitpunkt bereits überschritten. Allerdings liegt hier unzweifelhaft ein Sachverhalt im Sinne des § 80 Abs. 4 Z 1 und 4 FPG vor, weshalb die gegenständliche Schubhaft aus derzeitiger Sicht auch über die sechs Monate hinaus fortgesetzt werden kann.
Die Anhaltung in Schubhaft erweist sich somit weiterhin zum Zweck der Sicherung der Abschiebung wegen Fluchtgefahr als notwendig und auch als verhältnismäßig. Die andauernde Schubhaft kann daher - auch unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer der Anhaltung - fortgesetzt werden, weshalb gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG iVm. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG (nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens) wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.
3.2. Entfall der mündlichen Verhandlung:
Da die vorliegenden Akten erkennen ließen, dass im gegenständlichen von Amts wegen eingeleiteten Haftüberprüfungsverfahren eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegenstehen, konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von einer Verhandlung abgesehen werden.
Überdies konnte gemäß § 3 iVm. § 6 Abs. 1 Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetz (COVID-19-VwBG), BGBl. I Nr. 16/2020 in der geltenden Fassung, unter Berücksichtigung der Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen wurden, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben, da diese zur Aufrechterhaltung einer geordneten Verwaltungsrechtspflege nicht unbedingt erforderlich war.
3.3. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder von den Parteien in der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH vom 19.02.2015, Zl. Ro 2013/21/0075, vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0077, und vom 19.05.2015, Zl. Ro 2014/21/0071, sowie auch der die Schubhaft betreffenden Erkenntnisse des VfGH vom 12.03.2015, G 151/2014 ua., und E 4/2014.
Schlagworte
Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G301.2227173.6.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020