TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/5 G307 2221580-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.05.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.05.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

G307 2221580-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX,StA.: Bulgarien, vertreten durch die Diakonie, gemeinnützige Flüchtlingsgesellschaft mbH - ARGE Rechtsberatung in 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2019, Zahl XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n .

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte im Stande der Strafhaft am XXXX.2019 einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005.

2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF im Asylverfahren statt.

Zusammengefasst gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, er sei im Besitz eines USB-Sticks, der Informationen über kriminelle Machenschaften bulgarischer Politiker enthalte. Er habe den besagten Datenträger jedoch in Bulgarien vergraben und sei nicht in der Lage gewesen, dessen Inhalt zu prüfen, wisse jedoch um die Richtigkeit desselben. Der Urheber - die Identität werde vom BF geheim gehalten - des gespeicherten Materials - an dessen Erstellung der BF beteiligt gewesen sei - hätte ihm den Datenträger überreicht und sei dieser ebenfalls auf der Flucht. Der BF sei jedoch selbst auch Zeuge von vergleichbaren Straftaten geworden und habe unter Vorlage von Schriftstücken Anzeige in Bulgarien erstatten wollen. Die Beweismittel seien jedoch von der Polizei vernichtet worden. Nachdem der BF im Jahr 2011 nach Serbien geflohen sei, sei sein Sohn entführt und erst wieder freigelassen worden, als der BF sich zum Schein bereit erklärt habe, sich in Bulgarien zu stellen. Seine Frau sowie die gemeinsamen Kinder hielten sich aktuell in Kanada auf.

3. Am 19.06.2019 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF zusammengefasst an, dass er von einem bulgarischen Staatsbürger auf dessen Flucht einen USB-Stick mit Bild- und Tonmaterial, welches Kindesmisshandlungen sowie Pläne zu Menschen- und Organhandel und illegalen Geldtransfers zeige, in welche bulgarische Politiker und Wirtschaftstreibende verwickelt seien, bekommen habe. Den besagten Datenträger habe der BF in Bulgarien vergraben und könne er über den Inhalt nur wedergeben, was ihm vom Überbringer mitgeteilt worden sei.

In diesem Kontext habe er handschriftliche Aufzeichnungen über illegale Geldflüsse an die Polizei weitergereicht, welche diese vernichtet hätte, woraufhin der BF von unbekannten Personen verfolgt worden sei. In weiterer Folge sei sein Sohn entführt, jedoch wieder freigelassen worden, nachdem der BF seine Rückkehr nach Bulgarien fingiert habe.

Für ihn ginge überwiegend Gefahr von der in Bulgarien tätigen Mafia, nicht jedoch unmittelbar von bulgarischen Polizeibehörden aus. Die bulgarischen Polizeibehörden kooperierten jedoch mit der Mafia, um den BF im Falle seiner Festnahme an diese ausliefern. Er selbst habe seinen Lebensunterhalt in Bulgarien durch Straftaten finanziert und sei er Zeuge von besagten illegalen Tätigkeiten im Zusammenhang mit den beschriebenen Personengruppen geworden. Konkrete Beweise könne er jedoch nicht vorbringen und sei es letztlich, abgesehen von der Entführung seines Sohnes zu keinen weiteren Vorkommnissen seine Person betreffend gekommen.

Zudem merkte der BF zu seinen Verurteilungen in Österreich befragt an, dass diese von der Konkurrenz inszeniert worden seien.

4. Mit Bescheid des BFA, dem BF durch persönliche Übergabe zugestellt am 19.06.2019, wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz gemäß Protokoll Nr. 24 über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union zum EU-Vertrag von Lissabon vom 13.12.2007, Amtsblatt (EG) Nr. C 306 bzw. BGBl. III Nr. 132/2009 zurückgewiesen.

5. Mit per E-Mail am 17.07.2019 bei BFA eingebrachtem Schreiben erhob der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, jeweils in eventu die Stattgabe der Beschwerde und Beschlussfassung, dass der Antrag des BF zu prüfen sei, die Zurückverweisung der Rechtsache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde sowie Zulassung der ordentlichen Revision beantragt.

6. Die gegenständliche Beschwerde und der zugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem BVwG am 22.07.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Bulgarien. Die Muttersprache des BF ist Bulgarisch.

1.2. Der BF ist Unionsbürger.

1.3. Der BF reiste im Juni 2011 aus Bulgarien aus und hält sich seit Oktober 2016 in Österreich auf, wo er seit 22.04.2018 über eine durchgehende Wohnsitzmeldung verfügt.

1.4. Der BF weist folgende strafgerichtliche Verurteilungen in Österreich auf:

1. LG XXXX, Zahl XXXX, vom XXXX.2018, RK XXXX.2018, wegen § 229 (1) StGB, § 241e (3) StGB, §§ 127, 129 (1) Z1, 130 (2) 2. Fall StGB, § 15 StGB, § 297 (1) 2. Fall StGB: Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt nachgesehen.

2. LG XXXX, Zahl XXXX, vom XXXX.2018, RK XXXX.2018, wegen §§ 207a (3) 1. Fall erster Strafsatz, 207a (2) 2 Fall zweiter Strafsatz StGB: Zusatzfreiheitsstrafe von 6 Monaten unter Bedachtnahme auf LG XXXX, Zl. XXXX.

3. LG XXXX, Zahl XXXX, vom XXXX.2019, RK XXXX.2019, wegen § 135 (1) StGB, § 229 (1) 3. Fall StGB, §§ 127, 128 (1) Z 5, 129 (1) Z1, 130 (2) 2. Fall StGB, § 15 StGB, § 241e (3) StGB: Freiheitsstrafe von 24 Monaten.

1.5. Der BF wird seit XXXX.2019 und wurde zuvor von XXXX.2018 bis XXXX.2019 in Justizanstalten sowie von XXXX.2019 bis XXXX2019 in einem Polizeianhaltezentrum in Österreich angehalten.

1.6. Mit Bescheid des BFA vom 22.10.2018 wurde gegen den BF gemäß § 67 PFG ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von acht (8) Jahren erlassen, dem BF kein Durchsetzungsaufschub gewährt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Der Bescheid blieb unbekämpft und erwuchs in Rechtskraft.

1.7. Der BF ist verheiratet und Vater dreier Kinder. Er hat die Schule sowie die Universität im Herkunftsstaat besucht und hat sich zuletzt in Bulgarien seinen Lebensunterhalt durch rechtswidrige Handlungen verdient.

1.8. In Österreich verfügt der BF über keinerlei familiäre oder private Bezüge. Eine maßgebliche Integration in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht liegt nicht vor.

1.9. Der BF leidet seit seiner Kindheit an Asthma, wurde diesbezüglich in Bulgarien behandelt und befindet sich aktuell nicht in medizinischer Behandlung.

1.10. Die Bulgarische Republik gilt als sicherer Herkunftsstaat und ist seit 01.01.2007 Mitglied der Europäischen Union.

Die Bulgarische Republik hat seit ihrem Beitritt zur Europäischen Union mit 01.01.2007 alle nachfolgenden Verträge - zuletzt den Reformvertrag von Lissabon - unterzeichnet, der nunmehr in seinem Art. 6 EUR die verbindliche Wirkung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 07.12.2000 in der am 12.12.2007 angepassten Fassung vorschreibt. Art. 2 EUV normiert darüber hinaus die Werte, auf die sich die Union gründet vor, die allen Mitgliedsstaaten der Union gemeinsam sind und die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Minderheitenrechte umfassen sowie einer Gesellschaft gemeinsam sind, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und durch Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet. Sowohl die Bulgarische Republik als auch die Europäischen Union haben jeweils für sich die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) unterzeichnet. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat durch die von ihm mit seiner Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Rechtsgrundsätze die Bindung der Mitgliedstaaten an den gemeineuropäischen Grundrechtsbestand ausgesprochen und wurde diese Bedingung im Reformvertrag von Lissabon nunmehr auch normativ festgelegt, wobei sich dieser Grundrechtsbestand aktuell insbesondere aus der schon angeführten Grundrechtecharta sowie der EMRK speist (Art. 6 EUV). Die für den Beitritt neuer EU-Staaten zur Europäischen Union vorgesehenen Voraussetzungen (Art. 49 EUV iVm. Art. 6 EUV), darunter auch die untrennbare positive Beurteilung der jeweiligen allgemeinen Menschenrechtslage im jeweiligen beitrittswilligen Staat, beruhen daher auf den von den Gründungsmitgliedern abgeschlossenen Verträgen, die zur Gründung der Europäischen Union und damit auch zur den von der Europäischen Union selbstständig erlassenen und großteils bindenden Sekundärrechtsakten führten. Der Beitritt der neuen EU-Staaten zur Europäischen Union am 01.05.2004 und am 01.01.2007 ist daher untrennbar mit einer positiven Beurteilung der allgemeinen Menschenrechtslage in diesen Staaten verbunden.

All dies geht auch aus den Erwägungsgründen des Protokolls Nr. 24 zum EU-Vertrag (Protokoll über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union) hervor, in welchen ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Union nach Art. 6 Abs. 1 EUV die Recht, Freiheiten und Grundsätze anerkennt, die in der Charta der Grundrechte der EU enthalten sind, die Grundrechte nach Art. 6 Abs. 3 EUV, wie sie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) gewährleistet sind, als allgemeine Grundsätze zum Unionsrecht gehören und, dass der Gerichtshof der Europäischen Union dafür zuständig ist, sicherzustellen, dass die Union bei der Auslegung und Anwendung des Art. 6 Abs. 1 bis 3 EUV die Rechtsvorschriften einhält. Das in Art. 7 EUV vorgesehene Verfahren zur Aussetzung bestimmter Rechte ist nur für den Fall einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung dieser Werte durch einen Mitgliedstaat vorgesehen und zwar unter dem Hinweis darauf, dass jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaates als Unionsbürger einen besonderen Status und einen besonderen Schutz genießt, welche die Mitgliedstaaten gemäß dem zweiten Teil des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gewährleisten sowie, dass die Verträge einen Raum ohne Binnengrenzen schaffen und jedem Unionsbürger das Recht gewähren, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.

Als Unionsmitglied ist die Bulgarische Republik daher auch Teil des geltenden Unionsrechts, somit ein Rechtsstaat und eine Demokratie im Sinne der Standards der EU. Es kann daher auch von der grundsätzlichen Schutzgewährungsfähigkeit und Schutzgewährungswilligkeit der Sicherheitsbehörden und des Vorhandenseins eines funktionierenden rechtsstaatlichen Systems im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers - so wie auch in anderen EU-Mitgliedstaaten - ausgegangen werden (zur Frage des ausreichenden staatlichen Schutzes vor Verfolgung auch von nichtstaatlicher bzw. privater Seite s. für viele VwGH 10.03.1993, Zl. 92/01/1090, 14.05.2002, Zl. 2001/01/140 bis 143; s.a. VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, u.a.).

Darüber hinaus wendet die Bulgarische Republik weder Art. 15 EMRK samt Außerkraftsetzung der damit verbundenen Verpflichtungen an, noch ist ein Verfahren gemäß Art. 7 EUV eingeleitet worden oder hat der Rat oder ein Mitgliedstaat dazu einen Beschluss nach Art. 7 Abs. 2 erlassen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zu den Feststellungen:

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.2.1. Sofern oben Feststellungen zu Identität (Name und Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit, Muttersprache, Gesundheitszustand bzw. der Asthmaerkrankung und deren Behandlung im Herkunftsstaat sowie zur Unionsbürgerschaft getroffen wurden, beruhen diese auf den Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Ferner erschließt sich die Unionsbürgerschaft des BF aus dessen Staatszugehörigkeit zu einem EU-Mitgliedsstaat (vgl. auch § 2 Abs. 4 Z 8 FPG).

Dem konkreten und diesbezüglich widerspruchsfrei gebliebenen Vorbringen des BF wiederum folgen die Feststellungen zu dessen Ausreise aus dem Herkunftsstaat im Jahr 2011, zum Familienstand, zur Vaterschaft, zum Schul- und Universitätsbesuch und zur rechtswidrigen Erwirtschaftung von Unterhaltsmitteln im Herkunftsstaat sowie letztlich zum Fehlen familiärer und sozialer Anknüpfungspunkte in Österreich.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF in Österreich beruhen ferner auf einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich sowie einer Ausfertigung des aktuellsten oben zitieren Urteils des LG XXXX.

Die Wohnsitzmeldung des BF in Österreich sowie dessen Anhaltungen in Justizanstalten und in einem Polizeianhaltezentrum im Bundesgebiet konnte durch eine Abfrage des Zentralen Melderegister, sowie die Verhängung eines in Rechtskraft erwachsenen 8jährigen Aufenthaltsverbotes durch die Abfrage des Zentralen Fremdenregisters ermittelt werden.

In Ermangelung der Vorlage entsprechender Nachweise seitens des BF sowie durchgehender Wohnsitzmeldungen in Österreich konnten einzig aufgrund von Sozialversicherungs- und Haupt-Wohnsitzmeldungen des BF in Österreich Rückschlüsse auf dessen durchgehenden Aufenthalt in Österreich gezogen werden.

Die Nichtfeststellbarkeit einer maßgeblichen Integration beruht auf dem fehlenden Vorbringen eines entsprechenden substantiierten Sachverhaltes seitens des BF.

Die Einstufung Bulgariens als sicherer Herkunftsstaat ergibt sich aus den obigen Ausführungen unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF.

2.2. Das Vorbringen des zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und dessen Bedrohung, beruht auf den Angaben der BF in der Erstbefragung, dem Vorbringen in der Einvernahme vor der belangten Behörde sowie auf den Ausführungen in der Beschwerde.

Der BF vermochte eine Verfolgung seiner Person nicht einmal im Ansatz glaubhaft zu machen. Vielmehr weist das Vorbringen des BF Widersprüchlichkeiten auf und vermochte der BF keinerlei Beweismittel anzubieten bzw. Zeugen zu benennen. Vielmehr verweigerte er die Preisgabe der Identität des Übergebers des USB-Speichersticks unter Verweis auf dessen Sicherheit. Dies überzeugt jedoch insofern nicht, als der BF wiederholt vorbrachte, sich in Österreich sicher zu fühlen. Demzufolge kann nicht nachvollzogen werden, weshalb der BF die Identität der in Rede stehenden - als Zeuge dienenden - Person im Rahmen des geschützten Umfeldes seines Asylverfahrens nicht preisgeben wollte. Ferner behauptete der BF immer wieder die Existenz des besagten Speichersticks, ohne einen Beweis dafür vorzubringen. Auch blieb der BF bis dato eine Erklärung dafür schuldig, weshalb er das besagte Speichermedium in Bulgarien vergraben und nicht auf seiner Flucht mitgenommen oder eine Kopie herkunftsstaatlichen Gerichts- oder ausländischen- bzw. Unionsbehörden zukommen hat lassen. Insbesondere deshalb, weil der BF ein Interesse daran haben müsste, dass die Straftaten ans Licht kämen und die Betroffenen zur Verantwortung gezogen würden, um zukünftig wieder sicher leben zu können. Letztlich erschließt sich dem erkennenden Gericht nicht, weshalb der BF trotz Flucht im Jahr 2011 es bis 2019, sohin 8 Jahre lang unterlassen hat, sich an Behörden in Österreich oder einem anderen (Mitglieds-) Staat zu wenden. Der BF nannte keinerlei Gründe, welche das Zuwarten eines solch langen Zeitraums trotz behaupteter Gefährdung begründen könnte. Eingedenk der Verneinung konkreter Vorkommnisse und Drohungen seitens des BF kann unter Berücksichtigung seiner Flucht im Jahr 2011 konnte letztlich ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der gegenständlichen Asylantragstellung und einer Verfolgung durch Personen des Herkunftsstaates nicht erkannt werden.

Unbeschadet dessen weist das Vorbringen des BF auch inhaltlich einige Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten auf. So lässt sich nicht nachvollzihen, dass der BF in seiner Erstbefragung wiederholt von seiner Miturheberschaft an dem gespeicherten Material spricht, in weiterer Folge jedoch seine Unkenntnis über den Inhalt des Datenspeichers eingesteht und betont, bloß das wiederzugeben, was der Überbringer des Datenspeichers ihm gesagt hätte.

Ferner erschließt es sich dem erkennenden Gericht nicht, weshalb der BF trotz vermeintlichen Wissens um die in Bulgarien vorherrschende Korruption, sich überhaupt und insbesondere mit Beweismitteln im Original an herkunftsstaatliche Polizeiorgane wenden hätte sollen.

Zudem entbehrt die behauptete Freilassung seines Sohnes nur aufgrund des Umstandes, dass der BF seine Rückkehr nach Bulgarien vorgetäuscht habe, jeglicher Nachvollziehbarkeit. Es widerspricht logischen Überlegungen, dass eine mafiöse Organisation ihr Druckmittel in Form der Freilassung des Sohnes des BF vor Erhalt des vermeintlich belastenden Materials und Habhaftwerdens des BF, vorzeitig aufgeben hätte sollen.

Letztlich verneinte der BF, abgesehen von der behaupteten Entführung seines Sohnes, Vorkommnisse bzw. konkrete Bedrohungen gegen sich. Im dem Fall, dass vom BF einflussreiche und vor Straftaten nicht zurückschreckende Personen bzw. Personengruppen über den Besitz weitreichenden belastenden Materials durch den BF Bescheid wüssten, wäre davon auszugehen gewesen, dass er sich - entgegen seiner Wohnsitz- und Sozialversicherungsmeldungen in Österreich - versteckt gehalten hätte, sollte er konkreten Drohungen und Angriffen ausgesetzt sein.

Schlussendlich stärkt das Vorbringen des BF vor der belangten Behörde, seine Straftaten bzw. Verurteilungen seien von der Konkurrenz inszeniert worden, dessen Glaubwürdigkeit nicht. Die Rechtsstaatlichkeit Österreichs anzweifelnd, lässt der BF Tendenzen erkennen, grundsätzliches Misstrauen gegenüber Hoheitsträgern souveräner Staaten zu hegen, und diesen - unbegründet - rechtswidriges Verhalten zu unterstellen.

Im Ergebnis gelang es dem BF - entgegen der Behauptung in der gegenständlichen Beschwerde - nicht, ein substantiiertes und konsistentes Vorbringen darzubieten, weshalb es dessen Vorbringen letztlich an Substanz und Glaubwürdigkeit mangelt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Protokoll (Nr.24) über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der europäischen Union lautet:

"Die hohen Vertragsparteien - in der Erwägung, dass die Union nach Artikel 6 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union die Rechte, Freiheiten und Grundsätze anerkennt, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union enthalten sind, in der Erwägung, dass die Grundrechte nach Artikel 6 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind, als allgemeine Grundsätze zum Unionsrecht gehören, in der Erwägung, dass der Gerichtshof der Europäischen Union dafür zuständig ist, sicherzustellen, dass die Union bei der Auslegung und Anwendung des Artikels 6 Absätze 1 und 3 des Vertrags über die Europäische Union die Rechtsvorschriften einhält, in der Erwägung, dass nach Artikel 49 des Vertrags über die Europäische Union jeder europäische Staat, der beantragt, Mitglied der Union zu werden, die in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union genannten Werte achten muss, eingedenk dessen, dass Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union ein Verfahren für die Aussetzung bestimmter Rechte im Falle einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung dieser Werte durch einen Mitgliedstaat vorsieht, unter Hinweis darauf, dass jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats als Unionsbürger einen besonderen Status und einen besonderen Schutz genießt, welche die Mitgliedstaaten gemäß dem zweiten Teil des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährleisten, in dem Bewusstsein, dass die Verträge einen Raum ohne Binnengrenzen schaffen und jedem Unionsbürger das Recht gewähren, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, in dem Wunsch, zu verhindern, dass Asyl für andere als die vorgesehenen Zwecke in Anspruch genommen wird, in der Erwägung, dass dieses Protokoll den Zweck und die Ziele des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge beachtet - sind über folgende Bestimmungen Übereinkommen, die dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügt sind:

Einziger Artikel

In Anbetracht des Niveaus des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten die Mitgliedstaaten füreinander für alle rechtlichen und praktischen Zwecke im Zusammenhang mit Asylangelegenheiten als sichere Herkunftsländer. Dementsprechend darf ein Asylantrag eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats von einem anderen Mitgliedstaat nur berücksichtigt oder zur Bearbeitung zugelassen werden,

a. wenn der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger der Antragsteller ist, nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam

Artikel 15 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten anwendet und Maßnahmen ergreift, die in seinem Hoheitsgebiet die in der Konvention vorgesehenen Verpflichtungen außer Kraft setzen;

b. wenn das Verfahren des Artikels 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union eingeleitet worden ist und bis der Rat oder gegebenenfalls der Europäische Rat diesbezüglich einen Beschluss im Hinblick auf den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger der Antragsteller ist, gefasst hat;

c. wenn der Rat einen Beschluss nach Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union im Hinblick auf den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger der Antragsteller ist, erlassen hat, oder wenn der Europäische Rat einen Beschluss nach Artikel 7 Absatz 2 des genannten Vertrags im Hinblick auf den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehöriger der Antragsteller ist, erlassen hat;

d. wenn ein Mitgliedstaat in Bezug auf den Antrag eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats einseitig einen solchen Beschluss fasst; in diesem Fall wird der Rat umgehend unterrichtet; bei der Prüfung des Antrags wird von der Vermutung ausgegangen, dass der Antrag offensichtlich unbegründet ist, ohne dass die Entscheidungsbefugnis des Mitgliedstaats in irgendeiner Weise beeinträchtigt wird."

Der Punkt d lässt die individuelle Einzelfallüberprüfung eines Schutzersuchens zu, allerdings ist vor einer genauen Prüfung zu entscheiden, ob der Antrag - von dessen offensichtlicher Unbegründetheit auszugehen ist - so viel Substanz hat, dass eine Prüfung notwendig ist, um die Verpflichtungen Österreichs nach der Genfer Flüchtlingskonvention einzuhalten. Dazu muss der Asylwerber allerdings eine glaubwürdige, nachvollziehbare und mit den Zuständen im Herkunftsstaat in Einklang zu bringende Fluchtgeschichte darlegen, die mit Beweisangeboten bzw. mit dem Hinweis, wie die nötigen Beweise beschafft werden können, unterlegt sein muss. Darüber hinaus muss der Asylwerber nachvollziehbare und mit den Zuständen im Herkunftsstaat in Einklang zu bringende Ausführungen darbringen, warum er sich nicht des Schutzes des Staates - also insbesondere der Gerichte - bedient hat, um einer privaten oder punktuellen staatlichen Verfolgung zu entgehen. Erst dann kann davon gesprochen werden, dass der Asylwerber in der Lage war darzulegen, die - widerlegliche - Vermutung des Gesetzes, der Antrag sei offensichtlich unbegründet, stimme nicht (s.a. UBAS 16.02.2007, Zl. 254.648/0/25E-XIII/66/04).

Die Tatbestände der lit. a bis c des angeführten Protokolls trafen und treffen derzeit auf keinen EU-Mitgliedstaat zu. Ebenfalls ergab bereits eine Grobprüfung des zum vorliegenden Asylantrag erstatteten Vorbringens im Lichte der Anforderungen für eine individuelle Einzelprüfung nach lit. d des Protokolls nicht, dass die in lit. d des Protokolls Nr. 24 statuierte Vermutung im Falle des BF unzutreffend ist.

Es war zum einen überhaupt kein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Asylantragstellung des BF und seinem behaupteten Fluchtgrund gegeben.

Zum anderen kann von einer glaubwürdigen, nachvollziehbaren und mit den Zuständen im Herkunftsstaat in Einklang zu bringenden Fluchtgeschichte, die mit Beweisangeboten bzw. mit dem Hinweis, wie die nötigen Beweise beschafft werden können, unterlegt wäre, keine Rede sein. Da somit im vorliegenden Fall kein Anlass für eine Beschlussfassung iSd lit. d besteht und auch die Tatbestände der lit. a bis c des Protokolls Nr. 24 nicht erfüllt sind, darf der gegenständliche Asylantrag eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß dem einzigen Artikel des genannten Protokolls nicht berücksichtigt oder zur Bearbeitung zugelassen werden.

Die belangte Behörde hat den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß Protokoll Nr. 24 über die Gewährung von Asyl für Staatsangehörige von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zum Vertrag von Lissabon vom 13.12.2007, Amtsblatt (EG) Nr. C 306 bzw. Bundesgesetzblatt III Nr. 132/2009 zu Recht als unzulässig zurückzuweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substanziierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9).

Es konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

EU-Bürger individuelle Verhältnisse mangelnde Asylrelevanz strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G307.2221580.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten