TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/6 W196 2167700-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.05.2020
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Entscheidungsdatum

06.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W196 2167700-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX geb. XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2017, Zl. 1079676104-150935827 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Die Spruchpunkte III.-IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 24.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 25.07.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers nach dem AsylG 2005 statt. Der Beschwerdeführer gab an, in Somalia, geboren und sunnitischer Moslem zu sein. Er sei traditionell verheiratet und habe zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn. Seine Ehefrau, seine Kinder sowie seine Eltern und seine beiden Schwestern würden in Somalia leben. In Somalia habe er vier Jahre die Grundschule besucht. Er beherrsche die Sprache Somalisch und Englisch in Wort und Schrift. Zuletzt habe er als Journalist und Kameramann gearbeitet. Als Fluchtgrund gab er zusammengefasst an, dass wegen seiner Tätigkeit als Journalist und Kameramann, Gefahr für sein Leben von Seiten der Al Shabaab (Al Qaida) Truppen bestanden habe. Er habe keine andere Möglichkeit gehabt, als zu flüchten. Sie hätten ihn, auch wenn er seine Arbeit nicht aufgegeben hätte, nicht in Ruhe gelassen. Im Falle einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.

In der Folge brachte der BF diverse Unterlagen in Kopie in Vorlage, darunter:

-) Zertifikat, ausgestellt von UNHCR vom 31.12.2010, SNo: XXXX , über den Flüchtlingsstatus des BF in Kenia, Ref: XXXX

-) Schreiben von XXXX , worin bestätigt wurde, dass der BF von 2007 bis 2014 für XXXX , als Kameramann gearbeitet und Nachrichten bearbeitet hat;

-) Identitätskarte mit der Nr. XXXX -) somalischer Reisepass mit der Nr. XXXX ,

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am am 27.04.2017 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er für XXXX deren Firmensitz in Mogadischu sei, gearbeitet habe. Er sei dort zuletzt vor acht Jahren, vor seiner Ausreise, bei besagter Firma tätig gewesen. Dann sei er geflohen. Des Weitern gab er an, dass er dem Clan der Baadi Cade, einem Subclan der Hawiye, angehöre. Seine Eltern und seine beiden Schwestern würden sich in Somalia aufhalten. Seine Ehefrau und seine beiden Kinder seien seit 2016 in Äthiopien bei ihrem Onkel, in einem kleinen Dorf außerhalb Adis Abeba, aufhältig.

Im Rahmen der erneuten Einvernahme vor dem Bundesamt am 04.07.2017 gab der Beschwerdeführer an, dass er in Somalia als Kameramann gearbeitet habe. In Österreich habe er bei einem Radiosender in Englisch moderiert. Des Weiteren brachte er vor in den Jahren 2005 bis 2006 bei einer NGO in Somalia gearbeitet zu haben. Der letzte Kontakt zur NGO habe im Jahr 2008 stattgefunden. Er gehöre dem Clan der Hawiye, einem kleinen und unbewaffneten Clan an. Sie hätten keine Rechte. Der Beschwerdeführer habe mehrmals Probleme mit Al-Shabaab bekommen. Er sei politisch tätig gewesen, da er als Journalist für die Regierung und als Journalist für XXXX gearbeitet habe. Über Nachfrage, gab er an, dass XXXX nichts mit der Regierung zu tun habe und erklärte er wiederum befragt, dass er nicht für die Regierung gearbeitet habe, da es in ganz Somalia keine Regierung gebe. Dezidiert aufgefordert seine Fluchtgründe zu schildern, brachte er vor, dass sein Vater für die Regierung gearbeitet habe. Er sei der Schuldirektor und Bürgermeister von XXXX gewesen. Bis 1991 hätten sie genug Geld gehabt und wäre es ihnen gut gegangen. Sein Opa wäre auch dafür verantwortlich gewesen, wo welche Geschäfte gemacht würden. Nach dem Bürgerkrieg hätten sie probiert, so wie früher, weiter zu arbeiten. Der Beschwerdeführer und sein Vater hätten ihr Bestes gegeben. Sie hätten einen LKW als Transportmittel - der LKW sei in ganz Hiiran bis nach Mogadischu gefahren. Danach sei es nur schlimmer geworden. Die Clans hätten gegeneinander gekämpft und der LKW sei kaputt gegangen. Hawadle Leute hätten Felder von ihnen genommen. Diese Vorfälle datierte der BF in die Jahre 1992 bis 2008. Dann sei die Zeit gekommen, wo sein Vater krank geworden sei und nicht mehr arbeiten habe können. Dann habe er selbst eine Familie gegründet und angefangen als Kameramann zu arbeiten. Er habe selbst Videos gemacht und gutes Geld verdient. Alle sechs Monate habe er Bilder und Videos von 4000 Schülern aufnehmen müssen, welche von den Saudis unterstützt worden seien, und habe er den Saudis Bericht erstatten müssen. Im Jahr 2006 habe sich die Al-Shabaab gegründet, die die NGOs und die Leute, welche mit NGOs zusammenarbeiten hätten, töteten. Es sei immer schlechter geworden, und habe der Beschwerdeführer folglich keine Arbeit mehr gehabt. Er sei der einzige Kameramann in XXXX . Die Al-Shabaab hätten gewollt, dass der Beschwerdeführer aufnehme, wie sie Hände und Köpfe abhacken würden. Die Al-Shabaab hätten zwischen 2006 und 2007 vor seinen Augen seinen Opa getötet, woraufhin die somalische Regierung mit dem äthiopischen Militär nach XXXX gekommen sei. Sie hätten alle Jugendlichen eingesperrt und den Beschwerdeführer dazu gezwungen, mit der Al-Shabaab zusammen zu arbeiten. Der Beschwerdeführer habe sich dazu entschieden, heimlich weiter zu arbeiten, da er seine Familie habe ernähren müssen. Er habe heimlich Videos von Al-Shabaab gedreht und nach England geschickt. Das habe die Al-Shabaab mitbekommen, weil er der einzige Kameramann in der Stadt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe das äthiopische Militär, welches außerhalb der Stadt gewesen sei, um Hilfe ersucht. Das äthiopische Militär habe alle drei Monate gewechselt. Im Jahr 2008 sei er mit dem äthiopischen Militär nach Äthiopien gekommen. Folglich sei er, in einem LKW versteckt, nach Kenia gereist. Als er in Nairobi angekommen sei, habe er eine NGO aufgesucht und habe bei UNHCR einen Asylantrag stellen wollen. Er habe sich registrieren lassen und so seine Familie unterstützt. Danach sei er nicht mehr nach Somalia gekommen.

Mit Bescheid vom 20.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für eine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Dabei führte die Behörde zur Person des Beschwerdeführers aus, dass er somalischer Staatsbürger sei und dem starken und "noblen" Clan der Hawiye und dem Sub-Clan Bade Cade (Badiade) angehöre. Somit gehöre er keiner Minderheit und keiner Berufskaste an, sondern der stärksten Clanfamilie in Süd- und Zentralsomalia. Des Weiteren folgerte die belangte Behörde, dass nicht festgestellt werden haben könne, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen wäre. Es könne nicht festgestellt werden, dass er in Somalia aufgrund seiner politischen bzw. religiösen Gesinnung seitens staatlicher Organe Verfolgungshandlungen ausgesetzt sei oder dass er in Somalia aufgrund der Zugehörigkeit zum Clan der Hawiye der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt sei. Dass der Beschwerdeführer einer asylrelevante Bedrohung durch die radikalislamische Al-Shabaab-Miliz unterliege, habe ebenfalls nicht festgestellt werden können. In einer Zusammenschau vermochte der Beschwerdeführer asylrelevante Gründe nicht glaubhaft, nachvollziehbar und überzeugend darzustellen. Eine persönliche Bedrohung oder Verfolgung von staatlicher Seite sei nicht gegeben. Es drohe im Herkunftsstaat auch keine anderen allgemeinen Gefahren, welche eine Erteilung des subsidiären Schutzstatus rechtfertigen würden. Der Beschwerdeführer leide an keiner Erkrankung, welche ein Rückkehrhindernis darstelle. Aufgrund seines Alters, seiner Sprachkenntnisse, seines Gesundheitszustandes und seiner Arbeitsfähigkeit könne dem Beschwerdeführer demnach zugemutet werden, seine Lebensbedürfnisse im Herkunftsland zu befriedigen, dorthin zurückzukehren und einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Beweiswürdigend folgerte die Behörde, dass die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat keine asylrelevanten Probleme auf Grund seiner Religionszugehörigkeit sowie auf Grund seiner ethnischen Zugehörigkeit sowie der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe habe, auf dem Umstand gründe, dass er diesbezüglich nichts vorgebracht habe, was in einem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Antragstellung liege. Sein einziges Fluchtvorbringen sei die angebliche Furcht vor Al-Shabaab, welche sich auf das Jahr 2008 beziehe. Seitdem habe er in Kenia als anerkannter Flüchtling verbracht und sei dort einer Beschäftigung nachgegangen. Dazu, warum er Kenia verlassen habe, habe der Beschwerdeführer keine Angaben tätigen können. Dass er in ganz Somalia aufgrund seiner vergangenen Tätigkeiten als Kameramann einer Verfolgung ausgesetzt wäre, könne mit absoluter Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, da es sich beim Beschwerdeführer um keine berühmte Persönlichkeit handle - auch wenn er dies behauptet habe. Sein Gesicht sei weitgehend unbekannt, denn er wäre nur hinter der Kamera tätig und selbst dies sei fast 10 Jahre her. Auch dass er die Al Shabaab in Gebieten suchen würde, welche nicht unter deren Kontrolle stünden, wie zb. Mogadischu oder Puntland, könne mit absoluter Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Um zur sozialen Gruppe der Journalisten zu gehören, bräuchte er ein Merkmal, welches er nicht ablegen können. Diese seien jedoch nicht vorhanden und wäre der Beschwerdeführer jedenfalls in der Lage auch anderer beruflicher Tätigkeiten nachzugehen. Somit bestehe für den Beschwerdeführer auf jeden Fall eine innerstaatliche Fluchtalternative. Er habe Kontakte nach Mogadischu und er habe enge Verwandtschaft in Garowe, Puntland. Diese Gebiete seien erreichbar, ohne Al-Shabaab besetzte Gegenden durchqueren zu müssen. In Mogadischu und in Hargeysa gebe es Flughäfen, welche von internationalen Fluglinien angeflogen würden. Außerdem gehöre der Beschwerdeführer dem Clan der Hawiye an, somit habe er in Bezug auf die innerstaatliche Fluchtalternative alle Möglichkeiten in den angesprochenen Gebieten. Somit wären beide Möglichkeiten der innerstaatlichen Fluchtalternativen für den Beschwerdeführer absolut zumutbar. Die Feststellung, dass er in seinem Herkunftsstaat keine asylrelevanten Probleme mit Ämtern und Behörden habe, gründen ebenfalls darauf, dass er diesbezüglich nichts vorbrachte. Auch aus den sonstigen Umständen könne eine Verfolgung aus Gründen der Ethnie, Religion, Nationalität, Volksgruppe, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung nicht festgestellt werden. In Gesamtbetrachtung habe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl davon auszugehen, dass keine Gründe vorliegen, welche zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würden und auch keine Hinderungsgründe bezüglich einer Rückführung gegeben seien.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Dabei wurde darauf hingewiesen, dass die Behörde verkenne, dass der Beschwerdeführer einem Subclan der Hawiye und somit einem bedeutungslosem Clan, der in einer Clan-Hierachie-Kette ganz unten angesiedelt sei, angehöre, weshalb der Beschwerdeführer einem erhöhten Verfolgungsrisiko ausgesetzt sei. Zudem würde in den herangezogenen Länderfeststellungen die Information fehlen, inwiefern ob und unter welchen Umständen, und bis zu welchem Lebensjahr gar Zwangsrekrutierungen durch die Al-Shabaab stattfinden könnten. Der Beschwerdeführer sei nach wie vor in einem sehr leistungsfähigen Mannesalter, habe aufgrund seiner Journalisten- und Kameraführungstätigkeit, insbesondere für somalische Verhältnisse, einen großen internationalen Erfahrungsschatz und wäre er, wohl unter Zuhilfenahme von Zwangsmaßnahmen, eine Verstärkung für die Führungskader der Terrororganisation. Zudem sei der Beschwerdeführer anerkannter Flüchtling in Kenia und würden Flüchtlinge solcherart als Landesverräter angesehen und müssten diese sowohl von Regierung als auch von den wütenden Al-Shabaab Milizen mit Sanktionen bis hin zur gewaltsamen Tötung rechnen.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 25.10.2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Somalisch eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen, seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat, seiner Integration befragt wurde. Vorgelegt vom Beschwerdeführer und als Beilage ./1-6 zum Akt genommen wurden Unterlagen zu seiner Integration, Zeitungsartikel sowie weitere Bestätigungen und ein Bericht zur Situation in Süd- und Zentralsomalia.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, der eingebrachten Stellungnahmen im Rahmen der Beschwerdeverhandlung, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX Er gehört dem Clan der Hawiye an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Der Beschwerdeführer stellte am 24.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer wurde Beledweyne geboren und lebte er gemeinsam mit seiner Familie, bis zu seiner Ausreise nach Kenia, in XXXX . In Kenia wurde der Beschwerdeführer der Flüchtlingsstatus zuerkannt. Der Beschwerdeführer hat die Volks- und die Hauptschule besucht. Seiner Muttersprache ist Englisch und beherrscht er die englische Sprache in Wort und Schrift. Der Beschwerdeführer ist traditionell verheiratet; seine Ehefrau und seine beiden Kinder sind in Äthiopien aufhältig.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

Festgestellt wird, dass dem Beschwerdeführerin aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit und seiner dadurch unterstellten politischen Gesinnung in Somalia mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aktuelle Verfolgung entsprechender Intensität droht.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Somalia:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen:

1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia:

Allgemeine Menschenrechtslage

Sowohl in der Verfassung von Somalia als auch in jener von Puntland ist der Schutz der Menschenrechte in der Verfassung ebenso verankert, wie die pra¿gende Rolle der Scharia als Rechtsquelle (AA 1.1.2017).

Bei staatlichen somalischen Sicherheitskra¿ften stellen extralegale To¿tungen kein strukturelles Problem dar. Im Falle einer solchen To¿tung ist jedoch aufgrund des dysfunktionalen Justizsystems in der Regel von Straflosigkeit auszugehen (AA 1.1.2017). Es kommt zu extralegalen To¿tungen durch von mit der Regierung alliierten Milizen (AI 22.2.2017). Es liegen keine Berichte u¿ber Verschwindenlassen vor (AA 1.1.2017).

Bei Ka¿mpfen unter Beteiligung von AMISOM, Regierung, Milizen und al Shabaab kommt es zu zivilen Opfern (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). [Anm.: Siehe Abschnitt 3. Sicherheitslage.]

Zusa¿tzlich kommt es zu Ka¿mpfen zwischen Clans und Sub-Clans, meist im Streit um Wasser und andere Ressourcen; im Jahr 2016 waren davon v.a. Merka, Galkacyo und die Region Hiiraan betroffen (USDOS 3.3.2017).

Alle Konfliktparteien sind fu¿r Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, die in manchen Fa¿llen auch als Kriegsverbrechen bezeichnet werden ko¿nnen (AI 22.2.2017). Die schwersten Menschenrechtsverletzungen sind: To¿tung von Zivilisten durch al Shabaab, somalische Kra¿fte und unbekannte Angreifer; Gewalt und Diskriminierung von Frauen und Ma¿dchen, darunter Vergewaltigungen und FGM (USDOS 3.3.2017). In Su¿d-/Zentralsomalia werden extralegale To¿tungen in der Regel von der al Shabaab in von ihr kontrollierten Gebieten durchgefu¿hrt (AA 1.1.2017).

Weitere Menschenrechtsverletzungen sind Verschwindenlassen (durch al Shabaab); Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung; harte Haftbedingungen; willku¿rliche und politisch motivierte Verhaftungen; die Verweigerung fairer Verfahren; die Einschra¿nkung von Meinungs-, Presse-, Bewegungsfreiheit; Delogierung von IDPs; Korruption; Misshandlungen und Diskriminierung von Minderheiten-Clans. Generell ist Straflosigkeit die Norm. Die Regierung ergreift nur minimale Schritte, um o¿ffentlich Bedienstete strafrechtlich zu verfolgen (USDOS 3.3.2017).

Al Shabaab begeht Morde, entfu¿hrt Menschen, begeht Vergewaltigungen und vollzieht unmenschliche und grausame Bestrafungen; Bu¿rgerrechte und Bewegungsfreiheit werden eingeschra¿nkt. Al Shabaab rekrutiert Kindersoldaten (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 12.1.2017, BS 2016). Da auf dem Gebiet der al Shabaab eine strikte Interpretation der Scharia zur Anwendung gebracht wird, kommt es dort zu Folter und ko¿rperlichen Strafen, wenn die Interpretation nicht eingehalten wird (EASO 2.2016; vgl. AI 22.2.2017). Außerdem richtet al Shabaab regelma¿ßig und ohne ordentliches Verfahren Menschen unter dem Vorwurf hin, diese ha¿tten mit der Regierung, einer internationalen Organisation oder einer westlichen Hilfsorganisation zusammengearbeitet (AA 1.1.2017; vgl. AI 22.2.2017). Moralgesetze verbieten das Rauchen, das o¿ffentliche Einnehmen von Khat, weltliche Musik und das Tanzen (BS 2016), Filme, und Sport (EASO 2.2016); Verschleierung und Ma¿nnerhaarschnitte werden vorgeschrieben (BS 2016).

Zu Puntland liegen keine Erkenntnisse hinsichtlich extralegaler To¿tungen, willku¿rlicher Festnahmen, "Verschwindenlassen" oder Menschenhandel vor. Vorwu¿rfe dieser Art werden nicht erhoben (AA 1.1.2017).

Meinungs- und Pressefreiheit

Die U¿bergangsverfassung sieht Meinungs- und Pressefreiheit vor (USDOS 3.3.2017; vgl. LI 8.3.2016), allerdings halten sich weder die Bundesregierung noch regionale Autorita¿ten daran (USDOS 3.3.2017).

In Print- und v. a. Online-Publikationen spiegelt sich die Meinungsvielfalt in Mogadischu wider (AA 1.1.2017). Die Medien konnten hinsichtlich der Wahlen im Fru¿hjahr 2017 relativ frei agieren und Korruption und Wahlverschiebung anprangern (DW 10.2.2017).

Die meisten Bu¿rger beziehen ihre Informationen aus dem Radio. Alleine in Su¿d- /Zentralsomalia gibt es 50 Stationen (USDOS 3.3.2017), im Ma¿rz 2013 waren es 93 in ganz Somalia. Es gibt somalische und ausla¿ndische Radio- und Fernsehsender sowie das Somali- Service von BBC und Voice of America. Laut somalischer Journalistenunion gibt es im Land ca. 750 Journalisten (LI 8.3.2016).

Korruption und Bestechung im somalischen Journalismus schra¿nken die kritische Berichterstattung und die Glaubwu¿rdigkeit der Presse ein (LI 8.3.2016). Gleichzeitig sehen sich Journalisten regelma¿ßig Einflussnahme oder Zwangsmaßnahmen durch staatliche Stellen ausgesetzt (AA 1.1.2017). Immer wieder werden Presse- und Medieneinrichtungen voru¿bergehend geschlossen (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). Die National Union of Somali Journalists beobachtet die Lage der Medien und berichtet u¿ber U¿bergriffe gegenu¿ber Medien und Journalisten (NUSOJ 2017).

Die somalische Regierung, Regionalbeho¿rden, affiliierte Milizen, ASWJ, al Shabaab und andere Akteure to¿ten, misshandeln und bela¿stigen Journalisten (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 12.1.2017, AI 22.2.2017). Zwei Journalisten wurden 2016 erschossen (AI 22.2.2017). Eine andere Quelle berichtet davon, dass al Shabaab 22 Journalisten geto¿tet und 25 verletzt hat - nennt dazu aber keinen Zeitraum. Es kommt zu Fa¿llen von Inhaftierung ohne Anklage, von Polizeigewalt gegenu¿ber und von Bedrohung von Journalisten (UNHRC 6.9.2017).

2016 hat der NISA insgesamt 16 Journalisten festgenommen (USDOS 3.3.2017). Zwischen August 2016 und Februar 2017 wurden in ganz Somalia (inklusive Somaliland) 55 Journalisten willku¿rlich verhaftet und illegal inhaftiert. Fu¿nf Medienanstalten wurden geschlossen. 26 der Verhaftungen erfolgten in Somaliland, 14 im South-West-State, sieben in Mogadischu, vier in Jubaland, drei in Hirshabelle und eine in Galmudug. Die meisten .BFA Bundesamt fu¿r Fremdenwesen und Asyl Seite 84 von 147

Verhafteten wurden ohne Anklage wieder freigelassen (UNHRC 6.9.2017; vgl. USDOS 3.3.2017), manchmal mussten sie Strafzahlungen leisten (USDOS 3.3.2017). Kam es zu einer Anklage, wurde diese aus Mangel an Beweisen fallengelassen (UNHRC 6.9.2017).

Nach Einscha¿tzung von Reporter ohne Grenzen ist Somalia das gefa¿hrlichste Land weltweit fu¿r Journalisten. Das gilt nicht nur fu¿r die von der al Shabaab kontrollierten Gebiete. Auch daru¿ber hinaus werden immer wieder Journalisten von Ka¿mpfern der al Shabaab ermordet (AA 1.1.2017). Von 1992 bis 2016 sind in Somalia 59 Journalisten geto¿tet worden, die Mehrheit davon in den vergangenen zehn Jahren (LI 8.3.2016). Angriffe auf Journalisten oder Journalistenmorde werden nur selten untersucht (HRW 12.1.2017). Zum Selbstschutz achten viele Journalisten darauf, ihre Identita¿t bei Berichten oder Reportagen nicht preiszugeben. Viele Online- oder Printjournalisten verwenden Pseudonyme. Dies gilt auch fu¿r die Gebiete der U¿bergangsregierung. Ein weiteres Mittel zum Selbstschutz ist Selbstzensur. In den Jahren 2012 und 2013, als Angriffe auf Journalisten massiv zugenommen hatten, flohen einige Journalisten aus dem Land. Manche sind wieder zuru¿ckgekehrt (LI 8.3.2016).

Al Shabaab betreibt den Radiosender Radio Andalus (LI 8.3.2016) und unterdru¿ckt andere Medien (AI 22.2.2017) bzw. la¿sst auf dem von ihr kontrollierten Gebiet keine Berichterstattung zu (HRW 12.1.2017). Journalisten berichten daru¿ber, von al Shabaab Morddrohungen zu erhalten. Fu¿nf Journalisten wurden im Jahr 2016 von al Shabaab und unbekannten Bewaffneten ermordet (USDOS 3.3.2017). Journalisten auf dem Gebiet der al Shabaab haben zwei Mo¿glichkeiten: Entweder sie geho¿ren zu den al-Shabaab-eigenen Medien bzw. sie unterstu¿tzen al Shabaab; oder sie geben sich nicht als Journalisten zu erkennen. Neutrales oder kritisches Verhalten gegenu¿ber al Shabaab erho¿ht das Risiko, als Spion oder Regierungs-Sympathisant erachtet zu werden. Die Konsequenz wa¿re die Verurteilung zum Tode (LI 8.3.2016).

Neben al Shabaab und der Regierung versuchen auch andere Akteure die Medien zu behindern, z.B. Wirtschaftstreibende und andere Personen mit Macht- und Wirtschaftsinteressen. Nur selten bekennt sich al Shabaab zu einem Mord an Journalisten. In vielen Fa¿llen bleiben die Ta¿ter unbekannt und es ist nicht mo¿glich zu sagen, wer hinter diesen Taten steckt (LI 8.3.2016).

Die allgemeine Meinungsfreiheit wird durch das hohe Misstrauen in der Gesellschaft und den Mangel an durch die Regierung garantierter Sicherheit eingeschra¿nkt. Da Personen oft nicht wissen, welche Menschen in ihrem Umfeld der al Shabaab angeho¿ren, wird im allta¿glichen Leben ha¿ufig Selbstzensur geu¿bt. Dies ist mit ein Grund dafu¿r, dass kaum ein Bu¿rger es wagt, al Shabaab o¿ffentlich zu verurteilen oder Aktivita¿ten gegen die Gruppe zu unterstu¿tzen - aus Angst ums eigene Leben, und aus Angst davor, dass sich Personen im perso¿nlichen Umfeld abwenden (wiederum aus Angst davor, mit dem "Verra¿ter" assoziiert zu werden) (UNSOM 18.9.2017).

Die Regierung schra¿nkt den Zugang zum Internet ein, ist gibt aber keine glaubwu¿rdigen Berichte daru¿ber, dass die Regierung private Kommunikation u¿berwachen wu¿rde (USDOS 3.3.2017). Die al Shabaab hat hingegen durch Morddrohungen erwirkt, dass seit Februar 2014 kein mobiles Internet mehr verfu¿gbar ist (AA 1.1.2017) - zumindest auf dem Gebiet unter Kontrolle der al Shabaab (AI 22.2.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Die Verwendung von Smartphones ist dort verboten (LI 8.3.2016).

Todesstrafe

Die Todesstrafe wird in allen Landesteilen verha¿ngt und vollzogen, allerdings deutlich seltener in Gebieten unter der Kontrolle der jeweiligen Regierung/Beho¿rden und dort nur fu¿r schwerste Verbrechen. In den von der Regierung kontrollierten Gebieten und in Puntland kommt es unter anderem infolge von Staatsschutzdelikten auch nach Verfahren, die nicht internationalen Standards genu¿gen, zur Ausfu¿hrung der Todesstrafe (AA 1.1.2017). So werden etwa auf dem Gebiet der somalischen Regierung Todesurteile von Milita¿rgerichten ausgesprochen, welche sich nicht an internationalen Verfahrensstandards orientieren (AI 22.2.2017).

Im Jahr 2016 sind mindestens 64 Todesurteile verha¿ngt worden, die Mehrheit davon (43) in Puntland, wo eine Offensive der al Shabaab fehlgeschlagen war und entsprechend Gefangene gemacht wurden (HRW 27.1.2016). Mindestens 20 Todesurteile wurden im Jahr 2016 landesweit vollstreckt (USDOS 3.3.2017). Im zweiten Trimester 2017 wurden in Somalia neun Exekutionen vollstreckt (UNSC 5.9.2017).

Auch in von der al Shabaab kontrollierten Gebieten kommt es zu Hinrichtungen, oftmals wegen des Verdachts der Spionage; aber auch wegen Hexerei (AI 22.2.2017) oder wegen Ehebruchs und "Kooperation mit den Feinden des Islam" (d.h. mit der Regierung, AMISOM, UNO oder Hilfsorganisationen) wird die Todesstrafe verha¿ngt. Exekutionen durch al Shabaab werden o¿ffentlich vollzogen (AA 1.1.2017). Es gibt aktuell keine Berichte u¿ber Steinigungen (USDOS 3.3.2017).

Eine Zusicherung der Nichtverha¿ngung oder des Nichtvollzugs der Todesstrafe erscheint im Hinblick auf die jeweiligen Regierungen sehr unwahrscheinlich, im Hinblick auf die von der al Shabaab kontrollierten Gebiete aussichtslos (AA 1.1.2017).

Religionsfreiheit

Religio¿se Gruppen

Die somalische Bevo¿lkerung bekennt sich zum sunnitischen Islam (AA 1.1.2017). Gleichzeitig ist die große Mehrheit der Bevo¿lkerung Anha¿nger der Sufi-Tradition (EASO 8.2014).

Gebiete der al Shabaab

Al Shabaab setzt gewaltsam die eigene Interpretation des islamischen Rechts und Praxis durch. Dabei drangsaliert, verstu¿mmelt oder to¿tet die Gruppe Personen, welche sie verda¿chtigt, zu einer anderen Religion konvertiert zu sein oder jene, die sich nicht an die Edikte von al Shabaab halten. Vertreter der Regierung und ihrer Verbu¿ndeten werden unter dem Vorwand geto¿tet, sie seien Nicht-Muslime und Glaubensabtru¿nnige (USDOS 15.8.2017).

In Gebieten, wo al Shabaab die Kontrolle ausu¿bt, wurde als von der Gruppe als "nicht- islamisch" qualifiziertes Verhalten verboten, darunter Kino, Musik, das Zusehen bei Sportu¿bertragungen, der Verkauf von Khat, Rauchen, Internetnutzung und anderes (USDOS 15.8.2017), wie etwa Fußball spielen, singen, das Anho¿ren von nicht der al Shabaab geho¿renden Radiosendern (EASO 8.2014), traditionelle Musik (UNSOM 18.9.2017) sowie Tanzen (UNSOM 18.9.2017; vgl. BS 2016). Es gilt das Gebot der Vollverschleierung (USDOS 15.8.2017). Teils gibt es keine Freiheit bei der Religionsausu¿bung, es kommt zur Bestrafung von Personen, welche nicht beten oder die Moschee besuchen (UNSOM 18.9.2017).

Minderheiten und Clans (Clan-Schutz siehe Abschnitt 4)

Die somalische und auch die puntla¿ndische Verfassung bekennen sich zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (AA 1.1.2017). Allerdings waren Regierung und Parlament fu¿r lange Zeit entlang der sogenannten "4.5 Lo¿sung" organisiert, welche bedeutet, dass die Vertreter der großen Clans dieselbe Anzahl von Parlamentssitzen zustehen, wa¿hrend kleineren Clans und Minderheitengruppen gemeinsam die Ha¿lfte dieser Sitze zustehen (O¿B 9.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). So blieben die Clans der entscheidende Faktor in der somalischen und somalila¿ndischen Politik. Gegen oder ohne sie la¿sst sich kein Staat aufbauen. Dementsprechend sind politische Parteien, lokale Verwaltungen und auch das nationale Parlament um die verschiedenen Clans bzw. Sub-Clans organisiert, wobei die vier gro¿ßten Clans (Darood, Hawiye, Dir-Isaaq und Digil-Mirifle) Verwaltung, Politik, und Gesellschaft dominieren. Insgesamt hat sie bisher weder zu einem Fortschritt der ethnischen bzw. Clan- bedingten Gleichberechtigung beigetragen, noch hatte sie positive Auswirkungen auf das Miteinander auf Gemeindeebene (O¿B 9.2016). In politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten ist die Clanzugeho¿rigkeit also weiterhin wichtig, was Minderheiten und IDPs marginalisieren kann (SEM 31.5.2017).

Die Minderheiten sind im somalischen Parlament und der somalischen Regierung vertreten, ihre Stimme hat aber wenig Gewicht. Weder das traditionelle Recht xeer noch Polizei und Justiz benachteiligen die Minderheiten systematisch. Faktoren wie die Finanzkraft, das Bildungsniveau oder die zahlenma¿ßige Gro¿ße einer Gruppe ko¿nnen Minderheiten dennoch den Zugang zur Justiz erschweren. (SEM 31.5.2017). Viele Minderheitengemeinden leben in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 3.3.2017). Einzelne Minderheiten (u.a. Jareer, Benadiri, Gabooye) leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich in vielfacher Weise von der u¿brigen Bevo¿lkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 1.1.2017). Minderheitengemeinden sind u¿berproportional von der im Land herrschenden Gewalt betroffen (To¿tungen, Folter, Vergewaltigungen etc.) (USDOS 3.3.2017).

Gruppen wie die Rahanweyn, die Bantu oder die Madhiban ko¿nnen nur in geringerem Ausmaß auf Ru¿cku¿berweisungen durch Angeho¿rige in der Diaspora za¿hlen, da sich in der Diaspora verha¿ltnisma¿ßig wenige Rahanweyn und Bantu finden (SEMG 8.11.2017).

Bei al Shabaab gilt generell, dass jene Clans, die als gegen al Shabaab gerichtet erachtet werden, mit mehr Problemen zu rechnen haben - sei es z.B. eine ho¿here Besteuerung; o¿konomische Isolierung; oder Plu¿nderung (EASO 8.2014).

Bevo¿lkerungsstruktur

Mehr als 85% der Bevo¿lkerung teilen eine ethnische Herkunft (USDOS 3.3.2017). Eine andere Quelle besagt, dass laut einer Scha¿tzung aus dem Jahr 2002 die Minderheiten zusammen ungefa¿hr ein Drittel der Bevo¿lkerung Somalias ausmachen sollen (O¿B 9.2016). Jedenfalls gibt es in ganz Somalia eine Zersplitterung in zahlreiche Clans, Subclans und Sub-Subclans, deren Mitgliedschaft sich nach Verwandtschaftsbeziehungen bzw. nach traditionellem Zugeho¿rigkeitsempfinden bestimmt (AA 1.1.2017; vgl. O¿B 9.2016, SEM 31.5.2017). Diese Unterteilung setzt sich fort bis hinunter zur Kernfamilie (SEM 31.5.2017). Die Zugeho¿rigkeit zu einem Clan ist der wichtigste identita¿tsstiftende Faktor fu¿r Somalis. Sie bestimmt, wo jemand lebt, arbeitet und geschu¿tzt wird (SEM 31.5.2017). Dieses Identifikationsmerkmal bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA 4.2017a). Darum kennen Somalis u¿blicherweise ihre exakte Position im Clansystem (SEM 31.5.2017). Allerdings gibt eines keine physischen Charakteristika, welche die Zugeho¿rigkeit zu einem bestimmten Clan erkennen ließen. Daher wissen die Menschen in Mogadischu und anderen großen Sta¿dten nicht automatisch, welchem Clan eine Person angeho¿rt (LI 4.4.2016).

Die sogenannten "noblen" Clanfamilien ko¿nnen ihre Abstammung auf einen mythischen

gemeinsamen Vorfahren namens Hiil bzw. dessen So¿hne Samaale und Saab zuru¿ckverfolgen, die vom Propheten Mohammed abstammen sollen. Die meisten Minderheiten ko¿nnen eine solche Abstammung hingegen nicht geltend machen (SEM 31.5.2017).

Die Somalis sehen sich also als Nation arabischer Abstammung. Die "noblen" Clanfamilien sind meist Nomaden:

Die Darod sind gegliedert in die drei Hauptgruppen Ogaden, Marehan und Harti sowie einige kleinere Clans. Die Harti sind eine Fo¿deration von drei Clans: Die Majerteen sind der wichtigste Clan Puntlands, wa¿hrend die Dulbahante und Warsangeli in den zwischen Somaliland und Puntland umstrittenen Grenzregionen leben. Die Ogaden sind der wichtigste somalische Clan in A¿thiopien, haben aber auch großen Einfluss in den su¿dsomalischen Jubba-Regionen sowie im Nordosten Kenias. Die Marehan sind in Su¿d- /Zentralsomalia pra¿sent.

Die Hawiye leben v.a. in Su¿d-/Zentralsomalia. Die wichtigsten Hawiye-Clans sind die Habr Gedir und die Abgaal, beide haben in und um Mogadischu großen Einfluss.

Die Dir leben im Westen Somalilands sowie in den angrenzenden Gebieten in A¿thiopien und Djibouti, außerdem in kleineren Gebieten Su¿d-/Zentralsomalias. Die wichtigsten Dir- Clans sind die Issa, Gadabursi (beide im Norden) und Biyomaal (Su¿d-/Zentralsomalia).

Die Isaaq sind die wichtigste Clanfamilie in Somaliland, wo sie kompakt leben. Teils werden sie zu den Dir gerechnet.

Die Rahanweyn bzw. Digil/Mirifle werden als weitere Clanfamilie gesehen. Sie gelten als Nachfahren von Saab, dem Bruder von Samaale (SEM 31.5.2017; vgl. AA 4.2017a).

Es ist nicht mo¿glich, die genauen Zahlenverha¿ltnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Isaaq und Digil/Mirifle stellen wohl je 20-25% der Gesamtbevo¿lkerung, die Dir deutlich weniger (AA 4.2017a).

Alle Mehrheitsclans sowie ein Teil der ethnischen Minderheiten - nicht aber die berufssta¿ndischen Gruppen - haben ihr eigenes Territorium. Dessen Ausdehnung kann sich u.a. aufgrund von Konflikten vera¿ndern (SEM 31.5.2017).

Als Minderheiten werden jene Gruppen bezeichnet, die aufgrund ihrer geringeren Anzahl schwa¿cher als die "noblen" Mehrheitsclans sind. Dazu geho¿ren Gruppen mit nichtsomalischer ethnischer Abstammung; Gruppen, die traditionell als unrein angesehene Berufe ausu¿ben; sowie die Angeho¿rigen "nobler" Clans, die nicht auf dem Territorium ihres Clans leben oder zahlenma¿ßig klein sind (SEM 31.5.2017).

Subjekte gezielter Attentate durch al Shabaab

Generell stellen in erster Linie AMISOM und nationale sowie regionale Beho¿rdenvertreter Ziele fu¿r Angriffe der al Shabaab dar (SEMG 8.11.2017). Neben AMISOM und Sicherheitskra¿ften (BFA 8.2017) wird al Shabaab auch weiterhin Zivilisten gezielt angreifen, darunter: die somalische Regierung, Parlamentarier und Offizielle (UKHO 7.2017); Regierungsbedienstete, mit der Regierung in Verbindung gebrachte Zivilisten; Angestellte von NGOs und internationalen Organisationen (BFA 8.2017; vgl. USDOS 3.3.2017, UKHO 7.2017); Wirtschaftstreibende; A¿lteste (BFA 8.2017; vgl. UKHO 7.2017) und deren Angeho¿rige; diplomatische Missionen; prominente Friedensaktivisten und Gemeindefu¿hrer (USDOS 3.3.2017); Journalisten (UKHO 7.2017; vgl. HRW 12.1.2017); mutmaßliche Kollaborateure und Spione (USDOS 3.3.2017; vgl. BFA 8.2017, UKHO 7.2017); Deserteure (UKHO 7.2017) sowie Personen, die am letzten Wahlprozess mitgewirkt haben; Personen all dieser Kategorien werden insbesondere dann zum Ziel, wenn sie keine Steuern an al Shabaab abfu¿hren (BFA 8.2017).

Es kommt also z.B. in Mogadischu regelma¿ßig zu Angriffen auf Zivilisten und zivile Strukturen (HRW 12.1.2017). Im Durchschnitt werden der al Shabaab in Mogadischu pro Monat ca. 20 Morde zugerechnet. Allerdings wird oft nur angegeben, dass al Shabaab fu¿r ein Attentat die Verantwortung tra¿gt, obwohl dies gar nicht klar ist (BFA 8.2017).

In Gebieten, die von der al Shabaab kontrolliert werden, gelten eine Unterstu¿tzung der Regierung und A¿ußerungen gegen al Shabaab als ausreichend, um als Verra¿ter verurteilt und hingerichtet zu werden. In den von al Shabaab kontrollierten Gebieten werden Unterstu¿tzer der staatlichen Strukturen oder Mitarbeiter von Hilfsorganisationen als milita¿risches Ziel definiert und entsprechend zur Ermordung freigegeben (AA 1.1.2017). Al Shabaab exekutiert vor allem jene, welche der Spionage fu¿r oder Kollaboration mit der Regierung bezichtigt werden (HRW 12.1.2017).

Die Schwelle dessen, was die al Shabaab als Kollaboration mit dem Feind wahrnimmt, ist mitunter sehr niedrig angesetzt. Insbesondere in Frontgebieten oder Orten, deren Herrschaft wechselt, kann auch das Verkaufen von Tee an Soldaten bereits als Kollaboration wahrgenommen werden. Generell sind aber das Ausmaß und/oder die Gewissheit der Kollaboration; der Ort des Geschehens; und die Beziehungen der betroffenen Person dafu¿r ausschlaggebend, ob al Shabaab die entsprechenden Konsequenzen setzt (BFA 8.2017). Besonders gefa¿hrdet sind Personen, welche folgende Aspekte erfu¿llen: a) die Kollaboration ist offensichtlich; b) der Ort la¿sst eine leichte Identifizierung des Kollaborateurs zu; c) eine Exekution wird als maßgebliches Abschreckungszeichen wahrgenommen; d) wenn sich die Kollaboration in einem Ort mit fluktuierender Kontrolllage zugetragen hat (BFA 8.2017). Spezifisch als mo¿gliche Ziele aufgrund von Kollaboration genannt wurden z.B. Ru¿ckkehrer in Gebiete der al Shabaab (Vorwurf der Spionage); Ha¿ndler/Wirtschaftstreibende, welche z.B. AMISOM beliefern; Arbeiter oder Handwerker, die z.B. fu¿r Ministerien ta¿tig werden; Hotels, die Politikern Unterkunft geben. Besonders gefa¿hrdet sind Personen, die von der al Shabaab als Spione wahrgenommen werden. Es kommt fast ta¿glich zu U¿bergriffen bis hin zur Exekution von der Spionage verda¿chtigten Personen (BFA 8.2017).

Im zweiten Trimester 2017 wurden insgesamt 12 Teilnehmer am Wahlprozess gezielt ermordet. Allerdings hat die al Shabaab nur fu¿r vier dieser Morde die Verantwortung u¿bernommen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNHRC 6.9.2017). Bereits im ersten Trimester 2017 waren 14 Teilnehmer geto¿tet worden, die al Shabaab u¿bernahm die Verantwortung fu¿r drei Morde (UNSC 9.5.2017). Eine andere Quelle spricht alleine im ersten Quartal 2017 von 90 in Zusammenhang mit der Wahl geto¿teten Personen, wobei die al Shabaab allerdings nur fu¿r acht Morde die Verantwortung u¿bernommen hat. Vor allem in Mogadischu (SEMG 8.11.2017) stellt der Schutz der am Wahlprozess beteiligten Personen eine neue Herausforderung dar (UNHRC 6.9.2017).

Al Shabaab verfu¿gt u¿ber die Kapazita¿ten, menschliche Ziele - auch in Mogadischu - aufzuspu¿ren. Unklar ist allerdings, fu¿r welche Person al Shabaab bereit ist, diese Kapazita¿ten auch tatsa¿chlich aufzuwenden. Außerdem unterliegt auch al Shabaab den Clan- Dynamiken, ist die Gruppe bei der Zielauswahl an gewisse Grenzen gebunden. Durch die Verbindungen mit unterschiedlichen Clans ergeben sich automatisch Beschra¿nkungen. Zusa¿tzlich mo¿chte die al Shabaab mit jedem begangenen Anschlag und mit jedem veru¿bten Attentat auch ein entsprechendes Publikum erreichen (BFA 8.2017). Auch wenn al Shabaab einige Menschen in Somalia als "legitime Ziele" erachtet, so gilt dies fu¿r die meisten Zivilisten nicht. Dass normale Zivilisten in von der Regierung und AMISOM kontrollierten Gebieten zum Ziel der al Shabaab werden, ist unwahrscheinlich. Auch "low level"-Ziele (z.B. lokale Mitarbeiter von internationalen oder nationalen NGOs) sind keine Priorita¿t der al Shabaab, sie werden nicht generell angegriffen. Andererseits ko¿nnen high profile Personen, die etwa die Regierung oder die internationale Gemeinschaft repra¿sentieren, einem hohen Risiko ausgesetzt sein. Auch Personen, die als Unterstu¿tzer der somalischen Regierung wahrgenommen werden, ko¿nnen - je nach perso¿nlichen Umsta¿nden - einem Risiko ausgesetzt sein. Dies gilt auch fu¿r Journalisten oder Mitarbeiter von NGOs, je nachdem, wie sehr sich ihre Aktivita¿ten gegen al Shabaab wenden (UKHO 7.2017).

Zivilisten, die nicht in eine der weiter oben genannten Kategorien fallen, stellen fu¿r al Shabaab kein legitimes Ziel dar (DIS 3.2017). Dies gilt auch fu¿r Ru¿ckkehrer aus der Diaspora (UKUT 3.10.2014). Es gibt keine Berichte, wonach al Shabaab normale Zivilisten - oder auch Ru¿ckkehrer aus dem Westen - systematisch angreifen wu¿rde. Natu¿rlich besteht aber fu¿r Zivilisten immer das Risiko, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein (DIS 3.2017). Generell ist ein "normaler Zivilist" (keine Verbindung zur Regierung; zu Sicherheitskra¿ften; zu Beho¿rden; zu NGOs oder internationalen Organisationen) - auch bei einer Ru¿ckkehr nach Mogadischu - keinem derartigen Risiko ausgesetzt, dass dieses einen Schutz gema¿ß Artikel 3 oder Artikel 15c erforderlich machen wu¿rde (UKUT 3.10.2014; vgl. EGMR 10.9.2015).

Aufgrund der u¿berregionalen Aktivita¿ten und der Vernetzung des Amniyad sind - vor allem prominente - Zielpersonen auch bei einer innerstaatlichen Flucht gefa¿hrdet (BFA 8.2017). U¿blicherweise verfolgt al Shabaab zielgerichtet jene Person, derer sie habhaft werden will. Sollte die betroffene Person nicht gefunden werden, ko¿nnte stattdessen ein Familienmitglied ins Visier genommen werden. Wurde die al Shabaab der eigentlichen Zielperson habhaft bzw. hat sie diese ermordet, dann gibt es keinen Grund mehr, Familienangeho¿rige zu bedrohen oder zu ermorden. Manchmal kann es zur Erpressung von Angeho¿rigen kommen (BFA 8.2017). Es gibt so gut wie keine bekannten Fa¿lle, wo sich al Shabaab gegen Angeho¿rige von Deserteuren gerichtet ha¿tte (DIS 3.2017).

Gefa¿hrdung hinsichtlich der Nicht-Entrichtung von Steuern / Schutzgeld / Zakat

Al Shabaab erhebt mit dem Zakat eine Steuer, die etwa Wirtschaftstreibenden - vom Taxifahrer bis zum international ta¿tigen Unternehmer - oder Landwirten abgepresst wird. Im Falle des Nichtzahlens wird physische Gewalt angedroht. Der Zakat wird im Namen der al Shabaab (unfreiwillig) auch u¿ber A¿lteste eingehoben und an die Gruppe weitergeleitet. Wer sich gegen dieses System auflehnt, dem drohen Repressionen, die sich gegen das Eigentum oder sogar gegen das Leben richten ko¿nnen (UNSOM 18.9.2017). Bei der Einhebung des Zakat geht die Gruppe zunehmend aggressiv vor, und zwar sowohl hinsichtlich Quantita¿t der und Frequenz der Abgabe als auch hinsichtlich der dabei angewendeten erpresserischen Methoden - bis hin zur Gewaltanwendung. So brannte al Shabaab im Ma¿rz 2017 mehrere Geba¿ude in Gaaleefto (Middle Shabelle) nieder und entfu¿hrte fu¿nf A¿lteste, da sich die Gemeinde geweigert hatte, Steuern abzufu¿hren (SEMG 8.11.2017).

Am Beispiel Bay ist zu sehen, dass die eigenen Kra¿fte der al Shabaab dort durch Einnahmen aus der Besteuerung lokaler Ma¿rkte, durch Wegzoll und ein- bis zweimalig pro Jahr eingehobenen Zakat finanziert werden, wa¿hrend von Firmen und NGOs erpresstes Schutzgeld an die Fu¿hrung abgegeben wird. Um Geld von NGOs zu erpressen, werden auch vermehrt NGO-Mitarbeiter entfu¿hrt (SEMG 8.11.2017).

Bei vielen Forderungen der al Shabaab handelt es sich de facto um Schutzgeldzahlungen im klassischen Sinne. Das Personal internationaler Organisationen wird in der Regel solange nicht zum individuellen Ziel, solange Steuern an al Shabaab gezahlt werden. Und so zahlen die Bedrohten eine kleine Steuer und erhalten im Gegenzug dafu¿r "Schutz" bzw. wird man in Ruhe gelassen (BFA 8.2017).

Steuern werden von unterschiedlichsten Personengruppen und Institutionen eingefordert: Von Taxifahrern in Mogadischu, von Regierungsbediensteten oder Angestellten internationaler Organisationen, von Deserteuren oder Angestellten von NGOs, von Hotelbesitzern und anderen Wirtschaftstreibenden (BFA 8.2017).

Generell richtet sich al Shabaab bei der Eintreibung von Steuern aber eher an die Wirtschaftstreibenden. Zur Besteuerung jeder Einzelperson reichen ihre Kapazita¿ten nicht aus. Insgesamt scheinen Bedrohungen nichts Ungewo¿hnliches zu sein, in Einzelfa¿llen erfolgt die Realisierung (BFA 8.2017).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zum Namen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben in der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Zudem brachte der BF die Kopie einer Identitätskarte und eines Reisepasses in Vorlage.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Somalia deckenden - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Herkunft, seinem Aufenthaltsort in Somalia, zu seinen Sprachkenntnissen und seinen bisherigen beruflichen Erfahrungen, seinem Familienstand, seinen familiären Anknüpfungspunkten in Somalia, sowie seiner Muttersprache waren gleichbleibend und widerspruchsfrei, chronologisch stringent und plausibel.

Die Feststellungen, dass der BF in Kenia den Flüchtlingsstatus erhalten hat, ergibt sich aus einem diesbezüglichen Zertifikat, ausgestellt von UNHCR.

Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit beruht auf einem Auszug aus dem Strafregister.

Die Feststellungen zu seiner beruflichen Tätigkeit ergibt sich anhand der Vorlage diverser Bestätigungen und seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben.

Der Beschwerdeführer machte in der mündlichen Verhandlung durchaus schlüssige Angaben zu seiner Berufstätigkeit. So schilderte er etwa glaubhaft, für einen TV- Sender gearbeitet zu haben. Neben seiner Kameratätigkeit habe er auch journalistische Tätigkeiten wahrgenommen, was mit der vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigung auch übereinstimmt.

Dass der BF in Kenia aufhatltig war, auch dort journalistisch tätig war und folglich angegriffen wurde, ist ebenfalls glaubhaft, da er entsprechende Zeitungsartikel und auch ein Schriftstück der kenianischen Polizei in Vorlage brachte.

Das Bundesverwaltungsgericht stellt daher fest, dass der Beschwerdeführer lebhaft und detailliert von seiner Arbeit erzählte und auch Beweismittel vorlegte. Somit besteht keine Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer in Somalia tatsächlich als Kameramann bzw. Journalist gearbeitet hat, weshalb eine entsprechende Feststellung getroffen werden konnte.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf aufmerksam zu machen, dass aus den angeführten Länderinformationen hervorgeht, dass nach Einschätzung von Reporter ohne Grenzen Somalia das gefährlichste Land weltweit für Journalisten ist. Das gilt nicht nur für die von der Al Shabaab kontrollierten Gebiete. Darüber hinaus werden immer wieder Journalisten von Kämpfern der Al Shabaab ermordet.

Abgesehen von der individuell glaubwürdig vorgebrachten Verfolgungsgefahr ist eine drohende Verfolgung insbesondere vor dem Hintergrund der festgestellten aktuellen Situation im Herkunftsstaat objektiv wahrscheinlich. So muss darauf hingewiesen werden, dass sich aus den Länderberichten ergibt, dass die Schwelle dessen, was die Al Shabaab als Kollaboration mit dem Feind wahrnimmt, mitunter sehr niedrig angesetzt ist. Generell sind das Ausmaß und/oder die Gewissheit der Kollaboration, der Ort des Geschehens und die Beziehungen der betroffenen Person dafür ausschlaggebend, ob Al Shabaab die entsprechenden Konsequenzen setzt. Für den Fall des Beschwerdeführers bedeutet, dies, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass er ins Visier der Al Shabaab geraten würde, was mit einer Gefahr für Leib und Leben des Beschwerdeführers einherginge. Deshalb konnten auch diesbezügliche Feststellungen getroffen werden.

Die Feststellungen zur Schutzunfähigkeit der somalischen Sicherheitsbehörden ergeben sich aus den diesbezüglich notorischen, aber auch oben festgestellten Länderinformationen.

2.2. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).

Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:

Aufgrund der getroffenen Feststellungen muss angenommen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seine Heimatregion einer aktuellen und maßgeblichen Verfolgungsgefahr durch Al Shabaab wegen einer ihm auch nur unterstellten oppositionellen religiösen oder politischen Gesinnung, basierend auf seiner Tätigkeit als Kameramann bzw. Journalist unterliegen würde.

Von einer ausreichenden Schutzfähigkeit der somalischen (und ausländischen) Sicherheitsbehörden kann auf Basis der Länderinformationen nicht ausgegangen werden.

Eine Prüfung der innerstaatlichen Fluchtalternative kann vor dem Hintergrund entfallen, da der Beschwerdeführer auch einen Angriff auf seine Person in Kenia glaubhaft machen konnte, weshalb im gegenständlichen Fall nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausgegangen werden kann, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in das Visier von Al-Shabaab geraten würde.

Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG ergeben haben, ist dem Beschwerdeführer nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 2016/24 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.

Die Spruchpunkte III. und IV. waren ersatzlos zu beheben, zumal die von der belangten Behörde unter diesen Spruchpunkten getroffenen Aussprüche schon in Folge der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ihre rechtliche Grundlage verlieren.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Asylgewährung asylrechtlich relevante Verfolgung Behebung der Entscheidung Flüchtlingseigenschaft Schutzunfähigkeit Schutzunwilligkeit unterstellte politische Gesinnung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W196.2167700.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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