Entscheidungsdatum
06.05.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
G310 2229556-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Albanien vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2020, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Einreiseverbots zu Recht:
A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass Spruchpunkt II. zu lauten hat:
"Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX.2020 am XXXX festgenommen, weil er sich vor einem Flug in das Vereinigte Königreich mit einem gefälschten Dokument ausgewiesen hatte. Nach seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde ihm mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt, gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Albanien zulässig sei (Spruchpunkt I.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
Am XXXX.02.2020 reiste der BF im Rahmen der unterstützten freiwilligen Rückkehr nach Albanien aus.
Gegen die Spruchpunkte II. bis III. des Bescheids richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, das Einreiseverbot zu beheben bzw. Spruchpunkt III. zu beheben und festzustellen, dass dem BF eine Frist zur freiwilligen Ausreise hätte eingeräumt werden müssen, in eventu, das Einreiseverbot zu verkürzen. Dies wird zusammengefasst damit begründet, dass der BF EUR XXXX bei sich geführt habe, jedoch unbescholten sei und bei der Einvernahme an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mitgewirkt habe. Selbst wenn formell der Tatbestand der Mittellosigkeit erfüllt sei, erfordere dies nicht zwingend die Erlassung eines Einreiseverbots. Daher sei das Einreiseverbot in der Dauer von vier Jahren unverhältnismäßig hoch angesetzt worden und sei die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Unrecht erfolgt. Auch hätte eine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt werden müssen, was auch für einen allfälligen Antrag auf Aufhebung oder Verkürzung des Einreiseverbots gemäß § 60 Abs 1 FPG, der eine fristgerechte Ausreise voraussetze, relevant sei.
Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, den angefochtenen Bescheid zu bestätigen.
Mit Teilerkenntnis des BVwG vom 17.03.2020, G312 XXXX, wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht zuerkannt.
Feststellungen:
Der BF kam am XXXX im albanischen Ort XXXX zur Welt. Er ist albanischer Staatsangehöriger und spricht Albanisch. Er besuchte in Griechenland die Grundschule und ging danach in Griechenland einer Arbeit nach. 2014 ging er zurück nach Albanien und von dort nach London, wo er sich drei Jahre illegal aufgehalten und gearbeitet hat. Vor ungefähr drei Monaten kehrte er aufgrund eines Todesfalls nach Albanien zurück. In seinem Herkunftsstaat halten sich sein Vater und ein Onkel mit dessen Familie auf. Seine Mutter lebt in Italien.
Der BF hat einen am XXXX.2020 ausgestellten und bis XXXX.2030 gültigen albanische Reisepass, mit welchen er am XXXX.2020 von Italien in das österreichische Bundesgebiet einreiste. Er beabsichtigte am XXXX.2020 unter Verwendung eines gefälschten griechischen Personalausweises bei der Ausreisekontrolle am XXXX in das Vereinigte Königreich weiterzureisen. Bei seiner Festnahme hatte er noch ungefähr EUR XXXX in bar bei sich.
Mit der rechtskräftigen Strafverfügung der XXXX vom XXXX.2020, XXXX, wurde gegen den BF wegen nicht rechtmäßigen Aufenthalts (§ 120 Abs. 1a FPG iVm § 31 Abs. 1, 1a FPG) eine Geldstrafe von EUR 500,00 verhängt.
Albanien ist seit 2009 NATO-Mitglied und seit 2014 EU-Beitrittskandidat. Die Todesstrafe ist abgeschafft. In Albanien herrschen keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen. Rückgeführte Staatsangehörige werden nicht diskriminiert und haben nicht mit staatlicher Repression zu rechnen. Es sind keine Fälle von Misshandlungen bekannt. Eine Festnahme erfolgt nur, wenn gegen eine Person aufgrund anderer Delikte ermittelt wird. Albanien kommt seinen im Rücknahmeabkommen mit der EU kodifizierten Verpflichtungen nach.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor. Die Angaben des BF bei der Einvernahme vor dem BFA waren grundsätzlich schlüssig und können der Entscheidung daher zugrunde gelegt werden.
Die Identität des BF wird anhand der vorliegenden Kopie aus seinem Reisepass festgestellt. Albanischkenntnisse sind aufgrund seiner Herkunft und der in Albanien absolvierten Ausbildung plausibel. Die Feststellungen zu seiner Ausbildung und seinen familiären Anknüpfungen in Albanien und Italien basieren auf seiner Darstellung vor dem BFA. Auch seine Einreise in das Bundesgebiet, der anschließende Aufenthalt in Wien und die beabsichtigte Weiterreise in das Vereinigte Königreich werden auf dieser Grundlage festgestellt, wie auch sein vorangegangener illegaler Aufenthalt dort.
In Bezug auf die Verwendung von einem gefälschten griechischen Personalausweis für die Weiterreise in das Vereinigte Königreich war der BF geständig. Seine Unbescholtenheit in Österreich geht aus dem Strafregister hervor; Anhaltspunkte für strafgerichtliche Verurteilungen in anderen Staaten bestehen nicht.
Der BF bezeichnete sich vor dem BFA als gesund; Indizien für gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen seiner Erwerbsfähigkeit fehlen. Er erklärte außerdem, ledig und kinderlos zu sein.
Die Bestätigung der Ausreise liegt im Akt auf.
Es sind keine Anhaltspunkte für eine Integration des BF in Österreich zutage getreten, zumal er ohnehin nach einem kurzen Aufenthalt in Wien in das Vereinigte Königreich weiterreisen wollte. Da auch der Beschwerde keine weiteren relevanten privaten oder familiären Bindungen des BF in Österreich zu entnehmen sind, ist von deren Fehlen auszugehen. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu seiner in Italien lebenden Mutter lässt sich seinen Angaben nicht entnehmen, zumal aus dem Amtsvermerk der XXXX vom XXXX.2020 hervorgeht, dass sich der BF zuvor bereits drei Jahre in London gelebt und gearbeitet hat.
Bei der Einvernahme gab der BF Bargeld in der Höhe von EUR 70,00 an. Beweisergebnisse für weitere finanzielle Mittel liegen nicht vor. Auch gab der BF anlässlich seiner Einvernahme an, dass keine Möglichkeit bestehe, in Österreich auf legale Art und Weise an Geld zu kommen.
Die Feststellungen zur Lage in Albanien beruhen auf den vom BF nicht beanstandeten Länderinformationen, die im angefochtenen Bescheid unter Angabe konkreter Quellen angegeben wurden. Die Behörde hat dabei Berichte verschiedener allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Es wurden im Verfahren keine Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit dieser Informationen Bedenken aufkommen ließen. Auch in der Beschwerde werden weder die Aktualität noch die inhaltliche Richtigkeit dieser Informationen in Zweifel gezogen.
Rechtliche Beurteilung:
Der BF ließ den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ausdrücklich unbekämpft.
Zu Spruchteil A):
Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:
Gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs. 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.
Ein Einreiseverbot ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des oder der Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).
Die Einschätzung des BFA, der BF habe das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nicht nachgewiesen, ist nicht zu beanstanden, zumal er bei der Festnahme nur über finanzielle Mittel von ca. EUR 70,00 verfügte und keine weiteren Mittel nachwies. Da der BF volljährig ist, ist er als selbsterhaltungsfähig anzusehen, sodass kein Unterhaltsanspruch gegen seine Eltern oder andere Familienangehörige besteht. Er hat daher keinen Rechtsanspruch auf eine finanzielle Unterstützung durch sie. Außerdem hatte er gar nicht vor, nach Albanien zurückzukehren, sondern wollte in das Vereinigte Königreich weiterreisen, sodass EUR 70,00 für die Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung während der beabsichtigten Aufenthaltsdauer und für die Rückreise nach Albanien nicht als ausreichend anzusehen sind, zumal er keine Möglichkeit hatte, weitere Unterhaltsmittel auf legalem Weg zu erwerben.
Aus der Mittellosigkeit des BF resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG gerechtfertigt ist (VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309). Da dem BF neben dem Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel auch zur Last fällt, dass er gefälschte Dokumente verwendete und versuchte, eine unrichtige Identität als EWR-Bürger vorzutäuschen, um so unbehelligt in das Vereinigte Königreich weiterzureisen, geht von ihm eine signifikante Gefährdung öffentlicher Interessen aus. Dem BFA ist vor diesem Hintergrund darin beizupflichten, dass für ihn keine günstige Zukunftsprognose erstellt werden kann und Wiederholungsgefahr besteht.
Private oder familiäre Interessen des BF stehen der Verhängung eines bis zu fünfjährigen Einreiseverbots nicht entgegen. Es bestehen keine signifikanten privaten, sozialen, beruflichen oder gesellschaftlichen Anknüpfungen in Österreich oder anderen Vertragsstaaten. Er hat starke Bindungen zu seinem Heimatstaat Albanien, wo er den Großteil seines Lebens verbrachte, die Schule absolvierte und sein Vater wie auch weitere Angehörige leben. Als gesundem, alleinstehendem jungem Mann mit einer abgeschlossenen Schulbildung wird es ihm möglich sein, sich nach der Rückkehr nach Albanien dort auch wieder eine Existenzgrundlage zu schaffen. Der BF kann den Kontakt zu seiner in Italien lebenden Mutter über diverse Kommunikationsmittel (Telefon, E-Mail, Internet, soziale Netzwerke) und bei Besuchen in Albanien (oder in anderen Staaten außerhalb des Schengen-Gebiets) pflegen. Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF vermag weder sein Interesse an einem Verbleib zu verstärken noch das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung abzuschwächen (vgl. VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253). Aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthalts und der Verwendung gefälschter Dokumente sind ihm Verstöße gegen die öffentliche Ordnung iSd § 9 Abs. 2 Z 7 BFA-VG anzulasten. Den Behörden zurechenbare überlange Verfahrensverzögerungen liegen nicht vor.
Im Ergebnis sind somit die Voraussetzungen für die Erlassung eines maximal fünfjährigen Einreiseverbots erfüllt. Dessen Dauer ist aber - in teilweiser Stattgebung der Beschwerde - auf zwei Jahre zu reduzieren, was dem Fehlverhalten des (noch) unbescholtenen BF entspricht. Dadurch bleibt auch eine Steigerung der Sanktion bei einem neuerlichen, allenfalls schwerwiegenderen Fehlverhalten möglich.
Da keine Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG vorlagen, ist daran anknüpfend gemäß § 55 Abs. 4 FPG von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen; dies gilt unabhängig von einem allenfalls später geplanten Antrag auf Aufhebung oder Verkürzung des Einreiseverbots.
Zum Entfall einer Verhandlung:
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG die beantragte Beschwerdeverhandlung, von der keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten ist.
Zu Spruchteil B):
Die Revision ist nicht zu zulassen, weil das BVwG keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zu lösen hatte und sich an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte. Die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorzunehmende Interessenabwägung und die Erstellung einer Gefährdungsprognose können jeweils nur im Einzelfall beurteilt werden (vgl. VwGH 10.07.2019, Ra 2019/19/0186).
Schlagworte
Einreiseverbot Herabsetzung Interessenabwägung Milderungsgründe öffentliche Interessen UnbescholtenheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2229556.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020