TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/7 W265 2230407-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.2020
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Entscheidungsdatum

07.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
VOG §1
VOG §10
VOG §3
VOG §4

Spruch

W265 2230407-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 14.02.2020, betreffend die Abweisung des Antrages auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) in Form des Ersatzes des Verdienstentganges sowie der Kostenübernahme für psychotherapeutische Krankenbehandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Sachwalter XXXX , brachte am 28.06.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) in Form des Ersatzes des Verdienstentganges sowie des Kostenersatzes von psychotherapeutischer Krankbehandlung ein.

Dabei gab sie an, im Rahmen ihrer Heimunterbringung im Kinderheim XXXX vom 28.09.1971 bis 31.08.1976 sowie im XXXX Kinderdorf ab 01.09.1976 über einen langen Zeitraum Opfer psychischer und physischer Gewalt durch das dortige Personal geworden zu sein. Mit hoher Wahrscheinlichkeit habe die von massiver Gewalt begleitete zwangsweise Ernährung bei der Beschwerdeführerin zur Entstehung einer therapieresistenten Anorexie geführt. Die Beschwerdeführerin leide nach wie vor an einer posttraumatischen Belastungsstörung und ihr sei aufgrund ihres Krankheitsbildes 2013 die Invaliditätspension gewährt worden. Dem Antrag wurde ein Konvolut an Unterlagen, darunter medizinische Befunde, Auszüge aus dem Pflegschaftsakt sowie der Clearingbericht des Weissen Ring, angeschlossen.

Aus dem Clearingbericht vom 25.11.2013 ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin sich an ihre Mutter nicht erinnern könne. Wer ihr Vater sei, habe ihre Mutter bei der Geburt nicht bekannt gegeben. Ihre Erinnerungen würden mit dem Kinderheim XXXX in der XXXX beginnen, wo sie die Konturen der Schwestern mit denen der Pinguine verglichen und dafür eine saftige Ohrfeige bekommen habe. Sie habe abends in der Dunkelheit Angst gehabt. Oft habe sie ihre Angst herausgeschrien und dafür Schläge mit der flachen Hand aufs Gesäß bekommen. Die Beschwerdeführerin sei zur Bettnässerin geworden, woraufhin ihr die Matratze weggenommen worden sei und sie auf einem Eiseneinsatz ohne Decke schlafen habe müssen. Weil der Beschwerdeführerin vor der Haut auf dem Frühstückskakao geekelt habe, sei sie von einer Schwester in Rückenlage auf den Tisch gelegt worden und ihr sei die Nase zugehalten worden. Wenn die Beschwerdeführerin Luft holen habe wollen, habe ihr die Schwester den Kakao in den Mund geleert. Dabei sei ihr das Getränk in die Luftröhre gelangt, die Beschwerdeführerin habe Erstickungsanfälle bekommen und den Kakao reflexartig ausgehustet, weshalb sie erneut geohrfeigt worden sei und anschließend den gesamten Nachmittag ohne Essen und Trinken in der Ecke stehen habe müssen. Da sie die Ecke nicht verlassen habe dürfen, habe sie ihre Ausscheidungen nicht halten können. Die Beschwerdeführerin habe sich oft aus Angst vor Zwangsernährung versteckt, wenn es Brei zu Essen gegeben habe, der ihr nicht geschmeckt habe. Strafweise habe sie oft nur Brot und Wasser bekommen. Ihr seien die Finger- und Zehennägel so knapp abgeschnitten worden, dass sie geblutet habe und ihr das Gehen danach schwer gefallen sei. Beim Kämmen hätten ihr die Schwestern die Haare ausgerissen und ihre Kopfhaut aufgeschürft. Auch die Ohren hätten nach der brutalen Pflege oft geblutet. Neben Schlägen mit der flachen Hand habe es als Strafen auch Schläge mit einem Stab auf die Hände, Knien auf dem Fliesenboden und Stehen mit vorgehaltenen Händen gegeben, Letzteres mit und ohne Bücher und mit extra Schlägen, wenn ein Buch zu Boden gefallen sei. Bei einer dieser Bestrafungsaktionen sei die Beschwerdeführerin einmal vor Erschöpfung am kalten, gefliesten Boden eingeschlafen. Nach Stunden sei sie hochgezerrt und in ihrem Nachthemd unter die kalte Dusche gesteckt worden. Anschließend habe sie nass in ihr Bett ohne Matratze und Decke gehen müssen. Weiters seien die Zöglinge am Haar gerissen worden und seien ihnen die Ohren umgedreht worden. Alle Bestrafungen seien von verbaler Gewalt begleitet worden. Im Alter von etwa sechs Jahren sei die Beschwerdeführerin ins XXXX Kinderdorf gekommen. Eine Schwester habe den Kopf der Beschwerdeführerin mehrmals gegen einen Wäschekasten geschlagen, sie geohrfeigt und ruckartig an den Haaren gezogen, da die Beschwerdeführerin es gewagt hatte, ein bestimmtes Kleidungsstück anzuziehen. Eine weitere Schwester habe dabei zugesehen und gemeint, die Beschwerdeführerin brauche noch mehr Schläge. Unmittelbar danach habe die Beschwerdeführerin eine medizinische Untersuchung gehabt und ihr sei aufgetragen worden, über die Entstehung der Schwellungen am Kopf zu schweigen. Wie immer sei ihr massiv gedroht worden. Die Beschwerdeführerin habe regelmäßig Besuch von ihrem Großvater bekommen. Wenn er Geschenke mitgebracht habe, seien ihr diese nach dem Besuch von den Schwestern abgenommen worden. Vor den Besuchen sei der Beschwerdeführerin eingeschärft worden, nichts vom Heimalltag zu erzählen. Sollte sie etwas verraten, seien ihr Schläge angedroht worden. Als die Beschwerdeführerin etwa neun Jahre alt gewesen sei, sei ihr Großvater gestorben. Die Schwestern hätten ihr das goldene Kommunionskettchen, ein Geschenk vom Großvater, abgenommen. Die Beschwerdeführerin habe dieses Erinnerungsstück, wie alle anderen Geschenke, nicht wieder zurückbekommen. Als sie einmal danach gefragt habe, habe ihr eine Schwester geantwortet, sie sei bereits sehr verwöhnt und habe daher kein Anrecht auf die Kette. Die Beschwerdeführerin habe regelmäßig Hausarbeit verrichten müssen. Wenn sie sich geweigert habe, sei ihr das Bein gestellt worden. Beschimpfungen, Demütigungen und verbale Drohungen seien an der Tagesordnung gewesen. Die Beschwerdeführerin habe eine Essstörung entwickelt und die Nahrungsaufnahme verweigert, was für sie eine Möglichkeit des Protests gewesen sei. Die Beschwerdeführerin leide nach wie vor an einer Essstörung und sei deutlich untergewichtig. Sie sei deshalb von ihrem 17. bis 25. Lebensjahr sowie seit dem Jahr 2003 in Therapie und Behandlung. Bis zu ihrem 16. Lebensjahr sei die Beschwerdeführerin in die Sonderschule gegangen. Dort sei sie besser behandelt worden als im Internat. Im Alter von acht Jahren sei sie an Meningitis erkrankt. Ihre Sprachentwicklung sei dadurch gestört worden und sie leide immer wieder an Kopfschmerzen. Ihre Konzentrationsfähigkeit habe sich durch die Meningitis verschlechtert und sie werde sehr schnell müde. Einmal habe die Beschwerdeführerin im Alter von 14 Jahren auf jüngere Kinder aufpassen müssen. Ein Kind habe sich am Kopf verletzt, weshalb die Beschwerdeführerin zur Strafe in eine Dusche geprügelt und mit ihrem Kopf mehrmals gegen die Fliesen geschlagen worden, anschließend sei sie mit ihrer Kleidung kalt abgeduscht worden. Ein anderes Mal habe eine Schwester mit der Reibbürste so fest auf die Beschwerdeführerin eingeschlagen, dass der Stiel der Bürste abgebrochen sei, da sie sie dabei erwischt hatte, als sie sich im Spiegel betrachtet habe. Am darauffolgenden Tag hätten die Schwestern der Beschwerdeführerin die Haare abgeschnitten. Ab dem Alter von 16 Jahren habe die Beschwerdeführerin als Reinigungskraft im XXXX Kinderdorf gearbeitet und dafür monatlich 100 Schilling ausbezahlt bekommen. Eine offizielle Anstellung sei erst im Jahr 1988 erfolgt, als die Beschwerdeführerin 19 Jahre alt gewesen sei. Erst im Alter von 30 Jahren habe ihr damaliger Sachwalter eine reguläre Bezahlung für die Beschwerdeführerin durchgesetzt. Ihre Arbeitsleistung sei von den Schwestern immer abgewertet worden und sie sei als dick beschimpft worden. Die Beschwerdeführerin habe das ernst genommen und daraufhin nur Zitronenwasser getrunken und nichts gegessen, was zu Schäden ihres Magen geführt habe. Beim Hantieren mit Putzmitteln habe die Beschwerdeführerin bereits damals Atemnot und Asthmaanfälle bekommen, was die Schwestern gewusst hätten, sie jedoch trotzdem zu Arbeiten mit Chemikalien eingeteilt hätten. Die Zeit ihrer Anstellung im XXXX Kinderdorf sei die Fortsetzung ihrer Heimzeit gewesen. Sie sei auch von Kolleginnen gemobbt worden. Im Jahr 2011 habe sie innerhalb der Organisation ihren Arbeitsplatz gewechselt, wo die Situation eskaliert sei. Sie habe Sprechverbot erhalten und sich nicht mehr mit ihren Kolleginnen unterhalten dürfen. Der psychische Druck sei ihr zu viel geworden, sie sei lange im Krankenstand gewesen. Da sie nicht nur im Kinderdorf gearbeitet, sondern auch dort gewohnt habe, habe sie lange Zeit gedacht, ihrem Arbeitgeber völlig ausgeliefert zu sein. Mit 43 Jahren habe die Beschwerdeführerin ihr Dienstverhältnis beendet. Ihr sei eine Invaliditätspension zuerkannt worden. Im Clearingbericht wurden bei der Beschwerdeführerin eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (F 62.0), eine Anpassungsstörung (F 43.2), eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode (F 33.0), eine leichte Intelligenzminderung (F 70) und eine atypische Anorexia nervosa (F 50.1) diagnostiziert. Ein Nachtrag zum Clearingbericht, verfasst von der behandelnden Psychotherapeutin der Beschwerdeführerin, enthält weitere Ausführungen zu den Schikanen, die die Beschwerdeführerin während ihrer beruflichen Tätigkeit im XXXX Kinderdorf schilderte.

Die belangte Behörde ersuchte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14.07.2017 um Übermittlung von Unterlagen und näheren Angaben zu den Heimaufenthalten.

Mit Schreiben vom 01.09.2017 übermittelte der Sachwalter der Beschwerdeführerin die seitens der belangten Behörde angeforderten Dokumente, darunter unter anderem den Pflegschaftsakt in Kopie und Entschädigungsschreiben der Klasnic-Kommission sowie der Stiftung Opferschutz der Katholischen Kirche. Weiters wurde darin ausgeführt, dass die Heimunterbringung aufgrund des sozialen Milieus der Kindesmutter erfolgt sei, welche im Akt des Jugendamtes sinngemäß als "alleinstehende und einem unsteten Lebenswandel folgende Trinkerin" beschrieben werde. Der Großvater habe die Pflege und Obsorge der Beschwerdeführerin nicht übernehmen können und dürfen, da er alleinstehend gewesen sei. Nach der Kindesabnahme habe es so gut wie keine Kontakte mehr zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter gegeben, spätestens nach Erreichung der Volljährigkeit sei der Kontakt ganz abgebrochen. Es gebe keine leiblichen Verwandten. Während der Heimunterbringung sei ein Kontakt zu einer namentlich genannten Familie entstanden, die in den Unterlagen stellenweise auch als " XXXX " bezeichnet werde, welche sich aus sozialer Verantwortung um die Beschwerdeführerin gekümmert habe und sie zu Ausflügen u.ä. mitbenommen haben. Aufgrund der auch nach der Heimunterbringung weiterhin bestehenden Beschäftigung im Kinderdorf sei die Beschwerdeführerin durch die besondere Wohn- und Arbeitssituation auch permanent mit den Personen konfrontiert worden, die sie in den Jahren zuvor misshandelt hätten. Durch diese besondere Situation habe der Abnabelungsprozess bei der Beschwerdeführerin erst viel später eingesetzt und sie sei erst im Alter von 40 Jahren so weit gewesen, in eine eigene Wohnung zu ziehen. Aufgrund ihres psychischen Zustandes sei sie bei vielen ihr neuen und ungewohnten Lebenssituationen jedoch auf Unterstützung und Beratung durch ihre Therapeutin bzw. die Sachwalterschaft angewiesen. Zudem leide sie vermutlich aufgrund ihrer traumatischen Erfahrungen mit Zwangsernährung nach wie vor an einer massiven Essstörung, derzeit liege ihr Körpergewicht bei 37 kg. Die Beschwerdeführerin habe aufgrund ihres Gesundheitszustandes bereits vor Erreichen des Pensionsalters pensioniert werden müssen, obwohl sie einen geschützten Arbeitsplatz gehabt habe.

Nach Ersuchen der belangten Behörde teilte der Weisse Ring mit E-Mail vom 14.09.2017 mit, dass die Beschwerdeführerin von den ihr seitens des Weissen Ring zugesprochenen 80 Therapiestunden bis 31.08.2017 37 Stunden in Anspruch genommen habe.

Nach Ersuchen der belangten Behörde übermittelte die Wiener Gebietskrankenkasse mit Schreiben vom 18.09.2017 die dort aufliegenden Krankenstände mit der diesen zugrundeliegenden Diagnosen und die ab dem Jahr 2012 in Anspruch genommenen Leistungen.

Mit Schreiben vom 20.12.2017 übermittelte die Wiener Gebietskrankenkasse nach Ersuchen der belangten Behörde auch die seitens der Beschwerdeführerin vor dem Jahr 2012 in Anspruch genommenen Leistungen.

Nach mehrfachem Ersuchen der belangten Behörde übermittelte die Psychotherapeutin der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 17.12.2017 eine Bestätigung, wonach die Beschwerdeführerin seit 2003 in Behandlung in Form von Trauma- und Gesprächstherapie bei ihr stehe. Sie leide unter einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung (F 43.1) mit Vollsymptomatik und einer schweren Essstörung (F 50.1) infolge der jahrelangen psychischen und körperlichen gewaltdurch die Nonnen des kirchlichen Kinderheims XXXX . Die Dauer der Therapie sei noch nicht absehbar. Ein Leben ohne Sachwalterschaft sei aus heutiger Sicht nicht möglich.

Die Pensionsversicherungsanstalt übermittelte nach Ersuchen der belangten Behörde mit Schreiben vom 13.02.2018 das Gesamtgutachten vom 28.06.2012 und die Stellungnahem des dortigen chefärztlichen Dienstes vom 04.07.2012, auf deren Grundlage der Beschwerdeführerin eine Invaliditätspension zuerkannt wurde. Als Hauptursache der Minderung der Erwerbsfähigkeit wurde darin eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung mit atypischer Essstörung und chronischem Untergewicht, weiters Asthma bronchiale und Endometriose diagnostiziert.

Nach Ersuchen der belangten Behörde übermittelte die Pensionsversicherungsanstalt mit Schrieben vom 19.04.2018 Sachverständigengutachten aus den Jahren 1987 und 1989 betreffend die seit 01.01.1976 bezogene Waisenpension. Darin wurden eine Geistesschwäche mittleren Grades (1987) sowie eine mittelgradige intellektuelle Unterbegabung im Sinne einer Debilität, ein altersentsprechender interner Untersuchungsbefund und eine asthenischer Habitus (1989) diagnostiziert. Im ärztlichen Gutachten vom 12.06.1989 wurde dazu weiters ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur bei Entgegenkommen des Arbeitgebers erwerbsfähig sei. Mit einer nennenswerten Änderung des Zustandsbildes sei nicht mehr zu rechnen.

Im Zuge von Erhebungen der belangten Behörde wurde seitens des Rechtsvertreters der Kongregation der XXXX und der Sozialwerke XXXX mit Schreiben vom 19.11.2018 mitgeteilt, dass sich die Mitglieder seiner Mandantschaft nach deren Erinnerung in besonderer Weise um die Beschwerdeführerin bemüht hätten, da diese besonders zart und zuwendungsbedürftig gewesen sei. Betreffend die von der Beschwerdeführerin namentlich genannten Schwestern des XXXX Kinderdorfes wurde ausgeführt, dass gegen Schwester XXXX im Jahr 2012 Vorwürfe über physische Gewalt erhoben worden seien, welche diese dementiert habe. Sie habe eine Gegenüberstellung zur Klarstellung der Vorwürfe gewünscht, die das Geschwisterpaar abgelehnt habe. Gegen Schwester XXXX habe es keine Vorwürfe gegeben.

Am 08.02.2019 langte bei der belangten Behörde eine Urkunde vom 14.11.2017 ein, mit welcher XXXX als neue Vereinssachwalterin der Beschwerdeführerin bekanntgegeben wurde.

Mit Schreiben vom 08.02.2019 gab der Weisse Ring nach Ersuchen der belangten Behörde bekannt, dass die Beschwerdeführerin von den ihr zugesprochenen 80 Therapieeinheiten bereits 65 Einheiten in Anspruch genommen habe.

Die Stiftung Opferschutz der Katholischen Kirche in Österreich teilte auf Anfrage der belangten Behörde mit Schrieben vom 03.05.2019 mit, dass die Beschwerdeführerin bisher noch keine der ihr von dortiger Seite zugesprochenen Therapiestunden in Anspruch genommen habe.

Zur Überprüfung des Antrages holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 27.03.2019 erstatteten Gutachten vom 24.05.2019 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"...

l. Sachverhalt

Der Sachwalter der AW (ab 14.11.2017 Erwachsenenvertreterin XXXX ) beantragte am 28.6.2017 den Ersatz des Verdienstentganges sowie Kostenübernahme für psychotherapeutische Krankenbehandlung nach dem VOG.

Antragsbegründend wurde angegeben, dass XXXX in Rahmen ihrer Unterbringung im Kinderheim XXXX (ab 28.09.1971), sowie während ihrer Unterbringung im XXXX Kinderdorf (ab 1.09.1976 - Außerstandnahme 31.08.1988) Opfer von psychischer und physischer Gewalt durch das dortige Personal gewesen sei.

XXXX gab an, in einem permanenten Klima aus Angst und Herabwürdigung sowie massiver Entwertung und Bedrohung aufgewachsen zu sein. Sie sei zwangsernährt worden, durch grobe und sadistische Pflegemaßnahmen und nicht altersgerechte körperliche Arbeit misshandelt worden, sowie körperlich bestraft worden. Sie sei wiederkehrenden, brutal anmutenden körperlichen Bestrafungen ausgesetzt gewesen.

Diese Übergriffe würden vom Zeitpunkt der Überstellung ins Kinderheim XXXX bis zu ihrem 16. Lebensjahr angedauert haben.

Durch ihre Arbeitssituation sei sie im Erwachsenenalter mit den gleichen Personen, die sie misshandelt hatten, immer wieder konfrontiert gewesen. Sie habe eine stark ausgeprägte selbstunsichere Persönlichkeit entwickelt.

Erst mit 40 Jahren sei sie dazu bereit gewesen in eigene Wohnung zu ziehen.

Aufgrund ihres psychischen Zustandes sei sie auf Unterstützung und Beratung einer Therapeutin, sowie auf Betreuung durch den Erwachsenenvertreter angewiesen. Zudem leide sie aufgrund der traumatischen Erfahrungen mit Zwangsernährung an einer massiven Essstörung.

Erst in den letzten Jahren sei es ihr möglich geworden, ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse wahrzunehmen. Aufgrund dessen könne angenommen werden, dass sie (trotz ihrer Einschränkungen) ohne die Misshandlungen in den Kinderheimen ein erfülltes Privatleben und einen ausfüllenden Beruf hätte haben können.

Im Kinderheim XXXX sei sie Ohrfeigen und Schlägen auf die Hände und auf das Gesäß ausgesetzt gewesen. Wegen ihres Bettnässens sei sie kalt abgeduscht worden und habe ohne Bettmatratze auf einem Eiseneinsatz schlafen müssen. Sie sei mit physischer Gewalt gezwungen worden ihren Frühstückskakao zu trinken und habe durch die Misshandlung Erstickungsanfälle bekommen. Sie habe zur Strafe hungern müssen. Die Fußnägel seien ihr so knapp abgeschnitten worden, dass diese schmerzten und bluteten. Gleichfalls hätten ihre Ohren nach der Pflege geblutet. Die Haare seien ihr beim Kämmen ausgerissen und die Kopfhaut aufgeschürft worden.

Mit sechs Jahren sei sie in das XXXX -Kinderdorf gekommen. Auch dort sei sie körperlich misshandelt worden, sei zu nichtkindergerechter Hausarbeit eingeteilt worden, sowie Beschimpfungen, Demütigungen und verbalen Drohungen ausgesetzt gewesen.

Ihr Großvater habe sie im XXXX Kinderdorf regelmäßig besucht.

Sie sei durch Drohungen genötigt worden bei medizinischen Untersuchungen und bei Besuchen des Großvaters nichts zu sagen.

Im Alter von neun Jahren, habe sie erfahren, dass ihr Großvater verstorben sei.

Sie sei sehr gerne in die Schule (Sonderschule) gegangen.

Im Alter von acht Jahren sei sie an Meningitis erkrankt und wochenlang stationär behandelt worden. Ihre Sprachentwicklung sei durch diese Erkrankung gestört, sie würde seitdem unter Kopfschmerzen leiden. Ihre Konzentrationsfähigkeit habe sich seitdem verschlechtert.

Mit 16 Jahren habe sie begonnen als Reinigungskraft im XXXX zu arbeiten. Ihre offizielle Anstellung sei erst 1988 erfolgt. Sie habe im Kinderdorf gearbeitet und gewohnt. Da sie "zu dick" gewesen sei, sei sie von den Heimschwestern als dicke, fette "Drogol" beschimpft und angehalten worden, abzunehmen.

1. Aus der Dokumentation der Heimaufenthalte, schulischer und beruflicher Werdegang

Dem Akt kann entnommen werden, dass die AW als Frühgeburt zur Welt kam und aufgrund der Familienverhältnisse (Trinksucht der Mutter) in Pflege und Erziehung der Stadt Wien abgeben worden ist. Die Mutter habe sich wegen einer Syphilis Erkrankung einer Präventivkur bei etwaiger Schwangerschaft unterziehen müssen. Dieser Verpflichtung ist sie nicht nachgekommen. Sie ist wiederholt in psychiatrischer stationärer Behandlung gewesen, habe 1976 einen Suizidversuch unternommen.

XXXX hatte seit ihrer Unterbringung im ZKH keinen Kontakt zu ihrer Mutter. Der Großvater konnte die Pflege seiner Enkeltochter nicht übernehmen. Die AW war von 13.05.1969 bis 28.09.1971 im Zentralkinderheim in Pflege.

In regelmäßigen, vom Jugendamt in Auftrag gegebenen psychologischen Gutachten wurde die intellektuelle und psychosoziale Entwicklung des Kindes überwacht.

Dem psychologischen GA vom 10.05.1971 ist zu entnehmen, dass die Untersuchte v.a. im Bereich der geistigen Leistung sowie im sozialen Verhalten deutlich unterdurchschnittlich entwickelt war und aus diesem Grund in einer Gruppe normal entwickelter Kinder überfordert gewesen wäre und nicht ihren Fähigkeiten entsprechend geführt und gefördert hätte werden können. Die Überstellung in das Kinderheim XXXX in der XXXX wurde mit 28.09.71 veranlasst.

Im GA vom 05.06.1975 wurde aufgrund der gestörten körperlichen und geistigen Entwicklungsreife (im Vierjahresniveau liegend) die Empfehlung zur Rückstellung vom Schulbesuch ausgesprochen. ASO bedingt möglich, eventuell auch Umschulung auf S- Klasse empfohlen.

Ab 01.09.1976 ist sie im XXXX Heim untergebracht gewesen, wurde mit 31.8.88 außer Stand genommen und arbeitete fortan im Heim im Angestelltenverhältnis.

Dem GA vom 5.04.1976 ist zu entnehmen, dass die Untersuchte gute Fortschritte in der sozialen Reife, auf grafischem Gebiet und in der Arbeitshaltung erzielt habe, obwohl sie sprachlich trotz logopädischer Betreuung immer noch beträchtliche Schwierigkeiten hatte. Ihre Merkfähigkeit war gering. Bei intelligenzmäßigem Erfassen und Durchschauen von Zusammenhängen ergaben sich weiterhin Schwierigkeiten. Die Einschulung in die ASO wurde empfohlen, von einer Unterbringung in eine Pflegefamilie wurde jedoch abgeraten.

Im Schuljahr 1980/81 kam es zur Umschulung von der ASO in die SSO. In den Folgejahren wurde die AW als eine gute und fleißige Schülerin bezeichnet,

Lt. Stellungnahme des Jugendamtes vom 16.03.1984 erschien die Möglichkeit das zehnte Schuljahr (Zusatzschuljahr) zu absolvieren die günstigste Lösung zu sein. Aufgrund fehlender Kontakte zur leiblichen Familie konnte sie nicht nach Hause entlassen werden.

Mit der Verfügung vom 17.06.1986 bezog XXXX eine Behindertenhilfe.

Den Heimberichten und Urlaubsbestätigungen ist zu entnehmen, dass der Großvater seine Enkelin regelmäßig besuchte und sie zu sich nachhause nahm. Ab 1980 hatte sie Sonntagseltern, welche sie regelmäßig alle zwei Wochen besuchte, gemeinsam mit der Familie in den Urlaub fuhr und regelmäßig von XXXX im Heim besucht wurde.

Im Alter von 16 Jahren begann XXXX (eigener Angaben zufolge) als Reinigungskraft im

XXXX Kinderdorf zu arbeiten. Eine offizielle Anstellung erfolgte erst 1988. Das Dienstverhältnis ist im Alter von 43 Jahren beendet worden, da XXXX der psychische

Druck zu viel geworden sei und sie krank geworden sei (Angaben der AW).

2. Medizinische/therapeutische Unterlagen

Ärztliches Gutachten der PVA vom 25.03.1987 zu weiterer Gewährung einer Waisenpension über das vollendete 18. Lebensjahr

Diagnosen: Geistesschwäche mittleren Grades, asthenischer Habitus

Kalkül: die WPW ist nicht befähigt durch Erwerb ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. In Anbetracht der Jugend ist mit Nachreifung der Persönlichkeit durchaus noch zu rechnen.

Ärztliches Gutachten nach intern-fachärztlicher Untersuchung vom 7.06.1989

Diagnosen: altersentsprechender interner Organbefund, ausgeglichene Kreislaufverhältnisse, asthenischer Habitus

Kalkül: von interner Seite sind der 20-jährigen WPW alle Arbeiten in der üblichen Arbeitszeit zumutbar, wobei der schmächtige Körperbau zu berücksichtigen ist.

Ärztliches Gutachten zu Ansuchen um Waisenpension vom 12.06.1989 XXXX FA f. Neurologie und Psychiatrie

Diagnosen: mittelgradige Intellektuelle Unterbegabung im Sinne einer Debilität, altersentsprechender interner Untersuchungsbefund, asthenischer Habitus

Leistungskalkül: PW auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur bei Entgegenkommen des Arbeitgebers erwerbsfähig. Ihre jetzige Tätigkeit im XXXX Kinderheim geht nicht auf Kosten ihrer Gesundheit.

Zum Sachverhalt wurde im GA angegeben, dass die Untersuchte weiterhin im Heim wohne und nach dem Frühstück (6:30) bis 12:00 Uhr und dann von 14:30 bis 17:30 Uhr arbeite. Sie bekomme dafür ein Taschengeld: 7.000 S brutto, nach Abzug der Verpflegungs- und Wohnkosten 4.000 S netto. Sie könne im Heim bleiben solange sie wolle. Es gefalle ihr dort und sie wolle bleiben. Am freien Arbeitsmarkt wolle sie nicht arbeiten. Sie glaube sehr wohl selbstständig zu sein, sie habe ihr eigenes Zimmer. Als Grund für den Besuch der Sonderschule gibt die Untersuchte Sprachschwierigkeiten infolge Zahnfehlstellungen an.

Die Angaben der WPW bezüglich des Monatseinkommens wurden durch die Besuchsfamilie bestätigt. Sie verdiene 6.000 -7.000 S brutto monatlich und verbringe jedes zweite Wochenende im Monat bei der Familie XXXX .

Ärztlicher Befund Dr. XXXX vom 23.1.2012 Lungenfachärztin

Diagnosen: chronische Lumbalgie mit Wurzelreizsymptomen bei Skoliose und Beckenschiefstand, Anpassungsstörung mit depressiver Verstimmung, Asthma bronchiale mit hyperreagiblem Bronchialsystem, latente Hypothyreose, Endometriose, Neurodermitis, Untergewicht, Osteopenie

Seit 2003 diagnostiziertes Asthma bronchiale, bis dato 4-5 pulmonale Heilverfahren in XXXX. Psychotherapie seit 2005 in XXXX, fortgesetzt bei gleicher Psychotherapeutin in deren Praxis in Wien, 2006 operativ sanierte Endometriose.

Fachspezifisch wurden häufige nächtliche Atemnot bei Asthma bronchiale und massive bronchiale Hyperreagibilität, verstärkt durch Hantieren mit Putzmitteln, Erschöpfungszustände am Arbeitsplatz sowie Überforderung und Schmerzen bei anstrengender Arbeit als Reinigungskraft angegeben.

Stellungnahme des chefärztlichen Dienstes vom 4. Juli 2012 PVA

Diagnosen: andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung mit atypischer Essstörung und chronischem Untergewicht, Asthma bronchiale, Endometriose.

Gesamtleistungskalkül für Tätigkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht ausreichend. Die

Versicherte war infolge ihres Leidenszustandes bereits vor der erstmaligen Aufnahme einer Beschäftigung außerstande einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen und ist dauernd invalid.

Ärztliches Gesamtgutachten von XXXX FÄ f. Psychiatrie, psychotherapeutische Medizin und Neurologie vom 28.6.2012

Diagnose: andauernde Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung mit atypischer Essstörung und chronischem Untergewicht, bekanntes Asthma bronchiale, bekannte Endometriose.

Leistungskalkül: geregelte Tätigkeiten sind der PW infolge reduzierter Ausdauer und erhöhtem Bedürfnis nach Regeneration bis auf weiteres nicht zumutbar. Besserung ist durch Intensivierung der Therapiemaßnahmen möglich.

Im Gutachten wird auf beigelegte Befunde Bezug genommen: XXXX

(01/2005, 07/2006, 08/2009, 04/2011) sowie hausärztliche Befunde 2011- 2012

Anmerkung der SV:

Die Befunde: XXXX (01/2005,07/2006,08/2009, 04,2011) sowie hausärztliche Befunde 2011-2012 sind im Akt nicht zu finden.

Zudem wurden keine Befunde zu der angegebenen Behandlung beim FA f. Psychiatrie und Neurologie und Psychotherapie - XXXX , AKH Wien zwischen dem 17. und 25. Lebensjahr beigelegt.

Stellungnahme der Psychotherapeutin XXXX vom 28.6.2012

Behandlung seit 2005 wegen posttraumatischer Belastungsstörung mit Ängsten und Essstörung

Bestätigung vom 17. Dezember 2017 XXXX

Diagnosen PTBS mit Vollsymptomatik und schwere Essstörung infolge des Traumas

Befund der Psychotherapeutin, XXXX vom 11.6.2013

Diagnosen: anhaltende Persönlichkeitsstörung nach jahrelanger Traumatisierung, Essstörung

Psychotherapie seit 2017 in Ausmaß von 100 Stunden

Krankheitsbedingte Abwesenheiten

September 2011 bis Mai 2012 insgesamt 143 Tage

vom 5.10.2010 bis 12.11.2010, Dgn: Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen

13.3.2008 bis 16.03.2008 depressive Episode

3. Clearingbericht, XXXX undatiert:

Lt. Clearingbericht ergeben sich bei der AW folgende psychische Störungen: F62.0 - andauernde Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung, F43.2 Anpassungsstörung, F33.0 rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, F70 leichte Intelligenzminderung F50.1, atypische Anorexia nervosa sowie Asthma bronchiale als psychosomatische Erkrankung.

Im Alter von acht Jahren sei die AW an Meningitis erkrankt.

Im Alter von 16 Jahren habe sie begonnen, vermutlich im Rahmen einer Anlehre als Reinigungskraft zu arbeiten, wobei sie erst 1988 offiziell angestellt worden wäre. Sie habe im Heim gewohnt. Sie sei dort von einer Kollegin gemobbt worden.

2011 habe sie ihren Job innerhalb der Organisation gewechselt, habe mit den Kolleginnen nicht sprechen dürfen, habe zu wenig Zeit zum Essen gehabt, daher sei sie oft übermüdet und erschöpft gewesen.

Durch Hantieren mit Putzmitteln habe sie Atemnot und Asthma entwickelt und im Alter von 43 Jahren das Dienstverhältnis beendet.

Sachwalterschaft, Erwachsenenvertreter: zunächst nicht näher genannte Erzieherin vom

Heim, danach, ab dem Alter von 30 Jahren XXXX

Erkrankungen: Meningitis im Alter von $ Jahren

Die Krankheit wurde stationär behandelt. Die Sprachentwicklung sei durch die Erkrankung gestört. Als Dauerfolge ist sind Kopfschmerzen geblieben, ihre Konzentration habe sich verschlechtert.

4. Hilfeleistungen

Von der Stiftung Opferschutz der Katholischen Kirche in Österreich hat XXXX eine finanzielle Hilfeleistung iHv ?15.000 sowie die Übernahme der Psychotherapiekosten im Ausmaß von 50 Stunden zugesprochen bekommen.

Lt. Mitteilung vom Verein Weisser Ring hat XXXX eine Entschädigung iHv ?20.000 bekommen und die Zusage für 80 Std. Psychotherapie.

Il. Gutachterliche Untersuchung am 27.3.2019

Anamnese

Auf die Wiedergabe der Inhalte, welche der Dokumentation im Akt, insbesondere dem Clearingbericht und der schriftlichen Anamnese zu entnehmen sind, wird verzichtet.

XXXX gibt an:

Sie beziehe seit September 2012 eine unbefristete Pension, werde psychologisch 1x/Woche behandelt, mit der Therapie sei sie sehr zufrieden. Das geschilderte Seelenleiden sei jedoch weiter geblieben.

Sie sei wegen Asthma mehrmals auf Kur in XXXX gewesen, beginnend 1999 zuletzt 2017 die Behandlungen würden ihr immer geholfen haben.

Sie habe 24 Jahre bei XXXX gearbeitet. Ihr Sachwalter XXXX habe sie von dort rausgeholt.

Sie habe einen Freund, würde jedoch mit einer Freundin wohnen. Die Wohnung habe ihr der

Sachwalter verschafft.

Wegen der Misshandlungen habe sie unter Selbstmordgedanken gelitten.

Vom Großvater habe sie ein wenig Geld geerbt, würde damit sparsam umgehen.

Die Essstörung würde weiterhin bestehen. Sie würde nur kleine Portionen zu sich nehmen können und häufig unter Übelkeit leiden.

Sie habe über ihre Kräfte gearbeitet, schwer heben müssen, u.a. die Reinigungsmaschine. Aufgrund dessen habe sie eine Wurzelkanalentzündung mit starken Schmerzen erlitten.

Mit sechs Jahren habe sie eine Kieferoperation gehabt. Als weitere Operationen werden angegeben: Mandel- und Polypenentfernung, Blinddarmoperation bei Durchbruch, Endometriosen sowie Brust Op.

Sie sei mit drei Jahren in den Kindergarten in die XXXX aufgenommen worden, schildert nochmals die Misshandlungen durch Schwester XXXX und Schwester XXXX , sowie die

Zwangsernährung mit Kakao.

Orientierender neurologischer Befund:

Somatisch asthenischer Körperbau Zustand, keine Beeinträchtigungen der Sinneswahrnehmungen, der Motorik oder Koordination, keine Dysarthrie, kein Hinweis auf eine radikuläre Symptomatik, Beckenschiefstand

Zusammenfassend regelrechter organneurologischer Befund.

Psychopathologischer Befund:

XXXX ist bewusstseinsklar, zeitlich, örtlich und zur Person orientiert, in der Kontaktaufnahme freundlich, mit leiser Stimme sprechend, bemüht. Die Aufmerksamkeit, das Auffassungsvermögen sind klinisch im Normbereich, Konzentration und Ausdauer reduziert. Es ergeben sich keine Hinweise auf eine wahnhafte Realitätswahrnehmung oder Halluzinationen. Das Denken ist verarmt, unverarbeitet insb. im Abstraktionsbereich, mühsam zielführend. Die Stimmung ist ausgeglichen, Affizierbarkeit mäßig ausgeprägt, Antrieb regelrecht. Kein Hinweis auf frei flottierende Ängste, Intrusionen oder Flashbacks, keine Suizidalität. Schlaf als ungestört angegeben. Kein Hinweis auf aggressive Impulsdurchbrüche oder reduzierte Frustrationstoleranz. Die intellektuelle Leistungsfähigkeit unterdurchschnittlich. Im Längsschnitt intellektuelle Unterbegabung mit verzögerter Reife. Auf psychometrische Testung der Intelligenz wird verzichtet.

III. Beantwortung der Fragestellungen

Ad. 1 Sowohl im Längsschnitt als auch klinisch lassen sich bei der Untersuchten folgende Gesundheitsschädigungen erheben:

1.1.Psychiatrisch:

l. Leichte Intelligenzminderung ICD 10 - F 70

Il. Dependente (abhängige) Persönlichkeitsstörung ICD 10 - F 60.7

III. Anpassungsstörung, vorwiegend mit Störung des Sozialverhaltens ICD 10 - F 43.24

1.2. Körperlich:

l. Asthma bronchiale

II. Vertebragenes Schmerzsyndrom

Ad. 2 - kausal

Mit hoher Wahrscheinlichkeit steht die diagnostizierte Anpassungsstörung im kausalen Zusammenhang mit Unterbringung der Untersuchten im Kinderheim XXXX und später im XXXX Kinderdorf.

Anpassungsfähigkeit ist die, für jede einzelne Person charakteristische Art, über sich selbst zu reflektieren und sich zu verstehen, sowie die Art der Interaktionen mit anderen.

Zu Anpassungsstörungen zählen Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung, die im Allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten.

Die individuelle Prädisposition und Vulnerabilität spielen bei dem möglichen Auftreten und bei der Form der Anpassungsstörung eine bedeutsame Rolle. Es ist dennoch davon auszugehen, dass das Krankheitsbild ohne die Belastung nicht entstanden wäre.

Die Anzeichen einer Anpassungsstörung sind unterschiedlich und umfassen u.a. das Gefühl mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, diese nicht vorausplanen oder fortsetzen zu können. Störungen des Sozialverhaltens treten insbesondere bei Jugendlichen auf.

Dysfunktionale Erlebensmuster, welche XXXX während ihrer Unterbringung erlebte, verstärkt durch die besondere Vulnerabilität aufgrund ihrer Intelligenzminderung, haben mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Störung der Anpassungsfähigkeit geführt.

- akausal

Die festgestellte leichte Intelligenzminderung mit verzögerter körperlicher, geistiger und sozialer Reife gehört zu angeborenen Störungen und ist im psychologischen Gutachten vom 10.05.1971, d.h. vor der Überstellung der Untersuchten in das Kinderheim XXXX vermerkt.

Persönlichkeitsstörungen entstehen multikonditionell. Vor dem Eintritt ins Heim wurde gestörte körperliche und geistige Entwicklungsreife sowie Unterentwicklung in der sozialen Reife festgehalten (GA vom 10.05.1975).

Die schädigenden Erlebensmuster infolge der Unterbringung im XXXX Kinderheim und XXXX Kinderdorf, bei besonderer Vulnerabilität aufgrund der intellektuellen Unterbegabung, haben einen Einfluss auf die Ausbildung der Persönlichkeitsstörung, waren jedoch nicht die wesentliche Ursache der diagnostizierten Persönlichkeitsstörung.

Als akausal muss dabei die verzögerte körperliche, seelische und soziale Reife, welche in der intellektuellen Unterbegabung begründet ist, berücksichtigt werden.

Ad 3.

a. Nein, das erlittene Trauma hat die festgestellte Gesundheitsschädigung (Persönlichkeitsstörung) nicht vorzeitig ausgelöst. Die Verhaltensstörungen in der Kindheit als Grundlage für, die von der Norm abweichende Charaktermerkmale, wurden vor der Betreuungsübernahme durch das Kinderheim XXXX bei der AW festgestellt.

b. Bei der abhängigen Persönlichkeitsstörung lassen sich insbesondere Trennungsängste und eine Scheu vor Autonomie und eigener Leistung sowie Mangel an Selbstvertrauen feststellen. Personen mit dieser Störung ordnen sich ganz dem Willen und den Wünschen anderer Menschen, von denen sie sich abhängig fühlen, unter. Personen mit dependenter Persönlichkeitsstörung suchen nach Geborgenheit, Versorgung und Unterstützung bei den meisten Lebensentscheidungen. Dependente Persönlichkeitsstörungen betreffen Menschen, die davon ausgehen, dass sie ihr eigenes Leben nicht meistern können, wobei sie Angst und Hilflosigkeit zu kompensieren versuchen.

Auch wenn die Persönlichkeitsstörungen multikonditionell entstehen, hatten die schädigenden Erlebensmuster infolge der Unterbringung im XXXX Kinderheim und XXXX Kinderdorf, bei besonderer Vulnerabilität aufgrund der intellektuellen Unterbegabung, einen Einfluss auf die Ausbildung der Persönlichkeitsstörung.

Eine Persönlichkeitsstörung wäre auch ohne die angeschuldigten Ereignisse bei der AW entstanden. In welchem Ausmaß die angeschuldigten Ereignisse die Persönlichkeitsstörung verschlimmert haben, lässt sich gutachterlich nicht bewerten.

Die verzögerte körperliche, seelische und soziale Reife, in der intellektuellen Unterbegabung begründet, muss als akausaler maßgeblicher Faktor in der Entstehung der Störung berücksichtigt werden.

Ad 4.

ad a. Das erlittene Trauma hat nicht zur vorzeitigen Auslösung Persönlichkeitsstörung beigetragen. Auch wenn erlittene Trauma über viele Jahre der Persönlichkeitsbildung und seelischer und sozialer Reifung angedauert hat, so hat sie nicht diese vorzeitig ausgelöst. Bei einer Persönlichkeitsstörung geht es um charakteristische Auffälligkeiten im Erleben, Verhalten und den Denkmustern, welche bis zur Pubertät verfolgt werden müssen. XXXX hat die Kindheit und Adoleszenz in den angeführten Erziehungseinrichtungen verbracht. Es ist davon auszugehen, dass bei der Untersuchten das Entstehen der dependenten Persönlichkeitsstörung sowohl durch die ungünstigen intellektuellen Merkmale (Minderbegabung) als auch die schädigenden Erziehungseinflüsse zu gleichen Teilen bedingt ist.

ad b. Die intellektuelle Minderbegabung ist akausal und läge auch ohne die angeschuldigten Ereignisse vor.

Ad. 5 Die AW ist aus akausalen Gründen (leichte intellektuelle Minderbegabung) und somatische Leiden arbeitsunfähig.

Ad 6. Die meisten Krankschreibungen erfolgten aufgrund akausaler Gesundheitsschädigungen.

Ad 7. Nein

Ad 8. Diese Frage ist mit Ja zu beantworten. Empfohlen werden 50 Stunden Einzeltherapie."

Mit Schreiben vom 17.07.2019 brachte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Am 31.07.2019 wurde seitens der Rechtsanwaltskanzlei XXXX bekannt gegeben, dass diese zur neuen Erwachsenenvertretung der Beschwerdeführerin bestellt worden sei. Am 01.08.2019 wurde der Beschluss zur Bestellung als Erwachsenenvertreter vorgelegt und Akteneinsicht bei der belangten Behörde genommen.

Mit Schreiben vom 02.08.2019 gab der Erwachsenenvertreter der Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zum Parteiengehör ab. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich das eingeholte nervenfachärztliche Sachverständigengutachten als grob mangelhaft erweise. Es werde der Antrag gestellt, eine neue Sachverständige aus dem Fachbereich der Psychiatrie und Neurologie mit der Erstellung eines Gutachtens im Sinne der behördlichen Fragestellung zu beauftragen. Weiters werde ersucht, weitere Sachverständige aus den Fachbereichen Allgemeinmedizin, interne Medizin, Gynäkologie und Pulmologie beizuziehen, um auch den Zusammenhang der somatischen Erkrankungen mit den Essstörungen bzw. damit, dass die Beschwerdeführerin bereits sehr früh regelmäßig Putzchemikalien ausgesetzt gewesen sei zu erörtern.

Aufgrund der Einwendungen im Rahmen des Parteiengehörs ersuchte die belangte Behörde die bereits befasste Sachverständige und Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie um eine Stellungnahme. In der auf der Aktenlage basierenden ergänzenden Stellungnahme vom 12.09.2019 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"...

Es sollen ergänzend Fragestellungen der RV beantwortet werden, insbesondere:

1. Aufgrund welcher Umstände kommt die Sachverständige zu dem Schluss, dass die Antragsweberin aus akausalen Gründen arbeitsunfähig ist?

Es wird um ausführliche Begründung, insbesondere im Hinblick auf das Gutachten von XXXX vom 28.6.2012 gebeten.

a) Welche der im obgenannten Gutachten genannten Diagnosen (andauernde Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung mit atypischer Essstörung, chronischem Untergewicht, Asthma bronchiale, bekannte Endometriose) waren zum Untersuchungszeitpunkt noch präsent.

b) Welche dieser Gesundheitsschädigungen können mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit als kausal angesehen werden?

Ad 1.

Die Diagnose einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung ICD 10 F 62.0 darf im Erwachsenenalter vergeben werden, wenn bei Erwachsenen ohne vorbestehende Persönlichkeitsstörung nach extremer oder übermäßig lange anhaltender Belastung, eine Veränderung der Persönlichkeitszüge über eine Zeitdauer von mindestens zwei Jahren nachgewiesen werden kann. Die Diagnose einer anhaltenden Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung ist im Klassifikationssystem ICD 10 nicht vorgesehen.

Es müssen die pathogenen Faktoren und der Zeitpunkt die Veränderung der Persönlichkeitszüge kenntlich gemacht werden. Eine vor der extremen Belastung bestandene Persönlichkeitsstörung ist ein Ausschlusskriterium. Die Diagnose einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung darf nicht bei Einfluss der pathogenen Faktoren vor und während der Persönlichkeitsbildung (bis zur Pubertät) gestellt werden.

Bei XXXX haben die belastenden Ereignisse vor und während der Persönlichkeitsausbildung zu einer Persönlichkeitsstörung geführt.

Zu Diagnose einer nur in Eigenanamnese erhobenen atypischen Essstörung

Essstörungen haben unterschiedliche Ursachen und entstehen multifaktoriell. Es werden biologische, genetische, individuelle, familiäre und gesellschaftliche Faktoren sowie die Störung des Ich-Bildes als Auslöser für ein gestörtes Essverhalten verantwortlich gemacht. Die AW ist als ein untergewichtiges, frühgeborenes Kind auf die Welt gekommen und blieb lt. psychologischen Berichten und ärztlichen Gutachten körperlich und geistig unterentwickelt. Eine Kausalität zum erlittenen Trauma, als Folge der angegebenen Zwangsernährung kann nicht eindeutig belegt werden.

In den ärztlichen Gutachten der PVA vom 25.03.1987 zu weiterer Gewährung einer Waisenpension über das vollendete 18, Lebensjahr, Gutachten nach intern-fachärztlicher Untersuchung vom 7.06.1989 sowie Gutachten zum Ansuchen um Waisenpension vom 12.06.1989, XXXX , FA f. Neurologie und Psychiatrie ist keine Essstörung diagnostiziert worden.

Bei den Diagnosen: chronisches Asthma bronchiale und Endometriose handelt es sich um keine psychiatrischen Leiden. Asthma bronchiale fällt in die Kompetenz des Fachbereiches Innere Medizin (Lungenheilkunde) und Endometriose in die Kompetenz des Fachbereiches Frauenheilkunde.

Laut Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz; Sektion IX- Öffentliche Gesundheit, Lebensmittel-, Medizin- und Veterinärrecht, Gruppe Al/Abteilung 3 Rechtsangelegenheiten Arzte, Psychologie, Psychotherapie und Musiktherapie: XXXX , Stv. Abteilungsleiterin, eingeholt am 22.08.2019, haben sich die Fachärzte bei Stellung der medizinischen Diagnosen auf ihr Sonder- Fachgebiet zu beschränken.

Im Wortlaut: "Die Zuständigkeit liegt dafür bei Ärztinnen/Ärzten, wobei wiederum dahingehend zu differenzieren ist, dass Arztinnen/Ärzte für Allgemeinmedizin keine Beschränkungen auf ein Sonderfachgebiet erfahren, und Fachärztinnen/Fachärzte jeweils auf ihr Sonderfachgebiet beschränkt sind."

Weder Asthma bronchiale noch Endometriose werden in der psychiatrischen wissenschaftlichen Literatur als Folgen einer Traumatisierung erkannt.

In der Beantwortung der Fragestellung 3 des GA vom 24.05.2019 geht die SV ausführlich auf die diagnostischen Kriterien der gestellten Diagnose einer Persönlichkeitsstörung mit dependenten (abhängigen) Zügen -ICD 10 F 60. 7 und warum diese gutachterlicherseits zu gleichen Teilen kausal und akausal bedingt ist.

2. Es soll Stellung zur Beantwortung der Frage 7 bezogen werden.

Ad 2.

Die Einschränkung in der Ausbildung und im kontinuierlichen Berufsverlauf sind aufgrund der akausalen Gesundheitsschädigungen (Intelligenzminderung) sowie Asthma (die meisten Krankschreibungen erfolgten aufgrund akausaler Gesundheitsschädigungen) entstanden. Die dependente PS habe die AW nicht an einem kontinuierlichen Berufsverlauf oder einer besseren Ausbildung gehindert.

3. Weshalb benötigt die Antragsweberin Psychotherapie im Ausmaß von 50 Stunden? Wie lässt sich diese Stundenanzahl begründen?

Ad. 3

In Beantwortung der Frage 4 wurde ausführlich auf die Einschätzung der Persönlichkeitsbildung eingegangen. Die dependente Persönlichkeitsstörung ist bei der AW durch die ungünstigen intellektuellen Merkmale (Minderbegabung) sowie schädigenden Erziehungseinflüsse entstanden. Eine Psychotherapie ist zu befürworten, da die AW psychotherapeutisch in Entwicklung ihrer selbständiger, von der Umgebung unabhängigen Wesenszüge bisher profitiert hat. Nach 50 Therapiestunden soll eine Evaluierung bezüglich des weiteren Psychotherapiebedarfs vorgenommen werden."

Mit Schreiben vom 18.10.2019 brachte die belangte Behörde dem Erwachsenenvertreter der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Mit Schreiben vom 28.10.2019 gab der Erwachsenenvertreter der Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Sachverständige habe in der ergänzenden Stellungnahme nicht einmal eine der von der Behörde ohnedies relativ knapp gehaltenen ergänzenden Fragen zureichend beantwortet. Bis dato habe keine Auseinandersetzung mit der in der Stellungnahme vom 02.08.2019 vorgebrachten umfangreichen und begründeten Kritik am Gutachten vom 24.05.2019 stattgefunden. Es werde daher vollumfänglich auf diese Stellungnahme verwiesen.

Mit angefochtenem Bescheid vom 14.02.2020 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 28.06.2017 auf Ersatz des Verdienstentganges sowie Kostenübernahme einer psychotherapeutischen Krankenbehandlung gemäß § 1 Abs. 1 und Abs 3, § 3, § 4 Abs. 5 und § 10 Abs. 1 VOG ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das Vorliegen einer Straftat im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG mit ausreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne. Die von der Beschwerdeführerin erlittenen Tathandlungen hätten im Zufügen von körperlichen und seelischen Qualen in den Kinderheimen bestanden. Es könne lediglich hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin diagnostizierten Anpassungsstörung mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass diese auf die festgestellten Verbrechen zurückzuführen sei. Betreffend die im eingeholten Sachverständigengutachten festgestellte leichte Intelligenzminderung und dependente Persönlichkeitsstörung könne ein Kausalzusammenhang mit dem Verbrechen nicht mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Die Arbeitsunfähigkeit liege aufgrund der akausalen Gesundheitsschädigungen vor. Auch die meisten Krankschreibungen seien aufgrund akausaler Gesundheitsschädigungen erfolgt. Es gebe keinen Hinweis für die Annahme, die kausale Gesundheitsschädigung (Anpassungsstörung) hätte einen kontinuierlichen Berufsverlauf oder eine bessere Ausbildung negativ beeinflusst. Es könne daher nicht angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin durch das festgestellte Verbrechen heute einen Verdienstentgang aufweise. Eine Kausalität der Essstörung als Folge der vorgebrachten Zwangsernährung könne nicht eindeutig belegt werden. Bei den Leiden chronisches Asthma bronchiale und Endometriose handle es sich nicht um psychiatrische Leiden. Darüber hinaus sei Asthma bronchiale bei der Beschwerdeführerin erstmals im Jahr 2003 diagnostiziert worden. Inwiefern Endometriose auf ein Verbrechen zurückzuführen sein soll, sei nicht ersichtlich. Die Einwendungen seitens der Beschwerdeführerin seien nicht geeignet gewesen, die Ausführungen der Sachverständigen zu erschüttern. Das Gutachten vom 24.05.2019 sowie das Ergänzungsgutachten vom 12.09.2019 seien schlüssig und nachvollziehbar und es gebe keinen Grund, die Richtigkeit und Schlüssigkeit in Zweifel zu ziehen. Der Psychotherapiebedarf im Ausmaß von 50 Stunden für die kausale Gesundheitsschädigung ergebe sich aus dem Gutachten vom 24.05.2019. Nach Absolvierung von 50 Stunden solle eine Evaluierung bezüglich des weiteren Therapiebedarfs vorgenommen werden. Laut den Erhebungen seien von den durch die Stiftung Opferschutz der Katholischen Kirche in Österreich zugesprochenen Therapiestunden noch insgesamt 50 Stunden offen. Die Finanzierung einer psychotherapeutischen Krankenbehandlung sei daher sichergestellt, sodass es einer finanziellen Unterstützung nach den Bestimmungen des VOG nicht bedürfe. Der Antrag auf Kostenübernahme für psychotherapeutische Krankenbehandlung könne demnach nicht bewilligt werde. Da nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, ob die Beschwerdeführerin aufgrund der kausalen Gesundheitsschädigung an einem kontinuierlichen Berufsverlauf oder einer besseren Ausbildung gehindert gewesen sei, sei auch der Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 01.04.2020 erhob die Beschwerdeführerin durch ihren gerichtlich bestellten Erwachsenenvertreter fristgerecht Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Darin wurde im Wesentlichen das Vorbringen der Stellungnahme vom 28.10.2019 wiederholt. Darüber hinaus wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde all den seitens der Beschwerdeführerin aufgezeigten Unzulänglichkeiten des Sachverständigengutachtens hinweggegangen sei und den angefochtenen Bescheid hierdurch mit Rechtswidrigkeit belastet habe. Die belangte Behörde sei weiters unzulässigerweise dem Antrag auf Bestellung einer anderen nervenfachärztlichen Sachverständigen sowie Sachverständiger aus anderen Fachgebieten nicht gefolgt und sei auf nicht auf den Kern der aufgeworfenen Argumente eingegangen. Insbesondere sei der enge Zusammenhang zwischen den verbrechenskausalen Essstörungen und den körperlichen Leiden der Beschwerdeführerin übersehen worden. Anders als von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid festgehalten, sei die Kausalität durchaus in vorliegenden Unterlagen dokumentiert. Wenn die belangte Behörde ausführt, dass eine Kausalität nicht eindeutig belegt werden könne, ziehe sie aus der von ihr selbst zitierten Judikatur offenkundig unrichtige Schlüsse. Die Beschwerdeführerin müsse gerade nicht jeden erdenklichen Zweifel ausräumen, sondern nur eine erheblich überwiegende Wahrscheinlichkeit nachweisen. Die sei gegenständlich schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung gegeben. Weiters sei die von der belangten Behörde getroffene Feststellung unrichtig, wonach es keinen Hinweis auf eine negative Beeinflussung der als verbrechenskausal erkannten Anpassungsstörung auf den Berufsverlauf gebe. Die Beschwerdeführerin habe nämlich just bei jener Institution gearbeitet, wo ihr die festgestellten Verbrechen angetan worden seien. Es liege auf der Hand, dass sie zumindest wesentlich durch ihre Anpassungsstörung daran gehindert gewesen sei, eine andere Beschäftigung zu erlangen oder auch nur zu suchen, die ihr zweifelsohne bessere Entwicklungs- und Verdienstmöglichkeiten geboten hätte. Es werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der Beschwerde wurden keine Unterlagen oder medizinische Befunde angeschlossen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin.

Sie stellte am 28.06.2017 beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges und auf Heilfürsorge in Form von Kostenübernahme für psychotherapeutische Krankenbehandlung nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG).

Die Beschwerdeführerin kam am XXXX als Frühgeburt auf die Welt. Ihr leiblicher Vater ist nicht bekannt. Bereits am 05.05.1969 wurde wegen "Gefährdung - Trinkermilieu" ein Antrag auf Übernahme des Kindes in Gemeindepflege gestellt, die Beschwerdeführerin wurde am 13.05.1969 ins Zentralkinderheim überstellt. Am 28.09.1971 wurde die Beschwerdeführerin ins Kinderheim XXXX transferiert, wo sie bis 31.08.1976 untergebracht war. Als Grund für die Transferierung aus dem Zentralkinderheim wurden die Vermeidung einer Überforderung aufgrund des festgestellten deutlich unterdurchschnittlichen Entwicklungsstandes und die entsprechende Förderung der Fähigkeiten der Beschwerdeführerin genannt. Eine Übernahme durch den mütterlichen Großvater, der die Beschwerdeführerin regelmäßig besuchte, kam aufgrund seines "frauenlosen Haushaltes" und seines Gesundheitszustandes nicht in Betracht. Die Mutter der Beschwerdeführerin ging weiterhin keiner Arbeit nach und war Trinkerin. Am 14.07.1976 verstarb die Mutter der Beschwerdeführerin.

Im Kinderheim XXXX wurde die Beschwerdeführerin Opfer psychischer und physischer Gewalt durch die Erzieherinnen. Diese zeichnete sich unter anderem durch Ohrfeigen und Schläge, kaltes Abduschen, Schlafen ohne Matratze auf einem Eiseneinsatz, zwangsweise Ernährung in Rückenlage, Ausreißen der Haare, Bestrafungen in Form von in der Ecke stehen, am Fliesenboden knien und mit den Händen, zum Teil mit Büchern darauf, in Vorhalte stehen aus.

Im Schuljahr 1975/1976 wurde die Beschwerdeführerin vom Schulbesuch zurückgestellt. Aufgrund des im Jahr 1976 festgestellten Entwicklungsquotienten wurde die Beschwerdeführerin in die Allgemeine Sonderschule eingeschult und ab 01.9.1976 im XXXX Heim untergebracht.

Die Beschwerdeführerin wurde auch im XXXX Kinderdorf von den Schwestern physisch und psychisch misshandelt. Ihr Kopf wurde mehrfach gegen einen Wäschekasten geschlagen, sie wurde geohrfeigt und an den Haaren gerissen. Einmal wurde sie in die Dusche geprügelt, ihr Kopf mehrmals gegen die Fliesen geschlagen und danach in ihrer Kleidung kalt abgeduscht. Einmal wurde die Beschwerdeführerin mit einer Reibbürste so fest auf den Kopf geschlagen, dass der Stiel der Bürste brach. Weiters wurde die Beschwerdeführerin beschimpft, gedemütigt und verbal bedroht.

Im Schuljahr 1980/81 erfolgte eine Umschulung von der Allgemeinen Sonderschule in die Sonderschule für Kinder mit erhöhtem sonderpädagogischen Förderbedarf (SSO). Im Schuljahr 1984/85 absolvierte die Beschwerdeführerin ein zusätzliches 10. Schuljahr zur weiteren Persönlichkeitsreifung.

Die Beschwerdeführerin begann im Alter von 16 Jahren als "Anlernling" im XXXX Kinderdorf zu arbeiten. Im Jahr 1988 erfolgte eine offizielle Anstellung als Reinigungskraft im XXXX Kinderdorf, wo die Beschwerdeführerin auch wohnte und bis zu ihrem 43. Lebensjahr tätig war.

Die Beschwerdeführerin bezieht seit 01.01.1976 eine Waisenpension von der Pensionsversicherungsanstalt.

Seit dem Jahr 1989 ist die Beschwerdeführerin besachwaltet.

Ebenfalls im Jahr 1989 stellte ein Facharzt für Neurologie und Psychiatrie im Rahmen des Verfahrens zur Weitergewährung der Waisenpension und Beurteilung der Erwerbsfähigkeit eine mittelgradige intellektuelle Unterbegabung im Sinne einer Debilität fest. Weiters wurde festgehalten, dass die Beschwerdeführerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur bei Entgegenkommen des Arbeitgebers erwerbsfähig ist.

Die Beschwerdeführerin bezieht seit dem Jahr 2012 eine Invaliditätspension aufgrund geminderter Arbeitsfähigkeit.

Aufgrund der ihr während der Heimaufenthalte widerfahrenen Misshandlungen wurde der Beschwerdeführerin von der Opferschutzeinrichtung Weisser Ring im Auftrag der Stadt Wien eine finanzielle Entschädigungsleistung in Höhe von 20.000 Euro sowie die Übernahme der Kosten einer psychotherapeutischen Krankenbehandlung für 80 Therapiestunden zugesprochen.

Von der Stiftung Opferschutz der Katholischen Kirche in Österreich wurde der Beschwerdeführerin eine finanzielle Hilfe in Höhe von 15.000 Euro und Psychotherapie im Ausmaß von 50 Stunden zugesprochen.

Die Beschwerdeführerin leidet an einer leichten Intelligenzminderung, einer dependenten (abhängigen) Persönlichkeitsstörung und einer Anpassungsstörung, vorwiegend mit Störung des Sozialverhaltens. Weiters liegen Asthma bronchiale, ein vertebragenes Schmerzsyndrom, Endometriose und eine Essstörung vor.

Die Anpassungsstörung kann kausal auf die Misshandlungen in den Kinderheimen zurückgeführt werden.

Die erlittenen Misshandlungen in den Kinderheimen hatten auch einen Einfluss auf die Persönlichkeitsstörung, waren jedoch nicht wesentliche Ursache für die Persönlichkeitsstörung, und haben diese nicht vorzeitig ausgelöst.

Betreffend die leichte Intelligenzminderung, das Asthma bronchiale, das vertebragene Schmerzsyndrom, die Endometriose und die Essstörung kann nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ein Kausalzusammenhang mit den festgestellten Misshandlungen im Heim festgestellt werden.

Auch bei Annahme einer Kausalität des Asthma bronchiale und der Essstörung mit dem Verbrechen ist daraus keine Auswirkung auf den Berufsverlauf de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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