Entscheidungsdatum
07.05.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
G313 2206977-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, geb. XXXX, StA. Bosnien und Herzegowina, vertreten durch RA Dr. Astrid WAGNER, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.08.2018, Zl. XXXX, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerden werden die angefochtenen Bescheide behoben und wird die Angelegenheit jeweils gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 16.08.2018 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß 46 FPG nach Bosnien zulässig ist (Spruchpunkt III.), ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 4 AVG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt wird (Spruchpunkt IV.), gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 8 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).
2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
3. Am 04.10.2018 langte die gegenständliche Beschwerden samt dazugehörigem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.
4. Mit Aktenvermerk des BVwG vom 25.10.2018 wurde der Beschwerde die aberkannte aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Der BF ist bosnischer Staatsangehöriger.
1.2. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid stellte die belangte Behörde zum Aufenthalt des BF in Österreich Folgendes fest:
"Sie hatten in Österreich aufgrund Ihrer Eheschließung 2014 einen Aufenthaltstitel (Rot-Weiß-Rot Karte Plus-Familieneigenschaft) mit der Gültigkeit 02.06.2016 - 02.06.2017.
Sie haben eine Scheinehe mit einer Serbin geschlossen, die einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" besitzt, um sich ein Aufenthaltsrecht zu erschleichen." Aufgrund des praktisch erwiesenen Tatbestands des Eingehens einer Scheinehe befinden Sie sich illegal in Österreich.
Damit liegt ein illegaler Aufenthalt vor. Es ist somit als erwiesen anzusehen, dass Sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten."
In der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides wurde betreffend die Feststellungen zum Aufenthalt des BF in Österreich Folgendes festgehalten:
"Sie haben sich in Österreich ein Aufenthaltsrecht durch die Schließung einer Scheinehe erschlichen, dies ist anhand des Aktes ersichtlich. Ihre Scheinehe ist durch die Ermittlungen der LPD AFA 1.4. nachgewiesen.
Aufgrund des praktisch erwiesenen Tatbestands des Eingehens einer Scheinehe lehnte die MA 35 die Verlängerung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot Karte plus" ab, folglich befinden Sie sich illegal in Österreich.
Es ist somit als erwiesen anzusehen, dass Sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten."
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt A):
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
3.1.1. Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das BVwG über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Da sich die gegenständlichen - zulässige und rechtzeitige - Beschwerden gegen Bescheide des BFA richten, ist das BVwG für die Entscheidung zuständig.
3.1.2. Gemäß § 6 des BVwG (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BvwG zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1
B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung des Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.
Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.
Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.
3.2. Zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides:
Die belangte Behörde stellte im angefochtenen Bescheid fest, dass der BF mit einer serbischen einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthaltsrecht-EU" besitzenden Staatsangehörigen eine Scheinehe eingegangen sei, um sich dadurch ein Aufenthaltsrecht für Österreich zu erschleichen, und habe er aufgrund dieser Eheschließung im Jahr 2014 einen vom 02.06.2016 bis 02.06.2017 gültigen Aufenthaltstitel (Rot-Weiß-Rot Karte plus - Familieneigenschaft) gehabt.
In der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides wurde betreffend die Feststellungen zum Aufenthalt des BF in Österreich Folgendes festgehalten:
"Sie haben sich in Österreich ein Aufenthaltsrecht durch die Schließung einer Scheinehe erschlichen, dies ist anhand des Aktes ersichtlich. Ihre Scheinehe ist durch die Ermittlungen der LPD AFA 1.4. nachgewiesen.
Aufgrund des praktisch erwiesenen Tatbestands des Eingehens einer Scheinehe lehnte die MA 35 die Verlängerung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot Karte plus" ab, folglich befinden Sie sich illegal in Österreich.
Es ist somit als erwiesen anzusehen, dass Sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten."
Das Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem LPD wiedergebend führte die belangte Behörde im Verfahrensgang Folgendes an:
"Aufgrund der Widersprüche bei der Einvernahme der LPD, der Aktenlage und den Erhebungen ist eine Aufenthaltsehe als erwiesen anzusehen. Es bestehen aufgrund der Ermittlungen der LPD AFA 1.4. ausreichend Indizien für eine Scheinehe. Ihr Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels wurde von der MA 35 erstinstanzlich abgewiesen."
Die belangte Behörde verwies somit im angefochtenen Bescheid nur darauf, dass das Vorliegen einer Scheinehe aus dem Akt ersichtlich und durch die Ermittlungen der LPD AFA 1.4 nachgewiesen sei, hat jedoch zur Frage, ob eine Scheinehe vorliegt, keine eigenständigen Ermittlungen vorgenommen, sondern sich lediglich auf das Verfahrensergebnis der zuständigen NAG-Behörde, die "aufgrund des praktisch erwiesenen Tatbestands des Eingehens einer Scheinehe" die Verlängerung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot Karte plus" abgelehnt habe, gestützt.
Eigenständige Ermittlungen vor dem BFA zur Frage einer im gegenständlichen Fall vorliegenden Scheinehe sind unterblieben, wären jedoch unbedingt notwendig gewesen, um die für eine Scheinehe sprechenden Indizien aus dem Ermittlungsverfahren der LPD AFA 1.4. erhärten und im gegenständlichen fremdenrechtlichen Verfahren hinreichend begründet von einer Scheinehe ausgehen oder eine solche ausschließen und auf ein dem BF im Bundesgebiet zukommendes Aufenthaltsrecht als Ehegatte einer einen Daueraufenthaltstitel-EU besitzenden serbischen Staatsangehörigen schließen zu können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Da im gegenständlichen bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass die mit Beschwerde angefochtenen Bescheide aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2206977.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020