TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/8 W220 1409224-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.05.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

08.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §57
VwGVG §13
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W220 1409224-5/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2019, ZI.: 499232804-150066349, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

(Vorverfahren)

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Indien, reiste am 11.09.2009 unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.09.2009, Zl. 09 11.030-BAT, sowohl bezüglich des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer wurde aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 29.07.2010, Zl. C16 409.224-1/2009/3E, abgewiesen.

2. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 12.11.2011 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von vierzehn Tagen ab Erlassung des Bescheids festgelegt. Zugrunde lagen dem Einreiseverbot der nicht rechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers und Schwarzarbeit.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Berufungsbescheid des UVS Wien vom 11.04.2012, ZI.: UVS-FRG/62/13972/2011-22, gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 03.09.2012, ZI.: 2012/18/0076, wurde die Behandlung der gegen den Berufungsbescheid des UVS erhobenen Beschwerde abgelehnt.

3. Am 28.01.2015 stellte der Beschwerdeführer einen ersten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.04.2015, ZI.: 499232804-150103554, gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen.

4. Am 05.08.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung des Einreiseverbots.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.11.2015, ZI.: 499232804-151045927, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 05.08.2015 auf Verkürzung/Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro vom 12.11.2011, Zahl III-1281134/FrB/11, erlassenen Einreiseverbots gemäß § 60 Abs. 1 FPG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 78 AVG habe der Beschwerdeführer Bundesverwaltungsabgaben in der Höhe von Euro 6,50 zu entrichten. Die Zahlungsfrist betrage vier Wochen (Spruchpunkt II.).

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.10.2018, ZI.: W220 1409224-2, mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Antrag vom 05.08.2015 auf Verkürzung/Aufhebung des gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro vom 12.11.2011, Zahl III-1281134/FrB/11, erlassenen Einreiseverbots gemäß § 60 Abs. 1 FPG abgewiesen wurde. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und dieser ersatzlos aufgehoben.

(Verfahren zu W220 1409224-4)

5. Am 26.07.2016 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.

Mit Verfahrensanordnung vom 05.10.2016 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer darüber in Kenntnis, dass bei Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments im Original binnen gesetzter Frist "das Verfahren" zurückzuweisen sei.

Am 19.10.2016 stellte der Beschwerdeführer einen "Zusatzantrag" gemäß § 4 AsylG-DV zur Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses. Dazu brachte er vor, dass er nie seine Identität verheimlicht habe und darüber immer wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe. Er habe am Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgewirkt und allen Ladungen Folge geleistet. Eine Geburtsurkunde habe er bereits vorgelegt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2016, ZI.: 499232804-161034906, wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 60 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen. Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass der Beschwerdeführer bereits die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel gemäß § 60 AsylG 2005 nicht erfülle. Allein die Tatsache, dass gegen den Beschwerdeführer eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 iVm § 53 Abs. 2 Z 7 FPG bestehe, schließe ihn von der Erteilung eines Aufenthaltstitels aus. Auf sein Privat- und Familienleben sei daher nicht einzugehen und da eine aufrechte Rückkehrentscheidung vorliege, sei gemäß § 59 Abs. 5 FPG der Erlass einer neuerlichen Rückkehrentscheidung nicht notwendig. Überdies erübrige sich die Entscheidung über den Heilungsantrag, da der Beschwerdeführer von vornherein gemäß § 60 AsylG von der Erteilung eines Aufenthaltstitels ausgeschlossen sei.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.10.2018, ZI.: W220 1409224-3, wurde der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG behoben.

Begründet wurde dies damit, dass die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dergestalt einschränkend auszulegen sei, dass sie sich - wie die inhaltlich ähnliche Erteilungsvoraussetzung nach § 60 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 ausdrücklich - nur auf Aufenthaltstitel nach den §§ 56 und 57 AsylG 2005 beziehen könne. Dieses Verständnis liege auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nahe, ermögliche es doch, Einreiseverbote, die mangels fristgerechter Ausreise des Drittstaatsangehörigen keiner Verkürzung oder Aufhebung nach § 60 Abs. 1 oder 2 FPG 2005 zugänglich seien, bei zwingenden Gründen des Art. 8 MRK im Wege der Antragstellung nach § 55 AsylG 2005 gegenstandslos werden zu lassen (VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037, mit Verweis auf VfGH 03.12.2012, G 74/12).

Der Antrag des Beschwerdeführers sei demnach im gegenständlichen Fall rechtswidrig zurückgewiesen worden, da ihm nach dem Gesagten das Recht auf eine meritorische Entscheidung zugekommen sei. Die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid durch Verweigerung einer Sachentscheidung (keine meritorische Auseinandersetzung mit dem Vorbringen zu Gründen des Art. 8 MRK) und bloßem Verweis auf die (entsprechend einschränkend zu interpretierende) Erteilungsvoraussetzung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

7. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelte dem Beschwerdeführer in weiterer Folge eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 06.11.2018.

Dazu nahm der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 22.11.2018 Stellung und legte ein Konvolut von Unterlagen vor.

8. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2019, ZI.: 499232804-161034906, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 28.07.2016 gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen, gemäß § 10 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt III.).

Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.10.2019, ZI.: W220 1409224-4, als unbegründet abgewiesen.

Mit Erkenntnis vom 23.01.2020, Ra 2019/21/0378, 0388, hob der Verwaltungsgerichtshof dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtshofes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

(Gegenständliches Verfahren)

9. Mit Mandatsbescheid vom 08.07.2019, ZI.: 499232804-150066349, trug das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG auf, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in einer näher bezeichneten Betreuungseinrichtung zu nehmen und dieser Verpflichtung binnen drei Tagen nachzukommen.

10. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Vorstellung erhoben.

11. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 29.07.2019 brachte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den Ermittlungsstand zur Kenntnis und forderte den Beschwerdeführer zu einer Stellungnahme auf.

12. Dazu nahm der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 05.08.2019 Stellung.

13. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 29.08.2019, ZI.: 499232804-150066349, trug das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer gem. § 57 Abs. 1 FPG auf, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft im Rückkehrberatungszentrum XXXX zu nehmen und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtshofes vom 22.10.2019, ZI.: W220 1409224-5, als unbegründet abgewiesen.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.01.2020, Ra 2019/21/0378, 0388, hob der Verwaltungsgerichtshof dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtshofes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt und der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

1.2. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist Staatsangehöriger Indiens, stammt aus dem Punjab und gehört der Religion der Sikh an.

1.3. Der Beschwerdeführer besuchte in Indien vierzehn Jahre lang die Schule und danach einen Bachelor-Lehrgang; vor seiner Ausreise aus Indien war er Student.

1.4. Die Eltern und die Schwester des Beschwerdeführers lebten jedenfalls bis Februar 2019 in Indien, nunmehr halten sie sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten auf.

1.5. Der Beschwerdeführer lebt seit seiner Asylantragstellung im September 2009 durchgehend in Österreich.

Mit Zustellung der abweisenden Entscheidung des Asylgerichtshofs am 14.08.2010 wurde das Asylverfahren mit einer durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung gegen den Beschwerdeführer abgeschlossen. Der Beschwerdeführer verblieb aber im österreichischen Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer hält sich seither unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet auf.

1.6. Der Beschwerdeführer hat am 12.05.2015 das ÖSD-Sprachzertifikat Deutsch A2 bestanden.

1.7. Der Beschwerdeführer lebt seit August 2015 in XXXX und ist in seiner Wohngemeinde in Österreich sozial vernetzt. Er hat Kontakt zu mehreren Einwohnern seiner Wohngemeinde, pflegt dort Freund- und Bekanntschaften und nimmt am dortigen Sozialleben teil. Auch außerhalb seiner Wohngemeinde pflegt der Beschwerdeführer Bekanntschaften, etwa zu seiner Versicherungsberaterin.

Eine engere Bindung hat der Beschwerdeführer zu einer ebenfalls in seiner Wohngemeinde lebenden Familie, die den Beschwerdeführer als "Ziehsohn" bzw. "Bruder" ansieht. Der Beschwerdeführer wohnt mit dieser Familie nicht in einem gemeinsamen Haushalt.

Zudem lebt der Bruder des Beschwerdeführers in Österreich in der gleichen Gemeinde wie der Beschwerdeführer. Die Brüder leben nicht in einem gemeinsamen Haushalt.

Eine Tante väterlicherseits lebt mit ihrem Ehegatten in XXXX , ein Cousin und dessen Ehegattin samt deren Kindern leben in Österreich. Sie alle sind indische Staatsangehörige. Ein weiterer Cousin, der die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, lebt in XXXX .

1.8. Der Beschwerdeführer ist in Österreich seit November 2009 selbstständig erwerbstätig. Die Tätigkeiten des Beschwerdeführers umfassten bislang die Zeitungszustellung, das Aufhängen von Zeitungen am Wochenende und Zustellungen an Apotheken.

Der Beschwerdeführer beschäftigt in seinem Transportunternehmen mehrere Dienstnehmer.

Er brachte beim XXXX im Oktober 2018 EUR 1903,27, im September 2018 EUR 1483,50 und im August 2018 EUR 931,50 ins Verdienen. Bei der XXXX brachte der Beschwerdeführer im September 2018 EUR 412,80 ins Verdienen.

Im Jahr 2017 brachte der Beschwerdeführer als Werkvertragsnehmer EUR 21.388,39 ins Verdienen.

Im Jahr 2018 entnahm der Beschwerdeführer aus der auf seinen Namen lautenden Kleintransport-Firma EUR 26.600,00 zur eigenen Verwendung.

Im Einkommenssteuerbescheid 2017 wurde als Einkommen des Beschwerdeführers für das Jahr 2017 der Betrag von EUR 11.536,34, im Jahr 2018 der Betrag von EUR 12.891,59 festgestellt.

1.9. Der Beschwerdeführer hat eine Lebensversicherung und eine Haushaltsversicherung abgeschlossen. Zudem hat er einen Bausparvertrag abgeschlossen. Der Beschwerdeführer ist bei der SVA als gewerblich selbstständiger Erwerbstätiger versichert, auf seinem Beitragskonto bestand zum 30.06.2019 ein Rückstand von EUR 3.915,35.

1.10. Der Beschwerdeführer ist Mieter einer 60m2-Wohnung in seiner Wohngemeinde.

1.11. Der Beschwerdeführer ist in der Sozialversicherungsanstalt für gewerbliche Wirtschaft sozialversichert.

1.12. Gegen den Beschwerdeführer erging am 30.05.2016 seitens der LPD XXXX ein Straferkenntnis wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet. Über ihn wurde eine Geldstrafe iHv EUR 2500,00 (Ersatzfreiheitsstrafe vierzehn Tage) verhängt.

Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts XXXX vom 12.06.2017, GZ LVwG-S-1795/001-2016, wurde die dagegen erhobene Beschwerde mit der Maßgabe bestätigt, dass die Ersatzfreiheitsstrafe auf zehn Tage herabgesetzt wurde, im Übrigen wurde die Beschwerde unter Maßgabe der Richtigstellung der zugrundeliegenden Rechtsvorschriften abgewiesen.

1.13. Der Beschwerdeführer wurde am 29.03.2011 aufgrund der unmittelbaren Wahrnehmung eines Finanzbeamten bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung als Zustellfahrer für ein Asia-Restaurant betreten, über den Restaurantinhaber wurde deshalb mit rechtskräftigem Straferkenntnis der zuständigen Bezirkshauptmannschaft eine Geldstrafe von EUR 1000,00 verhängt.

1.14. Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unstrittigen Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zum vom Beschwerdeführer geführten Namen und Geburtsdatum, zur Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers und seinem Herkunftsort sowie seiner Religionszugehörigkeit beruhen auf seinen Angaben im Asylverfahren (vgl. auch Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 29.07.2010 S. 10).

2.3. Die Feststellung zum Bildungsweg des Beschwerdeführers in Indien beruht auf dem im Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 29.07.2010 festgestellten Sachverhalt (vgl. dort S. 10).

2.4. Die Feststellungen zu seinen familiären Verhältnissen und dem Aufenthalt seiner Verwandten in Indien bis jedenfalls Februar 2019 beruhen auf den in der im Februar 2019 erhobenen Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid gemachten Angaben des Beschwerdeführers (vgl. Beschwerdeschriftsatz Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 668, auch AS 385 ). In der Stellungnahme vom 05.08.2019 im Verfahren über die Wohnsitzauflage brachte der Beschwerdeführer nunmehr vor, dass Eltern und Schwester in den Vereinigten Arabischen Emiraten leben würden (Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 333), sodass auch dies seinen aktuellen Angaben entsprechend festgestellt wurde.

2.5. Die Feststellung zur Dauer seines Aufenthalts ergibt sich unstrittig aus dem Zeitraum seit Stellung des Asylantrages. Aus dem unstrittigen Ausgang des Asylverfahrens (vgl. AS 227 im Asylakt) ergibt sich die seitherige Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts.

2.6. Das Bestehen einer Deutschprüfung auf dem Sprachniveau A2 ist durch das Zeugnis darüber belegt (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 660, ebenso Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 122).

2.7. Die Feststellungen zum Leben sowie zu den sozialen Bindungen des Beschwerdeführers in und außerhalb seiner Wohngemeinde beruhen auf den in Vorlage gebrachten Unterstützungsschreiben (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 387-405, AS 309-219, Vorlage vom 04.06.2019, ebenso AS 113ff im Akt zum Verfahren W220 1409224-5).

Die Feststellungen zum Aufenthalt des Bruders und zum Nichtvorliegen eines gemeinsamen Wohnsitzes ergeben sich aus dem Vorbringen in der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid (vgl. dazu Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 110), ein Zusammenleben der Brüder im gemeinsamen Haushalt wurde weder vorgebracht noch ergibt sich dies aus dem übrigen Akteninhalt. Die Feststellungen zu den übrigen in Österreich lebenden Verwandten ergeben sich aus der Stellungnahme im Verfahren W220 1409224-5 (Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 333), ebenso jene zum Cousin, der österreichischer Staatsbürger ist (Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 335).

2.8. Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit und zum Einkommen des Beschwerdeführers beruhen auf den Feststellungen im Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 201), den vorgelegten Gutschriften und Belegen (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 417-421, AS 423, AS 427), der Bestätigung über Entnahmen (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 348) sowie den im Verfahren zu W220 1409224-5 vorgelegten Einkommenssteuerbescheiden (Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 130ff) sowie dem Auszahlungsjournal vom Juni 2019, das sieben Dienstnehmer ausweist (Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 153), schließlich aus dortiger Beschwerde, die von fünf Dienstnehmern und drei Subunternehmern spricht (Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 495).

2.9. Die Feststellungen zur abgeschlossenen Lebensversicherung und Haushaltsversicherung sowie zum Bausparvertrag beruhen auf den entsprechenden in Vorlage gebrachten Vertragsdokumenten (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 449, 351, 353). Die Versicherung bei der SVA ergibt sich aus einem entsprechenden Versicherungsdatenauszug (Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 138ff, zum Beitragsrückstand dort AS 152).

2.10. Die Feststellung zum Mietverhältnis beruht auf dem in Vorlage gebrachten Mietvertrag (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 459 ff).

2.11. Die Feststellungen zur Sozialversicherung beruhen auf den in Vorlage gebrachten Zahlungsbestätigungen der SVA (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 485ff).

2.12. Die Feststellungen zur gegen den Beschwerdeführer verhängten Verwaltungsstrafe aufgrund unrechtmäßigen Aufenthalts ergeben sich aus dem im Akt einliegenden Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 191ff).

2.13. Die Feststellung dazu, dass der Beschwerdeführer bei einer illegalen Beschäftigung betreten wurde, gründet auf dem im Akt einliegenden UVS-Bescheid vom 11.04.2012 (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 190 und 191).

2.14. Dass der Beschwerdeführer gesund und erwerbsfähig ist, ergibt sich daraus, dass er keine Erkrankung vorbrachte und in Österreich seit vielen Jahren selbstständig erwerbstätig ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist zulässig und rechtzeitig.

3.2. Zu A) Behebung des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.2.1.1. Rechtliche Grundlagen:

§ 57 FPG lautet auszugsweise:

"Wohnsitzauflage

§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) [...]

(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen, wenn und solange

1. die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar,

2. sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder

3. ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 60 Abs. 3 gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 4 außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen."

§ 46 FPG lautet auszugsweise:

"[...]

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt.

[...]"

Aus den Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG ergibt sich auszugsweise Folgendes:

"[...] Die Erlassung einer Wohnsitzauflage soll dabei nicht systematisch erfolgen, sondern hat jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK - insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt - zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 1:

[...]

Die zweite Konstellation soll auch jene Fälle umfassen, in denen zwar eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde, der Drittstaatsangehörige aber nicht innerhalb der Frist ausgereist ist und anzunehmen ist, dass er seiner Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 2:

In Abs. 2 werden jene Tatsachen näher definiert und demonstrativ aufgezählt, welche im Sinne des Abs. 1 Z 2 die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Ein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft zur Ausreise ist naturgemäß dann gegeben, wenn der Drittstaatsangehörige selbst angibt, dass er nicht bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Es kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, wenn er ein ihm angebotenes oder angeordnetes Rückkehrberatungsgespräch zum Zweck der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt. Ebenso wird davon auszugehen sein, dass der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist auszureisen, wenn er während einer gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht ausgereist ist und anschließend seinen Wohnsitz bzw. den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts ändert, ohne das Bundesamt hiervon in Kenntnis zu setzen. Ferner kann von mangelhafter Bereitschaft zur Ausreise ausgegangen werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige es unterlässt, an der Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten mitzuwirken oder ein vorhandenes Reisedokument vernichtet oder sich dessen auf sonstige Weise entledigt. Hat der Drittstaatsangehörige bereits im Verfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht und damit die Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten erschwert bzw. verhindert, wird ebenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Ausreise auszugehen sein.

Da es sich bei Abs. 2 um eine demonstrative Aufzählung handelt, kommen auch weitere Umstände in Betracht, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird. Weitere denkbare Gründe in diesem Sinne sind etwa falsche oder widersprüchliche Angaben zum Vorliegen einer Voll- oder Minderjährigkeit bzw. voneinander abweichende Altersangaben in Verfahren vor verschiedenen Behörden (dazu VwGH 25.02.2015, Ra 2014/20/0045) sowie die Verschweigung von vorhandenen Identitätsdokumenten. Hievon sollen beispielsweise jene Fälle erfasst sein, in denen Drittstaatsangehörige im Verfahren vor dem Bundesamt angeben, über keine Identitätsdokumente zu verfügen, während sie im Verfahren vor anderen Behörden (bspw. dem Standesamt im Zuge einer Eheschließung) oder Gerichten solche vorlegen.

[...]

Zu Abs. 6:

Die Auferlegung der Wohnsitzauflage gemäß § 57 erfolgt mittels Mandatsbescheid gemäß §57 AVG. Ein solcher kann erlassen werden, wenn es sich um die Vorschreibung einer Geldleistung oder wegen Gefahr in Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt. Für den vorgeschlagenen § 57 ist der Tatbestand "Gefahr in Verzug" maßgeblich: In der Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 1 ist der Ausschluss einer Frist zur freiwilligen Ausreise an die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Rückkehrentscheidung (§ 18 Abs. 2 BFA-VG) geknüpft. Somit wurde bereits im Falle einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde und der Nichtgewährung einer Frist gemäß § 55 festgestellt, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt. Dadurch ist die Erlassung der Wohnsitzauflage in dieser Konstellation mittels Mandatsbescheid aufgrund der bereits zuvor anlässlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung festgestellten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zulässig. Hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 liegt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtungfeststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist."

3.2.1.2. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

Die Annahme, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird, stützte die belangte Behörde auf keinen der demonstrativ aufgezählten Tatbestände des § 57 Abs. FPG, sondern stützte sie sich darauf, dass sich der Beschwerdeführer vehement weigere, die ihm auferlegte Ausreiseverpflichtung zu erfüllen.

Im Ergebnis ist dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in dieser Einschätzung beizutreten. So zeigen nicht nur der rund zehnjährige unrechtmäßige Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet trotz einer gegen ihn bestehenden Ausweisung (und zudem seit April 2012 trotz eines gegen ihn bestehenden Einreiseverbots), sondern auch die von ihm betriebene berufliche Verfestigung durch den Betrieb eines Transportunternehmens sowie die Stellung von Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK, die gerade den Zweck haben, ihm einen weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, dass der Beschwerdeführer nicht vorhat, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen und sind diese Tatsachen aus Sicht des erkennenden Gerichts als bestimmte Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Beschwerdeführer einer Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird, zu werten. Der Beschwerdeführer bestreitet auch im Beschwerdeverfahren nicht, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen will.

Durch die Wohnsitzauflage würde in das in seiner Wohnsitzgemeinde bestehende Privatleben und die Wohnung des Beschwerdeführers eingegriffen werden. Dieser mit der Erlassung einer Wohnsitzauflage verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ist allerdings nicht verhältnismäßig:

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben, Wohnung und Briefverkehr nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Dem öffentlichen Interesse kommt zwar aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Aus den Erläuternden Bemerkungen zur Wohnsitzauflage nach § 57 FPG ergibt sich, dass hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247).

Gegenständlich überwiegen jedoch die privaten Interessen des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seines Privat- und Familienlebens die oben dargelegte öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit:

Die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich seit September 2009 ist mit über zehn Jahren als sehr lang zu werten. Der Beschwerdeführer weist auch seit 23.09.2009 durchgehende Meldungen an seinen Wohnsitzen auf, wohnt seit August 2015 in derselben Gemeinde, wo er seinen Lebensmittelpunkt hat, und war für die Behörden bisher ohne Weiteres erreichbar. Der Beschwerdeführer ist in seiner Wohnsitzgemeinde stark verankert; er hat zu mehreren Einwohnern seiner Wohngemeinde Kontakt, pflegt dort Freund- und Bekanntschaften und nimmt am dortigen Sozialleben teil. Eine engere Bindung hat der Beschwerdeführer zu einer ebenfalls in seiner Wohngemeinde lebenden Familie, die den Beschwerdeführer als "Ziehsohn" bzw. "Bruder" ansieht. Auch der Bruder des Beschwerdeführers lebt in der Wohngemeinde des Beschwerdeführers. Zudem weist der Beschwerdeführer durch den Betrieb eines Transportunternehmens Bindungen an seinen Wohnort in Österreich auf und ist er durch seine Erwerbstätigkeit als selbstständiger Transportunternehmer imstande, für seine Lebensgrundlage aufzukommen, ohne Unterstützungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Er ist darüber hinaus auch kranken-, lebens- und haushaltsversichert und lebt in seiner Wohngemeinde in einer ortsüblichen Unterkunft.

Es wird sohin nicht übersehen, dass die bisherige Weigerung des Beschwerdeführers, der ihn treffenden Ausreiseverpflichtung nachzukommen, im Lichte der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens zu Lasten des Beschwerdeführers wiegt und der Beschwerdeführer seine Integrationsschritte im Bewusstsein um das Bestehen seiner Ausreiseverpflichtung bzw. seines unrechtmäßigen Aufenthaltes gesetzt hat. Angesichts der starken Verankerung des Beschwerdeführers in seiner Wohnsitzgemeinde ist jedoch die Verlegung in eine von dieser bisherigen Wohnsitzgemeinde weit entfernte Einrichtung mit gemäß § 52a Abs. 1 FPG auf das Gebiet der dortigen Bezirksverwaltungsbehörde eingeschränktem Aufenthalt nicht als verhältnismäßig anzusehen.

Die Erlassung einer Wohnsitzauflage gegen den Beschwerdeführer ist demnach nicht verhältnismäßig und ist der angefochtene Bescheid daher mangels Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung ersatzlos zu beheben.

Die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung in der Sache selbst (vgl. VwGH 25.03.2015, Ro 2015/12/0003). Als verfahrensrechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung ist im Spruch daher § 28 Abs. 1 und Abs. 2 (bzw. Abs. 3 Satz 1) VwGVG 2014 zu nennen. § 28 Abs. 5 VwGVG 2014 regelt hingegen nur die Rechtsfolgen von Bescheidaufhebungen durch das VwG und bietet keine eigenständige Rechtsgrundlage für die Aufhebung selbst, sei es nach § 28 Abs. 3 Satz 2 und 3 (oder Abs. 4) VwGVG 2014, sei es nach § 28 Abs. 1 und 2 oder Abs. 3 Satz 1 VwGVG 2014 (VwGH 04.08.2016 2016/21/0162).

3.2.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Im gegenständlichen Fall hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen und dies mit einem überwiegenden öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheides begründet. Das öffentliche Interesse sei bereits durch die Regelung der Wohnsitzauflage mittels sofort durchsetzbaren Mandatsbescheides indiziert, zudem würden diese Interessen in Hinblick auf die Ausreise in Erfüllung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme überwiegen.

Gemäß § 22 Abs. 3 1. Fall VwGVG kann das Verwaltungsgericht Bescheide gemäß § 13 VwGVG - ein solcher liegt in Hinblick auf Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides vor - auf Antrag einer Partei - ein solcher wurde in der Beschwerde gestellt - aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.

Mangels festgestellter Verwirklichung der Voraussetzungen für die Wohnsitzauflage und der dieser immanenten "Gefahr im Verzug" ist der angefochtene Bescheid daher auch im Umfang der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu beheben.

3.2.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 2. Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Erwerbstätigkeit Interessenabwägung Privat- und Familienleben Wohnsitz Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W220.1409224.5.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten