TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/8 W220 1409224-4

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Veröffentlicht am 08.05.2020
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Entscheidungsdatum

08.05.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W220 1409224-4/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2019, ZI.: 499232804-161034906, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und XXXX gemäß § 54 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

(Vorverfahren)

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Indien, reiste am 11.09.2009 unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.09.2009, Zl. 09 11.030-BAT, sowohl bezüglich des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer wurde aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 29.07.2010, Zl. C16 409.224-1/2009/3E, abgewiesen.

2. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 12.11.2011 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von vierzehn Tagen ab Erlassung des Bescheids festgelegt. Zugrunde lagen dem Einreiseverbot der nicht rechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers und Schwarzarbeit.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Berufungsbescheid des UVS Wien vom 11.04.2012, ZI.: UVS-FRG/62/13972/2011-22, gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 03.09.2012, ZI.: 2012/18/0076, wurde die Behandlung der gegen den Berufungsbescheid des UVS erhobenen Beschwerde abgelehnt.

3. Am 28.01.2015 stellte der Beschwerdeführer einen ersten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.04.2015, ZI.: 499232804-150103554, gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen.

4. Am 05.08.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung des Einreiseverbots.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.11.2015, ZI.: 499232804-151045927, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 05.08.2015 auf Verkürzung/Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro vom 12.11.2011, Zahl III-1281134/FrB/11, erlassenen Einreiseverbots gemäß § 60 Abs. 1 FPG zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 78 AVG habe der Beschwerdeführer Bundesverwaltungsabgaben in der Höhe von Euro 6,50 zu entrichten. Die Zahlungsfrist betrage vier Wochen (Spruchpunkt II.).

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.10.2018, ZI.: W220 1409224-2, mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Antrag vom 05.08.2015 auf Verkürzung/Aufhebung des gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro vom 12.11.2011, Zahl III-1281134/FrB/11, erlassenen Einreiseverbots gemäß § 60 Abs. 1 FPG abgewiesen wurde. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und dieser ersatzlos aufgehoben.

(Gegenständliches Verfahren)

5. Am 26.07.2016 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten (den gegenständlichen) Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK.

Mit Verfahrensanordnung vom 05.10.2016 setzte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer darüber in Kenntnis, dass bei Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments im Original binnen gesetzter Frist "das Verfahren" zurückzuweisen sei.

Am 19.10.2016 stellte der Beschwerdeführer einen "Zusatzantrag" gem. § 4 AsylG-DV zur Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines Reisepasses. Dazu brachte er vor, dass er nie seine Identität verheimlicht habe und darüber immer wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe. Er habe am Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgewirkt und allen Ladungen Folge geleistet. Eine Geburtsurkunde habe er bereits vorgelegt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2016, ZI.: 499232804-161034906, wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 60 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen. Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass der Beschwerdeführer bereits die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel gemäß § 60 AsylG 2005 nicht erfülle. Allein die Tatsache, dass gegen den Beschwerdeführer eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 iVm § 53 Abs. 2 Z 7 FPG bestehe, schließe ihn von der Erteilung eines Aufenthaltstitels aus. Auf sein Privat- und Familienleben sei daher nicht einzugehen und da eine aufrechte Rückkehrentscheidung vorliege, sei gemäß § 59 Abs. 5 FPG der Erlass einer neuerlichen Rückkehrentscheidung nicht notwendig. Überdies erübrige sich die Entscheidung über den Heilungsantrag, da der Beschwerdeführer von vornherein gemäß § 60 AsylG von der Erteilung eines Aufenthaltstitels ausgeschlossen sei.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.10.2018, ZI.: W220 1409224-3, wurde der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG behoben.

Begründet wurde dies damit, dass die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dergestalt einschränkend auszulegen sei, dass sie sich - wie die inhaltlich ähnliche Erteilungsvoraussetzung nach § 60 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 ausdrücklich - nur auf Aufenthaltstitel nach den §§ 56 und 57 AsylG 2005 beziehen könne. Dieses Verständnis liege auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nahe, ermögliche es doch, Einreiseverbote, die mangels fristgerechter Ausreise des Drittstaatsangehörigen keiner Verkürzung oder Aufhebung nach § 60 Abs. 1 oder 2 FPG 2005 zugänglich seien, bei zwingenden Gründen des Art. 8 EMRK im Wege der Antragstellung nach § 55 AsylG 2005 gegenstandslos werden zu lassen (VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037, mit Verweis auf VfGH 03.12.2012, G 74/12).

Der Antrag des Beschwerdeführers sei demnach im gegenständlichen Fall rechtswidrig zurückgewiesen worden, da ihm nach dem Gesagten das Recht auf eine meritorische Entscheidung zugekommen sei. Die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid durch Verweigerung einer Sachentscheidung (keine meritorische Auseinandersetzung mit dem Vorbringen zu Gründen des Art. 8 EMRK) und bloßem Verweis auf die (entsprechend einschränkend zu interpretierende) Erteilungsvoraussetzung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

7. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelte dem Beschwerdeführer in weiterer Folge eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 06.11.2018.

Dazu nahm der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 22.11.2018 Stellung und legte ein Konvolut von Unterlagen vor.

8. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2019, ZI.: 499232804-161034906, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 28.07.2016 gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen, gemäß § 10 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt III.).

Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.10.2019, ZI.: W220 1409224-4, als unbegründet abgewiesen.

Mit Erkenntnis vom 23.01.2020, Ra 2019/21/0378, 0388, hob der Verwaltungsgerichtshof dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtshofes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

(Verfahren zu W220 1409224-5)

9. Mit Mandatsbescheid vom 08.07.2019, ZI.: 499232804-150066349, trug das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG auf, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in einer näher bezeichneten Betreuungseinrichtung zu nehmen und dieser Verpflichtung binnen drei Tagen nachzukommen.

10. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Vorstellung erhoben.

11. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 29.07.2019 brachte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den Ermittlungsstand zur Kenntnis und forderte den Beschwerdeführer zu einer Stellungnahme auf.

12. Dazu nahm der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 05.08.2019 Stellung.

13. Mit Bescheid vom 29.08.2019, ZI.: 499232804-150066349, trug das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer gem. § 57 Abs. 1 FPG auf, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in einer näher bezeichneten Betreuungseinrichtung zu nehmen und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtshofes vom 22.10.2019, ZI.: W220 1409224-5, als unbegründet abgewiesen.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.01.2020, Ra 2019/21/0378, 0388, hob der Verwaltungsgerichtshof dieses Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtshofes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt und der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

1.2. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist Staatsangehöriger Indiens, stammt aus dem Punjab und gehört der Religion der Sikh an.

1.3. Der Beschwerdeführer besuchte in Indien vierzehn Jahre lang die Schule und danach einen Bachelor-Lehrgang; vor seiner Ausreise aus Indien war er Student.

1.4. Die Eltern und die Schwester des Beschwerdeführers lebten jedenfalls bis Februar 2019 in Indien, nunmehr halten sie sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten auf.

1.5. Der Beschwerdeführer lebt seit seiner Asylantragstellung im September 2009 durchgehend in Österreich.

Mit Zustellung der abweisenden Entscheidung des Asylgerichtshofs am 14.08.2010 wurde das Asylverfahren mit einer durchsetzbaren Ausweisungsentscheidung gegen den Beschwerdeführer abgeschlossen. Der Beschwerdeführer verblieb aber im österreichischen Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer hält sich seither unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet auf.

1.6. Der Beschwerdeführer hat am 12.05.2015 das ÖSD-Sprachzertifikat Deutsch A2 bestanden.

1.7. Der Beschwerdeführer ist in seiner Wohngemeinde in Österreich sozial vernetzt. Er hat Kontakt zu mehreren Einwohnern seiner Wohngemeinde, pflegt dort Freund- und Bekanntschaften und nimmt am dortigen Sozialleben teil. Auch außerhalb seiner Wohngemeinde pflegt der Beschwerdeführer Bekanntschaften, etwa zu seiner Versicherungsberaterin.

Eine engere Bindung hat der Beschwerdeführer zu einer ebenfalls in seiner Wohngemeinde lebenden Familie, die den Beschwerdeführer als "Ziehsohn" bzw. "Bruder" ansieht. Der Beschwerdeführer wohnt mit dieser Familie nicht in einem gemeinsamen Haushalt.

Zudem lebt der Bruder des Beschwerdeführers in Österreich in der gleichen Gemeinde wie der Beschwerdeführer. Die Brüder leben nicht in einem gemeinsamen Haushalt.

Eine Tante väterlicherseits lebt mit ihrem Ehegatten in XXXX , ein Cousin und dessen Ehegattin samt deren Kindern leben in Österreich. Sie alle sind indische Staatsangehörige. Ein weiterer Cousin, der die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, lebt in XXXX .

1.8. Der Beschwerdeführer ist in Österreich seit November 2009 selbstständig erwerbstätig. Die Tätigkeiten des Beschwerdeführers umfassten bislang die Zeitungszustellung, das Aufhängen von Zeitungen am Wochenende und Zustellungen an Apotheken.

Der Beschwerdeführer beschäftigt in seinem Transportunternehmen mehrere Dienstnehmer.

Er brachte beim XXXX im Oktober 2018 EUR 1903,27, im September 2018 EUR 1483,50 und im August 2018 EUR 931,50 ins Verdienen. Bei der XXXX brachte der Beschwerdeführer im September 2018 EUR 412,80 ins Verdienen.

Im Jahr 2017 brachte der Beschwerdeführer als Werkvertragsnehmer EUR 21.388,39 ins Verdienen.

Im Jahr 2018 entnahm der Beschwerdeführer aus der auf seinen Namen lautenden Kleintransport-Firma EUR 26.600,00 zur eigenen Verwendung.

Im Einkommenssteuerbescheid 2017 wurde als Einkommen des Beschwerdeführers für das Jahr 2017 der Betrag von EUR 11.536,34, im Jahr 2018 der Betrag von EUR 12.891,59 festgestellt.

1.9. Der Beschwerdeführer hat eine Lebensversicherung und eine Haushaltsversicherung abgeschlossen. Zudem hat er einen Bausparvertrag abgeschlossen. Der Beschwerdeführer ist bei der SVA als gewerblich selbstständiger Erwerbstätiger versichert, auf seinem Beitragskonto bestand zum 30.06.2019 ein Rückstand von EUR 3.915,35.

1.10. Der Beschwerdeführer ist Mieter einer 60m2-Wohnung in seiner Wohngemeinde.

1.11. Der Beschwerdeführer ist in der Sozialversicherungsanstalt für gewerbliche Wirtschaft sozialversichert.

1.12. Gegen den Beschwerdeführer erging am 30.05.2016 seitens der LPD XXXX ein Straferkenntnis wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet. Über ihn wurde eine Geldstrafe iHv EUR 2500,00 (Ersatzfreiheitsstrafe vierzehn Tage) verhängt.

Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts XXXX vom 12.06.2017, GZ LVwG-S-1795/001-2016, wurde die dagegen erhobene Beschwerde mit der Maßgabe bestätigt, dass die Ersatzfreiheitsstrafe auf zehn Tage herabgesetzt wurde, im Übrigen wurde die Beschwerde unter Maßgabe der Richtigstellung der zugrundeliegenden Rechtsvorschriften abgewiesen.

1.13. Der Beschwerdeführer wurde am 29.03.2011 aufgrund der unmittelbaren Wahrnehmung eines Finanzbeamten bei der Ausübung einer illegalen Beschäftigung als Zustellfahrer für ein Asia-Restaurant betreten, über den Restaurantinhaber wurde deshalb mit rechtskräftigem Straferkenntnis der zuständigen Bezirkshauptmannschaft eine Geldstrafe von EUR 1000,00 verhängt.

1.14. Der Beschwerdeführer ist gesund und erwerbsfähig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unstrittigen Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zum vom Beschwerdeführer geführten Namen und Geburtsdatum, zur Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers und seinem Herkunftsort sowie seiner Religionszugehörigkeit beruhen auf seinen Angaben im Asylverfahren (vgl. auch Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 29.07.2010 S. 10).

2.3. Die Feststellung zum Bildungsweg des Beschwerdeführers in Indien beruht auf dem im Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 29.07.2010 festgestellten Sachverhalt (vgl. dort S. 10).

2.4. Die Feststellungen zu seinen familiären Verhältnissen und dem Aufenthalt seiner Verwandten in Indien bis jedenfalls Februar 2019 beruhen auf den in der im Februar 2019 erhobenen Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid gemachten Angaben des Beschwerdeführers (vgl. Beschwerdeschriftsatz Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 668, auch AS 385 ). In der Stellungnahme vom 05.08.2019 im Verfahren über die Wohnsitzauflage brachte der Beschwerdeführer nunmehr vor, dass Eltern und Schwester in den Vereinigten Arabischen Emiraten leben würden (Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 333), sodass auch dies seinen aktuellen Angaben entsprechend festgestellt wurde.

2.5. Die Feststellung zur Dauer seines Aufenthalts ergibt sich unstrittig aus dem Zeitraum seit Stellung des Asylantrages. Aus dem unstrittigen Ausgang des Asylverfahrens (vgl. AS 227 im Asylakt) ergibt sich die seitherige Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts.

2.6. Das Bestehen einer Deutschprüfung auf dem Sprachniveau A2 ist durch das Zeugnis darüber belegt (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 660, ebenso Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 122).

2.7. Die Feststellungen zu den sozialen Bindungen des Beschwerdeführers in und außerhalb seiner Wohngemeinde beruhen auf den in Vorlage gebrachten Unterstützungsschreiben (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 387-405, AS 309-219, Vorlage vom 04.06.2019, ebenso AS 113ff im Akt zum Verfahren W220 1409224-5).

Die Feststellungen zum Aufenthalt des Bruders und zum Nichtvorliegen eines gemeinsamen Wohnsitzes ergeben sich aus dem Vorbringen in der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid (vgl. dazu Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 110), ein Zusammenleben der Brüder im gemeinsamen Haushalt wurde weder vorgebracht noch ergibt sich dies aus dem übrigen Akteninhalt. Die Feststellungen zu den übrigen in Österreich lebenden Verwandten ergeben sich aus der Stellungnahme im Verfahren W220 1409224-5 (Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 333), ebenso jene zum Cousin, der österreichischer Staatsbürger ist (Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 335).

2.8. Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit und zum Einkommen des Beschwerdeführers beruhen auf den Feststellungen im Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 201), den vorgelegten Gutschriften und Belegen (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 417-421, AS 423, AS 427), der Bestätigung über Entnahmen (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 348) sowie den im Verfahren zu W220 1409224-5 vorgelegten Einkommenssteuerbescheiden (Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 130ff) sowie dem Auszahlungsjournal vom Juni 2019, das sieben Dienstnehmer ausweist (Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 153), schließlich aus dortiger Beschwerde, die von fünf Dienstnehmern und drei Subunternehmern spricht (Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 495).

2.9. Die Feststellungen zur abgeschlossenen Lebensversicherung und Haushaltsversicherung sowie zum Bausparvertrag beruhen auf den entsprechenden in Vorlage gebrachten Vertragsdokumenten (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 449, 351, 353). Die Versicherung bei der SVA ergibt sich aus einem entsprechenden Versicherungsdatenauszug (Akt zum Verfahren W220 1409224-5 AS 138ff, zum Beitragsrückstand dort AS 152).

2.10. Die Feststellung zum Mietverhältnis beruht auf dem in Vorlage gebrachten Mietvertrag (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 459 ff).

2.11. Die Feststellungen zur Sozialversicherung beruhen auf den in Vorlage gebrachten Zahlungsbestätigungen der SVA (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 485ff).

2.12. Die Feststellungen zur gegen den Beschwerdeführer verhängten Verwaltungsstrafe aufgrund unrechtmäßigen Aufenthalts ergeben sich aus dem im Akt einliegenden Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 191ff).

2.13. Die Feststellung dazu, dass der Beschwerdeführer bei einer illegalen Beschäftigung betreten wurde, gründet auf dem im Akt einliegenden UVS-Bescheid vom 11.04.2012 (Akt zum Verfahren W220 1409224-4 AS 190 und 191).

2.14. Dass der Beschwerdeführer gesund und erwerbsfähig ist, ergibt sich daraus, dass er keine Erkrankung vorbrachte und in Österreich seit vielen Jahren selbstständig erwerbstätig ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist zulässig und rechtzeitig.

3.2. Zu A) Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus":

3.2.1. Rechtliche Grundlagen:

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 dürfen Aufenthaltstitel einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht.

Die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist dergestalt einschränkend auszulegen, dass sie sich - wie die inhaltlich ähnliche Erteilungsvoraussetzung nach § 60 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 ausdrücklich - nur auf Aufenthaltstitel nach den §§ 56 und 57 AsylG 2005 beziehen kann. Dieses Verständnis liegt auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nahe, ermöglicht es doch, Einreiseverbote, die mangels fristgerechter Ausreise des Drittstaatsangehörigen keiner Verkürzung oder Aufhebung nach § 60 Abs. 1 oder 2 FPG 2005 zugänglich sind, bei zwingenden Gründen des Art. 8 EMRK im Wege der Antragstellung nach § 55 AsylG 2005 gegenstandslos werden zu lassen (VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037, mit Verweis auf VfGH 03.12.2012, G 74/12).

Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung, ob im Falle der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des/der Fremden rechtswidrig war, 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, 4. der Grad der Integration, 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit, 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner langjährigen Rechtsprechung zu Ausweisungen Fremder wiederholt ausgesprochen, dass die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land garantiert und die Konventionsstaaten im Allgemeinen nicht verpflichtet sind, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten. Dennoch könne in einem Fall, der sowohl die Achtung des Familienlebens, als auch Fragen der Einwanderung betrifft, der Umfang der staatlichen Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat ansässigen Personen Aufenthalt zu gewähren, - je nach der Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse - variieren (vgl. z.B. EGMR 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie u.a. v. Norwegen).

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt - auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) - nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch VfGH 09.06.2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 19.11.2010, 2008/19/0010).

Nach der Judikatur des EGMR sind Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern, die wegen des Fehlens von über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmalen der Abhängigkeit nicht (mehr) unter den Begriff des Familienlebens fallen, unter den Begriff des ebenfalls von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatlebens zu subsumieren (VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093, mit Hinweis auf die Urteile des EGMR vom 09.10.2003, Slivenko gegen Lettland, Beschwerde Nr. 48321/99, 15.06.2006, Shevanova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 58822/00, 22.06.2006, Kaftailova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 59643/00 und vom 12.01.2010, A. W. Khan gegen Vereinigtes Königreich, Beschwerde Nr. 47486/06).

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva u.a. gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Private Interessen am Verbleib im Bundesgebiet können facettenreich sein. Tendenziell ist eine (regelmäßige) Erwerbstätigkeit und vor allem die damit verbundene Selbsterhaltungsfähigkeit ein wichtiger Aspekt. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.04.2006, 2005/18/0560, scheint mitentscheidend gewesen zu sein, dass der Beschwerdeführer seit fast fünf Jahren ununterbrochen, noch dazu beim selben Dienstgeber, legal beschäftigt war. Für die wirtschaftliche Integration ist nicht maßgeblich, ob es sich um eine qualifizierte Tätigkeit handelt. Hingegen erachtet der Verwaltungsgerichtshof die Integration als stark gemindert, wenn Unterstützungszahlungen karitativer Einrichtungen oder bloße Gelegenheitsarbeiten den Unterhalt gewährleisten oder erst gegen Ende des mehrjährigen Aufenthalts die Tätigkeit als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter ins Treffen geführt werden kann und bis dahin Sozialhilfe bezogen wurde (vgl. VwGH 11.10.2005, 2002/21/0124; VwGH 22.06.2006, 2006/21/0109; VwGH 05.07.02005, 2004/21/0124 ua.). Als eine berufliche und soziale Verfestigung, die eine "gelungene Integration" erkennen lässt, wertete der Verwaltungsgerichtshof den Fall eines als Fliesenleger tätigen (ehemaligen) Asylwerbers, der über gute Deutschkenntnisse, einen großen Freundes- und Kollegenkreis verfügte und mit einer Österreicherin im gemeinsamen Haushalt wohnte, wobei auch seine Schwester, eine österreichische Staatsbürgerin, mit ihrer Familie im Bundesgebiet lebte. Aspekte zugunsten des Fremden können daher neben Verwandten und Freunden im Inland auch Sprachkenntnisse, ausreichender Wohnraum und die Teilnahme am sozialen Leben sein.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0187; vgl. auch VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwN).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann ein über zehnjähriger inländischer Aufenthalt den persönlichen Interessen eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet - unter Bedachtnahme auf die jeweils im Einzelfall zu beurteilenden Umstände - ein großes Gewicht verleihen (vgl. VwGH 10.05.2011, Zl. 2011/18/0100, mwN). Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. zuletzt VwGH 23.02.2017, Ra 2016/21/0325; auch VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249; 30.08.2011, 2008/21/0605; 14.04.2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032; 30.06.2016, Ra 2016/21/0165).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist aber auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Es ist daher auch in Fällen eines mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthaltes eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen Aufenthaltsdauer. (VwGH 17.10.2016 Ro, 2016/22/0005; 23.02.2017 Ra2016/21/0340).

Ungeachtet eines mehr als zehnjährigen Aufenthaltes und des Vorhandenseins gewisser integrationsbegründender Merkmale können gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels (oder an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) sprechende Umstände in Anschlag gebracht werden. Dazu zählen das Vorliegen einer strafgerichtlichen Verurteilung (vgl. VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0165; 10.11.2015, Ro 2015/19/0001; 03.11.2015, Ra 2015/21/0121; 25.04.2014, Ro 2014/21/0054), Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften (z. B. AuslBG, VwGH 16.10.2012, 2012/18/0062; 25.04.2014, Ro 2014/21/0054), eine zweifache Asylantragstellung (vgl. VwGH 20.07.2016, Ra 2016/22/0039; 26.03.2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082), unrichtige Identitätsangaben, sofern diese für die lange Aufenthaltsdauer kausal waren (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253; 30.06.2016, Ra 2016/21/0165), sowie die Missachtung melderechtlicher Vorschriften (vgl. E 31. Jänner VwGH 31.01.2013, 2012/23/0006).

Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190). Auch der Verfassungsgerichtshof verweist darauf, dass ein allein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken könne. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen (VfSlg. 19.086/2010 mwH).

Dem Umstand, dass der Aufenthaltsstatus des Fremden ein unsicherer war, kommt zwar Bedeutung zu, er hat aber nicht zur Konsequenz, dass der während unsicheren Aufenthaltes erlangten Integration überhaupt kein Gewicht beizumessen ist (vgl. VwGH 04.08.2016, Ra 2015/21/0249 bis 253).

3.2.2. Vor dem Hintergrund der in § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG normierten Integrationstatbestände, die zur Beurteilung eines schützenswerten Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sind, ist in der gegenständlichen Rechtssache der Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers aus folgenden Gründen in einer Gesamtschau nicht durch die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen gerechtfertigt:

Der Bruder des Beschwerdeführers lebt in Österreich in der gleichen Gemeinde wie der Beschwerdeführer. Die Brüder leben nicht in einem gemeinsamen Haushalt. Es sind auch sonst keine Anzeichen einer Abhängigkeit zwischen den erwachsenen Geschwistern hervorgekommen, insbesondere gibt es keine finanzielle Unterstützung. Es mangelt in dieser Beziehung zwischen erwachsenen Verwandten daher an zusätzlichen Merkmalen der Abhängigkeit, die über die üblichen Bindungen hinausgehen, sodass zwischen den Brüdern kein "Familienleben" im oben dargestellten Sinn vorliegt und eine Rückkehrentscheidung nicht in ein solches eingreift. Ebensowenig ist in Bezug auf die Tante väterlicherseits, ihren Ehegatten, den Cousin und dessen Ehegattin samt deren Kindern, oder den weiteren Cousin, der die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, hervorgekommen, dass zwischen diesen und dem Beschwerdeführer eine über das Verwandtschaftsverhältnis hinausgehende Bindung vorliegen würde. Die Genannten leben alle nicht mit dem Beschwerdeführer in einem Haushalt, sie haben ihre eigenen Familien, mit denen sie zusammenleben. Es mangelt in all diesen Beziehungen daher an zusätzlichen Merkmalen der Abhängigkeit, die über die üblichen Bindungen hinausgehen, sodass zwischen den Genannnten kein "Familienleben" im oben dargestellten Sinn vorliegt und eine Rückkehrentscheidung nicht in ein solches eingreift.

Die verwandtschaftlichen Beziehungen des Beschwerdeführers sind jedoch bei der Abwägung seines Privatlebens in Österreich mitzuberücksichtigen.

Die Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich seit September 2009 ist mit mehr als zehn Jahren jedenfalls lang, sodass ihr ein entsprechend schweres Gewicht zugunsten des Beschwerdeführers zukommt.

Diese lange Aufenthaltsdauer ist zwar insofern relativiert, als der Beschwerdeführer schon knapp ein Jahr nach Stellung des Asylantrages mit einer beschwerdeabweisenden Entscheidung des Asylgerichtshofes ausgewiesen wurde, er seiner Ausreiseverpflichtung aber nicht nachkam und seither unrechtmäßig in Österreich lebt. Der Beschwerdeführer begründete sein Privatleben zudem beinahe ausschließlich in einem Zeitraum, als sein Aufenthalt unsicher war und er sowohl vom negativen Ausgang des Asylverfahrens als auch über die gegen ihn bestehende Ausweisung Bescheid wusste. Das Interesse des Beschwerdeführers an der Aufrechterhaltung seines Privatlebens ist daher auch dadurch geschwächt, dass er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus bzw. später seines unrechtmäßigen Aufenthalts und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste. Zu Ungunsten des Beschwerdeführers werden schließlich das Straferkenntnis wegen unrechtmäßigen Aufenthalts und der Umstand, dass er bei einer illegalen Erwerbstätigkeit betreten wurde, gewertet. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich bei der Missachtung der Ausreiseverpflichtung bzw. dem in Folge unrechtmäßigen Aufenthalt um Gesichtspunkte handelt, die typischerweise auf Personen zutreffen, die nach negativer Erledigung ihres Antrages auf internationalen Schutz einen mehr als zehnjährigen inländischen und zuletzt jedenfalls unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet aufweisen und diese Umstände somit per se nicht gegen die Anwendbarkeit der oben wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes betreffend einen mehr als zehnjährigen Inlandsaufhalt sprechen und ihnen für sich genommen noch kein entscheidungswesentliches Gewicht zukommt, zumal sich den Verwaltungsakten auch keine behördlichen Versuche entnehmen lassen, die dem Beschwerdeführer auferlegte Ausreiseverpflichtung durchzusetzen, sowie dass die Betretung bei der illegalen Erwerbstätigkeit bereits Ende März 2011 erfolgte und schon aufgrund des seitdem verstrichenen Zeitraums keine maßgebliche und aktuelle Gefährdung öffentlicher Interessen anzunehmen ist (VwGH 23.01.2020, Ra 2019/21/0378, 0388).

Der Beschwerdeführer hat Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 nachgewiesen, ist seit November 2009 in Österreich selbständig erwerbstätig und er ist imstande, durch seine Erwerbstätigkeit als selbstständiger Transportunternehmer, der in seinem Transportunternehmen mehrere Dienstnehmer beschäftigt, für seine Lebensgrundlage aufzukommen, ohne Unterstützungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Er ist darüber hinaus auch kranken-, lebens- und haushaltsversichert und lebt in einer ortsüblichen Unterkunft. Der Beschwerdeführer ist zudem in seiner Wohngemeinde sozial vernetzt, er pflegt Bekannt- und Freundschaften, hat eine Bindung zu seinem Bruder und eine stärkere Bindung zu einer dort lebenden Familie, die ihn als "Ziehsohn" ansieht. Darüber hinaus leben auch weitere Verwandte von ihm in Österreich, zu denen er in Verbindung steht.

Der Beschwerdeführer weist daher in Österreich neben seiner sehr langen Aufenthaltsdauer insgesamt eine besondere Integration in beruflicher Hinsicht sowie intensive soziale Bindungen auf. Der Beschwerdeführer hat seinen mehr als zehnjährigen Aufenthalt in Österreich genützt, um sich sozial und beruflich in Österreich zu integrieren; den ungeachtet des mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalts gegen ein Überwiegen der persönlichen Interessen bzw. für ein größeres öffentliches Interesse an der Verweigerung eines Aufenthaltstitels sprechenden Umständen (wie die Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes oder Betretung bei der illegalen Erwerbstätigkeit) kommt in der vorliegenden Konstellation keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu (VwGH 23.01.2020. Ra 2019/21/0378, 0388). Eine Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers ist insofern vor dem Hintergrund der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr als verhältnismäßig anzusehen.

Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt zwar im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa VfGH 01.07.2009, U992/08 bzw. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216; 26.06.2007, 2007/01/0479; 16.01.2007, 2006/18/0453; 08.11.2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; 22.06.2006, 2006/21/0109; 20.09.2006, 2005/01/0699); im gegenständlichen Fall überwiegen aber in einer Gesamtabwägung aller Umstände die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung, für die sich in der vorliegenden Konstellation keine begründeten Rechtfertigungen mehr erkennen lassen. Die Verweigerung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung würden im Fall des Beschwerdeführers unverhältnismäßig in seine nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eingreifen. Da dies demnach gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist, ist dem Beschwerdeführer gemäß § 55 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel zu erteilen.

Zu überprüfen ist noch, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung plus" nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen oder ob nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen ist.

Der mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK" betitelte § 55 AsylG 2005 lautet:

"§ 55 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 Integrationsgesetz (IntG) erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.

§ 11 IntG lautet:

"Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1

§ 11. (1) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 wird bundesweit nach einem einheitlichen Maßstab durchgeführt.

(2) Die Prüfung umfasst Sprach- und Werteinhalte. Mit der Prüfung ist festzustellen, ob der Drittstaatsangehörige über vertiefte elementare Kenntnisse der deutschen Sprache zur Kommunikation und zum Lesen und Schreiben von Texten des Alltags auf dem Sprachniveau A2 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und über Kenntnisse der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung der Republik Österreich verfügt. Der Prüfungserfolg ist mit "Bestanden" oder "Nicht bestanden" zu beurteilen. Zur erfolgreichen Absolvierung der Prüfung muss sowohl das Wissen über Sprach- sowie über Werteinhalte nachgewiesen werden. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. Die Wiederholung von einzelnen Prüfungsinhalten ist nicht zulässig.

(3) Die Integrationsprüfung zur Erfüllung des Moduls 1 ist vom Österreichischen Integrationsfonds oder von einer vom Österreichischen Integrationsfonds zur Abwicklung der Prüfungen im Rahmen der Integrationsvereinbarung zertifizierten und somit zur Ausfolgung eines gleichwertigen Nachweises gemäß Abs. 4 berechtigten Einrichtung durchzuführen.

(4) Über die Gleichwertigkeit eines Nachweises gemäß § 9 Abs. 4 Z 2 entscheidet der Österreichische Integrationsfonds mit Bescheid auf schriftlichen Antrag einer Einrichtung, die beabsichtigt die Integrationsprüfung durchzuführen, nach Maßgabe der Verordnung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres gemäß Abs. 5.

(5) Der Prüfungsinhalt, die Modalitäten der Durchführung, die Prüfungsordnung zur Erfüllung des Moduls 1 sowie die Kriterien für die Prüfung der Gleichwertigkeit werden durch Verordnung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres festgelegt.

(6) Der Österreichische Integrationsfonds kann die Zertifizierung während der Gültigkeit mit Bescheid entziehen, wenn die Integrationsprüfung nicht der Verordnung gemäß Abs. 5 entspricht. Nach einem Entzug der Zertifizierung ist eine neuerliche Antragstellung zur Zertifizierung frühestens nach Ablauf von sechs Monaten zulässig."

Die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 36 NAG lautet:

"Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG gilt als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren."

Die weiteren maßgeblichen Bestimmungen des NAG (idF vor BGBl. I Nr. 68/2017) lauten:

Gemäß § 14a Abs. 1 erster Satz NAG sind Drittstaatsangehörige mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1, Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 [= Kenntnisse der deutschen Sprache zur vertiefenden elementaren Sprachverwendung] vorlegt,

[...]

Nähere Bestimmungen über die Durchführung von Deutsch-Integrationskursen und den Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses gemäß Abs. 4 Z 1 sowie über Nachweise gemäß Abs. 4 Z 2 hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen (§ 14a Abs. 6 NAG).

Die aufgrund dieser Ermächtigung erlassene Integrationsvereinbarungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 449/2005 bestimmt Folgendes:

"§ 7 (1) Ziel des Deutsch-Integrationskurses (Modul 1 der Integrationsvereinbarung) ist die Erreichung des A2-Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, wie im Rahmencurriculum für Deutsch-Integrationskurse (Anlage A) beschrieben.

(2) Den Abschluss des Deutsch-Integrationskurses bildet eine Abschlussprüfung, zumindest auf dem A2-Nivau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, durch den ÖIF.

Der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" unterscheidet sich von der "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 54 Abs. 1 AsylG 2005 nur in Bezug auf die Berechtigung zur Ausübung von Erwerbstätigkeiten, und zwar dahin, dass die "Aufenthaltsberechtigung" insoweit weniger Rechte einräumt. Statt wie bei der "Aufenthaltsberechtigung plus", die einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt im Sinne des § 17 AuslBG vermittelt, besteht nämlich für die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit das Erfordernis einer Berechtigung nach dem AuslBG.

In seinem Erkenntnis vom 04.08.2016, Ra 2016/210203, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass hinsichtlich der Beurteilung der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG (nunmehr §§ 9ff Integrationsgesetz) eine formalistische Sichtweise anzuwenden sei und die Vorlage eines der in § 9 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung (aF) aufgezählten Zertifikate nicht im Rahmen der freien Beweiswürdigung ersetzt werden könne.

Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer über ein Zeugnis "ÖSD Zertifikat A2" vom 12.05.2015, welches bestätigt, dass die in dieser Kursstufe erworbenen Kenntnisse dem Niveau A2 des Referenzniveaus des Europarates entsprechen, weshalb er das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt hat.

Dem Beschwerdeführer ist gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, da dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK geboten ist und der Beschwerdeführer das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Abs. 4 IntG iVm § 81 Abs. 36 NAG und § 14a NAG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt hat.

Das Bundesamt hat den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG 2005 auszufolgen, der Beschwerdeführer hat hieran gemäß § 58 Abs. 11 AsylG 2005 mitzuwirken. Gemäß § 54 Abs. 2 AsylG 2005 sind Aufenthaltstitel für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen.

3.2.2. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen blieben im Verfahren unwidersprochen und ist der Sachverhalt aus der Aktenlage als geklärt anzusehen. Der Beschwerde wird stattgegeben, von Seiten der belangten Behörde wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. dazu die jeweils in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur, (insb. zur gewichtigen Gefährdung öffentlicher Interessen durch beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190). Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgekommen.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Aufenthaltsdauer Integration Integrationsvereinbarung Interessenabwägung Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung Selbsterhaltungsfähigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W220.1409224.4.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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