TE Bvwg Beschluss 2020/5/8 W147 2227919-1

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Veröffentlicht am 08.05.2020
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Entscheidungsdatum

08.05.2020

Norm

AsylG 2005 §2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1

Spruch

W147 2227919-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Mag. German BERTSCH, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19. Dezember 2019, Zl. 760627301-2965908, beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, und 31 Abs. 1 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit verfahrensgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19. Dezember 2019, Zl. 760627301-2965908, wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 19 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz aufgefordert sich als Zeugin am 10. Jänner 2020 im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Vorarlberg, zur Zeugenbefragung einzufinden. Gegenstand der Amtshandlung sei die Zeugeneinvernahme bezüglich der Identifizierung des Sohnes XXXX . Wenn die Beschwerdeführerin diesem Auftrag ohne wichtigen Grund (Krankheit, Behinderung, andere wichtige Gründe) nicht Folge leiste, müsse sie damit rechnen, dass ihre zwangsweise Vorführung veranlasst werde. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, idgF, ausgeschlossen.

2. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin nachweislich am 20. Dezember 2019 übergeben.

3. Mit Schriftsatz vom 9. Jänner 2020 erhob die Beschwerdeführerin gegen den oben genannten Bescheid Beschwerde und beantragte, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei einer Zeugeneinvernahme gesundheitlich nicht gewachsen. Gleichzeitig wurde eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung vom 8. Jänner 2020 vorgelegt. Die Beschwerdeführerin fühle sich weder in körperlicher noch psychischer Hinsicht in der Lage, eine Zeugenaussage abzulegen. Sie sei aufgrund der Situation ihres Sohnes psychisch derart belastet, dass sie vernehmungs- und verhandlungsunfähig sei. Dies wäre noch längere Zeit der Fall.

4. Mit Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24. Jänner 2020 wurde bekanntgegeben, dass sich der Sohn der Beschwerdeführerin derzeit in Schubhaft befinde. Um ein Heimreisezertifikat für diesen von den russischen Behörden zu erlangen, sei eine schriftliche Bestätigung eines nahen Familienangehörigen zur Identifikation notwendig. Die belangte Behörde führte zudem aus, dass sie aufgrund der Ausführung der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde annehme, dass es auch in Zukunft schwierig sein werde, eine diesbezügliche Bestätigung seitens der Beschwerdeführerin zu erlangen, weshalb die belangte Behörde den Vater zur Zeugeneinvernahme geladen habe. Eine neuerliche Ladung der Beschwerdeführerin sei aus heutiger Sicht (24. Jänner 2020) nicht beabsichtigt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat zur vorliegenden Beschwerde wie folgt erwogen:

1. Zu Spruchteil A) Zurückweisung der Beschwerde:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, durch Beschluss.

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Fassung BGBl. I. Nr. 101/2014 erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Legitimation zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof nach Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, ist (war) für die Beurteilung der Beschwerdelegitimation ausschlaggebend, ob der Beschwerdeführer nach der Lage des Falles durch den bekämpften Bescheid - ohne Rücksicht auf dessen Gesetzmäßigkeit - überhaupt in einem subjektiven Recht verletzt sein kann. Fehlt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre des Beschwerdeführers, so ermangelt diesem die Beschwerdeberechtigung. Die Rechtsverletzungsmöglichkeit wird - nach dieser Judikatur - immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied macht, ob der Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufrecht bleibt oder aufgehoben wird.

Das Rechtsschutzbedürfnis besteht bei einer Bescheidbeschwerde demnach im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsaktes. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist aber unter anderem dann zu verneinen, wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer ohne objektiven Nutzen ist, wenn die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen somit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (siehe zu dieser Bestimmung unter vielen z.B. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.02.2009, 2007/05/0005, und die dort zitierte Vorjudikatur).

In seinem Beschluss vom 26.04.2016, Ra 2016/03/0043, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 mit Blick auf die Legitimation zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde vor den Verwaltungsgerichten klargestellt, dass auch im Bescheidbeschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten ein aufrechtes Rechtsschutzbedürfnis vorliegen muss, widrigenfalls die Beschwerde zurückzuweisen ist (siehe in diesem Beschluss insbesondere: Rz 7).

Im gegenständlichen Beschwerdefall wurde der Beschwerdeführerin aufgetragen, sich am 10. Jänner 2020 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Regionaldirektion Vorarlberg zur Zeugeneinvernahme bezüglich der Identifizierung ihres Sohnes einzufinden. Dieser befinde sich in Schubhaft und für die Erlangung eines Heimreisezertifikates von den russischen Behörden sei eine schriftliche Bestätigung eines nahen Familienangehörigen zur Identifikation notwendig. Die Beschwerdeführerin war durch Krankheit an der Wahrnehmung dieses Termins gehindert. Dies wurde durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsmeldung nachgewiesen.

In einer ähnlichen Fallkonstellation (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0078) sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass eine Rechtsverletzungsmöglichkeit durch einen Ladungsbescheid dann nicht mehr vorliegt, wenn die Behörde ein Verhalten gesetzt hat, das einen Verzicht auf die in einem Ladungsbescheid angedrohten Sanktionen darstellt. Ein derartiger Verzicht kann auch implizit zum Ausdruck gebracht werden (B 20. Dezember 2007, 2007/21/0140; B 20. März 2012, 2012/21/0016). Die Behörde hatte in diesem Fall die Ladung der Revisionswerberin zu Recht als hinfällig angesehen. Die maßgeblich angedrohte Sanktion für ein unentschuldigtes Nichtbefolgen der Ladung in Form der zwangsweisen Vorführung kam daher nicht (mehr) in Betracht. Demnach war das - bei Beschwerdeeinbringung noch bestehende - Rechtsschutzinteresse nachträglich weggefallen. Der Entscheidung des VwGH über die gegen den Ladungsbescheid erhobene Beschwerde kam somit nur mehr abstrakt-theoretische Bedeutung zu. Der Verwaltungsgerichtshof erklärte die Beschwerde daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos und stellte das verwaltungsgerichtliche Verfahren ein (B 30. August 2011, 2011/21/0095).

Im gegenständlichen Fall kam die im Bescheid angedrohte zwangsweise Vorführung für ein unentschuldigtes Nichtbefolgen der Ladung schon aus dem Grund nicht in Betracht, da die Beschwerdeführerin dem Auftrag aus einem wichtigen Grund, nämlich Krankheit, nicht Folge leisten konnte. Aus dem Verwaltungsakt gehen keine Hinweise darauf hervor, dass die belangte Behörde trotz Vorliegen eines nachgewiesenen Verhinderungsgrundes eine Sanktion gegen die Beschwerdeführerin gesetzt hätte. Demnach bestand schon zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinbringung kein Rechtsschutzinteresse, da die Aufhebung des bekämpften Ladungsbescheides für die Beschwerdeführerin ohne objektiven Nutzen wäre. Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die gegen den Ladungsbescheid erhobene Beschwerde käme somit nur mehr abstrakt-theoretische Bedeutung zu.

Zudem brachte die belangte Behörde in ihrer Beschwerdevorlage vom 24. Jänner 2020 vor, dass eine neuerliche Ladung der Beschwerdeführerin derzeit nicht beabsichtigt sei.

Aus diesem Grund erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unzulässig und war daher zurückzuweisen.

2. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2017, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich stets auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und der europäischen Höchstgerichte stützen; diesbezügliche Zitate finden sich in der rechtlichen Beurteilung. Sofern die oben angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu (zum Teil) alten Rechtslagen erging, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf inhaltlich gleichlautende Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage übertragbar.

Schlagworte

Ladungsbescheid Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W147.2227919.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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