TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/8 G306 2219776-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.05.2020
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Entscheidungsdatum

08.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G306 2219776-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX,StA.: Nordmazedonien, vertreten durch RA Mag. Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 02.05.2019, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird s t a t t g e g e b e n und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27.12.2018, wurde der Beschwerdeführer (BF) anlässlich seiner Festnahme über den in Aussicht genommenen Ausspruch einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig wurde der BF zur Stellungnahme binnen 2 Wochen aufgefordert. Nach zweimaliger Fristerstreckungsbitte, gab der BF, durch seinen vormals angeführten Rechtsvertreter, am 30.01.2019 eine Stellungnahme ab.

2. Mit Schreiben des Landesgericht XXXX, Zl.: XXXX, vom XXXX.2019, wurde das BFA von der rechtskräftigen Verurteilung des BF verständigt.

3. Mit neuerlichem Schreiben des BFA vom 12.04.2019, wurde der BF anlässlich seiner Verurteilung über den in Aussicht genommenen Ausspruch eines Aufenthaltsverbotes in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig wurde der BF zur Stellungnahem binnen 1 Woche aufgefordert.

Am 26.04.2019 langte per Mail eine Stellungnahme ein.

4. Mit Bescheid des BFA, Zl.: XXXX, vom 02.05.2019, wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf 4 Jahre dauerndes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG dem BF ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit, erteilt (Spruchpunkt II.).

5. Mit per Postaufgabe am 31.05.2019 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz, erhob der BF durch seine nunmehrige Rechtsvertretung (RV), Dr. Helmut BLUM, Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

Darin wurden neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung jeweils in eventu, die ersatzlose Behebung des Bescheides, die Herabsetzung der Befristung des Aufenthaltsverbotes sowie die Zurückverweisung der Rechtsache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde, beantragt.

6. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem BVwG vom BFA vorgelegt, wo er am 06.06.2019 einlangte.

7. Mit Eingaben vom 24.06.2019 und 31.07.2019. legte der BF noch weitere Unterlagen vor bzw. machte eine Beschwerdeergänzung.

8. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 15.04.2020 wurde das gegenständlichen Verfahren der Gerichtsabteilung G304 abgenommen und der erkennenden Gerichtsabteilung zur Erledigung neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Nordmazedonien, verheiratet, und Vater von zwei minderjährigen Kindern.

Der BF wurde in XXXX (jetziges Nordmazedonien) geboren und hält sich seit dem Jahr 1988 in Österreich auf, und weist seit 1992 durchgehende Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet auf.

Dem BF wurde beginnend mit 19.05.2013 ein Dauerauftenthaltstitel, zuletzt "Daueraufenthalt EU" erteilt. Zuvor hatte der BF diverse andere Aufenthaltstitel.

Die minderjährigen Kinder des BF, XXXX und XXXX, jeweils geb. am XXXX sowie XXXX, allesamt StA: Slowakei, leben mit ihrer Mutter, XXXX, ebenfalls slowakische Staatsangehörige, in Österreich im gemeinsamen Haushalt. Der BF lebte vor seiner letzten Inhaftierung mit den genannten im gemeinsamen Haushalt.

Der BF lebte bis zur Einreise nach Österreich im Jahr 1988 im jetzigen Nordmazedonien wo er 2 Jahre die Volksschule besuchte. Nach Einreise ins Bundesgebiet besuchte der BF 2 Jahre die Volksschule, 4 Jahre die Hauptschule und schloss die Lehre zum Maurer ab. Die gesamte Kernfamilie des BF lebt in Österreich und verfügt er in Nordmazedonien über keine familiären Anknüpfungspunkte.

Der Lebensmittelpunkt des BF liegt seit dem Jahr 1988 (also seit 32 Jahre) in Österreich.

Der BF besuchte hier die Schule und ist der deutschen Sprache mächtig.

Der BF ging nach seiner Lehre immer einer Beschäftigung nach bzw. war dieser Erwerbstätig. Auch gegenständlich ist der BF Erwerbstätig. Er bezog jedoch auch Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung.

Der BF befand sich in der Zeit von XXXX.2018 - XXXX.2019 (119 Tage) in Haft (Untersuchungs- und Strafhaft). Der Strafvollzug des BF verlief Vorfallfrei und wurde der BF am XXXX.2019 bedingt entlassen.

Der BF hat sich zuvor noch nie in Haft befunden.

Der BF weist folgende Verurteilung in Österreich auf:

01) LG XXXX vom XXXX.2019 RK XXXX.2019

§ 84 (4) StGB

§105(1)StGB

§§ 107b(1), 107b(3) Z 1 StGB

§§50(1)Z123,50(1)Z4WaffG

Datum der (letzten) Tat XXXX.2018

Freiheitsstrafe 15 Monate, davon Freiheitsstrafe 11 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

zu LG XXXX

Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am XXXX.2019

LG XXXX vom XXXX.2019

Der Verurteilung lang folgender Sachverhalt zugrunde:

Namen der Republik!

Sachverhalt:

A. M.I ist schuldig;

er hat in L.

1.) am XXXX.2018 seine Ehegattin A. M. vorsätzlich am Körper verletzt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung herbeigeführt, indem er ihr einen wuchtigen Faustschlag ins Gesicht versetzte, wodurch sie an sich schwer in Form eines verschobenen Nasenbeinbruchs, der operativ eingerichtet werden musste, verletzt;

2.) zumindest seit 2017 bis XXXX.2018 gegen andere unmündige Personen, nämlich seine Kinder K. A. M., geb. XXXX, und A. M., geb. XXXX, eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er sie wiederholt mit einem Gürtel oder einem Handyladekabel schlug, sodass sie hievon Hämatome bzw. Striemen erlitten, und sie durch festes Ziehen an den Ohren misshandelt;

3.) im Zeitraum 2017/2018 seinen Sohn K. A. M., nachdem dieser Ohrenzeuge eines von A. M. geführten Telefonats, bei dem A. M. seinen Gesprächspartner anschrie, durch gefährliche Drohung mit der Zufügung einer Körperverletzung zu einer Unterlassung, nämlich niemandem von diesem Telefonat zu erzählen, genötigt, indem er äußerte "wenn du irgendwas erzählst, dann passiert was mit dir, ich schwöre!";

4.) wenn auch nur fahrlässig

a) unbefugt Schusswaffen der Kategorie B besessen und teils geführt, nämlich eine Faustfeuerwaffe Walther 7,65 bis zur Sicherstellung durch Beamte des SPK XXXX am XXXX.2018 sowie eine Faustfeuerwaffe (unbekannte Marke) Kaliber 5mm bis ca. Mitte 2018;

b) eine verbotene Waffe (§ 17 WaffG), nämlich einen Schlagring bis zur Sicherstellung durch Beamte des SPK XXXX am XXXX.2018 besessen;

c) Munition, nämlich 104 Patronen Kaliber 7,65, bis zur Sicherstellung durch Beamte des SPK XXXX am XXXX.2018 sowie die zu a) und b) angeführten Waffen (Schusswaffen der Kategorie B und einen Schlagring) obwohl ihm der Besitz von Waffen und Munition gemäß § 12 WaffG verboten ist (XXXX - aufrechtes Waffenverbot seit XXXX.2006 bis XXXX.2021), besessen;

d) Kriegsmaterial unbefugt erworben und bis zur Sicherstellung durch Beamte des SPK XXXX am XXXX.2018 besessen, nämlich eine Maschinenpistole "CZ Skorpion 61 S".

Strafbare Handlungen:

A. M. hat hiedurch

zu 1.) das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (ECRIS Code 0811 00),

zu 2.) das Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107bAbs 1 und 3 Z 1 StGB (ECRISCode081800),

zu 3.) das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (ECRIS Code 0907 00) und

zu 4.) die Vergehen nach § 50Abs1 Z 1, 2, 3 und 4 WaffG (ECRIS Code 0500 00)

begangen.

Anwendung weiterer gesetzlicher Bestimmungen: § 28, § 43aAbs. 3 StGB

Strafe: (nach § 84 Abs. 4 StGB)

FREIHEITSSTRAFE in der Dauer von 15 (fünfzehn) Monaten

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird ein Teil der Freiheitsstrafe in der Dauer von 11 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Der unbedingte Teil beträgt 4 Monate.

Angerechnete Vorhaft:

Gemäß § 38 Abs. 1 StGB wird die Vorhaft von XXXX.2018, 20:17 Uhr bis XXXX.2019, 10:52 Uhr auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet.

Gemäß § 26 StGB werden die sichergestellten Waffen und Munition, nämlich die Maschinenpistole CZ SKORPION 61 S, die Faustfeuerwaffe Walther 7,65, ein Schlagring sowie 104 Patronen Kaliber 7,65 eingezogen.

Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche:

Gemäß § 369 Abs 1 StPO ist der Angeklagte schuldig, folgenden Privatbeteiligten nachstehende Schmerzengeldbeträge binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen:

XXXX: EUR 3.000,00

XXXX: EUR 500,00

XXXX: EUR 500,00

Begründung:

X Angeklagte hat die zugesprochenen Beträge in der HV anerkannt

        dem PB zugesprochene Betrag wurde mittels unbedenklicher Urkunde bzw. Sachverständigengutachten nachgewiesen

        dem PB zugesprochene Betrag leitet sich im Sinn einer Globalbemessung aus dem konkreten Verletzungsbild bzw. den Schmerzperioden im med. SV-Gutachten ab.

Kostenentscheidung: Gemäß § 389 Abs 1 StPO wird der Angeklagte zum Ersatz der Kosten dieses Verfahrens verurteilt.

Strafbemessungsgründe:

mildernd: Unbescholtenheit; Geständnis.

erschwerend: Zusammentreffen zweier Verbrechen mit fünf Vergehen; Tatbegehung gegen Angehörige; § 33 Abs. 2 StGB (in Bezug auf § 105 Abs. 1 StGB)

Als erwiesen angenommene Tatsachen (§ 270 Abs 4 StPO):

siehe Sachverhalt

A. fehlende Diversionsvoraussetzunaen fSS 198. 199 StPO):

Ein Vorgehen nach den §§ 198, 199 StPO ist nicht möglich, weil

X ganzheitliche Abwägung aller Unrechts- und schuldrelevanten Tatumstände fallbezogen bereits eine schwere Schuld begründet, weil ein hoher

X Gesinnungsunwert (Verwerflichkeit der inneren Einstellung des Angeklagten),

X Handlungsunwert (mit erheblicher Intensität ausgeführte Tatbegehensweise),

Erfolgsunwert (massive Tatfolgen)

gegeben ist.

X fallbezogen spezialpräventive Überlegungen entgegenstehen, weil

Angeklagte nicht einmal eine bedingte Unrechtseinsicht oder eine partielle

Verantwortungsübernahme gezeigt hat;

X Angeklagten Tatwiederholung zur Last liegt bzw er eine solche ankündigte

(EvBI 1995/82);

Angeklagte die Tendenz einer unangebrachten Bagatellisierung der Tat

erkennen ließ;

Angeklagte bereits mehrfach oder kurz zurückliegend einschlägig kriminell

in Erscheinung getreten war.

Der Verurteilte verzichtet nach Rücksprache mit dem Verteidiger auf Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche.

Die öffentliche Anklägerin verzichtet auf Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe.

Es ergeht der

Beschluss:

Die Pauschalkosten werden mit EUR 200,- bestimmt.

Der Verurteilte und die öffentliche Anklägerin verzichten auf Rechtsmittel und Beschlussausfertigung.

Die Einzelrichterin: XXXX

Der BF wurde zuvor vom Bezirksgericht XXXX am XXXX.2004 sowie vom Landesgericht XXXX am XXXX.2005 wegen Körperverletzungen jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt.

Diese Verurteilungen sind bereits getilgt.

Mit Bescheid vom XXXX.2006 der damals zuständigen Bundespolizeidirektion XXXX, AZ: XXXX wurde gegen den BF ein Waffenverbot ausgesprochen.

Es wird festgestellt, dass der BF die beschriebenen Straftaten begangen hat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vorliegenden Aktes durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum), zur Staatsangehörigkeit, zur Vaterschaft, zum durchgehenden Aufenthalt im Bundesgebiet, zum Fehlen familiärer Anknüpfungspunkte in Nordmazedonien sowie zum Vorhandensein solcher in Österreich getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, jenen weder in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Vielmehr bekräftigte der BF die besagten Sachverhalte und betonte die Dauer seines durchgehenden Aufenthaltes sowie den Bestand familiärer Anknüpfungspunkte in Österreich und das Fehlen solcher in Nordmazedonien besonders.

Die Personalien zu den Kindern des BF sowie dessen Vaterschaft sowie die Personalien zur Mutter derselben beruhen auf die im Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Wohnsitzmeldungen sowie die Anhaltungen des BF in einer Justizanstalt in Österreich konnten durch Einsichtnahme ins Zentrale Melderegister (ZMR) ermittelt werden.

Dem Zentralen Fremdenregister kann ferner der dem BF erteilte Daueraufenthaltstitel sowie die Geburt des BF in Vranovci entnommen werden.

Den konsistenten und glaubwürdigen Angaben des BF folgen zudem die Feststellungen zum Schulbesuch in Österreich, zum Aufenthalt seiner Kinder und dem Kontakthalten zu diesen, zu den Besuchen seiner Verwandten während der Haft sowie zum fehlenden Bezug zu Nordmazedonien. Zudem erschließt sich der Schulbesuch des BF in Österreich auch logisch aus dem Umstand, dass der BF seit seinem 8. Lebensjahr in Österreich aufhältig ist und in Österreich Schulpflicht vorherrscht. Auch der Aufenthalt seiner minderjährigen Kinder bei deren Mutter findet eine logische Untermauerung, zumal der BF aktuell bei seinen Eltern wohnt und er von der Mutter seiner Kinder getrennt lebt.

Vor dem Hintergrund, dass der BF sich seit nunmehr 32 Jahren in Österreich aufhält, eine zum Aufenthalt berechtigte slowakische Staatsangehörige geheiratet und zwei Kinder gezeugt hat, bestehen keine Zweifel daran, dass der Lebensmittelpunkt des BF in Österreich gelegen ist. Des Weiteren leben seine gesamten Verwandten (Familie) im Bundesgebiet.

Einem Sozialversicherungsauszug können die Erwerbstätigkeiten und Bezüge von Leistungen der Arbeitslosenversicherung des BF in Österreich, sowie die aktuelle Erwerbstätigkeit des BF entnommen werden.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF, die einzelnen näheren Ausführungen dazu sowie die Feststellung, dass der BF die Straftaten begangen hat, beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich sowie auf jeweils einer Ausfertigung der Strafurteile.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.1.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger, jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Der BF als Staatsangehöriger von Nordmazedonien welcher am XXXX.2013 eine slowakische Staatsangehörige, welche wiederum ihr Freizügigkeitsrecht in Österreich in Anspruch genommen hat ist sohin begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 11 FPG.

3.1.2. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"§ 67. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

§ 81 Abs. 29 NAG normiert, dass vor dem 1. Jänner 2014 ausgestellte Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" und "Daueraufenthalt - EG" innerhalb ihrer Gültigkeitsdauer als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" weitergelten.

Gemäß § 20 Abs. 3 NAG sind Inhaber eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" (§ 45) in Österreich - unbeschadet der befristeten Gültigkeitsdauer des diesen Aufenthaltstiteln entsprechenden Dokuments - unbefristet niedergelassen. Dieses Dokument ist für einen Zeitraum von fünf Jahren auszustellen und, soweit keine Maßnahmen nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 durchsetzbar sind, abweichend von § 24 auch nach Ablauf auf Antrag zu verlängern.

Der mit "Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern" betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:

"§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1. Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2. Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3. durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1. zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2. sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3. drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1. sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2. der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder

3. der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat."

3.1.3. Der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war ausfolgenden Gründen stattzugeben:

3.1.3.1. Der BF hält sich seit seinem 8. Geburtstag in Österreich auf und wurde ihm beginnend mit 19.05.2013 ein Daueraufenthaltstitel für Österreich erteilt. Aufgrund der Verehelichung mit einer slowakischen Staatsangehörigen, welches ihr unionsrechtliches Freizügigkeitsreicht in Anspruch nimmt, kommt dem BF ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu. Da der BF vom Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung zurückgerechnet mehr als 10 Jahre im Bundesgebiet aufhältig ist (vgl. EuGH 16.01.2014, C-400/12), bzw. bereits vor seiner ersten Verurteilung im Jahr 2004 einen mehr als 10-jährigen durchgehenden und rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich aufwies (vgl. EuGH 17.04.2018, C-316/16 und C-424/16, Rn. 71: hinsichtlich der Beachtlichkeit eines 10-jährigen Aufenthaltes vor der entscheidungsrelevanten Verurteilung), ist, selbst unter Berücksichtigung der in den letzten 10 Jahren gelegenen Verurteilung und Inhaftierung des BF vor dem Hintergrund seiner durch sein Aufwachsen im Bundesgebiet geprägten besonderen Verbundenheit zu Österreich, (vgl. EuGH 17.04.2018, C-316/16 und C-424/16, Rn. 72) davon auszugehen, dass gegenständlich der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 5. Satz FPG zur Anwendung gelangt. Die ausschließliche Berücksichtigung von Zeiten die der BF gemäß seiner unionsrechtlichen Freizügigkeiten in Österreich verbracht hat, würde zu einer - wohl nicht gewollten - Verschlechterung seiner aufenthaltsrechtlichen Stellung - und damit zu einer Benachteiligung von EWR-Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen gegenüber Drittstaatsangehörigen an sich - führen, zumal der BF demnach nur auf einen 7-jährigen berücksichtigungswürdigen Zeitraumzurückblicken könnte und ihm aufgrund seiner Straftat und Inhaftierung in der Zeit von XXXX.2018 - XXXX.2019, welche laut EuGH eine Unterbrechung und Neuberechnung der Aufenthaltszeiten im Hinblick auf ein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrechtes bewirken kann (vgl. EuGH 16.01.2014, C-378/12) kein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht zukäme. Dies würde letztlich bedeuten, dass gegenständlich der normale Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 erster Satz FPG zur Anwendung gelänge. Demgegenüber jedoch Drittstaatsangehörigen bei der gleicheren Sachlage außerhalb des unionsrechtlichen Regimes das Privileg eines erhöhten Gefährdungsmaßstabes gemäß § 52 Abs. 5 FPG zukäme. Im Lichte der Judikatur des EuGH, wonach der jeweilige Integrationsgrad eines EWR-Bürgers, welcher unter andrem mit der Aufenthaltsdauer im besagten Mitgliedsstaat korreliert, ein maßgeblicher Faktor bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung darstellt und sich letztlich im System der abgestuften Gefährdungsmaßstäbe widerspiegelt, (vgl. EuGH 17.04.2018, C-316/16 und C-424/16) kann es letztlich nicht darauf ankommen, ob die geforderte Integration in Zeiten eines unionsrechtlichen oder nationalstaatlichen (Fremden-) Rechtsregimes rechtmäßig und durchgehend erworben wurden.

Die belangte Behörde vermeint in ihrem bekämpften Bescheid, dass durch den nicht ganz 4-monatigen Aufenthalt des BF in Untersuchungs- und Strafhaft (genau genommen sind es 119 Tage) vom XXXX.2018 - XXXX.2019 die Kontinuität des Aufenthaltes im Sinne der Bestimmung der Richtlinie 2004/38 und dort Art. 28 Abs. 3 Buchst. a unterbrochen wurde, sodass kein durchgängiger 10-jähriger Aufenthalt (zurückgerechnet) des BF ab Erlassung des bekämpfen Bescheides, vorlag und daher der Gefährdungsmaßstab gemäß § 67 Abs. 1 5. Satz FPG zur Anwendung gelange. Dieser Rechtsauffassung kann von der erkennenden Gerichtsabteilung nicht geteilt werden und zwar ausfolgenden Gründen:

Bei der Frage nach dem auf den BF anzuwendenden Gefährdungsmaßstab ist das zu Art. 28 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) ergangene Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 16. Jänner 2014, Rs C-400/12, zu berücksichtigen, weil § 67 Abs. 1 FPG insgesamt der Umsetzung von Art. 27 und 28 dieser Richtlinie - § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG im Speziellen der Umsetzung ihres Art. 28 Abs. 3 lit. a - dient. Der zum erhöhten Gefährdungsmaßstab nach Art. 28 Abs. 3 lit. a der genannten Richtlinie bzw. dem fünften Satz des § 67 Abs. 1 FPG führende zehnjährige Aufenthalt im Bundesgebiet muss demnach grundsätzlich ununterbrochen sein. Es können einzelne Abwesenheiten des Fremden unter Berücksichtigung von Gesamtdauer, Häufigkeit und der Gründe, die ihn dazu veranlasst haben, Österreich zu verlassen, auf eine Verlagerung seiner persönlichen, familiären oder beruflichen Interessen schließen lassen. Auch der Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe durch den Betroffenen ist grundsätzlich geeignet, die Kontinuität des Aufenthaltes iSd Art. 28 Abs. 3 lit. a der Freizügigkeitsrichtlinie zu unterbrechen und sich damit auf die Gewährung des dort vorgesehenen verstärkten Schutzes auch in dem Fall auszuwirken, dass sich der Fremde vor dem Freiheitsentzug mehrere Jahre lang (kontinuierlich) im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat. Dies ist - bei einer umfassenden Beurteilung - im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, ob die zuvor mit dem Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsverbindungen abgerissen sind (vgl. insbesondere Rn. 25 sowie 31 bis 36 des zitierten Urteils des EuGH vom 16. Jänner 2004 und - daran anknüpfend - das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2014, Zl. 2013/22/0309).

Was jedoch die Frage betrifft, inwieweit die Diskontinuität des Aufenthalts in den letzten zehn Jahren vor der Ausweisung des Betroffenen diesen daran hindert, in den Genuss des verstärkten Schutzes zu kommen, ist eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen jeweils zu dem genauen Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem sich die Frage der Ausweisung stellt (vgl. in diesem Sinne Urteil Tsakouridis, Randnr. 32). Das dabei Zeiträume der Verbüßung einer Freiheitsstrafe, da sie grundsätzlich die Kontinuität des Aufenthalts im Sinne von Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 unterbrechen können, steht außer Streit. Jedoch muss dies, zusammen mit weiteren Anhaltspunkten, die die Gesamtheit der im Einzelfall relevanten Umstände darstellen, von den für die Anwendung von Art. 28 Abs. 3 dieser Richtlinie zuständigen nationalen Behörden bei der gebotenen umfassenden Beurteilung berücksichtigt werden, die für die Feststellung, ob die zuvor mit dem Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsverbindungen abgerissen sind, und damit für die Feststellung, ob der verstärkte Schutz gemäß dieser Bestimmung gewährt wird, vorzunehmen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Tsakouridis, Rn. 34).

Der BF hält sich unbestritten seit dem Jahr 1988 durchgehend und rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Es ist unbestritten, dass der BF hier in Österreich seine Grundschule abschloss und auch die Lehre zum Maurer erfolgreich beendete. Der BF ging unbestritten, bis auf wenige Ausnahmen, im Bundesgebiet immer einer Erwerbstätigkeit nach. Der BF hält sich unbestritten seit 32 Jahre durchgehend in Österreich auf und muss hier von einer vollständigen Integration des BF ausgegangen werden. Die belangte Behörde geht in ihrem bekämpften Bescheid (AS 254) vom "abreißen" der bestehenden Familienverbände iSd Kernfamilie aus, da die Gattin, als auch die Kinder, den BF während der Haft nicht besucht hätten. Sie unterlässt es jedoch vollständig zu berücksichtigen, dass sich im Bundesgebiet darüber hinaus die gesamte weitere Familie des BF aufhält und diese den BF sehr wohl mehrmals im Monat in Haft besuchte (siehe Besucherliste, AS 189 - 192). Zudem ist der Aufenthalt in Haft in der Dauer von knapp 4 Monaten, verglichen zum gesamten Aufenthalt des BF im Bundesgebiet in der Dauer von 32 Jahren, nicht dazu geeignet die Kontinuität des Aufenthaltes des BF zu unterbrechen. Es kann daher von keiner Diskontinuität des Aufenthalts in den letzten 10 Jahren gesprochen werden.

Da vom BF, der aufgrund seiner Verehelichung mit einer slowakischen Staatsangehörigen, welche ihr Freizügigkeitsrecht in Anspruch nimmt, als begünstigter Drittstaatsangehöriger in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt somit die Voraussetzung eines durchgehenden Aufenthaltes im Bundesgebiet seit mehr als 10 Jahren erfüllt ist, kommt für diesen der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1 5. Satz FPG für Unionsbürger zu Anwendung.

3.1.3.2. Gegen den BF als grundsätzlich unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots sohin gemäß § 67 Abs. 1 5. Satz FPG nur zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

"Mit § 67 Abs. 1 fünfter Satz FPG soll nämlich Art. 28 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2004/38 EG ("Freizügigkeitsrichtlinie" ; siehe § 2 Abs. 4 Z 18 FPG) umgesetzt werden, wozu der Gerichtshof der Europäischen Union bereits judizierte, dass hierauf gestützte Maßnahmen auf "außergewöhnliche Umstände" begrenzt sein sollten; es sei vorausgesetzt, dass die vom Betroffenen ausgehende Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit einen "besonders hohen Schweregrad" aufweise, was etwa bei bandenmäßigem Handeln mit Betäubungsmitteln der Fall sein könne (siehe VwGH 24.1.2019, Ra 2018/21/0248, Rn 6, mit dem Hinweis auf EuGH (Große Kammer) 23.11.2010, Tsakouridis, C-145/09, insbesondere Rn. 40, 41 und 49 ff, und daran anknüpfend EuGH (Große Kammer) 22.5.2012, P.I., C-348/09, Rn. 19 und 20 sowie Rn. 28, wo überdies - im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch eines Kindes, der zu einer siebeneinhalbjährigen Freiheitsstrafe geführt hatte - darauf hingewiesen wurde, dass es "besonders schwerwiegender Merkmale" bedarf)." (vgl. VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091)

"Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. - noch zu § 86 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011, der Vorgängerbestimmung des § 67 FPG - etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0197, und vom 21. Februar 2013, Zl. 2012/23/0042, mwN)." (VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039)

Zudem gilt es festzuhalten, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen eigenständig und unabhängig von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096) und es bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes/Einreiseverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung geht. (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).

Die Bestimmungen der § 67 Abs. 1 und 2 FrPolG 2005 und § 66 Abs. 1 FrPolG 2005, beide idF FrÄG 2011, sind vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/38/EG - Freizügigkeitsrichtlinie, deren Umsetzung sie dienen, zu verstehen. Demnach sind sie in ihrem Zusammenspiel dahin auszulegen, dass hinsichtlich Personen, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes der in § 66 Abs. 1 letzter Satzteil FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 vorgesehene Gefährdungsmaßstab, der jenem in Art. 28 Abs. 2 der genannten Richtlinie entspricht, heranzuziehen ist (Hinweis E 13. Dezember 2012, 2012/21/0181; E 12. März 2013, 2012/18/0228). Dieser Maßstab liegt im abgestuften System der Gefährdungsprognosen über dem Gefährdungsmaßstab nach dem ersten und zweiten Satz des § 67 Abs. 1 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011. (vgl. VwGH 22.01.2014, 2013/21/0135)

3.1.3.3. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere die gegenständlichen Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

? die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

? das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

? die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

? den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

? die Bindungen zum Heimatstaat,

? die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

? auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10).

"Bei Beurteilung der Frage, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zur Aufrechterhaltung des Privat- und/oder Familienlebens iSd Art. 8 MRK geboten ist bzw. ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 MRK geschützten Rechte darstellt, ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014 genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG 2014 ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. E 12. November 2015, Ra 2015/21/0101)." (vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120)

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden etwa Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Rechtsprechung zu Art. 8 MRK ist auch für die Erteilung von Aufenthaltstiteln relevant (vgl. E 26. Februar 2015, Ra 2015/22/0025; E 19. November 2014, 2013/22/0270). Auch in Fällen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag, hat der VwGH eine entsprechende Berücksichtigung dieser langen Aufenthaltsdauer gefordert (vgl. E 16. Dezember 2014, 2012/22/0169; E 9. September 2014, 2013/22/0247; E 30. Juli 2014, 2013/22/0226). Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde (vgl. E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082). (Vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120

Im Fall, dass ein insgesamt mehr als zehnjähriger Inlandsaufenthalt für einige Monate unterbrochen war, legte der VwGH seine Judikatur zum regelmäßigen Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt des Fremden zugrunde (vgl. E 26. März 2015, Ra 2014/22/0078 bis 0082). (Vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120

"Nach § 66 Abs. 2 FrPolG 2005 und § 9 BFA-VG 2014 ist bei Erlassung einer auf § 66 FrPolG 2005 gestützten Ausweisung eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Beendigung des Aufenthalts des EWR-Bürgers mit dessen Interesse an einem Verbleib in Österreich vorzunehmen, bei der insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter, der Gesundheitszustand, die familiäre und wirtschaftliche Lage, die soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß der Bindungen zum Heimatstaat sowie die Frage der strafgerichtlichen Unbescholtenheit zu berücksichtigen sind." (VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0049)

"Es trifft zwar zu, dass im Rahmen einer Interessenabwägung nach Art. 8 MRK bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden in der Regel von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist (vgl. VwGH 1.2.2019, Ra 2019/01/0027, mwN). Diese Rechtsprechung betraf allerdings nur Konstellationen, in denen sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab. Die "Zehn-Jahres-Grenze" spielte in der bisherigen Judikatur nur dann eine Rolle, wenn einem Fremden kein - massives - strafrechtliches Fehlverhalten vorzuwerfen war (vgl. VwGH 10.11.2015, Ro 2015/19/0001, mwN)." (VwGH 28.02.2019, Ra 2018/01/0409)

Eine Aufenthaltsbeendigung in Bezug auf den BF erweist sich gegenständlich nur dann dem Grunde nach als zulässig, wenn eine außergewöhnliche Gefährdung iSd. der oben zitierten Judikatur vorliegt.

3.1.3.5. Der BF wurde unbestritten wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung, der fortgesetzten Gewaltausübung, den Vergehens der Nötigung sowie Vergehen nach dem Waffengesetz, zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt, wobei der überwiegende Teil von 11 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren, bedingt nachgesehen wurde.

Das vom BF gezeigte Verhalten lässt vor dem Hintergrund der gezeigten Gewalt eine massive Herabsetzung der inneren Hemmschwelle und das Vorliegen einer hohen kriminellen Energie beim BF erkennen.

Es steht völlig außer Zweifel, dass das vom BF gezeigte Verhalten ein Fehlen einer Verbundenheit zu rechtsstaatlich geschützten Werten sowie Interessen und Rechten andere erkennen lässt und eine schwerwiegende Beeinträchtigung öffentlicher Interessen darstellt.

So hat der VwGH wiederholt festgehalten, dass ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Eigentums- und Gewaltdelikten vorherrscht (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474).

Trotz zu attestierender Gefährdung öffentlicher Interessen, erreicht das Verhalten des BF nicht das gegenständlich geforderte Maß der besonderen Schwere im Sinne einer nachhaltigen und maßgeblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit iSd. § 67 Abs. 1 5. Satz bzw. der oben zitierten Judikatur. Weder hat der BF ein Delikt iSd. § 53 Abs. 3 Z 6,7 und 8 FPG verwirklicht, noch kann in dem vom BF gesetzten Verhalten ein, mit beispielsweise grenzüberschreitendem bandenmäßigen Suchtmittelhandel, vergleichbare die öffentliche Sicherheit gefährdende Sachverhalte erkannt werden. Das erkennende Gericht verkennt nicht, dass Gewaltanwendungen, insbesondere vor dem Hintergrund bereits gezeigter Gewaltbereitschaft und Gesetzesmissachtungen (jedoch über 15 Jahre zurückliegend und bereits getilgt), schwer wiegen. Jedoch kommt es nicht nur auf die Tatsache der Verurteilungen des BF wegen der besagten Straftaten an. Vielmehr ist auch das der Verurteilung zugrundeliegende Verhalten maßgeblich zu berücksichtigen. Augenfällig ist in diesem Zusammenhang, dass der BF die Straftaten immer im Zusammenhang eines Drogenkonsums beging. Der BF nahm nach der Haftentlassung eine psychosoziale Beratung in Anspruch (OZ 3 und 4).

Unbeschadet dessen gilt es ebenfalls zu berücksichtigen, dass der BF in Österreich seit seinem 8 Lebensjahr aufgewachsen ist, keinen Bezug zu seinem Herkunftsstaat aufweist, seine gesamte Familie, insbesondere zwei minderjährige Kinder, in Österreich aufhältig und er mit einer Mutter der Kinder verheiratet ist. Ferner geht der BF Erwerbstätigkeiten in Österreich nach.

Nach Beurteilung des vom BF gezeigten Verhaltens und der sich daraus ergebenden Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen sowie nach erfolgter Abwägung sich wiederstreitender öffentlicher und privater Interessen iSd. Art 8 EMRK, ist zum Schluss zu kommen, dass sich die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im konkreten Fall als nicht zulässig erweist.

Demzufolge war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Nach § 21 Abs 7 BFA-VG kann bei Vorliegen der dort umschriebenen Voraussetzungen - trotz Vorliegens eines Antrags - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden. Von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs 7 BFA-VG bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen kann allerdings im Allgemeinen nur in eindeutigen Fällen ausgegangen werden, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des oder der Fremden sprechenden Fakten auch dann kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm oder ihr einen persönlichen Eindruck verschafft (vgl. zuletzt VwGH 16.10.2019, Ra 2018/18/0272).

Da hier ein eindeutiger Fall vorliegt, der Sachverhalt anhand der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck von der BF bei einer mündlichen Verhandlung keine andere Entscheidung denkbar ist, kann die beantragte Beschwerdeverhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnehin von der Richtigkeit der von der BF aufgestellten, glaubhaften Behauptungen zu ihren privaten und familiären Lebensumständen ausgegangen wird.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Behebung der Entscheidung Interessenabwägung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2219776.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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