Entscheidungsdatum
11.05.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W182 2176308-2/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch RA Mag. Georg Bürstmayr, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.05.2019, Zl. 800456104 - 181084673 / BMI-BFA_BGLD_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBI. I. Nr 33/2013 idgF, zu Recht erkannt:
A) I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. - III. des bekämpften Bescheides wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.
II. Im Übrigen wird der Beschwerde stattgegeben, die Spruchpunkte IV. - IX. des bekämpften Bescheides behoben und festgestellt, dass XXXX gemäß § 55 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" auf die Dauer von 12 Monaten erteilt wird.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsbürger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, ist im Oktober 2006 im Alter von XXXX Jahren mit seinen Eltern und beiden Geschwistern ins Bundesgebiet eingereist, wobei er sich im Wesentlichen bis zum April 2012 aufgrund von zwei für ihn durch seine Mutter gestellte Anträge auf internationalen Schutz im Bundesgebiet aufgehalten hat.
Das Verfahren hinsichtlich des ersten Antrages auf internationalen Schutz vom 06.10.2006 wurde durch einen nach §§ 5 und 10 AsylG 2005 abweisenden Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 14.11.2006, Zl. 306.862-C1/E1-XIV/16/06, rechtskräftig abgeschlossen, wobei die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.04.2010 abgelehnt wurde.
Das Verfahren hinsichtlich des zweiten Antrages vom 27.05.2010 wurde durch ein nach §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 AsylG 2005 abweisendes Erkenntnis des Asylgerichthofes vom 30.04.2012, Zl. D20 306862-3/2012/3E, rechtskräftig abgeschlossen, wobei gleichzeitig festgestellt wurde, dass die Ausweisung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 iVm 10 Abs. 5 AsylG 2005 auf Dauer unzulässig ist. Zur abweisenden Entscheidung wurde begründend im Wesentlichen ausgeführt, dass hinsichtlich des BF keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht wurden bzw. sich die abgeleiteten - vom Vater des BF im eigenen Verfahren geltend gemachten - Fluchtgründe als unglaubwürdig erwiesen haben.
Auch hinsichtlich der Mutter, des jüngeren Bruders sowie des - von der Mutter des BF geschiedenen - Vaters des BF wurde mit rechtskräftigen Erkenntnissen des Asylgerichthofes vom 30.04.2012 festgestellt, dass deren Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 iVm 10 Abs. 5 AsylG 2005 auf Dauer unzulässig ist.
Dem BF wurde zuletzt auf Antrag vom Oktober 2014 nach § 41 Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBI. I Nr. 100/2005 idF 68/2013, ein bis zum 09.07.2017 gültiger Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" ausgestellt.
1.2. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , wurde der BF wegen des XXXX zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr, wobei die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF am XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter, in einem organisierten Zusammenschluss XXXX . Die Dispositionsunfähigkeit des zum Tatzeitpunkt XXXX BF war laut Sachverständigengutachten aufgrund der mit erhöhter Suggestibilität einhergehenden Reifungsdefizite nur eingeschränkt möglich, jedoch keinesfalls aufgehoben. Der BF war von XXXX in einer Kinder- und jugendpsychiatrischen Abteilung eines neurologischen Zentrums stationär aufhältig und danach dort in regelmäßiger ambulanter psychosozialer Betreuung. Als erschwerend wurde kein Umstand, als mildernd wurden der bisherige ordentliche Lebenswandel, der Beitrag zur Wahrheitsfindung durch XXXX , die schwierigen Lebensumstände, unter denen der BF aufgewachsen ist sowie die Einschränkung der Dispositionsfähigkeit gewertet.
In weiterer Folge wurde der BF durch ein Bezirksgericht vom XXXX 2018 wegen des Vergehens nach XXXX zu einer Geldstrafe von XXXX verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF am XXXX . Als erschwerend wurde die einschlägige Vorverurteilung, als mildernd die geständige Verantwortung des BF berücksichtigt.
Mit Urteil eines Landesgerichts als Berufungsgericht vom XXXX .2018 wurde eine Berufung wegen Nichtigkeit zurückgewiesen und einer Berufung wegen Schuld insoweit Folge gegeben, als aufgrund des äußeren Geschehensablaufes im Zusammenhang mit dem XXXX von einem fahrlässigen Handeln des BF im Sinne objektiver und subjektiver Sorgfaltswidrigkeit auszugehen sei. Im Übrigen wurde der Schuldberufung sowie der Berufung wegen Strafe keine Folge gegeben.
1.3. Nach einer Einvernahme des BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 30.06.2017 wurde gegen ihn mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.10.2017, Zl. 800456104 - 160885860/ BMI-BFA BGLD RD, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, erlassen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF in die Russische Föderation nach § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.), wobei die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 - 3 FPG 14 Tage beträgt (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 6 FPG gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).
Dazu wurde u.a. festgestellt, dass der BF durch das Urteil eines Landesgerichts rechtskräftig wegen § XXXX zu einer bedingten Haftstrafe von einem Jahr verurteilt worden sei und es erwiesen sei, dass er XXXX begangen habe. Eine Prognose falle zu Ungunsten des BF aus. Seine gerichtlichen Verurteilungen in Österreich seien in der Russischen Föderation weder öffentlich bekannt noch habe festgestellt werden können, dass der BF dort XXXX . Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der BF XXXX .
Als Beweismittel wurden u.a. die vom BF vorgelegten Dokumente (u.a. Verlaufsbericht der Bewährungshilfe, fachliche Stellungnahme Jugendcoaching, Bestätigung XXXX , Stellungnahme XXXX zur Menschenrechtslage in Russland, Bericht HRW 24.01.2017, diverse schriftliche Stellungnahmen, diverse Patientenbriefe und Befunde) sowie insbesondere eine Stellungnahme des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) vom 03.08.2017 ausgewiesen. In der Beweiswürdigung wurde ausgeführt, dass aus der zuletzt gennannten Stellungnahme des BVT hervorgehe, dass der BF XXXX . Betreffend des Antrages auf Gewährung einer Akteneinsicht des BF insbesondere zu den Ermittlungsergebnissen des BVT wurde seitens der Behörde im Wesentlichen ausgeführt, dass es den Wunsch des BVT zu berücksichtigen habe, welches in der Verweigerung der Akteneinsicht eine Gefährdung fundamentaler Verfahrensgrundsätze erkenne. Abgesehen davon sei dem BF im Rahmen der Verfahrensanordnung zum schriftlichen Parteiengehör das für die Entscheidung herangezogene Fazit des BVT zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit geboten worden, auch dies zu bekämpfen. Ein dahingehender Antrag auf Akteneinsicht in diesen Aktenteil sei daher abzuweisen gewesen.
1.4. Gegen den Bescheid wurde seitens des BF binnen offener Frist vollumfänglich Beschwerde erhoben. Darin wurde u.a. darauf hingewiesen, dass das Bundesamt seine Entscheidung ausdrücklich auf eine dem BF unbekannte Stellungnahme des BVT und die darin enthaltene Gefährlichkeitsprognose stütze. Das Bundesamt habe dem BF die Akteneinsicht in dieses verwertete Beweismittel, aber auch allfällige Unterlagen, aus denen sich die Verweigerung der Akteneinsicht begründen ließe, verwehrt und könne die am 31.08.2017 erfolgte Bekanntgabe eines "Fazits", wonach XXXX , eine Akteneinsicht und mangelhaftes rechtliches Gehör nicht ersetzen.
Im Rahmen der Beschwerdevorlage führte das Bundesamt in einem Schriftsatz vom 09.11.2017 u.a. unter Verweis auf das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX aus, dass den Schlussfolgerungen des BVT hinsichtlich XXXX fallgegenständlich erhöhter Beweiswert beizumessen sei. Dass die Quellen des BVT nicht im Detail angegeben worden seien, vermöge im gegenständlichen Fall keinen relevanten Verfahrensmangel zu begründen. Dies in Anbetracht dessen, dass zwar das Ergebnis einer Beweisaufnahme grundsätzlich dem Parteigehör unterliege, die entsprechenden Quellen jedoch unter Umständen aus Datenschutzgründen oder zum Schutz von Interessen Dritter einer Geheimhaltung unterliegen können. Im gegenständlichen Fall seien die Ermittlungen des BVT noch nicht abgeschlossen, was ebenso gegen die Offenlegung der Quellen spreche. Gemäß § 17 Abs. 3 AVG gebe es keine unbedingten Ausnahmen von der Akteneinsicht, vielmehr seien alle Aktenbestandteile von der Einsicht (nur) insoweit ausgenommen, als der Einsichtnahme bestimmte legitime Interessen entgegenstehen. Dadurch werde kein Ermessen der Behörde begründet, sondern habe diese das Interesse der Partei an der Akteneinsicht im Hinblick auf deren Zweck gegen das Interesse der anderen Parteien oder Dritter und nach der Entscheidung des VwGH vom 18.03.1992, Zl. 91/12/0007, offenbar auch gegen die in Betracht kommenden öffentlichen Interessen im Einzelfall abzuwägen (VwGH 22.05.2012, Zl. 2009/04/0187; VwGH 09.04.2013, Zl. 2011/04/0207; vgl auch noch Walter/Mayer8 Rz 179; kritisch zur Unbestimmtheit der Verweigerungsgründe Hengstschläger4 Rz 155; Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger9 Rz 179; zur grundsätzlichen Vereinbarkeit dieser Regel siehe Grabenwarter, Verfahrensgarantien 611 ff). Im Schrifttum werde allerdings die Auffassung vertreten, dass den in § 17 Abs. 3 AVG genannten öffentlichen Interessen jedenfalls der Vorrang zukommt (Thienel/Schulev-Steindl5 129; Walter/Mayer8 Rz 179; vgl. auch Art 20 Abs. 3 B-VG).
In einem Schriftsatz des rechtsfreundlichen Vertreters des BF vom 27.11.2017 wurde der Antrag auf Akteneinsicht in die Stellungnahme des BVT vom 03.08.2017 gestellt. Ergänzend wurde das Schreiben eines Filialleiters eines Handelsunternehmens vom 08.11.2017, wonach sich der BF als Praktikant im Unternehmen gut bewähre, sowie eine Anfragebeantwortung von Akkord [a-10405] vom 06.11.2017 zur Lage von Personen in der Russische Föderation, die mit dem Islamischen Staat oder tschetschenischen Rebellen in Verbindung gebracht werden, beigelegt.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.03.2018 wurde ein Antrag des BF auf Akteneinsicht in die Stellungnahme des BVT vom 03.08.2017 gemäß § 21 VwGVG abgewiesen.
Mit Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters des BF vom 22.05.2018 wurde darauf hingewiesen, dass der BF mittlerweile Vater von XXXX Töchtern, mit denen er zusammen mit der Mutter im gemeinsamen Haushalt lebe, sei. Die Vaterschaft sei anerkannt worden und bestehe die gemeinsame Obsorge der Eltern für alle XXXX Töchter. Weiters wurde auf zwei längere Praktika des BF in der Filiale eines Handelsunternehmens hingewiesen. Zudem wurde u.a. ausgeführt, dass ein Onkel des BF in Grosny XXXX und begeisterter Anhänger von Kadyrow sei. Der BF gehe davon aus, dass das tschetschenische Regime durch ihm mittlerweile von seiner Verurteilung erfahren habe. Das Verraten eigener Familienangehöriger werde als besonderer Loyalitätsbeweis geschätzt. Der Onkel habe auch konkrete Drohungen gegen den BF ausgesprochen. Dem Schreiben waren u.a. in Kopie beigefügt: Erklärungen der gemeinsamen Obsorge, Meldezettel, Kurs- und Teilnahmebestätigung an einer Ausbildung als XXXX , ein Bericht des Betreuers vom XXXX über den BF vom 18.05.2018, eine Einstellungszusage eines Handelsunternehmens, bei dem der BF in einer Filiale zwei Praktika absolviert hat.
1.5. Anlässlich einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung beim Bundesverwaltungsgericht am 24.05.2018 wurde im Beisein des BF und seiner Rechtsvertretung u.a. Beweis aufgenommen durch zeugenschaftliche Einvernahme eines informierten Vertreters des BVT, eines Bewährungshelfers sowie eines Betreuers des BF vom XXXX sowie seiner Schwester, weiters durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der informierte Vertreter des BVT verwies trotz des mit der Ladung verbundenen Ersuchens an die Behörde, den Zeugen von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, darauf, dass er von der Verschwiegenheitspflicht nicht entbunden wurde und die Stellungnahme vom 03.08.2017 von der Akteneinsicht auszunehmen sei. Er könne daher dazu keine Fragen beantworten. Er habe auch niemals persönlichen Kontakt mit dem BF gehabt.
Der Bewährungshelfer des BF vom XXXX gab im Wesentlichen an, dass er einer von mehreren Spezialisten sei, die Personen, die XXXX , betreue. Der BF sei seit drei Jahren betreut worden und nach Einschätzung des Zeugen nicht XXXX . Hinsichtlich des BF bestehe eine positive Prognose. Der BF sei Vater von XXXX Kindern und in einem Verfahren aus vielen Bewerbern für die Lehre zu einem XXXX ausgewählt worden.
Der Betreuer des BF vom XXXX , der XXXX und den BF persönlich betreut habe, gab im Wesentlichen an, dass der BF zwar teilweise ein XXXX habe, jedoch XXXX . Von ihm würde auf keinen Fall mehr eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgehen.
Die Schwester des BF brachte im Wesentlichen vor, XXXX , eine Person, die zusammen mit dem BF verurteilt worden sei, nunmehr nach einer Abschiebung nach Moskau durch tschetschenische Behörden nach Tschetschenien verschleppt, dort gefoltert worden sei und nunmehr seit drei Monaten in Grozny in Haft sei. Man werfe ihm eine Straftat im Jahr 2016 vor, die er jedoch nicht verüben hätte können, da er sich zu dieser Zeit in Österreich in Haft befunden habe. Die Zeugin habe dies von Bekannten und der Gattin des XXXX , die in Österreich sei, erfahren. Dazu würde es auch Beweismittel über den ehemaligen Anwalt des XXXX in Österreich geben. Weiters wäre der BF bei einer Rückkehr ins Herkunftsland durch einen Onkel väterlicherseits, der XXXX , gefährdet. Dieser habe Drohungen gegen den BF ausgesprochen.
In einer schriftlichen Stellungnahme des Bundesamtes vom 30.05.2018 zur Verhandlung am 24.05.2018 wurde u.a. darauf hingewiesen, dass der BF erklärt habe, dass er XXXX für geraume Zeit in Tschetschenien gewesen sei und im Jahr XXXX auch seine Mutter zu Besuchszwecken in den Herkunftsstaat gereist sei. Hinsichtlich der Inhaftierung des XXXX wurde ausgeführt, dass dieser tatsächlich im XXXX in die Russische Föderation abgeschoben worden sei, das darüber hinausgehende Vorbringen jedoch bislang nur auf unbestätigte Spekulation gründe und Beweise und Plausibilität entbehre. Offensichtlich unwahr gesteigert seien auch die Behauptungen über die Verfolgungsakte des Onkels des BF, wobei der BF beim Bundesamt angegeben habe, im Herkunftsland nicht akzeptiert zu werden, weil er die tschetschenische Sprache nicht so gut könne und mit einer " XXXX " verheiratet sei, jedoch mit keinem Wort eine Nichtakzeptanz wegen XXXX erwähnt habe. Dass der Onkel den BF in diesem Zusammenhang misshandeln und an die Behörden ausliefern würde, widerspreche zudem massiv dem tschetschenischen Familienrecht und Ehrenkodex. Zur Einvernahme des Sozialarbeiters bzw. des Betreuers von XXXX wurde darauf hingewiesen, dass diese bei der Befragung beide eingeräumt hätten, dass ihnen nicht alle Informationen zur Verfügung stehen würden und die Prognosen auf bloße Meinungs- und Gefühlseinschätzung aufgrund der einschlägigen Erfahrung der Betreuer gestützt seien, wobei der Betreuer von XXXX erst ein Jahr lang in dieser Funktion tätig sei und daher nicht als erfahren gelten könne. Weiters wurde auf eine beigefügte neuerliche Stellungnahme des Verfassungsschutzes vom 29.05.2018 (E-Mail eines Mitarbeiters des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung [LVT] XXXX an den Vertreter des Bundesamtes) verwiesen, aus der hervorgehe, dass XXXX . Diese neuerliche Stellungnahme sei ebenfalls von der Akteneinsicht ausgenommen.
In einem Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters des BF vom 06.07.2018 wurde u.a. im Zusammenhang mit der Inhaftierung des XXXX als Beweis die Befragung von dessen Gattin XXXX beantragt. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass tschetschenische Behörden in der gesamten Russischen Föderation in der Lage seien, Personen zu suchen, finden und zu verfolgen. Eine Ansiedlung in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens wäre angesichts der notorischen gravierenden Probleme von Tschetschenen in der Russischen Föderation (Meldepflicht bei gleichzeitig erschwerter Meldung und massiver Diskriminierung am Wohnungsmarkt) auch nicht zumutbar. Dazu wurde auf einen Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 13.05.2016 sowie eine Anfragebeantwortung von ACCORD vom 14.03.2013, und hinsichtlich der Haftbedingungen in der Russischen Föderation auf eine Anfragebeantwortung von ACCORD vom 12.11.2014 verwiesen. Weiters wurden ein Bericht einer norwegischen Internetseite über Folterungen und extralegale Tötungen von Heimkehrern in Tschetschenien nach Abschiebung durch die norwegischen Behörden vom 17.12.2015, ein Internetbericht über die Folterung und Ermordung eines aus Schweden abgeschobenen Asylwerbers in Tschetschenien im Jahr 2015, ein Bericht von Standard vom 14.01.2015 über die Verurteilung eines 2012 aus Österreich abgeschobenen Tschetschenens im Jahr 2015 zu 15 Jahren Straflager sowie ein Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe "Tschetschenien: Exilpolitische Aktivitäten, Rückkehrgefährdung" vom 04.04.2017 beigefügt.
Weiters wurde mit Schreiben vom 11.07.2018 ein bereits mit Schreiben vom 06.07.2018 angekündigter USB Stick, der u.a. Filmaufnahmen über Drohungen von Kadyrov, den Einbruch bei einer Familie und der Entführung von zwei Töchtern im Zusammenhang mit einer geplanten Ausreise einer der Töchter nach Syrien sowie einer Folterung eines Mannes durch Kadyrov-Anhänger enthält, nachgereicht.
1.6. Anlässlich der fortgesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung am 16.10.2018 wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des BF im Beisein seines Rechtsvertreters sowie durch zeugenschaftliche Einvernahme der Mutter des BF sowie XXXX , weiters durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der BF brachte im Wesentlichen vor, dass sich in Österreich seine (geschiedenen) Eltern, seine Schwester, sein Bruder, seine Gattin, die XXXX Staatsbürgerin sei und in Österreich den Status einer Asylberechtigten innehabe, sowie seine XXXX Kinder aufhalten. Mit dem Vater habe der BF seit seiner Verurteilung im Jahr XXXX keinen Kontakt mehr. Dies liege zum einem an der Verurteilung, zum anderen daran, dass er XXXX . Er könne sich nicht vorstellen, dass XXXX . Er habe auch kaum Kontakt zu seinen in Österreich aufhältigen XXXX . Im Herkunftsland würden sich eine Großmutter mütterlicherseits, Onkel und Tanten mütterlicherseits als auch väterlicherseits samt Cousins und Cousinen aufhalten. Der BF habe im Herkunftsland bis zum Anfang der vierten Klasse Volkschule die Schule besucht. Der BF habe in Österreich die Pflichtschule abgeschlossen. Er mache derzeit eine Lehrausbildung zum XXXX und absolviere dabei auch ein unbezahltes Praktikum. Er habe seine Frau im XXXX kennengelernt und im XXXX rituell geheiratet. Der BF sei nach seiner Einreise nach Österreich einmal im Jahr XXXX auf Besuch in Tschetschenien gewesen. Der BF gehe davon aus, dass die russischen Behörden von seiner Verurteilung in Österreich Bescheid wissen und dass er deswegen dort neuerlich verurteilt werden würde. Ein konkreter Haftbefehl oder eine konkrete Verfolgung seien ihm jedoch nicht bekannt. Er glaube, dass ihn sowohl tschetschenische als auch russische Behörden verfolgen würden. Sein Onkel, der XXXX sei, habe von seiner Verurteilung gewusst und gegen ihn auch eine Drohung ausgesprochen. Der BF fürchte auch außerhalb von Tschetschenien die russische Polizei. Selbst wenn den russischen Behörden seine Verurteilung nicht bekannt wäre, hätte er Angst, dass sie es herausbekommen. Der BF hat sich XXXX bei der Russischen Botschaft in Wien einen Reisepass ausstellen lassen. Er habe auch einen XXXX ausgesTellten russischen Inlandspass.
Die Zeugin XXXX , die Gattin von XXXX , brachte im Wesentlichen vor, dass ihr Gatte nach seiner Haftentlassung im XXXX in die Russische Föderation abgeschoben worden sei. Vom Flughafen in Moskau sei er nach XXXX gefahren. Dort sei er verhaftet und nach Tschetschenien gebracht worden, wo er inhaftiert und gefoltert worden sei. Dies habe ihr ihre Schwägerin mitgeteilt, die ihn nach einer Woche unter Einschaltung eines Anwaltes für eine Viertelstunde dort besuchen habe dürfen. Ihr Gatte habe dann die Zeugin über das Mobiltelefon eines Mithäftlings aus der Haft angerufen. Er habe gesagt, dass er gefoltert worden sei und dass angeblich drei Zeugen ihn belasten, dass er im XXXX in Moskau "etwas veranlassen" hätte wollen. Er habe die Zeugin ersucht, ihm alle Unterlagen, die sein Anwalt in Österreich gehabt habe, als Beweis, dass er zu diesem Zeitpunkt in Österreich gewesen sei, zu schicken. Sein Anwalt in Tschetschenien habe ein Beweismittel dafür benötigt, dass ihr Gatte in Österreich verhaftet und nach Russland abgeschoben worden sei. Der Anwalt in Österreich habe ihr ein Urteil übermittelt, das die Zeugin dann weiter an die Schwägerin ihres Gatten geschickt habe. Etwa im XXXX sei es dem Gatten der Zeugin bei einer Anhörung durch einen Richter gestattet worden, sie anzurufen, wobei den Behörden nach Empfang der Unterlagen klar gewesen sei, dass er XXXX in Österreich gewesen sei. Sie hätten ihrem Gatten jedoch vorgeworfen, dass 3 Zeugen bestätigen könnten, dass er XXXX . Dies stimme jedoch nicht, denn woher sollte ihr Gatte XXXX . Auf sein Ersuchen hin sei ihr Gatte in ein Gefängnis in XXXX überstellt worden. Ein Urteil sei noch nicht ergangen. Es seien erneut Ermittlungen begonnen worden und am XXXX . finde eine Gerichtsverhandlung statt. Wie lange die Untersuchungshaft noch dauern würde, wisse sie nicht. Ihrem Gatten seien die Zeugen unbekannt gewesen. Sie würden sich auch in XXXX in Untersuchungshaft befinden und seien auch gefoltert worden. Aktuell habe sie keinen Kontakt zu ihrem Gatten, da er in der Haft in XXXX keinen Zugang zu einem Mobiltelefon habe. Auf die Frage, ob sie Beweismittel zum behaupteten Verfahren ihres Gatten in der Russischen Föderation vorlegen könne, gab die Zeugin an, versuchen zu wollen, solche über ihre Schwägerin etwa binnen eines Monates nachzureichen.
Die Mutter des BF brachte als Zeugin befragt im Wesentlichen vor, dass sie im XXXX ihre Mutter in Tschetschenien besucht und dort den Onkel väterlicherseits des BF getroffen habe. Dieser habe in einem Gespräch angedeutet, dass im Fall der Abschiebung des BF ins Herkunftsland dieser massive Probleme bekommen könnte und man ihm alle Knochen brechen würde. Der Onkel des BF sei XXXX und ein Parteigänger von Kadyrov. Eine persönliche Drohung des Onkels gegen den BF sei dies nicht gewesen, er würde dies wahrscheinlich auch nicht wollen, aber wenn er den Befehl dazu erhalten würde, würde er ihn ausführen. Zu Verwandten außerhalb Tschetscheniens befragt, gab die Mutter des BF an, dass ein Bruder von ihr in Moskau lebe, jedoch aufgrund seines Gesundheitszustandes demnächst nach Tschetschenien zurückgebracht werde.
Ein Antrag auf Akteneinsicht in das E-Mail eines Mitarbeiters des LVT XXXX vom 29.05.2018 wurde abgewiesen.
Seitens der Vertretung des BF wurde als Beweismittel ein USB-Stick mit Videos über Verfolgungshandlungen durch tschetschenische Behörden in Tschetschenien bis hin zu Entführungen, Folter und Tötungen von Personen unter Terrorismusverdacht, Droh-Videos des Präsidenten Kadyrov sowie Fernsehberichte zur katastrophalen Menschenrechtssituation in Tschetschenien vorgelegt. Dazu wurde auf Nachfragen ausdrücklich bestätigt, dass das Videomaterial keinen persönlichen Bezug zum BF oder ihm persönlich bekannte oder mit ihm verwandte Personen enthalte.
Seitens der Vertretung des BF wurde ein Schreiben vom 15.10.2018 einer Journalistin der Zeitung Nowaja Gazeta zu Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien vorgelegt, dass mit einem Appell für den BF endet, diesen nicht ins Herkunftsland abzuschieben, da sie aufgrund zahlreicher Fakten die absolute Gewissheit hätte, dass die tschetschenischen Sicherheitskräfte über die Deportation des BF informiert werden würden und er Opfer von Entführungen und Folter werden würde, um Geständnisse von jenen Verbrechen zu erpressen, die er nicht begangen habe.
Der Vertreter des BF brachte zudem vor, dass XXXX . Der Rechtsvertreter wurde aufgefordert, binnen 14 Tagen diesen Artikel bei Gericht vorzulegen.
Dem BF wurde die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu Art. 3 EMRK relevanten Vorbringen in einem Verfahren über eine Rückkehrentscheidung zur Kenntnis gebracht (VwGH vom 5.10.2017, Zl. Ra 2017/21/0157 sowie VwGH 15.09.2016, Zl. Ra 2016/21/0234) und wurde er dahingehend befragt, ob er diesbezüglich auf einen Antrag auf internationalen Schutz verzichten wolle. Dazu wurde auf Ersuchen eine Bedenkzeit von vier Wochen eingeräumt.
Am 12.11.2018 langte ein von XXXX übermittelter USB-Stick mit Daten über das Verfahren ihres Gatten in Tschetschenien ein.
Auf den Datenträger befanden sich die Akten zum Ermittlungsverfahren des XXXX in der Strafsache XXXX gegen XXXX , die Anklageschrift vom XXXX des stellvertretenden Staatsanwaltes der Tschetschenischen Republik XXXX wegen der Verübung des Verbrechens der " XXXX .
Den Strafakten bzw. der Anklageschrift ist zusammengefasst zu entnehmen, dass das Ermittlungsverfahren bereits im XXXX eingeleitet wurde und XXXX am XXXX in der Russischen Föderation unter dem Verdacht der Verübung eines Verbrechens gemäß XXXX angehalten und am XXXX gegen ihn die Untersuchungshaft verhängt wurde. Auf Ansuchen des Anwaltes des XXXX wurden über seine Gattin XXXX aus Österreich drei Fotografien des XXXX , die Geburtsurkunden seiner Kinder sowie der Abschiebebescheid als Beweis an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt. In der Anklageschrift wird dem XXXX vorgeworfen XXXX XXXX XXXX In der Anklageschrift wird ausdrücklich das Erkenntnis des BVwG vom XXXX , zitiert. Hierbei handelt es sich um die XXXX damals betreffende Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft.
In einer Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters vom 13.11.2018 wurde ein von diesem an die Redaktion des Standard gerichtetes E-Mail vom XXXX , dessen Inhalt zufolge die Zeitungsredaktion damals aufgefordert wurde, XXXX , sowie ein Zeitungsbericht der neuen Zürcher Zeitung vom XXXX und XXXX nachgereicht. Dazu wurde u.a. ausgeführt, dass der BF davon ausgehen müsse, dass XXXX und er für den Fall seiner Abschiebung oder Rückkehr bereits am Flughafen oder wie XXXX nach der Einreise verhaftet werden würde. Die vom rechtsfreundlichen Vertreter zitierte XXXX und liege nicht mehr vor. Es sei allerdings keine XXXX Damals sei es dem rechtsfreundlichen Vertreter um XXXX Unter Verweis auf die Judikate des VwGH zu den Zlen. Ra 2017/21/0157 und Ra 2016/21/0234 wurde bekannt gegeben, dass der BF nicht auf einen Antrag auf internationalen Schutz verzichte und bei den Sicherheitsbehörden bereits einen entsprechenden Antrag gestellt habe. Der Vollständigkeit halber wurde zu einer angeblichen "Unterschutzstellung" durch Beantragung eines Reisepasses der Russischen Föderation angemerkt, dass der BF nach dem Verlust seines Reisepasses durch seine Mutter ein neues Identitätsdokument benötigt habe. Der BF habe sich für sein Leben in Österreich einen Pass ausstellen lassen. Die Zeugin XXXX sei keine Bekannte des BF, der Kontakt sei von seiner Schwester hergestellt worden, nachdem diese von der tschetschenischen Diaspora in Österreich vom Fall des XXXX erfahren habe.
2.1. Der BF stellte am 13.11.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
In einer Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.11.2018 sowie einer Einvernahme beim Bundesamt am 05.03.2019 wiederholte er im Wesentlichen sein Vorbringen, wonach er für den Fall einer Abschiebung in die Russische Föderation politische Verfolgung XXXX , Folter und unmenschliche Behandlung befürchte. Er sei sich sicher, dass XXXX sei nach seiner Abschiebung in einer russischen Stadt auf offener Straße von tschetschenischen oder russischen Einheiten überfallen und nach Tschetschenien gebracht worden, wo er unter Folter ein Geständnis unterschrieben habe. Nach einem Gefängnisaufenthalt in XXXX sei er nach XXXX überstellt worden und in einer Verhandlung am XXXX verurteilt worden, angeblich auch wegen Delikten, die er XXXX gar nicht begangen haben könne. Der BF gab zudem an, im gesamten Gebiet der Russischen Föderation nicht sicher zu sein, da auch XXXX außerhalb von Tschetschenien festgenommen worden sei. Aus dessen vorgelegten Gerichtsakten ergebe sich zudem, dass in der Anklageschrift auch ein weiterer Mitverurteilter des BF erwähnt werde, weshalb offensichtlich sei, dass der gesamte Sachverhalt den russischen Behörden bekannt sei, einschließlich der Daten des BF.
Laut einer Anfragebeantwortung eines Sachbearbeiters der Justizanstalt XXXX an das Bundesamt per Email vom 14.11.2018 seien für Insassen in der Anstalt XXXX . Einer weiteren Anfragebeantwortung eines Sachbearbeiters der Justizanstalt XXXX an das Bundesamt per Email vom 03.05.2019 zufolge wurden bei XXXX XXXX .
Laut im Akt vorgefundener Internetberichte ( XXXX ) sei ein XXXX , der von Österreich nach Russland abgeschoben worden sei, am XXXX von einem Gericht in XXXX zu XXXX verurteilt worden. Er XXXX .
Vom Bundesamt wurde am 07.12.2018 die Zeugin XXXX , die mit XXXX , XXXX , traditionell verheiratet sei, zum weiteren Verbleib ihres Gatten befragt. Dieser sei laut Angaben der Zeugin nach Moskau abgeschoben worden, habe sich dort über zwei Monate aufgehalten, sei dort auch umgezogen und danach in Weißrussland und vielleicht auch in der Ukraine gewesen. Dazu befragt, ob er auch nach Tschetschenien zu seinen Angehörigen gegangen sei, gab die Zeugin an, dass seine Familie gemeint habe, dass er dort Schwierigkeiten haben könnte. Die Polizei sei noch vor seiner Abschiebung bei seiner Mutter und danach bei der Familie gewesen. Dies könne vielleicht nichts Gutes heißen. Sie habe wenige Informationen von ihrem Gatten und sei es jetzt beinahe XXXX her.
Mit Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters des BF vom 18.02.2019 wurde auf zwei Berichte von Caucasian Knot verwiesen, wonach XXXX nach seiner Abschiebung nach Russland XXXX . Weiters wurde auf einen im Verfahren des BF Mitangeklagten XXXX verwiesen der laut eines Artikels im Profil vom XXXX wegen "Verletzung der Würde Russlands im Ausland" zu XXXX verurteilt worden sei. Folter, unmenschliche Behandlung und faktische Doppelbestrafung würden auch dem BF für den Fall seiner Abschiebung nach Russland ganz real drohen. Es sei illusorisch, dass die russischen Behörden nicht schon längst über die Verurteilung des BF vom XXXX aus den öffentlich, unter großem medialen Interesse mit Offenlegung der Namen aller Angeklagten geführten Prozess Bescheid wissen würden. Mit dem Schriftsatz wurden in Kopie die beiden Artikel von Caucasian Knot vom XXXX sowie XXXX , sowie ein Artikel von Profil vom XXXX über Tschetschenen in Österreich beigelegt. Aus letzterem Artikel geht u.a. hervor, dass laut dessen Anwalt der Tschetschene XXXX . Weiters wurde erneut ein Datenstick vorgelegt. Auf den Datenstick befinden sich u.a.: Video-Drohungen von Kadyrov gegen Tschetschenen in Europa, die sich kritisch gegen ihn äußern; ein Video-Interview von Angehörigen eines Opfers antiterroristischer Maßnahmen in Tschetschenien; Filmaufnahmen über den Einbruch von Kadyrov-Anhänger bei einer Familie; ein Video-Interview eines Vaters, der wegen seines geflüchteten Sohnes in Tschetschenien gefoltert worden sei; Filmaufnahmen über eine Folterung eines Mannes durch Kadyrov-Anhänger; ein Filmbericht von ARD-Weltspiegel über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien; ein Filmbericht von Puls4 über Demonstration von Tschetschenen in Wien und Drohungen von Kadyrow. Die Dokumente weisen keinen unmittelbaren Bezug zur Person des BF auf.
In einem Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters des BF vom 20.02.2019 wurde der Schriftsatz vom 18.02.2019 insofern korrigiert, als es sich hinsichtlich des im Profilartikel vom XXXX erwähnten zu XXXX verurteilten Tschetschenen nicht um den vermeintlichen XXXX sondern um XXXX handle. Letzterer XXXX .
Mit Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters des BF vom 28.02.2019 wurden ein "Kurzgutachten" von XXXX , vom 28.02.2019 vorgelegt, dass zum Ergebnis kommt, dass der BF nach einer Rückkehr ins sein Herkunftsland Folter oder unmenschlichen oder erniedrigende Strafe oder Behandlung befürchten müsse. Dazu wurde begründend pauschal auf den Bericht von XXXX zur Menschenrechtssituation in Tschetschenien, denn er im XXXX präsentiert habe, verwiesen. Aus ausführlichen Recherchen beim Europarat, den Vereinten Nationen in Genf und einschlägigen russischen und internationalen NGOs sowie Gesprächen mit Betroffenen stehe fest, dass es in Tschetschenien bei den Sicherheitskräften Praxis sei, durch Folter Geständnisse zu erzwingen XXXX . Die Situation werde dadurch verstärkt, dass für die Sicherheitskräfte allgemeine Straflosigkeit herrsche und somit nicht von rechtsstaatlichen Kontrollen ausgegangen werden könne. Das Bestehen der Möglichkeit in anderen Teilen der Russischen Föderation Schutz zu finden sei unsicher, da es auch Berichte gebe, dass die tschetschenischen Sicherheitskräfte mit denjenigen der russischen Föderation zusammenarbeiten, um Personen, denen sie habhaft werden wollen, aufzuspüren. Es gebe auch Berichte über mehrere Fälle in denen zwangsweise rückgeführte Personen, die XXXX , unter Folter Geständnisse abgelegt und zu hohen Haftstrafen verurteilt worden seien. Im Lichte dieser Situation erscheine es jedenfalls unverhältnismäßig eine Person, die als Jugendlicher eine mit einer bedingten Strafe geahndete Straftat begangen habe, dem Risiko, Opfer einer Art. 3 EMRK Verletzung zu werden, auszusetzen.
Einem nachgereichten Schreiben des Betreuers des BF von XXXX vom 03.03.2019 habe der BF laut Einschätzung seines Betreuers, der ihn seit November 2017 betreue und seine Entwicklung persönlich beobachten habe können, nichts XXXX .
In der Stellungnahme zum Verfahrensstand des rechtsfreundlichen Vertreters des BF vom 27.03.2019 wurde auf die beigelegte Übersetzung der Anklageschrift gegen XXXX hingewiesen und dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass aus der Anklageschrift deutlich werde, dass russische Strafverfolgungsbehörden genaueste Kenntnis über den Inhalt verschiedener gegen XXXX geführter Verfahren (sowohl Verfahren seitens des Bundesamtes als auch seitens der österreichischen Strafverfolgung) haben. Deutlich werde aber auch, dass in der Russische Föderation (trotz Erwähnung anderslautender Vorschriften der russischen Strafprozessordnung) eine präzise Grenze zu möglichen Doppelbestrafung nicht gezogen worden sei und werde. Weiters wurde auf den aktuellen Jahresbericht von Amnesty International (2017/18) zur Russischen Föderation verwiesen, wonach in Strafprozessen und Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten systematisch gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoßen werden würde. Auch komme es zu Folterungen und anderen Misshandlungen in Gefängnissen und Hafteinrichtungen im gesamten Land. Der BF müsse vor dem Hintergrund dieser Berichtslage und des vorgelegten Beweismaterials mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, dass ihm infolge seiner Rückkehr ins Herkunftsland - egal, wo er sich dann aufhalte bzw. dieses betrete - wegen seiner Handlungen, für die er in Österreich bereits rechtskräftig verurteilt worden sei, womöglich aber auch wegen weiterer Vorwürfe, die ihm derzeit unbekannt seien, ein unfairer Prozess gemacht werde, der in weiterer Folge in unmenschliche und erniedrigende Behandlung bis hin zur Folter münden würde. Dass dabei eine dem BF unterstellte politische Gesinnung mit zum Motiv für eine zudem unverhältnismäßige und in ihren Auswirkungen jedenfalls menschenrechtswidrige Bestrafung würde, scheine dringend indiziert. Der Stellungnahme beigelegt war ein für den BF abgeschlossener Dienstvertrag vom XXXX mit einem Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen als Leiharbeiter.
2.2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes vom 13.05.2019 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass deren Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Weiters wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und der BF gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 13.11.2018 verloren habe (Spruchpunkt VII. und VIII.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 6 FPG idgF wurde gegen den BF ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IX.).
Dazu wurde u.a. festgestellt, dass das Vorbringen des BF nicht geeignet sei, glaubhafte oder sonstige Konventionsrelevanz zu entfalten oder eine ausreichend wahrscheinliche unmenschliche oder erniedrigende Behandlung unter Mitwirkung eines Akteurs im Falle der Rückkehr zu begründen. Ungeachtet dessen liege ein Asylausschlussgrund vor, da der BF mit XXXX durch ein Landesgericht wegen XXXX zu einer bedingten Haftstrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Die bedingte Haftstrafe sei mit XXXX nachgesehen worden, wobei der BF mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom XXXX wegen XXXX zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei. Eine Gefahrenprognose würde gegen einen Verbleib in Österreich ausfallen. XXXX Weder der BF noch seine Eltern oder Geschwister seien in der Russischen Föderation jemals glaubhaft verfolgt worden. Der BF sei jedenfalls XXXX in Russland gewesen und verfüge über ein aktuelles russisches Reisedokument. Nicht festgestellt werden könne, dass dem BF im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat die notwendige Lebensgrundlage entzogen wäre. Der BF verfüge im Herkunftsstaat über eine reelle Unterkunftsmöglichkeit und enge familiäre Beziehungen. Er verfüge über eine qualifizierte Berufsbildung als XXXX und eine Grundschulbildung. Er spreche Russisch und Tschetschenisch und sei gesund und arbeitsfähig.
Seitens des Bundesamtes wurde in der Beweiswürdigung zudem auf den Bericht des BVT vom 03.08.2017 sowie eine zwischenzeitig vom Bundesamt eingeholte Anfragebeantwortung eines Mitarbeiters des LVT XXXX vom 18.04.2019 verwiesen, wobei beide Dokumente von der Akteneinsicht ausgenommen wurden. Der Anfragebeantwortung vom 18.04.2019 zufolge könne nicht angenommen werden, dass der BF sich XXXX .
2.3. Gegen den Bescheid wurde binnen offener Frist vollumfänglich Beschwerde erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen die Argumentation in der Stellungnahme vom 27.03.2019 wiederholt und zusätzlich auf Fehler in der Beweiswürdigung des Bundesamts im bekämpften Bescheid hingewiesen. So würde der angefochtene Bescheid in seiner Beweiswürdigung den Eindruck erwecken, als hätte die belangte Behörde das Vorbringen des BF samt dem damit vorgelegten Beweismittel schlichtweg ignoriert, zumal der BF sein Vorbringen, im Herkunftsland einer Doppelbestrafung, Folter und unmenschlicher Behandlung sowie unverhältnismäßiger menschenrechtswidriger Bestrafung ausgesetzt zu sein, sehr konkret und unter Vorlage umfangreicher Beweismittel geltend gemacht habe. Zudem scheine der angefochtene Bescheid von einem befangenen Verwaltungsorgan erlassen worden zu sein. In der Würdigung des Privat- und Familienlebens des BF - dieser sei in einer nach islamischem Ritus geschlossenen Ehe Vater von XXXX in Österreich geborenen Kindern -verkenne die belangte Behörde nämlich nicht nur, dass sich zum Zeitpunkt des Entstehens des Privat- und Familienlebens des BF bei ihm nicht etwa um einen bloß vorläufig aufenthaltsberechtigten Asylwerber gehandelt habe, sondern um einen aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen. So sei vom Bundesamt dazu ausgeführt worden, dass davon ausgegangen werde, dass der BF die "bloß taktisch eingegangene Beziehung" zu seiner Lebensgefährtin und seinen Kindern für die Zwecke der Erzwingung seines Aufenthalts missbrauchen würde. Einem Menschen zu unterstellen, er hätte XXXX Kinder gezeugt, um sie für die Zwecke der Erzwingung seines Aufenthaltes zu missbrauchen, sei in einer so groben Art und Weise unsachlich und tatsächlich auch entwürdigend, dass von einer Unbefangenheit des entscheidenden Verwaltungsorgans nicht mehr ausgegangen werden könne. Der Bescheid sei daher schon allein deshalb als rechtswidrig aufzuheben. Die strafrechtliche Verurteilung des BF nach XXXX sei zwar an sich schwerwiegend, sie datiere aber aus dem Jahr XXXX , wobei der BF das ihm angelastete Delikt als Jugendlicher gesetzt und lediglich zu einer bedingten Haftstrafe von XXXX - bei einem für den BF geltenden Strafrahmen von bis zu XXXX Jahren - verurteilt worden sei. Die Tathandlung des BF liege mittlerweile mehrere Jahre zurück. Warum beim BF nach wie vor eine " XXXX " wäre, habe die belangte Behörde in keiner Weise begründet. Der lapidare Verweis auf die Unglaubwürdigkeit seiner Besserungsbeteuerungen erfülle in keiner Weise die Anforderungen an eine nachvollziehbare und überprüfbare Beweiswürdigung. Zudem habe die belangte Behörde selbst mehr als XXXX Jahre nach der strafrechtlichen Verurteilung des BF bzw. immer noch mehr als ein ganzes Jahr nach der diesbezüglichen erfolgten Mitteilung zugewartet, bevor sie gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen habe, weshalb völlig unübersichtlich sei, warum Jahre nach Erlassung einer Rückkehrentscheidung nunmehr die sofortige Vollstreckung einer Rückkehrentscheidung unbedingt geboten sein sollte. Da sich die belangte Behörde mit dem wohl wesentlichsten Beweismittel - nämlich der Anklageschrift gegen einen seinerzeitigen, mittlerweile in die Russische Föderation abgeschobenen XXXX und den daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen - überhaupt nicht auseinandergesetzt habe, aus eben diesem Beweismittel nach dem Vorbringen des BF aber die reale Gefahr der Verletzung des BF in seinen Rechten nach Art. 3 EMRK abzuleiten sei, scheine der maßgebliche Sachverhalt keineswegs geklärt und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unerlässlich.
2.4. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.05.2019, Zl. W182 2176308-2/2Z, wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Im Zuge einer telefonischen Auskunft vom 01.07.2019 wurde seitens eines Vertreters des LVT XXXX zu verstehen gegeben, dass der Bericht vom 18.04.2019 für das gegenständliche Verfahren zur Gänze nicht verwertbar sei und der Inhalt von einem informierten Vertreter des LVT XXXX als Zeuge in einer mündlichen Verhandlung auch nicht bestätigt werden könne. Insbesondere auch unter Zugrundelegung der Erfahrung in der Verhandlung am 24.05.2018 wurde sohin von einer Ladung eines informierten Vertreters der Behörde abgesehen.
2.5. Anlässlich einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 05.07.2019, zu der die Beschwerdeverfahren W182 2176308-1 und W182 2176308-2 zur gemeinsamen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 AVG zusammengezogen wurden, erfolgte die Beweisaufnahme durch Einvernahme des BF und seiner Mutter als Zeugin im Beisein seiner rechtlichen Vertretung sowie eines Vertreters des Bundesamtes, weiters durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der BF legte als Beweismittel einen Verlaufsbericht der Bewährungshilfe von Neustart vom 03.07.2019, ein Artikel der "Zeit Online" vom 23.01.2009 sowie ein Artikel von "Falter.at" vom 28.04.2010 betreffend Verfolgung von im Ausland lebenden Tschetschenen durch die Administration Kadyrov vor.
Der Antrag der Rechtsvertretung des BF auf Einsicht in den von der Akteneinsicht ausgenommenen Bericht eines LVT-Mitarbeiters vom 18.04.2019 wurde mit Beschluss abgewiesen.
Der BF wurde im Wesentlichen zu seinen Lebensverhältnissen und familiären bzw. privaten Beziehungen im In- sowie im Herkunftsland befragt. Zu seinen religiösen Leben befragt, gab der BF im Wesentlichen an, dass er schon noch religiös sei und dabei einer strengeren sunnitischen Richtung angehöre, die jedoch im Einklang mit den österreichischen Gesetzen stehe. Er habe seinen eigenen Zugang zum Islam. Nach seiner persönlichen Überzeugung befolge er gewisse Dinge und gewisse Dinge nicht. Moscheen besuche er kaum mehr. Dies deshalb, weil er keinem religiösen Verein angehören wolle, keine Verpflichtungen eingehen wolle, aber auch nicht in der Ausübung seiner religiösen Identität bewertet werden bzw. nicht an Regeln gebunden sein wolle, die er möglicherweise nicht befolgen wolle. Zum Ramadan 2019 sei er in einer Moschee in seinem Wohnbezirk gewesen. Er habe diese Moschee besucht, weil sie in der Nähe seiner Wohnung sei, nicht weil er dort jemanden kenne. Er sei weniger religiös als früher, als vor einem Jahr. Ihm fehle auch die Motivation.
Zur vom BF genannten Mosche wurden seitens des Behördenvertreters ein Artikel des Standard vom Februar 2010, ein Artikel von Falter.at vom Jänner 2015, ein Artikel auf Profil.at vom Februar 2016 über XXXX . Dazu brachte der BF im Wesentlichen vor, dass er diese Artikel nicht kenne und nicht wegen der Predigt in der Moschee gewesen sei, sondern lediglich um sein Gebet zu verrichten. Die Predigt, die in Bosnisch und Arabisch gehalten werde, würde er zudem nicht einmal verstehen können.
Die Mutter des BF brachte als Zeugin befragt im Wesentlichen vor, dass sie im Juni 2019 auf Besuch in Tschetschenien von einem Mann mit einer Mappe in der Hand, der ihren Namen genannt habe, nach dem BF befragt worden sei. Er habe den BF wegen der Armee sprechen wollen. Er habe eine Liste jener Personen, die nicht rechtzeitig zur Armee gegangen seien, gehabt. Auf Nachfragen sei der Mann böse geworden und habe zur Zeugin gesagt: "Glaubt ihr vielleicht, dass hier niemand Bescheid weiß, was ihr hier aufführt?" Dies habe sie verunsichert. Sie habe auch bis auf ihre ältere Schwester, die sie als einzige ins Vertrauen gezogen habe, niemanden von ihren Familienangehörigen von der Verurteilung ihres Sohnes erzählt. Der Mann habe dann noch gesagt, dass sie den BF ausrichten solle, dass sobald er im Land sei, er sich bei der Polizei melden müsse. Die Zeugin wisse nichts darüber, ob für den BF jemals eine Ladung für die Musterung oder Stellung abgegeben worden sei. Die Zeugin konnte ihren Aufenthalt in Tschetschenien durch Ein- und Ausreisestempel nachweisen.
Der BF konnte u.a. einen 2013 ausgestellten russischen Inlandspass vorlegen, der kein Ablaufdatum aufweist.
Weiters wurde mit den Parteien die Beschwerdeschrift sowie aktuelle Länderberichte erörtert.
Mit mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.07.2019, Zl. W182 2176308-1, wurde der Bescheid des Bundesamtes vom 10.10.2017, Zl. 800456104 - 160885860 / BMI-BFA_BGLD_RD, ersatzlos behoben. Dies wurde unter Verweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 04.08.2016, Zl. Ra 2016/21/0162) mit der Antragstellung des BF vom 13.11.2018 begründet.
2.6. in einer Stellungnahme der belangten Behörde vom 25.07.2019 wurde zum Gefährdungstatbestand und zur negativen Verhaltensprognose hinsichtlich des BF im Wesentlichen ausgeführt, dass sich diese aus sämtlichen Mitteilungen der Verfassungsschutzbehörden im gegenständlichen als auch im Vorverfahren ergeben würden, die hinsichtlich des BF von einem Gefährdungstatbestand ausgehen würden. Diesen Behörden komme zumindest die Kompetenz eines Gutachters zu und würden diese über Informationen verfügen, die Organisationen wie XXXX oder XXXX nicht zugänglich seien. Weiters seien auch durch die belangte Behörde taugliche Beweismittel zur XXXX , vorgelegt worden und bestärke dies klar die Einschätzung und Glaubhaftigkeit der Erkenntnisse des Verfassungsschutzes. Weiters habe der BF im Vorverfahren erklärt, keine Moscheen mehr zu besuchen, wobei er im Widerspruch dazu in der Verhandlung am 05.07.2019 angegeben habe, dennoch mehrmals, zuletzt in Ramadan 2019 Moscheebesuche absolviert zu haben. Dazu komme, dass der BF genau jene Moschee wieder besucht habe, zu der seitens des Bundesamtes im Rahmen der Verhandlung Medienberichte als Beweismittel vorgelegt worden seien. Zudem sei davon auszugehen, dass der BF XXXX . Die Behauptung des BF, dass dieser erst jeweils nach der Predigt die Moschee aufgesucht hätte, bloß um den Gebet beizuwohnen, sei insofern unglaubwürdig, da er weder wissen habe können, wie lange die Predigten dauern, noch zu welchem Zeitpunkt das anschließende Gebiet zu beginnen habe. Weiters wurde festgehalten, dass der BF von sich selbst unmissverständlich behauptet habe, XXXX zu sein, XXXX . Dazu wurden allgemeine Ausführungen zum XXXX nachgereicht, und daraus der Schluss gezogen, dass XXXX . Weiter wurde erörtert, dass In Ansehung der XXXX es jedenfalls unmöglich erscheine, dass der BF als XXXX bloß weil ihm die Motivation dazu fehle. Die Behauptung des BF in der Verhandlung am 05.07.2019, sein Kind in einem säkularen Kindergarten betreuen zu lassen, entspreche nicht den Fakten. Zwar sei nach Einsichtnahme in die Homepage des Kindergartens nicht erkennbar, dass es sich um einen XXXX Kindergarten handle, doch würden klare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es ein Kindergarten XXXX sei, wie sich dies auch aus einen beigelegten Artikel der Presse vom 05.03.2012 ergebe. In weiterer Folge wurden rechtliche Ausführungen zu den Rechtsfolgen des Gefährdungstatbestandes dargetan. Zu den zeugenschaftlichen Aussagen der Mutter des BF wurde ausgeführt, dass der gesamte von dieser geschilderte Vorfall als unmöglich und daher als unwahr einzustufen sei. Zudem seien die Schlüsse der Zeugin bloß auf Vermutungen gestützt. Der BF habe laut eigener Aussage erwiesenermaßen Ende 2017 durch die Ausstellung eines Reisepasses mit den russischen Behörden Kontakt gehabt und sich derem Schutz unterstellt. Sohin würden die russischen Behörden über den Aufenthalt des BF in Österreich wissen und wäre es schlichtweg als sinnlos bzw. völlig unplausibel anzusehen, dass sich ein Organ die Mühe machen sollte, die Angehörigen in Tschetschenien aufzusuchen, um nach diesem zu fragen. Der geschilderte Kontakt sei somit völlig unmöglich. Dazu komme, dass es das Organ offenbar gar nicht der Mühe wert gefunden habe, sich die Identität der Mutter des BF belegen zu lassen oder im Haus selbst nach dem BF Nachschau zu halten. Auch habe dieses Organ gar nicht wissen können, wann bzw. ob überhaupt etwa die Mutter des BF im Hause anzutreffen sein könne. Hinsichtlich der Bewertung der Einvernahme von XXXX über den Verbleib ihres Gatten wurde auf einen Artikel des Standard vom 30.11.2018 sowie einen Artikel des Spiegel vom 14.12.2018 verwiesen, die eine legale Einreise in die Ukraine bzw. einen legalen bzw. verborgenen Aufenthalt in der Ukraine als unmöglich erscheinen lassen. Weiters sei darauf hinzuweisen, dass es in Russland verschiedene Möglichkeiten gebe, sich dem Wehrdienst zu entziehen. Laut Verfassung der Russischen Föderation habe jeder Bürger, bei dem Gewissensgründe gegen eine Ableistung des Wehrdienstes vorliegen würden, das Recht auf einen Ersatzdienst von 21 Monaten.
In einer Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters des BF vom 14.08.2019 wurde zur Frage, ob das gegen den BF verhängte Strafurteil wegen XXXX russischen Sicherheitsbehörden zu Kenntnis gelangt sei, darauf hingewiesen, dass der BF XXXX in einem öffentlichen Strafverfahren mit XXXX Verhandlungstagen unter enormen öffentlichen Interesse und in Anwesenheit von XXXX Medien verurteilt worden sei. Allein aufgrund der Anklage gegen insgesamt XXXX sei davon auszugehen, dass XXXX . Die Anklage wegen XXXX begründe darüber hinaus handfeste Interessen im Hinblick auf XXXX . Darüber hinaus sei es bereits zum Zeitpunkt der Strafprozess absehbar gewesen, dass die Angeklagten XXXX . Diese Annahme finde auch Deckung im Länderinformationsblatt, dem diesbezüglichen entnommen werden könne, dass die Russische Föderation Staatsbürger, die XXXX Im Verfahren seien darüber hinaus mehrere Indizien hervorgekommen, die den Schluss zulassen, dass die Verurteilung des BF und sein momentan anhängiges Verfahren wegen aufenthaltsbeendenden Maßnahme über diverse soziale Kanäle im Herkunftsstaat bekannt geworden seien. Dazu wurde auf die Angaben der Mutter des BF in der Beschwerdeverhandlung am 16.10.2018 sowie am 05.07.2019 sowie den Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung am 05.07.2019, wonach die Tatsache der Verhaftung in damaligen Freundeskreis des BF bekannt gewesen und auch weiterverbreitet worden sei. Zum Umgang der russischen Sicherheitsbehörden XXXX wurde auf die Einschätzung im aktuellen Länderinformationsblatt verwiesen. Auch wenn der BF lediglich für die XXXX belangt worden sei, werde ihm - und das zeige nicht zuletzt das gegenständliche Verfahren - XXXX und eine damit verbundene Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit unterstellt. Aufgrund der eingangs angeführten Gründe und der Tatsache, dass die russischen Strafverfolgungsbehörden aus dem Strafverfahren des Mitangeklagten XXXX Kenntnis von diesem Strafprozess haben, würde der BF bei einer Rückkehr umgehend in den Fokus der russischen Sicherheitsbehörden gelangen. Dem Länderinformationsblatt sei klar zu entnehmen, dass allein die XXXX genüge, um schwerwiegenden Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden, die laut Länderinformationsblatt vielfach rechtswidrig bzw. willkürlich erfolgen würden. Auch erscheine die Gefahr einer Festnahme unmittelbar nach seiner Ankunft aufgrund seiner tschetschenischen Volksgruppenzugehörigkeit und seiner langen Abwesenheit aus dem Herkunftsland wesentlich erhöht. Weiters wurde auf eine Bedrohung von Seiten des Onkels väterlicherseits des BF, der selbst XXXX , hingewiesen. Die Rückkehr des BF würde über die bestehenden sozialen Kanäle auch seinem Onkel und damit auch den tschetschenischen Sicherheitskräften zur Kenntnis gelangen. Im Zweifel sei daher im gegenständlichen Verfahren zugunsten des BF davon auszugehen, dass die russischen Sicherheitsbehörden Kenntnis von der Verurteilung des BF haben und diesem- unter Beachtung der Lage im Herkunftsstaat - zumindest das reale Risiko einer Verletzung der in Art. 2 und Art. 3 EMRK garantierten Rechten drohe. Zu den vom Vertreter der Behörde in der Beschwerdeverhandlung vom 05.07.2019 vorgelegten Medienberichten zu einer vom BF besuchte Moschee wurde ausgeführt, dass dieser diese Moschee lediglich zur Verrichtung des Freitagsgebetes besucht habe. Den Predigten habe der BF nicht beigewohnt, da diese auf Bosnisch oder Arabisch gehalten würden und er diese Sprache nicht beherrsche. Auch habe der BF glaubhaft vorgebracht, dass er sich zu diesem Zeitpunkt bereits auf die Verrichtung des Freitagsgebetes beschränkt habe und kein Interesse mehr vorhanden gewesen sei, sich darüber hinaus in den oftmals als Verein organisierten Moscheen zu engagieren bzw. diese öfters als unbedingt notwendig zu besuchen. Weitere Beweisergebnisse, die eine - XXXX nahelegen, seien im Verfahren nicht erörtert worden. Auf die von der Akteneinsicht ausgenommen Berichte des BVT könne der BF nicht Stellung nehmen. Weiters wurde ausgeführt, dass man unter Berücksichtigung des zum Zeitpunkt der Tatbegehung jugendlichen Alters des BF, des seit der Verurteilung eingetretenen Lebenswandels des BF, der glaubwürdigen völligen Abwendung von jenem Umfeld, das zur damaligen Tathandlung geführt habe und der stabilen familiären Situation sowie der bis zum Entzug des Aufenthaltstitels vorangetriebenen beruflichen Integration des BF nur zum Schluss komme, dass vom BF keine Gefährdung mehr ausgehe. Dazu wurden Jahreszeugnisse eines XXXX von 2011/12 bis 2013/14 als deutliches Indiz dafür, dass der BF im Zuge seines Erwachsenenwerdens vorübergehend seine Orientierung verloren habe, was insbesondere deutlich an der Benotung des Verhaltens in der Schule, dass sich schlagartig von sehr zufriedenstellend auf wenig zufriedenstellend verändert habe, beigelegt. Dass es sich dabei um eine Phase und nicht etwa um eine nachhaltige und andauernde Entwicklung gehandelt habe, beweise das ebenfalls beigelegte Referenzschreiben vom 14.08.2019 einer Personalleiterin jenes Unternehmens, bei dem der BF im Rahmen seiner Berufsausbildung zum XXXX jeweils neun Wochen im XXXX 2017, Frühjahr und XXXX 2018 ein Praktikum absolviert habe. Dem Schreiben ist zu entnehmen, dass er jene Praktika zur vollsten Zufriedenheit erfüllt habe, weshalb im Frühjahr 2019 bei einer offenen Stelle in einer Filiale an den BF gedacht und er kontaktiert worden sei. Aufgrund der fehlenden Arbeitserlaubnis habe der BF die Stelle nicht übernehmen können, was seitens des Unternehmens sehr bedauert werde. Weiters wurde das Schreiben eines Arbeitskräfteüberlassungsunternehmens vom 08.08.2019, wonach der BF nach der Mitteilung der Niederlassungsbehörde, dass er in Österreich nicht arbeiten könne bis er eine neue Bewilligung erhalte, durch Kündigung durch den Arbeitnehmer abgemeldet worden sei.
Mit Schreiben vom 06.09.2019 wurde ein Prüfungszeugnis vorgelegt, wonach der BF am XXXX 2019 die Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf XXXX erfolgreich absolviert habe.
Laut eines Telefongesprächs am 06.03.2020 mit dem für den BF zuständigen Mitarbeiter des LVT XXXX , konnte im Ergebnis in Erfahrung gebracht werden, dass nicht eindeutig bestätigt werden könne, dass der BF XXXX wäre.
Dem BF wurde mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.03.2020 aktuelle Länderfeststellungen zur Situation im Herkunftsstaat dargetan und ihm dazu die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme binnen einer Woche eingeräumt.
In einer Stellungnahme seines Rechtsvertreters vom 23.03.2020 wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF nach wie vor im Kontakt mit seinem ehemaligen Betreuer von XXXX sei, den er unregelmäßig alle zwei bis drei Monate treffe. Moscheen besuche er keine, sondern verrichte seine Gebete zu Hause. Er habe sich erneut um eine Anstellung bei dem Unternehmen, bei dem er im Rahmen seiner Berufsausbildung Praktika absolviert habe, bemüht, doch seien keine offenen Stellen mehr verfügbar gewesen. Der BF sei jedoch nach entsprechender Bewerbung in eine vom AMS geförderte Ausbildung zum XXXX aufgenommen worden, die etwa eineinhalb Jahre dauere. Der Einstige sei für Ende März 2020 geplant gewesen, jedoch wegen der COVID-19 Pandemie verschoben worden. Dazu wurde ein entsprechendes Schreiben eines Berufsförderungsinstitutes beigelegt.
In einer schriftlichen Stellungnahme des Bundesamtes vom 16.03.2020 wurde im Wesentlichen angeführt, dass sich aus sämtlichen bisherigen Beweismitteln ergebe, dass eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch den BF weiterhin vorliege und nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden könne.
Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.04.2020 wurde nach einem weiteren Telefongespräch mit dem für den BF zuständigen Mitarbeiter des LVT XXXX die Behörde ersucht, alle der Behörde bekannten, konkreten Informationen, die eine Einschätzung zulassen, XXXX dem Gericht unter Kennzeichnung der Teile, die von der Akteneinsicht auszunehmen sind, in einer Stellungnahme darzutun.
Diesem schriftlichen Ersuchen wurde mit Schreiben des LVT XXXX vom 24.04.2020 insofern entsprochen, als darin ausgeführt wurde, dass der BF in einem informellen Gespräch mit der Behörde am 18.12.2019 bekanntgegeben habe, dass er seit zwei Jahren nur mehr sporadisch Moscheen besuche, wobei er zwei Moscheen genannt habe, wovon XXXX Beide Moscheen befinden sich im näheren Umfeld des Wohnsitzes des BF, weshalb der Besuch dieser Örtlichkeiten schon aus diesem Grund nicht gänzlich abwe