Entscheidungsdatum
11.05.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
G301 2220770-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Rumänien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich in Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, vom 09.06.2019, Zl. XXXX, betreffend Aufenthaltsverbot:
A) Die Beschwerde wird wegen Beschwerdeverzichts als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
1. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Kärnten, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) persönlich ausgefolgt am 09.06.2019 um 11:35 Uhr, wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein für die Dauer von einem Jahr befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
Sowohl der Spruch als auch die Rechtsmittelbelehrung des Bescheides weisen jeweils eine Übersetzung in rumänischer Sprache auf. Weiters wurde dem BF gleichzeitig mit dem Bescheid eine in die rumänische Sprache übersetzte Verfahrensanordnung betreffend amtswegiges Zur-Seite-Stellen eines Rechtsberaters für ein etwaiges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nachweislich ausgehändigt.
Mit der am 09.06.2019 um 11:50 Uhr vor dem BFA in Klagenfurt vom BF eigenhändig unterfertigten schriftlichen Erklärung gab der BF in Kenntnis des Inhalts des Bescheides einen Rechtsmittelverzicht ab. Darin führte der BF weiters aus, dass er wisse, dass er damit auch auf die Erhebung einer Beschwerde ausdrücklich verzichte und dass ihm bewusst sei, dass er ein Jahr lang nicht mehr nach Österreich reisen dürfe.
Mit dem am 21.06.2017 beim BFA, Regionaldirektion Kärnten, mittels Telefax eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Bescheid.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 03.07.2019 vom BFA vorgelegt.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Dass der BF nach wirksamer Erlassung des gegenständlichen Bescheides die von ihm eigenhändig unterfertigte schriftliche Erklärung über einen Rechtsmittelverzicht abgegeben hat (Verwaltungsakt AS 45), wird in der eingebrachten Beschwerde nicht bestritten. Es wurde vonseiten des BF auch nicht behauptet, dass er allenfalls unter Druck, Zwang oder Drohung oder in Unkenntnis der Rechtsfolgen, insbesondere über den Eintritt der Rechtskraft des Bescheides, den Rechtsmittelverzicht mit seiner Unterschrift erklärt hätte.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zurückweisung wegen Beschwerdeverzichts (Spruchpunkt A.):
Gemäß § 7 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung, ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach der Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat.
Das Vorliegen eines Beschwerdeverzichts ist besonders streng zu prüfen (VwGH 17.02.2010, Zl. 2009/17/0254; 29.04.2014, Zl. 2013/04/0072). Besondere Formerfordernisse bestehen nicht (VwGH 11.07.2003, Zl. 2000/06/0173), der Verzicht muss allerdings ausdrücklich erklärt werden (VwGH 17.04.2009, Zl. 2007/03/0040). Ein Rechtsmittelverzicht kann nur von einer Partei des Verfahrens abgegeben werden. Dies kann - und zwar durch ausdrückliche Erklärung - erst nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides (bzw. allenfalls nunmehr Erkenntnisses) und während der Rechtsmittelfrist erfolgen (VwGH 11.03.2016, Zl. Ro 2015/06/0014). Der einmal gültig erklärte Beschwerdeverzicht kann nicht mehr zurückgenommen werden, da er als Prozesshandlung endgültig abgegeben ist; er ist damit unwiderruflich (VwGH 12.05.2005, Zl. 2005/02/0049).
Voraussetzung für einen rechtswirksamen Rechtsmittelverzicht ist, dass eine solche Erklärung ohne Druck, in Kenntnis der Rechtsfolgen und frei von Willensmängeln abgegeben wird (VwGH 31.05.2006, Zl. 2006/10/0075). Eine rechtsverbindliche Willenserklärung der verzichtenden Partei kommt unter anderem dann nicht zustande, wenn sie in einem wesentlichen Irrtum befangen und dieser "durch den anderen Teil", d.h. durch den Organwalter der Behörde, "veranlasst war". "Veranlassen" umfasst in diesem Zusammenhang jedes für die Entstehung des Irrtums ursächliche Verhalten des Organwalters, wobei nicht gefordert ist, dass die Irreführung schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) herbeigeführt wurde. Ein Willensmangel liegt aber beispielsweise auch dann vor, wenn die Partei durch eine irreführende bzw. unvollständige Rechtsbelehrung falsche Vorstellungen über die Folgen und Möglichkeiten einer Beschwerde bekommen hat. Neben der Kenntnis seiner Rechtsfolgen ist Voraussetzung für einen gültigen Beschwerdeverzicht auch, dass die Partei nicht von der Behörde in rechtswidriger Weise durch Druck, Zwang oder Drohung zur Abgabe bestimmt wurde. Abgesehen davon kommt es aber auf die Absichten, Motive und Beweggründe, welche die Partei zum Verzicht veranlasst haben, nicht an. Auch andere Willensmängel, wie etwa solche, die in einer geistigen Krankheit ihre Ursache haben, sind beachtlich.
Ein Berufungsverzicht eines Fremden ohne Beiziehung eines Dolmetschers ist nur dann wirksam, wenn feststeht bzw. ausreichend ermittelt wurde, dass der Fremde im Zeitpunkt der Abgabe des Berufungsverzichtes der deutschen Sprache hinlänglich mächtig war, um sich der Tragweite des Verzichts bewusst zu sein und ein Willensmangel ausgeschlossen werden kann (VwGH 30.03.2010, Zl. 2006/19/0934). Diese Judikatur ist auf Grund der vergleichbaren Tragweite der Erklärung auch auf den Verzicht auf eine Beschwerde bzw. die Zurückziehung einer Beschwerde anzuwenden (VwGH 27.04.2016, Zl. Ra 2015/10/0111).
Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes hat sich im vorliegenden Fall Folgendes ergeben:
Die beschwerdeführende Partei hat nach Erlassung des gegenständlichen Bescheides mit der von ihr persönlich unterfertigten schriftlichen Erklärung vom 09.06.2019 einen ausdrücklichen Rechtsmittelverzicht bezogen auf den vorher ausgefolgten Bescheid erklärt.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens hat sich ergeben, dass der von der beschwerdeführenden Partei mit ihrer Unterschrift erklärte Beschwerdeverzicht frei von Willensmängeln, Zwang und irreführender oder unvollständiger Rechtsbelehrung sowie nach Ausfolgung einer übersetzten Verfahrensanordnung betreffend Zur-Seite-Stellen eines Rechtsberaters in Kenntnis der Rechtsfolgen des Verzichts abgegeben wurde.
In einer Gesamtschau der dargelegten Erwägungen war daher eindeutig und zweifelsfrei von einem rechtlich wirksamen Beschwerdeverzicht der beschwerdeführenden Partei auszugehen, weshalb die gegenständliche Beschwerde mit Beschluss gemäß § 7 Abs. 2 iVm. § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückzuweisen war.
3.2. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
BeschwerdeverzichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G301.2220770.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020