Entscheidungsdatum
12.05.2020Norm
ASVG §410Spruch
W156 2188190-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde vom 01.12.2017 von XXXX , vertreten durch Maxl & Sporn, Rechtsanwälte in 7000 Eisenstadt, gegen den Bescheid der Burgenländischen Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse) vom 30.10.2017, Zl. XXXX , beschlossen:
A) I. Die Beschwerde vom 01.12.2017 wird gemäß als unzulässig zurückgewiesen.
II. Das Verfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde vom 30.11.2017 eingestellt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Burgenländische Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse (in Folge als ÖGK bezeichnet), hat mit Bescheid vom 30.10.2017, Zl. XXXX , in Spruchpunkt I. Herrn XXXX als Dienstnehmer der Fa. XXXX für den Zeitraum von Mai 2002 bis Oktober 2012 in die Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall-und Pensionsversicherung nach dem ASVG und in die Arbeitslosenversicherung nach dem AlVG einbezogen. In Spruchpunkt II. wurden dem BF die angefallenen Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum Dezember 2008 bis Oktober 2013 in Höhe von ? 28.695,97 zur Entrichtung binnen 145 Tagen vorgeschrieben.
2. Mit Schriftsatz vom 30.11.2017 erhob der BF erstmals fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
3. Mit Schriftsatz vom 01.12.2017 wurde die Beschwerde vom 30.11.2017 durch die rechtsfreundliche Vertretung wegen Formfehler zurückgezogen. Mit Schriftsatz von 01.12.2017 wurde in einem neuerlich Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.
4. Mit Schreiben vom 01.03.2018 legte die ÖGK die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und wurde das Verfahren der Gerichtsabteilung W229 zugewiesen.
4. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 15.04.2020 wurde das Verfahren der Gerichtsabteilung W156 am 04.05.2020 zur Entscheidung zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die ÖGK hat mit angefochtenem Bescheid vom 30.10.2017 in Spruchpunkt I. Herrn XXXX als Dienstnehmer der Fa. XXXX für den Zeitraum von Mai 2002 bis Oktober 2012 in die Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall-und Pensionsversicherung nach dem ASVG und in die Arbeitslosenversicherung nach dem AlVG einbezogen. In Spruchpunkt II. wurden dem BF die angefallenen Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum Dezember 2008 bis Oktober 2013 in Höhe von ? 28.695,97 zur Entrichtung binnen 145 Tagen vorgeschrieben.
2. Mit Schriftsatz vom 30.11.2017 erhob der BF erstmals fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
3. Mit Schriftsatz vom 01.12.2017 wurde die Beschwerde vom 30.11.2017 wegen Formfehler zurückgezogen. Mit Schriftsatz von 01.12.2017 wurde in einem neuerlich Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und ist unbestritten.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Rechtliche Grundlagen
Artikel 131 Abs. 1 B-VG lautet:
"Soweit sich aus Abs. 2 und 3 nicht anderes ergibt, erkennen über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 die Verwaltungsgerichte der Länder."
§ 13 Abs. 7 AVG lautet:
"Anbringen können in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden."
3.2 Zu Spruchpunkt A
3.2.1. A I.) Zurückweisung der Beschwerde:
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht ist der Bescheid der ÖGK vom 30.10.2017.
Im gegenständlichen Fall ist die Zulässigkeit der Beschwerde vom 01.12.2017 zu prüfen.
In seinem Erkenntnis vom 27.08.1996, Zl. 96/05/0175, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass das Beschwerderecht eines Bf gegen ein und denselben Bescheid iSd Art 131 B-VG durch die Einbringung der (zeitlich) ersten Beschwerde verbraucht (Hinweis B 25.3.1985, 85/10/0024, VwSlg 11719 A/1985) sei. Es seien somit spätere, von demselben Bf gegen denselben Bescheid erhobene Beschwerden zurückzuweisen (vgl. auch VwGH vom 19.02.1991, Zl. 91/08/0015). Geschäftszahl
In seinem Erkenntnis vom 29.08.1995, Zl 95/05/0196, führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass, selbst wenn ein Bescheid vor seiner auch an den Bf erfolgten Zustellung angefochten wird, damit das Beschwerderecht verbraucht wird und nach der Zustellung nicht nochmals Beschwerde erhoben werden kann (Hinweis Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, dritte Aufl, 451).
Auf den gegenständlichen Fall bezogen bedeutet dies:
Durch die ausdrückliche Zurückziehung der Beschwerde vom 30.11.2017 am 01.12.2017 ist das Recht des BF auf Beschwerdeerhebung erloschen. Somit hat der BF mit Einbringung der Beschwerde vom 30.11.2017 sein Beschwerderecht verbraucht und erweist sich die Einbringung der späteren Beschwerde vom 01.12.2017 als unzulässig. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes der Grundsatz, dass das Beschwerderecht im Sinne des Art. 131 Abs. 1 B-VG mit der Einbringung der ersten Beschwerde verbraucht ist, auch auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht anzuwenden, auch wenn sich die diesbezügliche Judikatur des Verwaltungsgerichtes auf die bei ihm eingebrachten Beschwerden bezieht.
Daher war die Beschwerde vom 01.12.2017 wegen Verbrauch des Beschwerderechtes als unzulässig zurückzuweisen.
3.2.2. Zu A II.) Einstellung des Verfahrens:
Der BF hat seine Beschwerde vom 30.11.2017 am 01.12.2017 im Wege der anwaltlichen Vertretung eindeutig zurückgezogen (vgl. VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320).
Eine Zurückziehung der Beschwerde ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (§ 17 VwGVG in Verbindung mit § 13 Absatz 1 und 7 AVG sowie Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6).
Gemäß dem hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1951, 547/50, VwSlg 1889 A/1951, gilt bei Anträgen, die nach den Verwaltungsverfahrensvorschriften durch Bescheid zu erledigen sind und für die Entscheidungspflicht besteht, dass es dem Antragsteller nicht frei steht, seine Erklärung jederzeit zu modifizieren, zu widerrufen und einen bereits erteilten Widerruf wieder rückgängig zu machen. Wenn ein solches Parteibegehren abgeändert oder eingeschränkt wird, bedeutet dies einen Verzicht auf ein Recht. Ist aber ein solcher Verzicht gegenüber der Behörde ausgesprochen, dann ist eben dieses Recht erloschen (VwGH vom 11.12.2002, Zl. 2002/03/0248).
Ein Widerruf der Zurückziehung der Beschwerde, als welcher die neuerliche Einbringung einer späteren Beschwerde hier gedeutet werden könnte, ist nicht zulässig und wirksam, sodass sich die Zurückziehung der Beschwerde vom 30.11.2017 als unwiderruflich erweist.
Der Bescheid der ÖGK vom 30.10.2017, Zl. XXXX , ist durch die Zurückziehung der Beschwerde vom 30.11.2017 somit rechtskräftig geworden.
Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde ist keine Sachentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht zulässig, welches daher das Beschwerdeverfahren durch Beschluss (VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047) einzustellen hat (vergleiche Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], § 28 VwGVG Anm 5).
3.3 Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl Nr. C 83 vom 30.03.2010 S 389 entgegenstehen.
In seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7.401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), hat der EGMR unter Hinweis auf seine frühere Judikatur dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigen. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische Fragen" ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft, und im Zusammenhang mit Verfahren betreffend "ziemlich technische Angelegenheiten" ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige, hingewiesen (vgl. auch die Entscheidung des EGMR vom 13. März 2012, Nr. 13.556/07, Efferl/Österreich; ferner etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2013, Zl. 2010/07/0111, mwN) (VwGH 19.03.2014, 2013/09/0159).
Der BF hat eine Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde beantragt.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG jedoch nicht für erforderlich. Weder kann dem Grundsatz der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs im vorliegenden Fall durch eine mündliche Verhandlung besser und effizienter entsprochen werden, noch erscheint eine mündliche Verhandlung im Lichte des Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC geboten (vgl. mwN Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], Anm. 5 zu § 24 VwGVG).
Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt.
In der vorliegenden Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.
Eine mündliche Verhandlung konnte somit gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen.
3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe Judikatur unter Punkt 3.2.). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesvewaltungsgericht hat sich in der Frage der Zulässigkeit der Beschwerde vom 01.12.2017 und zur Frage der Zurückziehung einer Beschwerde und einem diesbezüglichen Widerruf an der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes orientiert. Das Bundesverwaltungsgericht hatte daher die ordentliche Revision für unzulässig zu erklären.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Beschwerderecht Rechtsanschauung des VwGH Unzulässigkeit der Beschwerde Verfahrenseinstellung Zurückweisung ZurückziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2188190.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020