Entscheidungsdatum
13.05.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
W277 2144660-1/20E
W277 2144653-1/17E
W277 2144655-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. ESCHLBÖCK, MBA, über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX und 3.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. der Russischen Föderation, vertreten durch XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zlen. 1.) XXXX , 2.) XXXX und 3.) XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:
A)
I. Die Beschwerden hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II der angefochtenen Bescheide werden als unbegründet abgewiesen.
II. Im Übrigen wird den Beschwerden stattgegeben und festgestellt, dass die Rückkehrentscheidungen gegen XXXX , XXXX und XXXX auf Dauer unzulässig sind.
Gemäß §§ 54 iVm 55 und 58 Abs. 2 werden XXXX und XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" und XXXX die "Aufenthaltsberechtigung" jeweils für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
I. Verfahrensgang
1. Die Erstbeschwerdeführerin XXXX (in der Folge: BF1) ist die Mutter der des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers XXXX (in der Folge: BF2) und des minderjährigen Drittbeschwerdeführers XXXX (in der Folge: BF3). Die Beschwerdeführer (in der Folge: BF) sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe.
2. Am XXXX stellten die BF im Bundesgebiet Anträge auf internationalen Schutz. Die BF1 wurde hierzu vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX erstbefragt. Die russischen Auslandsreisepässe der BF wurden polizeilich sichergestellt.
3. Am XXXX wurde die BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen. Zu den Fluchtgründen brachte die BF1 im Wesentlichen vor, dass sie in Tschetschenien eine außereheliche Beziehung zu einem anderen Mann geführt habe. Ihr Ehemann habe davon erfahren und es sei zu einer Rauferei zwischen ihm und ihrem Freund gekommen. Dabei sei Letzterer umgekommen. Ihr Ehemann sei geflohen. Die BF1 und ihre Kinder seien in der Folge von den Angehörigen ihres Freundes bedroht worden.
4. Mit den angefochtenen Bescheiden des BFA vom XXXX wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG wurde den BF nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).
5. Das BFA stellte den BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.
6. Mit Schriftsatz vom XXXX erhoben die BF durch ihren Rechtsvertreter binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde.
7. Mit Eingaben vom XXXX und XXXX wurden Integrationsunterlagen der BF zur Vorlage gebracht.
8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am XXXX eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Russisch durch, an welcher die BF und ihre Rechtsvertretung teilnahmen. Die BF1 und der BF2 wurden ausführlich zu ihrer Person und den Fluchtgründen befragt, es wurde ihnen Gelegenheit gegeben, die Fluchtgründe umfassend darzulegen sowie zu den im Rahmen der Verhandlung in das Verfahren eingeführten und ihnen mit der Ladung zugestellten Länderberichten Stellung zu nehmen. Zudem wurde XXXX als Zeuge befragt.
Die BF legten Folgendes vor:
-eine ärztliche Stellungnahme betreffend BF3 vom XXXX (Beilage ./A),
-zwei Schulbesuchsbestätigungen betreffend BF2 (Beilagen ./B und ./D),
-eine Schulbesuchsbestätigung betreffend BF3 (Beilage ./C),
-ein Empfehlungsschreiben von XXXX (Beilage ./E),
-ein Empfehlungsschreiben von dem in der mündlichen Verhandlung als Zeugen befragten XXXX (Beilage ./F),
- ein als "Bestätigung" tituliertes Schreiben der XXXX betreffend eine Betreuung der BF im XXXX in der Zeit vom XXXX (Beilage ./G),
-ein Empfehlungsschreiben von XXXX (Beilage ./H),
-ein Empfehlungsschreiben des XXXX (Beilage ./I),
-ein Empfehlungsschreiben von XXXX (Beilage ./J).
9. Mit Eingabe vom XXXX wurde eine Einstellungszusage des XXXX betreffend die BF1 vorgelegt.
10. Mit Schreiben vom XXXX wurde den BF und der rechtsfreundlichen Vertretung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Russischen Föderation übermittelt und eine zweiwöchige Frist zur Stellungnahme gewährt.
10.1. Eine Stellungnahme zu den Länderberichten langte nicht ein. Vorgelegt wurde eine Anmeldebestätigung der XXXX , aus welcher hervorgeht, dass die BF sich für die Integrationsprüfung B1 am XXXX angemeldet hat (OZ 17) sowie ein Arbeitsvorvertrag von XXXX betreffend eine Anstellungsmöglichkeit der BF1 als XXXX in dem XXXX (OZ 17). Zudem wurde eine Schulnachricht von bzw. ein Lernzielkatalog für XXXX vom XXXX , eine Schulnachricht für XXXX vom XXXX sowie ein Empfehlungsschreiben für BF1 vom XXXX vorgelegt (OZ 18). Weiters wurde eine "Kursteilnahmebestätigung" vom XXXX von XXXX aus welcher hervorgeht, dass die BF1 an dem von ihr XXXX geleiteten Prüfungsvorbereitung/ Deutschkurs B1 teilnimmt (OZ 19).
11. Das Bundesverwaltungsgericht führte eine Strafregisterabfrage durch. Es scheint keine Verurteilung auf.
II. Für das Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus wie folgt:
1. Feststellungen
1.1. Zur Person der BF
1.1.1. Die BF sind russische Staatsangehörige und gehören der Volksgruppe der Tschetschenen an. Sie sind muslimischen Glaubens.
1.1.2. Die BF1 ist in XXXX , Distrikt XXXX , geboren und ist ebendort sowie im gleichnamigen Dorf XXXX , Distrikt XXXX , aufgewachsen. Die BF1 hat im Herkunftsstaat den Kindsvater von BF2 und BF3 traditionell geehelicht. Nach ihrer Heirat zog sie im Jahre XXXX zu ihrem Ehemann nach XXXX . Dort lebte sie bis zu ihrer Ausreise mit BF2 und BF3 im gemeinsamen Haushalt.
Die BF1 ist volljährig, im erwerbsfähigen Alter und spricht Russisch und Tschetschenisch. Sie hat im Herkunftsstaat die Grundschule besucht und als Marktverkäuferin gearbeitet.
Die Eltern der BF1 sind verstorben. Ihr Bruder lebt zusammen mit seiner Frau und seinen XXXX Kindern in XXXX , Distrikt XXXX , und arbeitet in einem XXXX . Er wohnt in dem Elternhaus der BF1.
Die Schwester der BF1 lebt in XXXX . Zwei Tanten mütterlicherseits der BF1 leben im Herkunftsstaat in der Stadt XXXX .
Die BF1 hat regelmäßigen Kontakt zu ihrem Bruder, ihren Tanten und ihren Freundinnen im Herkunftsstaat sowie zu ihrer Schwester im Bundesgebiet.
1.1.3. BF2 und BF3 sind die minderjährigen Kinder der BF1.
1.1.4. Die Beschwerdeführer leiden an keiner schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung. Bei BF3 liegt eine Entwicklungsverzögerung vor.
1.1.5. Die Beschwerdeführer sind im Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zum Fluchtvorbringen der BF
Die Beschwerdeführer sind keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat der Russischen Föderation ausgesetzt.
1.3. Zur maßgeblichen, entscheidungsrelevanten Situation in der Russischen Föderation
Aus dem ins Verfahren eingeführten, mit der Ladung zugestellten und im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 27.03.2020 zitierten Länderberichten zur Lage in der Russischen Föderation ergibt sich Folgendes:
1.3.1. Rechtsschutz / Justizwesen - Tschetschenien und Dagestan
Das russische föderale Recht gilt für die gesamte Russische Föderation, einschließlich Tschetscheniens und Dagestans. Neben dem russischen föderalen Recht spielen sowohl Adat als auch Scharia eine wichtige Rolle in Tschetschenien. Republiksoberhaupt Ramzan Kadyrow unterstreicht die Bedeutung, die der Einhaltung des russischen Rechts zukommt, verweist zugleich aber auch auf den Stellenwert des Islams und der tschetschenischen Tradition (EASO - European Asylum Support Office (9.2014): Bericht zu Frauen, Ehe, Scheidung und Sorgerecht in Tschetschenien (Islamisierung; häusliche Gewalt; Vergewaltigung; Brautentführung; Waisenhäuser).
Die Sitte, Blutrache durch einen Blutpreis zu ersetzen, hat sich im letzten Jahrhundert in Tschetschenien weniger stark durchgesetzt als in den anderen Teilrepubliken. Republiksoberhaupt Kadyrow fährt eine widersprüchliche Politik: Einerseits spricht er sich öffentlich gegen die Tradition der Blutrache aus und leitete 2010 den Einsatz von Versöhnungskommissionen ein, die zum Teil mit Druck auf die Konfliktparteien einwirken, von Blutrache abzusehen. Andererseits ist er selbst in mehrere Blutrachefehden verwickelt. Nach wie vor gibt es Clans, welche eine Aussöhnung verweigern (AA - Auswärtiges Amt (13.2.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Russischen Föderation).
Bestimmte Gruppen genießen keinen effektiven Rechtsschutz, hierzu gehören auch Frauen, welche mit den Wertvorstellungen ihrer Familie in Konflikt geraten (AA 13.2.2019).
1.3.2. Relevante Bevölkerungsgruppen - Frauen im Nordkaukasus, insbesondere in Tschetschenien
Die Situation von Frauen im Nordkaukasus unterscheidet sich zum Teil von der in anderen Regionen Russlands. Fälle von Ehrenmorden, häuslicher Gewalt, Entführungen und Zwangsverheiratungen sind laut NGOs nach wie vor ein Problem in Tschetschenien (ÖB Moskau (12.2018): Asylländerbericht Russische Föderation, vgl. AA 13.2.2019). Verlässliche Statistiken dazu gibt es kaum. Die Gewalt gegen Frauen bleibt in der Region ein Thema, dem von Seiten der Regional- und Zentralbehörden zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Erschwert wird die Situation durch die Ko-Existenz dreier Rechtssysteme in der Region - dem russischen Recht, dem Gewohnheitsrecht ("Adat") und der Scharia. Gerichtsentscheidungen werden häufig nicht umgesetzt, lokale Behörden richten sich mehr nach "Traditionen" als nach den russischen Rechtsvorschriften. Insbesondere der Fokus auf traditionelle Werte und Moralvorstellungen, die in der Republik Tschetschenien unter Ramzan Kadyrow propagiert werden, schränkt die Rolle der Frau in der Gesellschaft ein. Das Komitee zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau sprach im Rahmen seiner Empfehlungen an die Russische Föderation in diesem Zusammenhang von einer "Kultur des Schweigens und der Straflosigkeit" (ÖB Moskau 12.2018). Außerdem weist sie auf eine Form der Polygamie hin, die zwar offiziell nicht zulässig, aber durch die Parallelität von staatlich anerkannter und inoffizieller islamischer Ehe faktisch möglich ist (AA 13.2.2019).
Die Behandlung von Frauen, wie sie heute existiert, soll aber nie eine Tradition in Tschetschenien gewesen sein. Frauen sind sowohl unter islamischem Recht als auch im Adat hochgeschätzt (EASO - European Asylum Support Office (9.2014): Bericht zu Frauen, Ehe, Scheidung und Sorgerecht in Tschetschenien (Islamisierung; häusliche Gewalt; Vergewaltigung; Brautentführung; Waisenhäuser)). Allerdings ist die Realität in Tschetschenien, dass Gewalt gegen Frauen weit verbreitet und die Situation im Allgemeinen für Frauen schwierig ist. Auch die Religion ist ein Rückschlag für die Frauen und stellt sie in eine den Männern untergeordnete Position (EASO 9.2014, vgl. Welt.de (14.2.2017): Immer ein echter Mann zu sein - das ist eine Last).
Häusliche Gewalt, die überall in Russland ein großes Problem darstellt, gehört in den nordkaukasischen Republiken zum Alltag (Welt.de 14.2.2017). Zivilgesellschaftliche Initiativen widmen sich jedoch der Unterstützung nordkaukasischer Frauen (ÖB Moskau 12.2018).
1.3.3. Bewegungsfreiheit
In der Russischen Föderation herrscht Bewegungsfreiheit sowohl innerhalb des Landes als auch bei Auslandsreisen, ebenso bei Emigration und Repatriierung (US DOS 13.3.2019).
1.3.4. Grundversorgung - Nordkaukasus
Die nordkaukasischen Republiken stechen unter den Föderationssubjekten Russlands durch einen überdurchschnittlichen Grad der Verarmung und der Abhängigkeit vom föderalen Haushalt hervor. Die Haushalte Dagestans, Inguschetiens und Tschetscheniens werden noch immer zu über 80% von Moskau finanziert (GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2020a): Russland, Geschichte und Staat; vgl. ÖB Moskau (12.2019): Asylländerbericht Russische Föderation), obwohl die föderalen Zielprogramme für die Region mittlerweile ausgelaufen sind. Dennoch hat sich die Lage im Nordkaukasus verbessert, wenngleich es verfrüht erscheint, von einer nachhaltigen Stabilisierung zu sprechen. Vor allem die wirtschaftliche Situation in Tschetschenien hat sich aufgrund massiver Transferzahlungen aus dem föderalen Budget in den letzten Jahren einigermaßen stabilisiert. Wenngleich die föderalen Transferzahlungen wichtig bleiben, konnten in den vergangenen Jahren dank des massiven Engagements der Föderalen Behörden, insbesondere des Nordkaukasus-Ministeriums, signifikante Fortschritte bei der sozio-ökonomischen Entwicklung der Region erzielt werden (ÖB Moskau 12.2019).
Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich seit dem Ende des Tschetschenienkrieges dank großer Zuschüsse aus dem russischen föderalen Budget deutlich verbessert. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens, Grozny, ist wiederaufgebaut. Problematisch sind allerdings weiterhin die Arbeitslosigkeit und die daraus resultierende Armut und Perspektivlosigkeit von Teilen der Bevölkerung. Die Bevölkerungspyramide ähnelt derjenigen eines klassischen Entwicklungslandes mit hohen Geburtenraten und niedrigem Durchschnittsalter, und unterscheidet sich damit stark von der gesamtrussischen Altersstruktur (AA 13.2.2019).
1.3.5. Sozialbeihilfen
Die Russische Föderation hat ein reguläres Sozialversicherungs-, Wohlfahrts- und Rentensystem. Leistungen hängen von der spezifischen Situation der Personen ab; eine finanzielle Beteiligung der Profitierenden ist nicht notwendig. Alle Leistungen stehen auch Rückkehrern offen (IOM - International Organisation of Migration (2018): Länderinformationsblatt Russische Föderation).
1.3.6. Medizinische Versorgung
Medizinische Versorgung wird von staatlichen und privaten Einrichtungen zu Verfügung gestellt. StaatsbürgerInnen haben im Rahmen der staatlich finanzierten, obligatorischen Krankenversicherung (OMS) Zugang zu einer kostenlosen medizinischen Versorgung (IOM, vgl. ÖB Moskau 12.2019). Jede/r russische Staatsbürger/in, egal ob er einer Arbeit nachgeht oder nicht, ist von der Pflichtversicherung erfasst (ÖB Moskau 12.2019). Dies gilt somit natürlich auch für Rückkehrer, daher kann jeder russische Staatsbürger bei Vorlage eines Passes oder einer Geburtsurkunde (für Kinder bis 14) eine OMS-Karte erhalten. Diese müssen bei der nächstliegenden Krankenversicherung eingereicht werden. An staatlichen wie auch an privaten Kliniken sind medizinische Dienstleistungen verfügbar, für die man direkt bezahlen kann (im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung - Voluntary Medical Insurance DMS) (IOM 2018). Durch die Zusatzversicherung sind einige gebührenpflichtige Leistungen in einigen staatlichen Krankenhäusern abgedeckt (ÖB Moskau 12.2019).
Die kostenfreie Versorgung umfasst Notfallbehandlung, Ambulante Behandlung, inklusive Vorsorge, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu Hause und in Kliniken, Stationäre Behandlung und teilweise kostenlose Medikamente. Behandlungen innerhalb der OMS sind kostenlos. Für die zahlungspflichtigen Angebote von öffentlichen und privaten Kliniken gibt es Preislisten auf den jeweiligen Webseiten (IOM 2018; vgl. ÖB Moskau 12.2019), die zum Teil auch mit OMS abrechnen (GTAI - German Trade and Invest (27.11.2018): Russlands Privatkliniken glänzen mit hohem Wachstum). Immer mehr russische Staatsbürger wenden sich an Privatkliniken (GTAI 27.11.2018, vgl. Ostexperte.de (22.9.2017): Privatkliniken in Russland immer beliebter).
Das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger ist in der Verfassung verankert (GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2020c): Russland, vgl. ÖB Moskau 12.2018). Voraussetzung ist lediglich eine Registrierung des Wohnsitzes im Land. Am Meldeamt nur temporär registrierte Personen haben Zugang zu notfallmäßiger medizinischer Versorgung, während eine permanente Registrierung stationäre medizinische Versorgung, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und Pensionsgelder ermöglicht. Fälle von Diskriminierung auf Grund von Religion oder ethnischer Herkunft bezüglich der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen sind nicht bekannt (ÖB Moskau 12.2019).
Das noch aus der Sowjetzeit stammende Gesundheitssystem bleibt ineffektiv. Trotz der schrittweisen Anhebung der Honorare sind die Einkommen der Ärzte und des medizinischen Personals noch immer niedrig (GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (2.2020c): Russland). Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist (GIZ 2.2020c): Russland, vgl. AA 13.2.2019).
Aufgrund der Bewegungsfreiheit im Land ist es für alle Bürger der Russischen Föderation möglich, bei Krankheiten, die in einzelnen Teilrepubliken nicht behandelbar sind, zur Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation zu reisen (vorübergehende Registrierung) (DIS - Danish Immigration Service (1.2015): Security and human rights in Chechnya and the situation of Chechens in the Russian Federation - residence registration, racism and false accusations; Report from the Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow, Grozny and Volgograd, the Russian Federation, vgl. AA 13.2.2019).
Wie jedes Subjekt der Russischen Föderation hat auch Tschetschenien eine eigene öffentliche Gesundheitsverwaltung, die die regionalen Gesundheitseinrichtungen wie z.B. regionale Spitäler (spezialisierte und zentrale), Tageseinrichtungen, diagnostische Zentren und spezialisierte Notfalleinrichtungen leitet. Das Krankenversicherungssystem wird vom territorialen verpflichtenden Gesundheitsfonds geführt (BDA - Belgium Desk on Accessibility (31.3.2015): Accessibility of healthcare: Chechnya, Country Fact Sheet via MedCOI). Es sind somit in Tschetschenien sowohl primäre als auch spezialisierte Gesundheitseinrichtungen verfügbar. Die Krankenhäuser sind in einem besseren Zustand als in den Nachbarrepubliken, da viele vor nicht allzu langer Zeit erbaut wurden (DIS 1.2015).
Wenn eine Behandlung in einer Region nicht verfügbar ist, gibt es die Möglichkeit, dass der Patient in eine andere Region, wo die Behandlung verfügbar ist, überwiesen wird (BDA CFS 31.3.2015).
1.3.7. Rückkehr
Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern, insbesondere im Nordkaukasus, kann festgestellt werden, dass sie vor allem vor wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen. Dies betrifft vor allem die im Vergleich zum Rest Russlands großen wirtschaftlichen Probleme sowie die damit einhergehende Arbeitslosigkeit im Nordkaukasus. Hinzu kommen bürokratische Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Dokumenten, die oft nur mit Hilfe von Schmiergeldzahlungen überwunden werden können. Die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen betreffen weite Teile der russischen Bevölkerung und können somit nicht als spezifisches Problem von Rückkehrern bezeichnet werden. Besondere Herausforderungen ergeben sich für Frauen aus dem Nordkaukasus, zu deren Bewältigung zivilgesellschaftliche Initiativen unterstützend tätig sind. Eine allgemeine Aussage über die Gefährdungslage von Rückkehrern in Bezug auf mögliche politische Verfolgung durch die russischen bzw. die nordkaukasischen Behörden kann nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall abhängt. Aus informierten Kreisen mit direktem Praxisbezug war zu erfahren, dass Rückkehrer gewöhnlich nicht mit Diskriminierung seitens der Behörden konfrontiert sind (ÖB Moskau 12.2019).
Es besteht keine allgemeine Gefährdung für die körperliche Unversehrtheit von Rückkehrern in den Nordkaukasus. Vereinzelt gibt es Fälle von Tschetschenen, die im Ausland einen negativen Asylbescheid erhalten haben, in ihre Heimat zurückgekehrt sind und nach ihrer Ankunft unrechtmäßig verfolgt worden sind. Das unabhängige Informationsportal Caucasian Knot schreibt in einem Bericht vom April 2016 von einigen wenigen Fällen, in denen Tschetschenen, denen im Ausland kein Asyl gewährt worden ist, nach ihrer Abschiebung drangsaliert worden wären (ÖB Moskau 12.2019). Die Stellung eines Asylantrags im Ausland führt aber nicht prinzipiell zu einer Verfolgung. Der Kontrolldruck gegenüber kaukasisch aussehenden Personen ist aus Angst vor Terroranschlägen und anderen extremistischen Straftaten erheblich. Russische Menschenrechtsorganisationen berichten von häufig willkürlichem Vorgehen der Polizei gegen Kaukasier allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Kaukasisch aussehende Personen stünden unter einer Art Generalverdacht. Personenkontrollen und Hausdurchsuchungen (häufig ohne Durchsuchungsbefehle) finden weiterhin statt (AA 13.2.2019).
1.4. Zur Situation der BF im Falle einer Rückkehr
1.4.1. Den BF ist eine Rückkehr in die Russische Föderation - etwa nach XXXX - zumutbar, zumal sie ebendort über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen und von einer Unterstützung durch die Familie auszugehen ist.
1.4.2. Im Falle einer Rückkehr würden sie in keine existenzgefährdende Notlage geraten bzw. es würde ihnen nicht die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen werden. Sie laufen folglich nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten. Es ist davon auszugehen, dass sie Unterstützung durch ihre Familie und Verwandten in der Russischen Föderation erhalten werden.
1.4.3. Im Falle einer Abschiebung in den Herkunftsstaat sind die BF nicht in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht.
1.4.4. Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr ausschließen, konnten nicht festgestellt werden.
1.5. Zur Situation der Beschwerdeführer in Österreich
1.5.1. Die BF sind im XXXX illegal in das Bundesgebiet eingereist und leben seither im Familienverband in einem gemeinsamen Haushalt.
Die Schwester der BF1 hat eine Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet und lebt in XXXX . Es besteht regelmäßiger Kontakt, jedoch kein gemeinsamer Wohnsitz bzw. ein finanzielles oder sonstiges, besonderes Abhängigkeitsverhältnis. Die BF haben keine sonstigen familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet.
1.5.2. Die BF1 hat am XXXX die Integrationsprüfung auf dem XXXX absolviert und ist in der Lage, sich auf elementarem Niveau in der deutschen Sprache zu unterhalten. Aktuell besucht sie einen Vorbereitungskurs B1 und ist für eine Deutschprüfung im XXXX angemeldet.
Die BF1 führt eine Beziehung zu einem XXXX Staatsbürger. Es besteht kein gemeinsamer Haushalt bzw. ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Die BF1 unterstützt ihn in seinem Haushalt und es werden häufig gemeinsame Freizeitaktivitäten unternommen.
Sie pflegt Freundschaften und Bekanntschaften in Österreich.
Die BF1 verfügt über eine Einstellungszusage als XXXX in dem XXXX in XXXX . Es ist davon auszugehen, dass die BF1 für den Fall eines Verbleibes im Bundesgebiet in der Lage wäre, für den Lebensunterhalt der BF2 und BF3 bis zu deren Selbsterhaltungsfähigkeit aufzukommen.
Sie hilft gelegentlich ehrenamtlich im XXXX aus.
Die BF1 trägt seit ihrer Einreise dafür Sorge, dass sie selbst und ihre minderjährigen Kinder, der BF2 und der BF3, sich in die österreichische Gesellschaft eingliedern.
1.5.3. Der BF2 besucht aktuell eine polytechnische Schule in XXXX und strebt nach erfolgreichem Abschluss einer Lehre eine Tätigkeit als Elektriker an. Er beherrscht die deutsche Sprache auf einem guten Niveau und hat Freunde im Bundesgebiet.
1.5.4. Der BF3 besucht die Volksschule in XXXX , und wird aufgrund der bei ihm vorliegenden Entwicklungsverzögerung nach dem Lehrplan der allgemeinen Sonderschule unterrichtet sowie durch eine zweite Lehrkraft unterstützt. Er bedarf einer langfristigen, regelmäßigen Therapie.
1.5.5. Die BF sind nicht Mitglieder in Vereinen oder Organisationen. In ihrer Freizeit gehen sie sportlichen Aktivitäten nach.
1.5.6. Die Beschwerdeführer besuchen mehrmals pro Woche den unter II.2.5.2 angeführten Freund der BF1, der regelmäßig Ausflüge mit ihnen unternimmt.
2. Beweiswürdigung
2.1. Zur jeweiligen Person der BF1, BF2 und BF3
2.1.1. Die Identität der BF konnte aufgrund der Vorlage ihrer russischen Auslandsreisepässe festgestellt werden ( XXXX in AS 13ff. zu BF1, XXXX zu BF2 in AS 5ff.und XXXX in AS 6 ff. zu BF3). XXXX . Dies wurde vom BFA auch nicht bestritten (AS 88 zu BF1, AS 40 zu BF2 und AS 44 zu BF3).
2.1.2. Die Feststellungen zur Staats-, Volkgruppen- und Religionszugehörigkeit der BF gründen sich auf die insoweit glaubhaften Angaben in den bisherigen Befragungen sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bzw. den Kenntnissen der russischen und tschetschenischen Sprachen der BF.
2.1.3. Die Feststellungen über die Geburts- und Aufenthaltsorte der BF1 (AS 60 f. sowie Niederschrift der mündlichen Verhandlung, in der Folge: NSV S. 13), zur schulischen Bildung (AS 60) und der Erwerbstätigkeit der BF1 im Herkunftsstaat (AS 61 sowie NSV S. 20) ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben der BF1.
2.1.4. Die Feststellungen über das Ableben der Eltern der BF1 (AS 27 sowie NSV S. 16), den Aufenthaltsorten der Beschwerdeführer im Herkunftstaat bis zur Ausreise (NSV S. 15) und den gegenwärtigen Familienstand der BF1(AS 25 sowie NSV S.14) ergeben sich gleichfalls aus den glaubhaften Angaben der BF1. Ebenso verhält es sich betreffend die Angaben zum aktuellen Wohnort und der Erwerbstätigkeit Bruders der BF1 im Herkunftsstaates (NSV S. 17f), den Aufenthalt ihrer Schwester im Bundesgebiet (NSV S. 17), den beiden in XXXX wohnhaften Tanten (NSV S. 18) sowie ihrer im Herkunftsort wohnhaften Freundinnen (NSV S. 16f). Es hat sich kein Hinweis ergeben, an ihren Angaben, aktuell zu diesen Personen regelmäßigen Kontakt zu haben, zu zweifeln (NSV S. 16 bis 18).
2.1.5. Dass die BF1 den Kindsvater, XXXX , geb. im XXXX , von BF2 und BF3 im Herkunftsstaat traditionell geehelicht hat, ist Folge ihrer insoweit glaubhaften Angaben (AS 25 f sowie NSV S. 14). Eine Scheidung wurde nicht vollzogen. Ihre Ausführungen, dass sie ihren Familienstand aufgrund der langjährigen Trennung seit ihrer Ausreise als geschieden erachte und dies auch so zum Ausdruck brachte, waren nachvollziehbar (NSV S. 14). Die Angaben zum Ableben der Schwiegermutter der BF1 (NSV S. 16) waren glaubhaft.
Die Feststellung, dass die BF den aktuellen Aufenthaltsort des Kindsvaters von BF2 und BF3 und seiner Schwester nicht kenne und auch kein Kontakt zu diesen bestehe waren nicht glaubhaft (NSV S. 14). In der mündlichen Verhandlung war erkennbar, dass der BF2 hierzu keine Angaben machen wollte (NSV S. 35). Es konnte auch wahrgenommen werden, dass die BF1 die Beantwortung der diesbezüglichen Fragen durch den BF2 zu aktuellem Kontakt und Aufenthaltsort des Kindsvaters zu verhindern versuchte, indem sie ihm in der tschetschenischen Sprache Antworten vorgab (NSV S. 36) und hierdurch einen starken Druck auf ihn ausübte (NSV S. 35f).
Auch konnte die BF1 nicht nachvollziehbar erklären, woher sie von dem Ableben der Mutter des Kindsvaters nach ihrer Ausreise wusste (NSV S. 16). Es ist daher in einer Gesamtbetrachtung des Verhaltens der BF1 in der Verhandlung und der diesbezüglichen vagen Angaben von BF1 und BF2 davon auszugehen, dass beiden der aktuelle Aufenthaltsort des Kindsvaters und seiner Familie bekannt ist sowie weiterhin Kontakt besteht bzw. dieser wiederhergestellt werden kann (NSV S.15).
2.1.6. Die Feststellungen zum BF2 und zum BF3 ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.
2.1.7. Dass die BF an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten leiden, stützt sich auf die glaubhaften Angaben der BF1 im Rahmen der mündlichen Verhandlung (NSV S. 10 und 24). Dass der BF3 an einer Entwicklungsverzögerung leidet, ergibt sich aus den entsprechenden Angaben der BF1 in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 9 und 24) und dem vorgelegten ärztlichen Befund (Beilage ./A), welchem zu entnehmen ist, dass längerfristig ein regelmäßiger Therapiebedarf gegeben ist.
2.1.8. Dass die BF1 und der BF2 strafgerichtlich unbescholten sind, ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem österreichischen Strafregister. Der BF3 ist strafunmündig.
2.2. Zum Fluchtvorbringen
2.2.1. Die Feststellung, dass die BF keiner konkreten, asylrelevanten Verfolgung bzw. Bedrohung im Herkunftsstaat Russische Föderation ausgesetzt sind, ergibt sich daraus, dass das Fluchtvorbringen der BF1 nicht glaubhaft ist.
2.2.2. In der Einvernahme durch das BFA zu ihrem Fluchtgrund befragt und aufgefordert, diesen konkret und mit allen Details zu schildern, gab die BF1 lediglich wie folgt an: "Mein Fehler war Grund für die Ausreise. Ich hatte einen Freund und aus diesem Grund bin ich hier." (AS 61). Erst auf dreimalige weitere Aufforderung, ihren Fluchtgrund detailliert zu schildern, brachte die BF1 schließlich eine Rahmengeschichte vor, die jedoch erneut konkrete Details vermissen ließ ("Was soll ich noch sagen." aus AS 61 zu BF1). Auch im weiteren Verlauf der Einvernahme musste die BF1 immer wieder durch Aufforderungen und Nachfragen dazu angehalten werden, Einzelheiten vorzutragen.
Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht war die BF1 nicht in der Lage, Details zu nennen, die auf selbst wahrgenommene Ereignisse schließen ließen. So konnte sie insbesondere trotz mehrmaliger Nachfragen und Aufforderungen, nähere Angaben über jenen Mann zu tätigen, mit dem sie zwei Jahre lang eine Affäre gehabt hätte, keine Aussagen machen (NSV S. 19f). Sie gab auch widersprüchlich zu ihren Angaben beim BFA, die Angehörigen ihres Freundes gekannt und auch getroffen zu haben ("Sie haben mir das direkt gesagt, sie werden uns umbringen." aus AS 65 sowie "Sie sind zu mir gekommen und haben mir das direkt gesagt" aus AS 66 zu BF1), an, die Angehörigen des Freundes nie kennengelernt zu haben (NSV S.19).
In einer Gesamtbetrachtung ist aufgrund des Aussageverhaltens der BF1, möglichst wenige Angaben von sich aus zu tätigen und ihrem diesbezüglich vagen Vorbringen unzweifelhaft davon auszugehen, dass die behaupteten Vorfälle nicht oder nicht in der behaupteten Weise stattgefunden haben.
2.2.3. Selbst bei Wahrunterstellung, dass sie im Herkunftsstaat eine außereheliche Beziehung zu einem anderen Mann gepflegt hätte, war das weitere Vorbringen der BF1 betreffend die Ermordung dieses Mannes durch den Kindsvater in sich widersprüchlich.
2.2.3.1. Die BF konnte den behaupteten Ereignisverlauf und die Zeitabfolge nicht konsistent schildern.
Zunächst gab die BF1 bei Einvernahme durch das BFA an, dass sie und ihr Freund mit dem Auto zu einem Fluss gefahren und sich dort geküsst hätten. Ihr Ehemann habe dies zufällig gesehen. Es sei zu einem Streit zwischen den Männern gekommen und der Freund der BF1 sei dabei ungünstig gestürzt, sodass er daran gestorben sei. Danach sei der Ehemann der BF1 geflohen (AS 61).
Auf weitere Nachfrage schilderte die BF1, dass ihr Ehemann die BF1 und ihren Freund aus dem Auto gezerrt habe und es zu einer "Rauferei" zwischen den Männern gekommen wäre. Ihr Ehemann habe als Erster zugeschlagen. Er habe dabei auch die BF1 "erwischt".
Sodann gab die BF1 aber an, ihr Ehemann habe zuerst die BF1 aus dem Auto gezerrt und auf sie eingeschlagen. Ihr Freund habe versucht sie zu schützen, weshalb eine "Rauferei" zwischen den beiden Männern ausgebrochen sei. Die BF1 sei während der Prügelei weggelaufen (AS 62).
Es kann aufgrund der unterschiedlichen Darstellungen der behaupteten Vorfälle ausgeschlossen werden, dass die BF1 von selbst wahrgenommenen Ereignissen berichtete.
2.2.3.2. Weiters war das Vorbringen der BF1 zum Tod ihres Freundes widersprüchlich.
In der Einvernahme durch das BFA gab die BF1 an, dass im Zuge der "Rauferei" ihr Freund ungünstig gestürzt und dabei umgekommen sei (AS 61). Aus ihren Angaben ist unzweifelhaft zu schließen, dass sie diesen Sturz selbst gesehen hätte.
Im Zuge der weiteren Befragung gab die BF1 an, dass sie noch während der "Rauferei" weggelaufen sei (AS 62). Befragt, wie die BF2 vom Tod ihres Freundes erfahren habe, brachte sie sodann vor, dass viel geredet werde und sie gehört habe, dass in der Nähe des Flusses eine männliche Leiche gefunden worden sei und sie selbst daraus geschlossen habe, dass das ihr Freund gewesen sei. Dies habe sie von den Nachbarn gehört (AS 63).
Unmittelbar darauf gab die BF1 wiederum an, dass ihre Schwägerin "mit jemandem" telefoniert habe und danach der BF1 erzählt habe, dass eine männliche Leiche am Fluss gefunden worden sei. Auf die Widersprüchlichkeit hingewiesen gab die BF1 an, dass die Schwägerin es "anscheinend" von den Nachbarn erfahren habe (AS 64), obwohl sie zuvor schilderte, dass ihre Schwägerin mit einer ihr unbekannten Person telefoniert habe.
In der mündlichen Verhandlung gab die BF1 an, dass sie den Sturz nicht gesehen habe, sondern erst später erfahren habe, dass ihr Freund gestorben sei. Befragt, ob außer der BF1, ihrem Freund und ihrem Ehemann noch weitere Personen bei jenem Vorfall anwesend gewesen seien, gab sie an, dass sie allein gewesen wären (NSV S. 20f). Aus diesen Angaben ist aber nicht nachvollziehbar, woher die BF1 oder andere Personen erfahren haben könnten, dass ihr Freund aufgrund eines Sturzes umgekommen wäre, da es denkunmöglich ist, dass einerseits keine weitere Person den Vorfall gesehen habe, andererseits aber die BF1 gehört habe, dass ihr Freund durch einen "ungünstigen" Sturz gestorben sei. Dies ist zudem widersprüchlich zu ihren Angaben beim BFA, dass sie nach dem Vorfall niemandem etwas erzählt habe und die Familie ihres Ehemannes von den Ereignissen nichts erfahren habe (AS 63).
Es ist daher auch dem Vorbringen des Todes dieses Mannes kein Glauben zu schenken.
2.2.3.3. Sodann war auch das Vorbringen der BF1 zu den Bedrohungen durch die Angehörigen ihrer außerehelichen Beziehung widersprüchlich.
In der Erstbefragung durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die BF1 an, dass "die Familie" ihres Freundes ihr gedroht habe, die BF1 und ihre Kinder umzubringen (AS 33).
In der Einvernahme durch das BFA gab die BF1 zunächst an, dass "die Angehörigen" ihres verstorbenen Freundes ihr gedroht hätten, sich an ihr und ihren Kindern zu rächen, wenn sie ihren Mann nicht finden würden (AS 61).
Im weiteren Verlauf der Einvernahme wiederholte die BF1, dass "die Angehörigen" ihres Freundes sie persönlich bedroht haben (AS 65). Diese seien gemeinsam zu ihr auf den Markt gekommen und hätten ihr das gesagt, sie habe die Angehörigen auch gekannt (AS 66). Dies sei einmal zu einem unbestimmten Datum geschehen (AS 65). Hierzu widersprüchlich behauptete die BF1 jedoch, dass der Bruder ihres Freundes sie insgesamt viermal bedroht habe (AS 66f) um in weiter Folge anzugeben, dass sie sich nicht mehr erinnern könne, wie oft sie bedroht worden sei (AS 69)
In der mündlichen Verhandlung gab die BF1 nunmehr an, ausschließlich durch den Bruder ihres Freundes bedroht worden zu sein. Sie habe die Angehörigen nicht gekannt und die obgenannten Protokollinhalte würden nicht stimmen (NSV S. 19). Ihre Erläuterung zu diesen Widersprüchen, dass man sie wahrscheinlich nicht richtig verstanden habe (NSV S. 21), waren nicht nachvollziehbar, zumal die BF1 bei der Erstbefragung als auch bei der Einvernahme beim BFA angab, die Dolmetscherin verstanden zu haben, es keine Verständigungsschwierigkeiten gäben würde und die Protokolle jeweils rückübersetzt wurden (AS 27, 35, 59 und 73). Die Einvernahme wurde auch auf eigenen Wunsch der BF1 nicht in der tschetschenischen, sondern in der russischen Sprache durchgeführt (AS 57).
Auch die Zeitangaben betreffend eine Drohung durch andere Personen waren widersprüchlich (AS 69), zumal sie einmal angab, dass dies eine Woche nach der behaupteten Ermordung, dann jedoch zwei Tage danach bzw. Anfang Mai, Ende Mai, "irgendwann" im Juni bzw. im Juni gewesen sei.
Ihre unterschiedlichen Angaben bezüglich einer oder mehrerer Drohungen durch Angehörige oder den Bruder eines Mannes, mit welchem sie eine außereheliche Beziehung geführt habe, ist daher kein Glauben zu schenken.
2.2.3.4. Die Angaben der BF1 waren auch bei untergeordneten Nebenfragen widersprüchlich.
So gab sie in der Einvernahme durch das BFA an, sich aufgrund der ersten Bedrohungen Anfang Mai (AS 67) nicht mehr getraut zu haben, ihre Kinder in die Schule zu schicken (AS 61).
In der mündlichen Verhandlung brachte die BF1 vor, dass der BF3 kurz vor der Ausreise im September noch die Schule begonnen habe (NSV S. 23). Weiters befragt bestätigte die BF1, dass sie sich XXXX nicht mehr getraut habe, ihre Kinder in die Schule zu schicken, um unmittelbar darauf anzugeben, dass sie September und nicht April gemeint habe. Der BF2 hätte im XXXX weiterhin die Schule besucht (NSV S. 25).
Die erneuten Angaben, dass das Protokoll der Einvernahme durch das BFA nicht stimme, sind vor dem Hintergrund, dass dieses rückübersetzt wurde und ihren eigenen Angaben, es keine Verständigungsprobleme gab (s. Punkt II.2.2.3.3.), nicht nachvollziehbar.
Auch waren die Angaben der BF1 zu ihrer Ausreise nicht nachvollziehbar, zumal sie angab, dass die Schwiegermutter und ihre Schwägerin, bei welchen sie lebte, ihr zwar bei den Ausreisevorbereitungen und Planungen einer Reiseroute über XXXX und die XXXX nach XXXX und einem Weiterflug von XXXX nach XXXX (AS 7f und 31). geholfen (AS 71), jedoch keine weiteren Fragen gestellt hätten (NSV S. 26).
2.2.4. Dass der BF2 und der BF3 keine eigenen Fluchtgründe haben, ergibt sich aus den Angaben der BF1 als gesetzliche Vertreterin der minderjährigen BF2 und BF3 in der mündlichen Verhandlung (NSV S. 24 und 30). BF2 hat das Vorliegen von eigenen Fluchtgründen auch nicht behauptet.
2.2.5. In einer Gesamtbetrachtung ist das gesamte Fluchtvorbringen der BF1 nicht glaubhaft. Andere Fluchtgründen wurden von den BF weder im behördlichen Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgebracht und sind auch vor dem Hintergrund der ins Verfahren eingebrachten Länderberichte nicht hervorgekommen.
2.3. Zu den Feststellungen der maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den im LIB wiedergegebenen und zitierten Länderberichten. Diese gründen sich auf den jeweils angeführten Berichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das BVwG kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, zumal ihnen nicht substantiiert entgegengetreten wurde. Die konkret den Feststellungen zugrundeliegenden Quellen wurden unter II.1.3. zitiert.
2.4. Zur Rückkehrsituation der BF
2.4.1. Die BF1 hat eine Schwägerin in XXXX , mit welcher die BF schon bisher im gemeinsamen Haushalt lebten (AS 60). In XXXX lebt der berufstätige Bruder (NSV S. 17f), welcher in dem Elternhaus der BF1 wohnt (NSV S. 15). In XXXX wohnen zwei Tanten mütterlicherseits (NSV S. 18). Auch hat die BF1 ein freundschaftliches Netzwerk in Tschetschenien (NSV S. 16f).
Die BF1 steht mit ihrem Bruder, ihren Tanten und ihren Freundinnen aktuell in Kontakt (NSV S. 16 bis 18). Mit der Verwandtschaft des Kindsvaters von BF2 und BF3 kann sie den Kontakt wiederherstellen (s. Punkt II.2.1.5 sowie NSV S. 15).
Es ist daher von einer hinreichenden Möglichkeit der Unterstützung und Unterkunft im Falle der Rückkehr der BF auszugehen. Darüber hinaus verfügt die BF1 über Schulbildung sowie Arbeitserfahrung als Marktverkäuferin (s. Punkt II.2.1.) und hat bereits vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat Lebenserhaltungskosten für sich und ihre Kinder bestreiten können. Auch ist es nicht denkunmöglich; dass ihre berufstätige Schwester im Bundesgebiet ihr zumindest vorübergehende, finanzielle Unterstützung zu einem geringen Maße bieten könnte, zumal die BF1 angab, dass diese sie auch aktuell geringfügig unterstützt (NSV S.17).
2.4.2. Dass im Falle einer Abschiebung in den Herkunftsstaat die BF in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wären, haben die BF nicht behauptet und ist vor dem Hintergrund der Länderberichte nicht objektivierbar
2.4.3. Sonstige außergewöhnliche Gründe, die einer Rückkehr entgegenstehen, haben die BF nicht angegeben und sind auch vor dem Hintergrund der zitierten Länderberichte nicht hervorgekommen.
2.5. Zur Situation der BF in Österreich
2.5.1. Die Feststellung über die illegale Einreise der BF ergibt sich aus einem Aktenvermerk der XXXX (AS 7), den sichergestellten Reisepässen ohne Visumsvermerk (AS 13ff) und der Angabe der BF1 beim BFA, kein Visum erhalten zu haben (AS 64).
2.5.2. Dass die BF im gemeinsamen Haushalt leben, sowie die Schwester der BF1 im Bundesgebiet lebt, diese und die BF sich regelmäßig besuchen (NSV S. 35), aber kein gemeinsamer Wohnsitz und kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis besteht, folgt aus den Angaben in der mündlichen Verhandlung durch die BF1 (NSV S. 17f) und den BF2 (NSV S. 17 und S. 35) und einem aktuellen Melderegisterauszug. Dass die Schwester der BF1 über eine Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet verfügt, ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage aus dem zentralen Fremdenregister.
Es hat sich kein Hinweis ergeben, an den Angaben der BF1 und des BF2 in der mündlichen Verhandlung, keine sonstigen familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet haben, zu zweifeln (NSV S.23).
Dass die BF1 eine Beziehung zu dem als Zeugen befragten XXXX führt, diesen unentgeltlich in seinem Haushalt unterstützt und häufig gemeinsame Freizeitaktivitäten unternommen werden, ist aufgrund der Angaben der BF1, des BF2 und des Zeugen glaubhaft (NSV S. 28, S. 36 sowie S. 37). Es war auch im Zuge der mündlichen Verhandlung augenscheinlich, dass XXXX ein freundschaftlich, vertrautes Verhältnis zu BF2 und BF3 pflegt. Er beaufsichtigte den BF3 während der Befragung der BF1 und des BF2 vor dem Verhandlungssaal, weshalb es glaubhaft erscheint, dass ein regelmäßiger Kontakt der Beschwerdeführer zu ihm besteht.
Dass kein gemeinsamer Haushalt der BF zu XXXX besteht resultiert aus den Angaben der der BF1, des BF2 und des Zeugen sowie einem aktuellen Melderegisterauszug. Ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis der BF zu ihm besteht nicht, er kauft den minderjährigen BF gelegentlich kleinere Aufmerksamkeiten (NSV S.27, S. 36 und S. 37). Er gab jedoch an, den Beschwerdeführern zukünftig eine Wohnmöglichkeit zur Verfügung zu stellen (Beilage ./F).
Die Feststellung, dass die BF1, der BF2 und der BF3 im Bundesgebiet Freund- und Bekanntschaften pflegen, ergibt sich aus ihren diesbezüglich, glaubhaften Angaben (NSV S. 23, S. 28 und S. 35 sowie Beilage ./D).
2.5.3. Die Feststellungen zur gefestigten Integration der BF ergeben sich aus zahlreichen, in Vorlage gebrachten, Unterlagen, sowie nach der Befragung der BF1 (NSV S. 26ff) und des BF2 (NSV S. 34ff) sowie des Freundes der BF1 als Zeugen (NSV S. 37f) in der mündlichen Verhandlung.
Hinsichtlich der BF1 waren dies insbesondere folgende Unterlagen: Eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses vom XXXX (OZ 6), das Zeugnis zur absolvierten Integrationsprüfung des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) auf dem XXXX (OZ 9), die Einstellungszusage durch den Gasthof " XXXX " vom XXXX (OZ 12) sowie ein Arbeitsvorvertrag von XXXX betreffend eine Anstellungsmöglichkeit der BF1 als XXXX (OZ 17) und fünf Empfehlungsschreiben vom September XXXX (Beilagen ./E, ./F, ./H, ./I und ./J; OZ 6). Darüber hinaus eine Anmeldebestätigung der XXXX , aus welcher hervorgeht, dass die BF sich für die Integrationsprüfung XXXX angemeldet hat (OZ 17) sowie dem Schreiben vom XXXX von XXXX aus welcher hervorgeht, dass die BF1 an dem von ihr XXXX geleiteten Prüfungsvorbereitung/ Deutschkurs B1 teilnimmt (OZ 19).
Dass die BF1 gelegentlich im XXXX ehrenamtlich tätig ist, ergibt sich aus der Beilage ./I und ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung (NSV S.28).
Hinsichtlich des BF2 waren dies insbesondere folgende Unterlagen: Eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses vom XXXX (OZ 6), Schulbesuchsbestätigungen der XXXX (OZ 6), vom 29.06.2018 (OZ 9), vom 01.02.2019 (OZ 9) und vom XXXX (Beilage ./D), ein Jahreszeugnis der XXXX (OZ 9), eine Schulbesuchsbestätigung der polytechnischen Schule XXXX vom XXXX (Beilage ./B), welcher zu entnehmen ist, dass der BF2 sich in der Schule und der Klassengemeinschaft gut integriert ist, sowie eine aktuelle Schulnachricht von BF2 vom XXXX (OZ 18).
Hinsichtlich des BF3 waren dies insbesondere folgende Unterlagen: Eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses vom XXXX (OZ 6), Schulbesuchsbestätigungen der XXXX (OZ 6) und vom XXXX (Beilage ./C), welcher zu entnehmen ist, dass der BF3 nach dem Lehrplan der allgemeinen Sonderschule unterrichtet wird, sowie eine ärztliche Stellungnahme des XXXX über die Entwicklungsstörung des BF3 (Beilage ./A) und eine aktuelle Schulnachricht vom XXXX (OZ 18).
Auch konnte sich das Gericht in der mündlichen Verhandlung von den Deutschkenntnissen der BF1 (NSV S. 29f) und des BF2 (NSV S. 34ff) und des BF3 selbst überzeugen. Die Befragung des BF2 wurde in der deutschen Sprache geführt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zum Spruchteil A)
3.1.1. Zu den Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide
3.1.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
3.1.1.2. Flüchtling iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist demnach, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen."
Der zentrale Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK somit die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).
3.1.1.3. Das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ist ganzheitlich unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens zu würdigen (vgl. VwGH 26.11.2003, Ra 2003/20/0389).
3.1.1.4. Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. VwGH 30.09.2015, Ra 2015/19/0066). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der BF bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher BF im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).
3.1.1.5. Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd Genfer Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
3.1.1.6. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall folgt hieraus, dass, wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, die BF1 in Bezug auf ihren vorgebrachten Fluchtgrund persönlich unglaubwürdig war. Der BF2 brachte keine eigenen Fluchtgründe vor. Die BF1 brachte als gesetzliche Vertreterin von BF2 und BF3 vor, dass bei beiden keine eigenen Fluchtgründe vorliegen.
Da die Glaubhaftmachung ein wesentliches Tatbestandsmerkmal für die Gewährung von Asyl ist, ist es den BF nicht gelungen, einen aus dem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Grund einer aktuell drohenden Verfolgung maßgeblicher Intensität schlüssig darzulegen. Die Angaben im Zuge des gesamten Verfahrens sind nicht hinreichend konsistent, sondern vielmehr überwiegend vage und widersprüchlich. Es ist nicht nachvollziehbar, warum aktuell die BF im Herkunftsstaat einer ernstlichen Bedrohung ausgesetzt seien bzw. Gefahr liefen, Übergriffe zu erleiden.
Die BF1 konnte für sich und auch in Bezug auf BF2 und BF3 weiters auch nicht substantiiert angeben, dass eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung gegeben ist bzw. diese mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Die durch die BF1 konkret ins Treffen geführten Gründe beziehen sich im Wesentlichen pauschal darauf, dass sie nach Drohungen durch die Angehörigen ihres vermeintlichen Freundes vor ihrer Ausreise nunmehr aktuell in der Russischen Föderation einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, ist dieses Fluchtvorbringen zur Gänze nicht glaubhaft. Die BF1 konnte auch nicht hinreichend darlegen, worauf sich die Furcht - so viele Jahre nach der Ausreise aus der Russischen Föderation - konkret begründen könnte, zumal sie selbst bei einer Wahrunterstellung des als unglaubhaft zu beurteilenden Fluchtgrundes, angab, dass sie und BF2 und BF3 drei Monate vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftstaat nicht mehr bedroht worden wären.
Es sind auch keine Hinweise vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen hervorgekommen, dass die BF in der Russischen Föderation nach objektiver Wahrscheinlichkeit sonstigen ernstlichen Bedrohungen ausgesetzt wäre, die als asylrelevant zu qualifizieren sind.
Die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten durch das BFA ist daher im Ergebnis nicht zu beanstanden.
3.1.2. Zu den Beschwerden gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide
3.1.2.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Unter realer Gefahr ist eine ausreichend echte, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre. Weiters müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.
Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.
Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016).
Abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde, obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134 - mit Verweis auf EGMR vom 5.09.2013, I. vs. Schweden, Nr. 61204/09).
Es sind keine Umstände amtsbekannt, dass in der Russischen Föderation und im Speziellen in Tschetschenien aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Die Situation im Herkunftsstaat ist auch nicht dergestalt, dass eine Rückkehr für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Geeignete Beweise eines individuellen Risikos wurden durch die BF nicht vorgelegt.
3.1.2.2. Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (vgl. EGMR vom 06.02.2001, Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH vom 21.08.2001, 2000/01/0443). Außergewöhnlicher Umstände liegen vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Sie liegen aber auch dann vor, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ausgesetzt zu sein, die zu intensiven Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat aber kein Fremder das Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich. Allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. (VwGH vom 23.3.2017, Ra 2017/20/0038- mit Verweis auf EGMR vom 13.12.2016, Paposhvili gg Belgien, Nr. Nr. 41738/10).
Im gegenständlichen Fall haben sich ausgehend von der Feststellung, dass die BF an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leiden, sondern gesund sind, keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach sie unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht ausgesetzt wären. Sie brachten auch keine substantiellen Rückkehrbefürchtungen in Zusammenhang mit gesundheitlichen Beschwerden vor. Das BVwG sah sich aufgrund der Angaben der BF auch vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde nicht veranlasst, von Amts wegen eine Begutachtung des Gesundheitszustands der BF vorzunehmen (vgl. VwGH jüngst vom 01.07.2019, Ra 2019/14/0274). Bei BF3 liegt zwar eine Entwicklungsverzögerung vor, jedoch lassen die vorgelegten Befundes keine lebensbedrohliche Erkrankung erkennen. Die BF1 gab zudem an, dass der BF3 keine gesundheitlichen Beschwerden hat (NSV S.9). Vor dem Hintergrund der unter II.1.3.6. zitierten Länderberichte ist zudem davon auszugehen, dass dem BF3 eine diesbezügliche Therapiemöglichkeit im Herkunftsstaat zugänglich sein wird.
Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sich bei objektiver Gesamtbetrachtung für die BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen und somit einer Rückführung in den Herkunfts