TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/13 W215 1237490-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.05.2020
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Entscheidungsdatum

13.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55

Spruch

W215 1237490-4/29E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2017, Zahl 723269910-160101591, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. bis IV. und VI. wird gemäß

§ 7 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), und Abs. 4 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG, 10 Abs. 1 Z 4 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019, und § 55 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des befristeten Einreiseverbots gemäß § 53 Abs. 1 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, in Verbindung mit § 53 Abs. 3 Z 1 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, auf acht Jahre hinaufgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl.

Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der Volksgruppe der Tschetschenen, reiste am 08.11.2002 illegal nach Österreich ein und stellte am 11.11.2002 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Als Grund seiner Ausreise aus seinem Herkunftsstaat brachte der Beschwerdeführer im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens zusammengefasst vor, er habe im Jahre 1995, gemeinsam mit seiner Familie, Tschetschenien verlassen und sie seien nach Dagestan, XXXX , gezogen. Von Jänner bis September 2000 habe er aktiv als Widerstandskämpfer am zweiten Tschetschenienkrieg teilgenommen. Nach seiner Rückkehr nach XXXX im September 2000 habe er sich verpflichtet, diesen Ort zu verteidigen, sich in eine Landwehrliste eintragen lassen und einen Ausweis erhalten. Eigentlich habe er wieder in den Krieg ziehen wollen, seine Mutter hätte ihn jedoch gedrängt, dies nicht zu tun, woraufhin er sich um Verletzte gekümmert habe. Er habe die Verletzten mit einem Auto in eine private Krankenanstalt transferiert, damit diese von den "Russen" nicht gefunden würden. Der Beschwerdeführer habe in weiterer Folge erfahren, dass nach ihm und einem Freund von der Miliz gefahndet werde, sie seien verdächtigt worden, tschetschenische Kämpfer mit Waffen versorgt und unterstützt zu haben. Dies sei auch in einer lokalen Zeitung in XXXX am 14. oder 15.06.2002 zu lesen gewesen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.05.2003, Zahl 02 32.699, wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 8 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

Mit Urteil des XXXX , rechtskräftig am selben Tag, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 15, § 127, § 129 Abs. 3 und § 83 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Im Urteil wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, am XXXX zwei Frauen vorsätzlich am Körper verletzt und am XXXX versucht zu haben, eine fremde bewegliche Sache, konkret ein Fahrrad, durch Aufbrechen einer Sperrvorrichtung mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch dessen Zueignung zu bereichern. Erschwerend wurden das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen sowie die Tatwiederholung bei der Körperverletzung herangezogen. Als mildernd wurden das Geständnis und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, gewertet.

In Folge der gegen den Bescheid des Bundesasylamtes erhobenen Berufung fand am 27.10.2003 eine mündliche Berufungsverhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat statt, wobei der Beschwerdeführer aus der Untersuchungshaft vorgeführt werden musste. Seitens des Mitglieds des Unabhängigen Bundesasylsenates befragt, gab der Beschwerdeführer zu Beginn der Verhandlung an, er befände sich in Untersuchungshaft, da er versucht habe, eine Trafik zu überfallen. Er habe sich zu dieser Tat hinreißen lassen und bereue diese. Nach Schluss des Beweisverfahrens verkündete das zuständige Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates, dass der Berufung des Beschwerdeführers stattgegeben und ihm gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt und in einem festgestellt werde, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Verhandlungsschrift ist zu entnehmen, dass das Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates von der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers ausging: "...Die vorliegende Straftat erreicht nicht die von der GFK geforderte Intensität. Dabei ist berücksichtigt, dass der Berufungswerber Ersttäter ist, es beim Versuch blieb, er sich aus nachvollziehbaren Gründen zu der Tat hinreißen ließ und die Zukunftsprognose aus der heutigen Sicht erwarten lässt, dass er zukünftig vom (sic) solchen Taten ablässt. Ein Asylausschlussgrund liegt somit nicht vor..." Dieselben Ausführungen finden sich in der Ausfertigung des am 27.10.2003 mündlichen verkündeten Bescheides vom 03.11.2003 (Seite 04).

Mit Urteil des XXXX , rechtskräftig am selben Tag, wurde der Beschwerdeführer wegen schweren Raubes gemäß § 142 Abs. 1 und § 143 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten verurteilt. In einem wurde die bedingte Nachsicht der Strafe zu XXXX widerrufen. Im Urteil wurde der Beschwerdeführer durch ein Geschworenengericht für schuldig befunden, am XXXX durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, und zwar Bargeld im Betrag von ? 150,-, der Angestellten einer Trafik mit dem Vorsatz, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, abzunötigen, indem er eine Pistole aus 50 cm Entfernung gegen sie richtete, durchzog und sagte "Gib Geld her, alles" und zur Kassa deutete. Dem Gericht erschien die verhängte Freiheitsstrafe in der Höhe von sechs Jahren und vier Monaten als schuld- und tatangemessen. Obwohl sich der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung zum Grunddelikt geständig zeigte, konnte ihm kein reumütiges Geständnis zugutegehalten werden, weil Leugnen aufgrund der Beweislage ohnehin zwecklos gewesen wäre und er zudem die Qualifikation in Abrede stellte. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer keine massive Gewalt anwendete und sich die Brutalität der Vorgangsweise im unteren Bereich hielt, wurde - ebenso wie der geringe Wert der Beute - zu seinen Gunsten berücksichtigt. Zum Widerruf hielt das Gericht fest, dass der Beschwerdeführer gegenständlich wegen einer Tat verurteilt wurde, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren zu XXXX hätte abgeurteilt werde können, und in Anbetracht des Umstandes, dass die dem Beschwerdeführer gewährte bedingte Nachsicht bei gemeinsamer Aburteilung nicht gewährt worden wäre, war die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe von acht Monaten zu widerrufen.

Am XXXX wurde der Beschwerdeführer bedingt aus der Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren entlassen ( XXXX ).

Am 09.06.2010 langte beim Bundesasylamt das Urteil des XXXX , gegen den Beschwerdeführer ein. Demnach wurde dieser verurteilt, am XXXX fremde bewegliche Sachen, nämlich Lebensmittel im Wert von 33,01 ?, mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Tatvollendung infolge seiner Anhaltung unterblieb. Weiters wurde er für schuldig befunden, am XXXX eine falsche besonders geschützte Urkunde, nämlich einen gefälschten ungarischen Führerschein, mit dem Vorsatz, diesen im Rechtsverkehr zum Beweis einer Tatsache, nämlich einer bestehenden Lenkberechtigung, besessen zu haben. Er wurde gemäß

§ 15, § 127 und § 224a StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Vom Widerruf der bedingten Entlassung zu XXXX wurde abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert. Als Strafbemessungsgründe wurden mildernd das teilweise Geständnis sowie der teilweise Versuch und erschwerend eine einschlägige gravierende Vorstrafe herangezogen.

1.2. Mit Aktenvermerk vom 15.07.2010 hielt das Bundesasylamt fest, dass in Bezug auf den Beschwerdeführer ein Aberkennungsverfahren eingeleitet wurde. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer - neben drei strafgerichtlichen Verurteilungen - in den Jahren XXXX insgesamt achtmal zur Anzeige gebracht wurde.

Mit Schreiben vom 18.10.2010 wurde der Beschwerdeführer im Hinblick auf eine von der Behörde beabsichtigte Asylaberkennung zur Abgabe einer Stellungnahme zu den vom Bundesasylamt übersandten Länderfeststellungen zur Lage in der Russischen Föderation und zur Beantwortung schriftlicher Fragen zu seiner aktuellen Situation in Österreich aufgefordert.

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 07.12.2010 wurden dem Beschwerdeführer seine strafgerichtlichen Verurteilungen vorgehalten und er aufgefordert, hierzu Stellung zu nehmen. Hinsichtlich des erteilten Status des Asylberechtigten wurde seitens der belangten Behörde vorgehalten, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Unterstützung des tschetschenischen Widerstandes Asyl gewährt worden sei. Die Situation in der Russischen Föderation habe sich seit damals nachhaltig zum Besseren verändert.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.12.2010, Zahl 02 32.699/1-BAE, wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 03.11.2003, Zahl 237.490/0-VII/23/03, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß

§ 7 Abs. 1 Z 1 AsylG aberkannt. Es wurde in Spruchpunkt I. festgestellt, dass ihm gemäß

§ 7 Abs. 4 AsylG die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. In Spruchpunkt II. wurde festgestellt, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt wird. In Spruchpunkt III. wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.09.2012, Zahl D9 237490-2/2011/9E, wurde in Erledigung der gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.12.2010,

Zahl 02 32.699/1-BAE, fristgerecht eingebrachten Beschwerde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.06.2012, der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben.

1.3. Mit Urteil des XXXX rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer schuldig gesprochen, von etwa XXXX vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge anderen überlassen zu haben, indem er insgesamt bis zu 529 Stück Substitutol-Tabletten à 200mg zu einem Stückpreis von zumeist 15.-? an gesondert zu verfolgende Personen verkauft habe. Er wurde deshalb wegen § 28a SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt. Als mildernd wurde das Geständnis und die Integration in die Gesellschaft gewertet, als erschwerend die massiven Vorstrafen und die Tatwiederholung.

Mit Urteil des XXXX rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer schuldig gesprochen, am XXXX fremde bewegliche Sachen in nicht mehr feststellbarem, 3.000 ? jedenfalls übersteigendem Wert, nämlich eine Digitalkamera, zwei Mobiltelefone, mehrere Fahrzeugschlüssel, Bargeld, diverse Nahrungsmittel und zwei Flachbildschirme, teils durch Einbruch weggenommen bzw. wegzunehmen versucht zu haben. Weiters wurde der Beschwerdeführer schuldig gesprochen, unbefugt eine Gaspistole samt zugehöriger Munition besessen zu haben, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG aufgrund eines gegen ihn ergangenen Waffenverbotes verboten war. Der Beschwerdeführer wurde deshalb wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch gemäß § 127, § 128 Abs. 1 Z 4,

§ 129 Z 2, § 15 StGB sowie wegen des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in Höhe von drei Jahren verurteilt. Als mildernd wurden das teilweise reumütige Geständnis, der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und die teilweise objektive Schadensgutmachung infolge Sicherstellung der Beute gewertet; als erschwerend wurden die einschlägigen Vorstrafen, welche die Voraussetzungen des

§ 39 Abs. 1 StGB erfüllen sowie das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen gewertet. Das Gericht begründete die gänzlich unbedingte Verhängung der Freiheitsstrafe damit, dass es angesichts der einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, seiner offenkundigen Gleichgültigkeit gegenüber fremden Rechtsgütern und seines scheinbar unbelehrbaren Charakters der Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe bedürfe, um den uneinsichtigen Angeklagten das Unrecht seiner Taten vor Augen führen zu können sowie der Begehung weiterer solcher strafbaren Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Mit Aktenvermerk vom 21.12.2016 hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass der Beschwerdeführer fünf rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen aufweise, darunter auch aufgrund des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a SMG. Da sohin ein Aberkennungsgrund vorliege und der Beschwerdeführer eine Gefahr für die Sicherheit der Republik darstelle, wurde ein Aberkennungsverfahren

(§ 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG) eingeleitet.

Mit schriftlichem Parteiengehör vom 21.12.2016 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl über das in Bezug auf seine Person eingeleitete Aberkennungsverfahren informiert. Unter einem wurden diesem aktuelle Länderberichte zur Situation in der Russischen Föderation sowie ein Fragenkatalog in Bezug auf seine persönlichen Verhältnisse in Österreich übermittelt und ihm Gelegenheit eingeräumt, hierzu binnen zweiwöchiger Frist eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Mit Eingabe vom 05.01.2016 langte eine handschriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, im Rahmen derer er zusammenfassend ausführte, von 2002 bis 2012 mit einer näher genannten, in XXXX wohnhaften, Engländerin verheiratet gewesen zu sein und mit dieser eine gemeinsame Tochter zu haben. 2013 habe er abermals geheiratet und eine weitere Tochter bekommen, diese lebe in XXXX . In Österreich habe er Cousins und Cousinen, welchen er sehr nahestehe. Der Beschwerdeführer habe Deutschkurse auf dem Niveau B1 und B2 absolviert und spreche ausreichend Deutsch, auch habe er den Führerschein in Österreich erlangt. Im Zeitraum von 2009 bis 2011 sowie von 2012 bis 2013 sei der Beschwerdeführer Büroangestellter in einer näher genannten Immobilienfirma gewesen, von 2005 bis 2006 habe er als Schneider und Näher gearbeitet. Momentan sei er nicht berufstätig. Er stünde, so oft es ihm möglich sei, telefonisch und postalisch in Kontakt zu seiner im Herkunftsstaat lebenden Mutter. Seine in Österreich begangenen Straftaten würde er sehr bereuen. Übermittelt wurden ein Versicherungsdatenauszug sowie eine Deutschkursbestätigung.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2017, Zahl 723269910-16010591, wurde dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt I. der ihm mit Bescheid vom 03.11.2003 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß

§ 7 Abs. 1 Z 1 AsylG aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. In Spruchpunkt II. wurde ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG nicht zuerkannt werde. In Spruchpunkt III. wurde diesem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. In Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestünde. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde in Spruchpunkt V. gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. In Spruchpunkt VI. wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

In Erledigung einer fristgereicht gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2017, Zahl 723269910-16010591, eingebrachten Beschwerde wurde der Bescheid mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.02.2017, Zahl

W103 1237490-3/4E, behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Behörde keine konkreten Ermittlungen getätigt habe, ob die Gründe, welche ursprünglich zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten geführt haben, weiterhin aufrecht seien und auch nicht geprüft habe, ob dem Beschwerdeführer aktuell gesehen eine individuelle Rückkehrgefährdung drohe. Im Übrigen habe das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch keine mündliche Einvernahme durchgeführt, sodass sich die Beurteilung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers wie auch seiner aktuellen Rückkehrsituation nicht als möglich erweise.

2.2. Im fortgesetzten Verfahren wurde der Beschwerdeführer nach niederschriftlicher Befragung im Wege einer Videokonferenz mit der XXXX einvernommen.

Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2017, Zahl 723269910-160101591, wurde dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt I. der ihm mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 03.11.2003, Zahl 237.490/0-VII/23/03, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG aberkannt. Gemäß § 7 Abs. 4 AsylG wurde festgestellt, dass diesem die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. In Spruchpunkt II. wurde ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG nicht zuerkannt werde. In Spruchpunkt III. wurde diesem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist. In Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestünde. Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde in Spruchpunkt V. gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. In Spruchpunkt VI. wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Straftaten des Beschwerdeführers unter den Tatbestand eines besonders schweren Verbrechens zu subsumieren seien und er als gemeingefährlicher Täter anzusehen sei. Es könnten auch keine stichhaltigen Gründe festgestellt werden, die gegen eine Rückkehr in die Russische Föderation sprechen würden. Die Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK ergebe, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegenständlich trotz familiärer und privater Anknüpfungspunkte gerechtfertigt sei.

Gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, zugestellt am 23.06.2017, richtet sich gegenständliche fristgerecht am 03.07.2017 eingebrachte Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass es sich bei den begangenen Straftaten des Beschwerdeführers um kein besonders schweres Verbrechen handle und die Voraussetzungen für die Aberkennung des Asylstatus nicht vorliegen würden. Dem Beschwerdeführer würde weiters bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK drohen. Überdies sei der Beschwerdeführer seit 2003 in Österreich aufhältig, spreche sehr gut Deutsch und habe familiäre und soziale Kontakte im Bundesgebiet. So würde sich seine ehemalige Lebensgefährtin mit der gemeinsamen Tochter in XXXX aufhalten und lebe eine weitere Tochter des Beschwerdeführers mit ihrer Mutter in XXXX .

2.3. Die Beschwerdevorlage vom 05.07.2017 langte am 13.07.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde diesmal der nunmehr zur Entscheidung berufenen Gerichtsabteilung zugewiesen.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.07.2017, W215 1237490-4/3Z, wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG, die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 03.08.2017 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumt, die aufgrund der Inhaftierung des Beschwerdeführers im XXXX stattfand. Anwesend waren der Beschwerdeführer und seine zur Vertretung bevollmächtigte Rechtsberaterin. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich mit Schreiben vom 01.08.2017 für die Verhandlung entschuldigt. Es wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Der Beschwerdeführer und seine Rechtsberaterin verzichteten auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine zweiwöchige Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein.

Mit XXXX rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer schuldig gesprochen, gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen zu haben, indem er eine Tasche der Marke Tommy Hilfiger im Wert von 99,95 ? an sich nahm und ohne zu zahlen das Geschäft verließ und weiters zwei Personen mit gezielten Tritten und Schlägen daran zu hindern versuchte, ihn bis zum Eintreffen der Polizei anzuhalten. Der Beschwerdeführer wurde deshalb wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach § 128, § 130 Abs. 1 erster Fall StGB und wegen des Vergehens der Nötigung nach § 15, § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt. Als mildernd wurde gewertet, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, als erschwerend wurde hingegen das Zusammentreffen von mehreren Vergehen, vier einschlägige Vorstrafen und der rasche Rückfall (nur 3 1/2 Monate nach der Entlassung aus der Strafhaft) gewertet.

Mit Parteiengehör vom 19.02.2020 wurden dem Beschwerdeführer mehrere Fragen zu seiner Situation in Österreich gestellt und ihm aktualisierte Quellen der bereits in der Beschwerdeverhandlung zur Kenntnis gebrachten Länderberichte übermittelt. Der Beschwerdeführer wurde ersucht, binnen zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen.

Mit Stellungnahme vom 04.03.2020 beantwortete der Beschwerdeführer die an ihn gestellten Fragen und übermittelte eine Bestätigung der Justizanstalt vom XXXX wonach er aktuelle eine Facharbeiterintensivausbildung zum XXXX absolviere, sowie eine Deutschkursbestätigung vom 28.12.2016.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der Volksgruppe der Tschetschenen an und ist moslemischen Glaubens. Er stammt aus Dagestan. Zwar übersiedelte seine Familie im Jahr XXXX nach Tschetschenien und er besuchte dort die Schule, die Familie kehrte aber bereits im Jahr XXXX nach Dagestan zurück, wo sich der Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise aufhielt bzw. seine Mutter und sein jüngerer Bruder immer noch leben. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Tschetschenisch, er spricht darüber hinaus auch sehr gut Russisch.

Der Beschwerdeführer reiste am 08.11.2002 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 11.11.2002 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 27.10.2003 (schriftliche Ausfertigung vom 03.11.2003) wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt und festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

2.1. Der Beschwerdeführer wurde im Bundesgebiet seit 2003 insgesamt sechsmal strafgerichtlich verurteilt:

Mit Urteil des XXXX , rechtskräftig am selben Tag, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch gemäß § 15, § 127, § 129 Abs. 3 und wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Mit Urteil des XXXX , rechtskräftig am selben Tag, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Raubes gemäß § 142 Abs. 1 und § 143 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Jahren und vier Monaten verurteilt.

Mit Urteil des XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach den § 15, § 127 StGB sowie wegen des Vergehens der Annahme, Weitergabe oder Besitz falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach

§ 224a StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Mit Urteil des XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß § 28a SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von

24 Monaten verurteilt.

Mit Urteil des XXXX rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch gemäß

§ 127, § 128 Abs. 1 Z 4, § 129 Z 2 StGB, § 15 StGB, § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Mit Urteil des XXXX , rechtskräftig am XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach § 128, § 130 Abs. 1 erster Fall StGB und des Vergehens der Nötigung nach § 15, § 105 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Der Beschwerdeführer wurde somit zusammengefasst während seines nunmehr

ca. 17 1/2 Jahre andauernden Aufenthaltes im Bundesgebiet - in sechs strafgerichtlichen Verurteilungen - zu insgesamt 14 Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und verbrachte bis zum Entscheidungszeitpunkt etwa neun Jahre und drei Monate in Haft. Er befindet sich auch derzeit (wieder) in Strafhaft; das errechnete Strafende ist am XXXX .

2.2. Die Umstände, auf Grund derer der Beschwerdeführer als Flüchtling anerkannt worden ist, bestehen nicht mehr. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr ins Herkunftsland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevanten Übergriffen ausgesetzt ist. Weiters liegen keine stichhaltigen Gründe vor, dass er konkret Gefahr liefe, im Herkunftsstaat aktuell der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe bzw. der Todesstrafe unterworfen zu werden.

3. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ist arbeitsfähig. Er verfügt im Herkunftsstaat über Schulbildung und Berufserfahrung und hat unter anderem im Verkauf gearbeitet. Der Beschwerdeführer verfügt in Dagestan nach wie über zahlreiche familiäre Anknüpfungspunkte - insbesondere leben dort problemlos seine Mutter, sein jüngerer Bruder sowie in Tschetschenien, ebenso problemlos, sein älterer Bruder und sowohl in Dagestan als auch Tschetschenien problemlos mehrere Onkel und Tanten mit deren Familien.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in die Russische Föderation in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihm die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. So können ihn auch insbesondere seine Verwandten in der Russischen Föderation nach einer Rückkehr im Bedarfsfall anfänglich unterstützen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar, sich in der Russischen Föderation auch außerhalb Dagestans niederzulassen und sich dort anzumelden. Die wirtschaftlich stärkeren Metropolen und Regionen in Russland bieten trotz der derzeitigen Wirtschaftskrise bei vorhandener Arbeitswilligkeit entsprechende Chancen auch für russische Staatsangehörige aus den Kaukasusrepubliken. Der Beschwerdeführer hat Zugang zu Sozialbeihilfen, Krankenversicherung und medizinischer Versorgung.

4. In Österreich besuchte der Beschwerdeführer Deutschkurse, legte aber keine Bestätigungen über absolvierte Prüfungen vor. Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zeigte sich, dass der Beschwerdeführer zwar verständlich Deutsch spricht und die meisten Fragen versteht, aber in Betracht seines langjährigen Aufenthaltes in Österreich keine sonderlich guten Sprachkenntnisse hat.

Der Beschwerdeführer war im Bundesgebiet nach eigenen Angaben gelegentlich berufstätig und arbeitete als Makler-Assistent, Schneider und Näher sowie in einer Fahrradwerkstatt. Er absolviert derzeit in der Justizanstalt eine Facharbeiterintensivausbildung zum XXXX .

Der Beschwerdeführer war mit einer ehemals in Österreich wohnhaften britischen Staatsangehörigen traditionell, aber nicht standesamtlich, verheiratet und hat mit ihr eine Tochter, die während seiner Untersuchungshaft am XXXX geboren wurde. Die traditionell geschlossene Ehe wurde mittlerweile geschieden. Der Beschwerdeführer führte mit dieser Tochter nie ein gemeinsames Familienleben, wurde aber von seiner ehemaligen Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter einige Male in Haft besucht, zuletzt am XXXX . Derzeit besteht kein Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Tochter, seit XXXX haben Mutter und Kind keinen aufrechten Wohnsitz in Österreich.

Der Beschwerdeführer war danach mit einer Staatsangehörigen der Russischen Föderation verheiratet und hat mit ihr eine am XXXX geborene Tochter, die er zuletzt im XXXX gesehen hat. Der Beschwerdeführer und seine damalige Lebensgefährtin waren im Zeitraum von XXXX an derselben Adresse gemeldet, allerdings scheinen für den Beschwerdeführer in dieser Zeit sowohl eine Haftanstalt als auch ein Nebenwohnsitz in einer Therapieeinrichtung für Abhängige auf. Mutter und Tochter übersiedelten von der gemeinsamen Adresse zunächst in ein Frauenhaus und sind seitdem in gemeinnützigen Einrichtungen untergebracht. Zwischen der zweiten Lebensgefährtin - die traditionell geschlossene Ehe wurde nach Angaben des Beschwerdeführers mittlerweile ebenfalls geschieden - und dem Beschwerdeführer besteht ebenso wie mit dessen jüngerer Tochter seit Jahren kein Kontakt.

Ein Cousin des Vaters des Beschwerdeführers lebt in XXXX , ebenso hat der Beschwerdeführer weitere Cousins im Bundesgebiet und verfügt darüber hinaus nach eigenen Angaben auch über einen österreichischen Freundeskreis. Er wurde in den letzten eineinhalb Jahren aber abgesehen von seinem Bewährungshelfer, einem Rechtsberater, einem Rechtsanwalt und einem russischen Staatsangehörigen, der im Bundesgebiet subsidiär schutzberechtigt ist und gegen den mittlerweile ein Aberkennungsverfahren dieses subsidiären Schutzes eingeleitet worden ist, von niemandem in Haft besucht.

5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Politische Lage

Die Russische Föderation hat mehr als 141,7 Millionen Einwohner und ist schätzungsweis ca. 1,8 Mal so groß wie die die U.S.A. (CIA Factbook 30.03.2020, abgefragt am 07.05.2020).

Wladimir Putin ist das Staatsoberhaupt, Michail Mischustin Regierungschef. Die dritte Präsidentschaft Putins zeichnete sich durch politische Kontinuität aus. Die Modernisierungsagenda von Medwedew wurde weiterverfolgt. Gleichzeitig hat Putin den Sozialstaat weiter ausgebaut und den Verteidigungssektor gestärkt. Am 15.01.2020 hat Putin in seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation eine Neuordnung des politischen Systems vorgeschlagen und eine Reihe von Verfassungsänderungen angekündigt. Der Ministerpräsident und die Kabinettsmitglieder bekommen per Verfassungsänderung künftig mehr Macht. Dmitri Medwedjew hat den Rücktritt seiner Regierung erklärt. Sein Nachfolger ist der Leiter der russischen Steuerbehörde Michail Mischustin. In dem neuen Kabinett sind 15 von 31 Regierungsmitgliedern ausgewechselt worden. Die Verfassungsänderungen ermöglichen Wladimir Putin für zwei weitere Amtszeiten als Präsident zu kandidieren. Die für das 12.04.2020 geplante Abstimmung wurde wegen Ausbreitung der Atemwegserkrankung COVID-19 verschoben. Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister und entlässt sie. Das Zweikammerparlament besteht aus Staatsduma und Föderationsrat. Der Föderationsrat ist als "obere Parlamentskammer" das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten: Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus der Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für fünf Jahre gewählt. Es gibt eine Fünfprozentklausel (LIP Geschichte und Staat April 2020, abgefragt am 07.05.2020).

Die Russische Föderation ist der Staat mit der weltweit größten Fläche. Sie ist Atommacht und Ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Russland besteht aus 83 Föderationssubjekten. Die 2014 erfolgte Annexion der ukrainischen Krim und der Stadt Sewastopol durch Russland ist international nicht anerkannt. Föderationssubjekte verfügen über eine eigene Legislative und Exekutive, sind aber weitgehend vom föderalen Zentrum abhängig. Die Föderationsversammlung besteht aus zwei Kammern. Im Föderationsrat sitzen je zwei Vertreter jedes Föderationssubjekts. Dazu kommen vom Staatspräsidenten ernannte Vertreter der Russischen Föderation, deren Anteil nicht mehr als zehn Prozent betragen darf. Die Staatsduma besteht aus 450 Abgeordneten, die in Wahlen bestimmt werden. OSZE-Wahlbeobachter bestätigten mehrfach Unregelmäßigkeiten bei der Durchführung von Wahlen. Der in der Verfassung vorgesehenen Gewaltenteilung steht die de-facto alle Bereiche dominierende zentrale Rolle des Staatspräsidenten gegenüber. Er kann die Regierung entlassen und hat weitreichende Vollmachten in der Außen- und Sicherheitspolitik (AA Politisches Porträt Stand 02.03.2020, abgefragt am 07.05.2020).

Durch Präsidialdekret vom Juli 2000 wurden die zunächst sieben, ab Februar 2010 acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten) geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.03.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Parlament - Staatsduma und Föderationsrat - ist in seinem Einfluss stark beschränkt (LIP Geschichte und Staat April 2020, abgefragt am 07.05.2020).

(CIA, Central Intelligence Agency, The World Factbook, Russland, last update 30.03.2020, abgefragt am 07.05.2020, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html

AA, Auswärtiges Amt, Russische Föderation, Politisches Porträt, Stand 02.03.2020, abgefragt am 07.05.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/politisches-portrait/201710

LIP, Liportal, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Russland, Geschichte und Staat, letzte Aktualisierung April 2020, abgefragt am 07.05.2020, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat)

Tschetschenien

Die Einwohnerzahl Tschetscheniens liegt bei ca. 1,5 Millionen. Laut Aussagen des Republikoberhauptes Ramzan Kadyrow sollen rund 600.000 Tschetschenen außerhalb der Region leben - eine Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat die Hälfte von ihnen Tschetschenien während der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, bei der anderen Hälfte handelt es sich um Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens. Diese entstanden bereits vor über einem Jahrhundert, teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den arabischen Raum. Was die Anzahl von Tschetschenen in anderen russischen Landesteilen anbelangt, so ist es aufgrund der öffentlichen Datenlage schwierig, verlässliche Aussagen zu treffen (ÖB Moskau 12.2019).

In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB Moskau 12.2019; AA 13.02.2019; FH 04.03.2020). Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen parallel zu den Wahlen zum Oberhaupt der Republik durchzuführen. Bei den russlandweiten Wahlen vom 18.9.2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Kadyrow wurde laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen. Auch im Vorfeld der Wahlen hatte Human Rights Watch über massive Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet. Das tschetschenische Oberhaupt bekundet immer wieder seine absolute Loyalität gegenüber dem Kreml. Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros vorgegangen (ÖB Moskau 12.2019; AA 13.02.2019). Um die Kontrolle über die Republik zu behalten, wendet Kadyrow unterschiedliche Formen der Gewalt an, wie z.B. Entführungen, Folter und außergerichtliche Tötungen (FH 04.03.2020; AA 13.02.2019). Dies kann manchmal auch außerhalb Russlands stattfinden. Kadyrow wird verdächtigt, die Ermordung von unliebsamen Personen, die ins Ausland geflohen sind, angeordnet zu haben (FH 04.03.2020).

Während der mittlerweile über zehn Jahre dauernden Herrschaft des amtierenden Republikführers Ramzan Kadyrow gestaltete sich Tschetscheniens Verhältnis zur Russischen Föderation ambivalent. Einerseits ist Kadyrow bemüht, die Zugehörigkeit der Republik zu Russland mit Nachdruck zu bekunden, tschetschenischen Nationalismus mit russischem Patriotismus zu verbinden, Russlands Präsidenten in der tschetschenischen Hauptstadt Grozny als Staatsikone auszustellen und sich als "Fußsoldat Putins" zu präsentieren. Andererseits hat er das Föderationssubjekt Tschetschenien so weit in einen Privatstaat verwandelt, dass in der Umgebung des russischen Präsidenten die Frage gestellt wird, inwieweit sich die von Wladimir Putin ausgebaute "föderale Machtvertikale" dorthin erstreckt. Zu Kadyrows Eigenmächtigkeit gehört auch eine Außenpolitik, die sich vor allem an den Mittleren Osten und die gesamte islamische Welt richtet. Kein anderer regionaler Führer beansprucht eine vergleichbare, über sein eigenes Verwaltungsgebiet und die Grenzen Russlands hinausreichende Rolle. Kadyrow inszeniert Tschetschenien als Anwalt eines russländischen Vielvölker-Zusammenhalts, ist aber längst zum "inneren Ausland" Russlands geworden. Deutlichster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein eigener Rechtszustand, in dem islamische und gewohnheitsrechtliche Regelungssysteme sowie die Willkür des Republikführers in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands geraten (SWP 03.2018).

Ein Abkommen von September 2018 über die Abtretung von umstrittenem Territorium von Inguschetien an Tschetschenien hatte politische Unruhen in Inguschetien zur Folge (ÖB Moskau 12.2019). Der Konflikt um die Grenzziehung flammt immer wieder auf. Im März 2019 wurden Proteste in Inguschetien gewaltsam aufgelöst, wobei manche Teilnehmer körperlich gegen die Polizei Widerstand leisteten. 33 Personen wurden festgenommen (HRW 14.01.2020). Die Proteste hatten außerdem den Rücktritt des inguschetischen Präsidenten Junusbek Jewkurow im Juni 2019 zur Folge (ÖB Moskau 12.2019). Jewkurows Nachfolger ist Machmud-Ali Kalimatow (NZZ 29.06.2019).

(FH, Freedom House, Freedom in the World 2020, Russland, 04.03.2020, https://freedomhouse.org/country/russia/freedom-world/2020

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Dezember 2018, 13.02.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458482/4598_1551701623_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-russischen-foederation-stand-dezember-2018-13-02-2019.pdf

ÖB, Österreichische Botschaft Moskau, Asylländerbericht Dezember 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025975/RUSS_ÖB_Bericht_2019_12.pdf

SWP, Stiftung Wissenschaft und Politik, Tschetscheniens Stellung in der Russischen Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale, März 2018, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf

NZZ, Neue Zürcher Zeitung, Die Nordkaukasus-Republik Inguschetien ist innerlich zerrissen, 29.06.2019, https://www.nzz.ch/international/nordkaukasus-inguschetien-nach-protesten-innerlich-zerrissen-ld.1492435

HRW, Human Rights Watch, World Report 2020, Russia, 14.01.2020, https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/russia)

Dagestan

Dagestan ist mit ungefähr drei Millionen Einwohnern die größte kaukasische Teilrepublik und wegen seiner Lage am Kaspischen Meer für Russland strategisch wichtig. Dagestan ist das ethnisch vielfältigste Gebiet des Kaukasus (Accord 13.01.2020).

Dagestan ist hinsichtlich persönlicher Freiheiten bessergestellt als Tschetschenien, bleibt allerdings eine der ärmsten Regionen Russlands (AA 13.02.2019; ÖB Moskau 12.2019).

Was das politische Klima betrifft, gilt die Republik Dagestan im Vergleich zu Tschetschenien noch als relativ liberal. Die Zivilgesellschaft ist hier stärker vertreten als in Tschetschenien (SWP 04.2015) und wird nicht ganz so ausgeprägt kontrolliert wie in Tschetschenien

(AA 13.02.2019). Ebenso existiert - anders als in der Nachbarrepublik - zumindest eine begrenzte Pressefreiheit. Die ethnische Diversität stützt ein gewisses Maß an politischem Pluralismus und steht autokratischen Herrschaftsverhältnissen entgegen (SWP 04.2015). Die Bewohner Dagestans sind hinsichtlich persönlicher Freiheit bessergestellt, und auch die Menschenrechtslage ist grundsätzlich besser als im benachbarten Tschetschenien (AA 13.02.2019), obwohl auch in Dagestan mit der Bekämpfung des islamistischen Untergrunds zahlreiche Menschenrechtsverletzungen durch lokale und föderale Sicherheitsbehörden einhergehen (SWP 04.2015; AA 13.02.2019). Im Herbst 2017 setzte Präsident Putin ein neues Republikoberhaupt ein. Mit dem Fraktionsvorsitzenden der Staatspartei Einiges Russland in der Staatsduma und ehemaligen hohen Polizeifunktionär Wladimir Wassiljew wurde das zuvor behutsam gepflegte Gleichgewicht der Ethnien ausgehebelt. Der Kreml hatte länger schon damit begonnen, ortsfremde Funktionäre in die Regionen zu entsenden; im Nordkaukasus hatte er davon jedoch Abstand genommen. Wassiljew ist ein altgedienter Funktionär und einer, der durch den Zugriff Moskaus auf Dagestan - und nicht in Abgrenzung von der Zentralmacht - Ordnung, Sicherheit und wirtschaftliche Prosperität herstellen soll (NZZ 12.02.2018). Anfang 2018 wurden in der Hauptstadt Dagestans, Machatschkala, der damalige Regierungschef Abdussamad Gamidow, zwei seiner Stellvertreter und ein kurz vorher abgesetzter Minister von föderalen Kräften verhaftet und nach Moskau gebracht. Ihnen wird vorgeworfen, sie hätten eine organisierte kriminelle Gruppierung gebildet, um die wirtschaftlich abgeschlagene und am stärksten von allen russischen Regionen am Tropf des Zentralstaats hängende Nordkaukasus-Republik auszubeuten. Kurz vorher waren bereits der Bürgermeister von Machatschkala und der Stadtarchitekt festgenommen worden (NZZ 12.02.2018; Standard 05.02.2018).

(Standard, Regierungsspitze in russischer Teilrepublik Dagestan festgenommen, 05.02.2018, https://www.derstandard.at/story/2000073692298/regierungsspitze-in-russischer-teilrepublik-dagestan-festgenommen

SWP, Stiftung Wissenschaft und Politik, Dagestan, Russlands schwierigste Teilrepublik, April 2015, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Dezember 2018, 13.02.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458482/4598_1551701623_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-russischen-foederation-stand-dezember-2018-13-02-2019.pdf

ÖB, Österreichische Botschaft Moskau, Asylländerbericht Dezember 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025975/RUSS_ÖB_Bericht_2019_12.pdf

NZZ, Neue Zürcher Zeitung, Durchgreifen in Dagestan: Moskau räumt im Nordkaukasus auf, 12.02.2018, https://www.nzz.ch/international/moskau-raeumt-im-nordkaukasus-auf-ld.1356351

Accord, Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation, Russische Föderation, Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Ereignisse in Dagestan, 13.01.2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022550.html)

Sicherheitslage

Präsident Putin verkündete am 25.03.2020 die Verschiebung des für den 22.04.2020 geplanten Referendums über weitreichende Verfassungsänderungen. Um eine Gefährdung von Wählern durch das Coronavirus zu vermeiden, werde ein neuer Termin gemäß der Expertise von Gesundheitsexperten bestimmt werden. Stimmen bei dem Referendum mehr als die Hälfte der Wähler den Verfassungsänderungen zu, sollen diese in Kraft treten. Putin könnte dann 2024 erneut als Kandidat antreten und bei einer Wiederwahl bis 2036 im Präsidentenamt bleiben (BAMF 30.03.2020).

Bei der Einreise in die Russische Föderation besteht bis zur Stabilisierung der COVID-19 Situation ein Einreiseverbot für Ausländer mit wenigen Ausnahmen (ausländische Staatsangehörige, welche Maschinen und technisches Equipment in Russland warten; Ehepartner/Ehepartnerinnen von russischen Bürgerinnen/ Bürgern; Diplomatinnen/ Diplomaten [BMEIA Stand 07.05.2020]).

In Wladikawkas versammelten sich am 20.04.2020 ca. 2.000 Menschen bei einer Demonstration gegen Ausgangsbeschränkungen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus und forderten den Rücktritt des Gouverneurs der Teilrepublik Nordossetien-Alanien. Die Polizei trieb die Teilnehmer gewaltsam auseinander und nahm Dutzende von ihnen fest. Am 21.04.2020 befand ein Gericht der Stadt 13 Personen der Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration, des Widerstands gegen Polizisten sowie der Organisierung eines öffentlichen Ereignisses, das zur Störung der öffentlichen Ordnung geführt habe, für schuldig und verurteilte sie zu Gefängnisstrafen zwischen drei und 15 Tagen. Der Opernsänger Vadim Cheldiyev hatte im Internet zu der Kundgebung aufgerufen. Cheldiyev, der den Behördenleitern der Region eine Übertreibung der Virusgefahren zum Zweck der Selbstbereicherung vorgeworfen hatte, wurde am 21.04.2020 zu einer Geldstrafe von umgerechnet 928 Euro wegen der Verbreitung falscher Informationen über das Virus verurteilt (BAMF 27.04.2020).

Die Ausbreitung der Atemwegserkrankung COVID-19 führt auch in der Russischen Föderation zu verstärkten Einreisekontrollen, Gesundheitsprüfungen mit Temperaturmessungen und Einreisesperren. Die Einreise von Ausländern ist derzeit stark eingeschränkt. Es dürfen nur akkreditierte Mitarbeiter diplomatischer Vertretungen und konsularischer Einrichtungen ausländischer Staaten und deren Familienangehörige, Kraftfahrer im internationalen Kraftverkehr, die Besatzungen von Luftfahrzeugen, See- und Binnenschiffen, Zugpersonal im internationalen Eisenbahnverkehr, Mitarbeiter des Kurierdienstes zwischen den Regierungen und Mitglieder offizieller Delegationen, sowie Personen mit diplomatischen, dienstlichen oder regulären privaten Visa, die im Zusammenhang mit dem Tod eines nahen Verwandten ausgestellt wurden, einreisen. Weiter ausgenommen sind Personen, die als Familienangehörige (Eheleute, Eltern, Kinder, Adoptiveltern oder -kinder), Vormünder oder Pfleger von russischen Staatsangehörigen mit in dieser Eigenschaft anerkannten Identitätsdokumenten mit Visa einreisen, und Personen, die einen ständigen Wohnsitz in der Russischen Föderation haben. In vielen Landesteilen gelten umfassende Ausgangsbeschränkungen, kombiniert mit elektronischen Monitoringsystemen. In Moskau darf bis zum 11.05.2020 die gemeldete Wohnung nicht verlassen werden, außer im medizinischen Notfall. Weitere Ausnahmen gelten für den Einkauf von Gütern des täglichen Bedarfs am nächstgelegenen Ort. In der Öffentlichkeit ist ein Abstand von 1,5 m zu anderen Personen einzuhalten, dies gilt nicht in Taxis. Für die Benutzung aller Verkehrsmittel werden digitale Passierscheine benötigt. Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein Terroranschlag in der Metro von St. Petersburg im April 2017. Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf. Seien Sie weiterhin insbesondere an belebten Orten, bei Menschenansammlungen und bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel besonders aufmerksam. Insbesondere in Moskau und St. Petersburg, aber auch in anderen großen Städten kann es zu angemeldeten und genehmigten Kundgebungen und Demonstrationen kommen, die meist friedlich verlaufen. Im Zusammenhang mit unerlaubten Protestaktionen kann es zu einem massiven Vorgehen der Sicherheitskräfte kommen. In den touristischen Zentren russischer Städte sowie in größeren Menschenansammlungen und in öffentlichen Verkehrsmitteln wie der Metro kommt es zu Kleinkriminalität wie Taschendiebstahl. Wie auch in anderen Großstädten kann es in Bars und Clubs russischer Großstädte zu Straftaten und vereinzelt dem Einsatz von K.o.-Tropfen kommen. Bewusstlose Personen können Opfer sexueller Gewalt werden oder sich im Freien wiederfinden, was in den Wintermonaten lebensgefährlich sein kann. In nur offiziell aussehenden, aber nicht lizensierten Taxis sind Touristen Opfer von Straftaten geworden (AA Reise- und Sicherheitshinweise Stand 07.05.2020).

(BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 30.03.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2027826/briefingnotes-kw14-2020.pdf

BMEIA, Bundesministerium für Europäische und internationale Angelegenheiten, Reiseinformation Russische Föderation, unverändert gültig seit 08.04.2020, Stand 07.05.2020, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 27.04.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029418/briefingnotes-kw18-2020.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Russische Föderation, Reise- und Sicherheitshinweise, unverändert gültig seit 04.05.2020, Stand 07.05.2020, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederationsicherheit/201536)

Nordkaukasus

Weiterhin angespannt bleibt die Menschenrechtslage im Nordkaukasus, insbesondere in Tschetschenien unter dem Regime von Ramsan Kadyrow. Dagegen hat sich die Sicherheitslage insgesamt betrachtet wesentlich verbessert und stabilisiert. Seit 2013 ist die Zahl der Toten durch Anschläge und Kämpfe im Nordkaukasus stark rückläufig. So starben im Jahr 2017 bei Anschlägen und Kämpfen zwischen Sicherheitskräften und separatistischen bzw. islamistischen Aufständischen nach offiziellen Angaben 134 Personen (2016: 202; 2015: 208; 2014: 341; 2013: 529; 2012: 700). Im Jahr 2018 fiel die Zahl der Todesopfer zum ersten Mal unter 100. 2018 starben nach Angaben der russischen Internetzeitung Caucasian Knot insgesamt 82 Personen im Nordkaukasus. Nach ersten vorliegenden Informationen derselben Quelle von Anfang Februar 2020 sank die Zahl der Todesopfer im Jahr 2019 auf insgesamt 31. Die Hauptursache für den im Vergleich zu dem Jahr 2012 erheblichen Rückgang der Zahl der getöteten Personen in den vergangenen Jahren dürfte sein, dass sich seit Ende 2014 vermehrt Kämpfer aus dem Nordkaukasus der Terrormiliz IS in Syrien und im Irak angeschlossen hatten und dort viele den Tod fanden (BAMF 10.02.2020).

Menschenrechtsorganisationen sehen übereinstimmend bestimmte Teile des Nordkaukasus als den regionalen Schwerpunkt der Menschenrechtsverletzungen in Russland. Hintergrund sind die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und islamistischen Extremisten in der Republik Dagestan, daneben auch in Tschetschenien, Inguschetien und Kabardino-Balkarien. Der westliche Nordkaukasus ist hiervon praktisch nicht mehr betroffen. Die Opfer der Gewalt sind ganz überwiegend "Aufständische" und Sicherheitskräfte (AA 13.02.2019).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum sogenannten IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaya Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23.06.2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein "Wilajat Kavkaz", eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem "Kalifen" Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Dschihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren (SWP 10.2015). Ein Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Innerhalb der extremistischen Gruppierungen verschoben sich etwa ab 2014 die Sympathien zur regionalen Zweigstelle des sogenannten IS, die mittlerweile das Kaukasus-Emirat praktisch vollständig verdrängt haben soll. Dabei sorgt nicht nur Propaganda und Rekrutierung des IS im Nordkaukasus für Besorgnis der Sicherheitskräfte. So wurden Mitte Dezember 2017 im Nordkaukasus mehrere Kämpfer getötet, die laut Angaben des Anti-Terrorismuskomitees dem IS zuzurechnen waren. Das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak, haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist (ÖB Moskau 12.2019). 2018 erzielten die Strafverfolgungsbehörden maßgebliche Erfolge, die Anzahl terroristisch motivierter Verbrechen wurde mehr als halbiert. Sechs Terroranschläge wurden verhindert und insgesamt 50 Terroristen getötet. In der ersten Hälfte des Jahres 2019 nahm die Anzahl bewaffneter Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr weiter ab. Der größte Anteil an Gewalt im Nordkaukasus entfällt weiterhin auf Dagestan und Tschetschenien (ÖB Moskau 12.2019).

Die Nachrichten-Website Caucasian Knot berichtete, dass gewalttätige Konfrontationen mit Sicherheitskräften, in der ersten Hälfte des Jahres 2019, zu mindestens 31 Toten führten. die am stärksten betroffene Region war Kabardino-Balkarien mit 10 Todesfällen in der ersten Hälfte des Jahres 2019, gefolgt von Dagestan, wo neun Menschen getötet wurden. Das gewaltsame Verschwinden von Personen aus politischen oder finanziellen Gründen setzte sich im Nordkaukasus fort. Es gab immer wieder Berichte über Entführungen in Zusammenhang mit mutmaßlichen Antiterrormaßnahmen im Nordkaukasus (USDOS 11.03.2020).

Im vierten Quartal 2019 gab es sechs Konfliktopfer im Nordkaukasus, alle sechs waren in Inguschetien, vier davon wurden verwundet und sechs getötet (Caucasian Knot 11.03.2020; 20.03.2020). Von 06.01. bis 01.03.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus (Caucasian Knot 13.01.2020; 20.01.2020; 27.01.2020; 03.02.2020; 10.02.2020; 17.02.2020; 03.03.2020). Zwischen 02. und 08.03.2020 wurde mindestens eine Person als Konfliktopfer im Nordkaukasus gemeldet, nachdem ein mutmaßlicher Kämpfer während einer Spezialoperation in Inguschetien getötet wurde (Caucasian Knot 09.03.2020). Von 09.03. bis 22.03.2020 gab es keine Konfliktopfer im Nordkaukasus (Caucasian Knot 16.03.2020; 23.03.2020). Am 23.03.2020 wurde in der Republik Kabardino-Balkarien, nach Informationen bezüglich eines geplanten Terroraktes, zwei gebrauchsfertige Sprengsätze gefunden und beim Versuch der Festnahme drei Verdächtige während einer Schießerei von Sicherheitskräften getötet (Caucasian Knot 31.03.2020). Am 16.04.2020 wurde beim Versuch von Polizisten ein Auto in Dagestan anzuhalten, nachdem der Fahrer der Aufforderung nicht nachkam und das Feuer eröffneten, dieser erschossen; im Auto wurden Waffen und Sprengstoff gefunden (Caucasian Knot 21.04.2

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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