TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/13 W151 2180658-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.05.2020
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Entscheidungsdatum

13.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSVG §194
GSVG §2 Abs1 Z4
GSVG §37
GSVG §40

Spruch

W151 2180658-1/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ über die Beschwerde von XXXX , XXXX XXXX , vertreten durch XXXX , Prinz-Eugen-Straße 76, 1040 Wien, als Erwachsenenvertreter, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (nunmehr Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen), Landesstelle Wien, vom 27.10.2017, AZ. XXXX , wegen Feststellung von Sozialversicherungsbeiträgen und Beitragsnachzahlung nach dem gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (nunmehr Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen; in Folge: SVS oder belangte Behörde) vom 27.10.2017 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer (in Folge: BF) vom 01.05.2000 bis 31.08.2000 der Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 GSVG (Spruchpunkt 1), vom 01.01.2001 bis 14.01.2003 der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG und im Zeitraum vom 01.01.2001 bis 31.12.2004 der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG (Spruchpunkt 2) unterliegt. Die belangte Behörde stellte fest, dass der BF zum 25.07.2016 verpflichtet sei, einen noch offenen Betrag in Gesamthöhe von ? 43.051,21 an rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen inklusive Verzugszinsen und Nebengebühren zu bezahlen. Weiters, dass er verpflichtet sei, die ab 25.07.2016 angefallenen Verzugszinsen in Höhe von 7,88% und ab 01.01.2017 Verzugszinsen in Höhe von 3,38% aus einem Kapital von ? 22.824,40 zu bezahlen (Spruchpunkt 3).

2. Dagegen erhob der BF fristgerecht Beschwerde und machte im Wesentlichen geltend, dass der Bescheid an Formmängeln leide, da er keine Geschäftszahl enthalte und die angewendeten Rechtsvorschriften mangels Angabe des Gesetzes rumpfhaft geblieben sei. Weiters wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer nicht rechtzeitig von der behördlich festgestellten Verpflichtung verständig worden sei. Dass Einbringungsmaßnahmen gesetzt worden seien, sei unglaubwürdig. Eintreibungsmaßnahmen, die lediglich im eigenen Akt vermerkt werden, könnten nicht als zweckmäßig und zielführend, nicht einmal als tatsächlich erfolgt anerkannt werden. Der BF sei erstmalig mit Bescheid der PVA XXXX vom 28.07.2016, die im Verfahren des Arbeits- und Sozialgerichtes zu XXXX zum Eintreiben von Forderungen der SVS legitimiert sei, über die Forderungen des SVS informiert worden. Mangels nachweislicher Zahlungsaufforderung durch die SVS, aber auch durch die zur Eintreibung legitimierte PVA, sei die Verpflichtung gemäß Pkt 3. des zu bekämpfenden Bescheides der Sozialversicherungsanstalt erstmalig ausgesprochen worden und daher jedenfalls verfristet.

3. Am 28.11.2018 wurde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur Entscheidung vorgelegt.

4. Mit Schreiben vom 29.04.2019 legte die belangte Behörde die aufgeforderten Nachweise zu ergangenen Sondermahnungen vor.

5. Mit Schreiben vom 17.05.2019 erstattete der BF eine Stellungnahme, in der er im Wesentlichen ausführte, die seitens der Behörde vorgelegten Unterlagen seien als diverse interne Vorlagen anzusehen. Diverse Sondermahnungen seien bereits vor dem Datum des Schreibens archiviert worden, womit erwiesen sei, dass diese Schreiben nicht zum angegebenen Datum abgeschickt worden seien. Zudem greife die Zustellungsfiktion des § 37 Abs. 3 GSVG nicht, da der BF spätestens ab 03.01.2014 besachwaltert gewesen sei, die Behörde jedoch ihrer Schreiben trotzdem an eine unrichtige Adresse gerichtet habe.

6. Mit Schreiben vom 03.12.2019 replizierte die Behörde auf hg. Auftrag und gab bekannt, infolge des Unterbrechungsbeschlusses des Arbeits- und Sozialgerichtes vom 06.02.2017 zu Zl. XXXX von der Bestellung des Sachwalters in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Betreffend die Mahnungen vom 09.09.2011 und 08.03.2013 werde auf die Rechtsprechung zu § 37 Abs. 3 GSVG verwiesen, wonach ein Nachweis der Zustellung des Mahnschreibens nicht erforderlich sei. Die Zahlungserinnerungen vom 12.09.2014, 11.03.2016 und 15.09.2017 seien im Wege technisch-automatisierter Verarbeitung archiviert, zu jeweils späteren Zeitpunkten ausgestellt und tatsächlich versandt worden. Aufgrund des technisch-automatisierten Prozesses könnten keine Zustellnachweise vorgelegt werden, es sei aufgrund des dokumentierten Prozesses jedoch davon auszugehen, dass die automatische Erstellung und damit einhergehend die Versendung der Mahnungen auch vollzogen worden sei.

7. Mit Schreiben vom 17.12.2019 legte der BF weitere Unterlagen vor und wies darauf hin, dass daraus eine Fälligkeit der Forderung mit 18.12.2004 ersichtlich sei, die belangte Behörde jedoch erst mit Schreiben vom 25.07.2016 die PVA um Aufrechnung der Forderung gemäß § 103 Abs. 1 Z 1 ASVG ersucht habe. Davor seien der Versicherungszeiten dem BF nicht bekannt geworden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF war vom 04.09.1991 bis 11.08.2000 Geschäftsführer der " XXXX ". Diese hatte folgende Gewerbeberechtigungen inne:

* Gewerbeberechtigung lautend auf "Handelsgewerbe und Handelsagenten vom 04.09.1975 bis 02.06.2000, GISA Nr. XXXX ,

* Gewerbeberechtigung lautend auf "Handelsgewerbe und Handelsagenten vom 04.09.1975 bis 17.07.2001, GISA Nr. XXXX ,

* Gewerbeberechtigung lautend auf "Mechatroniker für Maschinen und Fertigungstechnik vom 04.09.1975 bis 02.06.2000, GISA Nr. XXXX .

Im Zeitraum von 01.07.1975 bis 31.07.1994 und von 01.09.1995 bis 30.05.2000 war der Beschwerdeführer Angestellter der " XXXX ". Im Zeitraum von 03.08.1994 bis 31.08.1995 lag ein Beschäftigungsverhältnis zur Beitragsschuldnerin unter der Geringfügigkeitsgrenze vor.

Von 15.01.2003 bis 31.03.2007 war der Beschwerdeführer geringfügig beschäftigter Arbeiter bei der Fa. XXXX . Ab 15.01.200 bis 20.12.2006 lag eine Selbstversicherung nach § 19a ASVG vor.

1.2. Die Feststellung der Versicherungsbeiträge durch die belangte Behörde basierte auf den folgenden Einkommensteuerbescheiden:

* Einkommensteuerbescheid 1999 (Bescheiddatum 21.10.2004, Übermittlung 03.06.2005): Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von ? 5.480,26; Einkünfte aus Gewerbebetrieb: ? 26.162,22.

* Einkommensteuerbescheid 2000 (Bescheiddatum 21.10.2004, Übermittlung 03.06.2005): Einkünfte aus Gewerbebetrieb: ? 26.162,22.

* Einkommensteuerbescheid 2001 (Bescheiddatum 21.10.2004, Übermittlung 03.06.2005): Einkünfte aus Gewerbebetrieb: ? 26.162,22.

* Einkommensteuerbescheid 2002 (Bescheiddatum 21.10.2004, Übermittlung 18.02.2005): Einkünfte aus Gewerbebetrieb: ? 24.000,00.

* Einkommensteuerbescheid 2003 (Bescheiddatum 08.07.2005, Übermittlung 03.06.2005): Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von ? 3.395,00; Einkünfte aus Gewerbebetrieb: ? 24.000,00.

* Einkommensteuerbescheid 2004 (Bescheiddatum 23.11.2005, Übermittlung 03.03.2006): Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von ? 3.532,80; Einkünfte aus Gewerbebetrieb: ? 24.000,00.

1.3. Der Beschwerdeführer weist folgende Meldeadressen in Österreich auf:

* -XXXX , Hauptwohnsitz seit 09.12.2015;

* -XXXX Hauptwohnsitz von 23.10.1956 bis 09.12.2015;

* -XXXX Nebenwohnsitz von 05.12.2013 bis 09.12.2015;

* -XXXX , Nebenwohnsitz von 22.09.2008 bis 11.11.2008;

* -XXXX , Nebenwohnsitz vom 12.03.1979 bis 16.01.2006;

* -XXXX , Nebenwohnsitz von 06.09.1991 bis 12.12.2001.

1.4. Die belangte Behörde versandte folgende Mahnungen:

* Mahnung vom 20.09.2005 - an Adresse: XXXX ,

* Mahnung vom 19.06.2006 - an Adresse: XXXX

* Sondermahnung vom 09.03.2007 - an Adresse: XXXX

* Sondermahnung vom 05.09.2008 - an Adresse: XXXX

* Sondermahnung vom 05.03.2010 - an Adresse: XXXX

* Sondermahnung vom 09.09.2011 - an Adresse: XXXX

* Sondermahnung vom 08.03.2013 - an Adresse: XXXX

* Sondermahnung vom 12.09.2014 - an Adresse: XXXX

* Sondermahnung vom 11.03.2016 - an Adresse: XXXX ,

* Sondermahnung vom 15.09.2017 - an Adresse: XXXX

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 03.01.2014 zu XXXX wurde XXXX zum Sachwalter des BF für die Besorgung aller Angelegenheiten bestellt. Der Sachwalter unterlies es, als Vertretung des Versicherten die belangte Behörde von der Sachwalterbestellung, nunmehr Erwachsenenvertretung, in Kenntnis zu setzen. Der belangten Behörde wurde der Umstand der Bestellung eines Sachwalters und der damit geänderten Abgabestelle des BF erst infolge des Unterbrechungsbeschlusses des Arbeits- und Sozialgerichtes vom 06.02.2017, Zl XXXX bekannt.

Die belangte Behörde hat beginnend mit Versand einer Mahnung vom 20.09.2005 in regelmäßigen Abständen, nämlich weiters mit Mahnung vom 19.06.2006, sowie Versand von Sondermahnungen vom 09.03.2007, 05.09.2008, 05.03.2010, 09.09.2011, 08.03.2013, 12.09.2014 und 15.09.2017 an die laut zentralem Melderegister ausgewiesene Adresse des BF, weiters durch den Versand eines Kontoauszuges vom 22.10.2016 und die Stellung eines Antrages auf Aufrechnung des Beitragsrückstandes am 25.07.2016, der dem BF mit Bescheid der PVA vom 28.07.2016 (dem BF zugestellt mit 01.08.2016) zur Kenntnis gebracht wurde, laufend Betreibungsmaßnahmen durchgeführt. Diese in regelmäßigen Abständen seitens der Behörde vorgenommenen Maßnahmen sind objektiv der Feststellung sowie der Einbringung der Beitragsschuld dienlich und bewirkten eine Unterbrechung der Verjährung des Rechts auf Feststellung und Einforderung der Beiträge.

Es ist somit keine Verjährung des Rechts auf Feststellung und keine Verjährung des Rechts auf Einforderung der offenen Beiträge eingetreten.

2. Beweiswürdigung:

Der oben dargestellte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen zu den Meldeadressen des BF ergibt sich aus einem seitens des erkennenden Gerichts eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Die Feststellungen zu den maßgeblichen Einkommenssteuerbescheiden ergeben sich aus den, dem gegenständlichen Bescheid beigelegten Unterlagen.

Die Feststellungen zu den Betreibungsmaßnahmen der Behörde ergeben sich aus dem gegenständlichen Bescheid, aus der Stellungnahme der Behörde vom 29.04.2019 samt den beigelegten Unterlagen, sowie aus der Stellungnahme der belangten Behörde vom 03.12.2019. Daraus ergibt sich, dass die belangte Behörde beginnend mit Versand einer Mahnung vom 20.09.2005 in regelmäßigen Abständen - nämlich weiters mit 19.06.2006, 09.03.2007, 05.09.2008, 05.03.2010, 09.09.2011, 08.03.2013, 12.09.2014 und 15.09.2017 - Mahnungen bzw. Sondermahnungen, sowie einen Kontoauszug vom 22.10.2016 an die laut zentralem Melderegister ausgewiesene Adresse des BF versandt hat. Weiters stellte die belangte Behörde am 25.07.2016 einen Antrag auf Aufrechnung des Beitragsrückstandes, der dem BF mit Bescheid der PVA vom 28.07.2016 (dem BF zugestellt mit 01.08.2016) zur Kenntnis gebracht wurde.

Betreffend den tatsächlichen Versand der Sondermahnungen ergibt sich aus der Beilage zur Stellungnahme vom 29.04.2019, dass Sondermahnungen vom 09.03.2007, 05.09.2008 und 05.03.2010 an die laut Melderegister ausgewiesene Zustelladresse des BF - in diesem Zeitraum XXXX - versandt, jedoch als nicht behoben retourniert wurden. Hinsichtlich der Mahnungen vom 09.09.2011 und 08.03.2013, sowie auch jenen vom 12.09.2014, 11.03.2016 und 15.09.2017 legte die belangte Behörde schlüssig dar, dass es sich um technisch-automatisiert erstellte und versandte Schreiben handle, woraus folgt, dass der Versand dieser Schreiben an die jeweils in den Schreiben ausgewiesene Anschrift des BF tatsächlich erfolgt ist. Gleiches gilt für die Mahnungen vom 20.09.2005 und 19.06.2006, deren Erstellung und Versand im Speichersystem der belangten Behörde ausgewiesen ist (vgl. Beilage zur Stellungnahme der belangten Behörde vom 29.04.2019).

Weiters vermochte die belangte Behörde das Vorbringen des BF zu entkräften, wonach in den Sondermahnungen jeweils das Archivierungsdatum dem Ausstellungsdatum vorausgehen würde, woraus zu schließen sei, dass diese Schreiben vorab archiviert worden und nicht zur Aussendung gelangt seien. Zufolge den schlüssigen und nachvollziehbaren Erläuterungen der belangten Behörde resultiert dies aus der automatisierten Erstellung, die eine erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgende Ausstellung des Dokuments, und damit ein abweichendes Ausstellungsdatum zur Folge habe. Glaubhaft war, dass der tatsächliche Versand aufgrund der Vielzahl an Sondermahnungen wiederum zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt, was als nicht unübliche Behördenpraxis angesehen werden kann. Der BF konnte somit nicht erfolgreich den Gegenbeweis antreten, dass die oben genannten Mahnungen bzw. Sondermahnungen nicht versandt und zugestellt wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit:

Gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend sohin die SVS.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 194 Z 5 GSVG gelten hinsichtlich des Verfahrens zur Durchführung dieses Bundesgesetzes die Bestimmungen des Siebenten Teiles des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes mit der Maßgabe, dass § 414 Abs. 2 und Abs. 3 ASVG nicht anzuwenden sind.

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.3. Strittig ist, ob das Recht auf Feststellung und Einforderung der gegenständlich aushaftenden Beitragsschulden des BF durch die belangte Behörde durch Zeitablauf verjährt ist oder die Verjährung durch die festgestellten Betreibungsmaßnahmen der Behörde jeweils unterbrochen wurde. Nicht substantiiert bestritten wurde jeweils die Berechnungsweise der vorgeschriebenen Beiträge.

3.4. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (GSVG) lauten:

§ 2:

"Pflichtversicherung in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung

§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert: [...]

4. selbständig erwerbstätige Personen, die auf Grund einer betrieblichen Tätigkeit Einkünfte im Sinne der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und (oder) 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, erzielen, wenn auf Grund dieser betrieblichen Tätigkeit nicht bereits Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz oder einem anderen Bundesgesetz in dem (den) entsprechenden Versicherungszweig(en) eingetreten ist. Solange ein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid oder ein sonstiger maßgeblicher Einkommensnachweis nicht vorliegt, ist die Pflichtversicherung nur dann festzustellen, wenn der Versicherte erklärt, daß seine Einkünfte aus sämtlichen der Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeiten im Kalenderjahr die Versicherungsgrenze übersteigen werden. In allen anderen Fällen ist der Eintritt der Pflichtversicherung erst nach Vorliegen des rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides oder eines sonstigen maßgeblichen Einkommensnachweises im Nachhinein festzustellen."

§ 20:

"Meldungen der Zahlungsempfänger (Leistungswerber)

§ 20. (1) Die Leistungsempfänger bzw. Zahlungsempfänger (§ 75) sind verpflichtet, jede Änderung in den für den Fortbestand der Bezugsberechtigung maßgebenden Verhältnissen sowie jede Änderung ihres Wohnsitzes bzw. des Wohnsitzes des Anspruchsberechtigten, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, binnen zwei Wochen dem zuständigen Versicherungsträger anzuzeigen. Anspruchsberechtigte auf Pensionen aus der Pensionsversicherung mit Ausnahme der Ansprüche auf Waisenpensionen haben während des Pensionsbezuges jede Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sowie die Höhe des Erwerbseinkommens und jede Änderung der Höhe des Erwerbseinkommens binnen sieben Tagen zu melden, soweit dies für den Fortbestand und das Ausmaß der Bezugsberechtigung maßgebend ist. Einkommensänderungen, die auf Grund der alljährlichen Rentenanpassung in der Kriegsopfer- und Heeresversorgung bewirkt werden, unterliegen nicht der Anzeigeverpflichtung.

(2) Abs. 1 gilt auch für Personen,

1. die eine Leistung aus einem Versicherungsfall des Alters, der Erwerbsunfähigkeit oder des Todes beantragt haben, wenn sie vom Versicherungsträger nachweislich über den Umfang ihrer Meldeverpflichtung belehrt wurden;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 71/2003)"

§ 37.

"(1) Dem Versicherungsträger ist zur Eintreibung nicht rechtzeitig entrichteter Beiträge die Einbringung im Verwaltungswege gewährt (§ 3 Abs. 3 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991).

(2) Der Versicherungsträger hat zur Eintreibung nicht rechtzeitig entrichteter Beiträge einen Rückstandsausweis auszufertigen. Dieser Ausweis hat den Namen und die Anschrift des Beitragsschuldners, den rückständigen Betrag, die Art des Rückstandes samt Nebengebühren, den Beitragszeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen und sonstige Nebengebühren sowie den Vermerk des Versicherungsträgers zu enthalten, daß der Rückstandsausweis einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht unterliegt. Der Rückstandsausweis ist Exekutionstitel im Sinne des § 1 der Exekutionsordnung. Im Rückstandsausweis können, wenn dies aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung angezeigt erscheint, die Beiträge zur Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung und zur Selbständigenvorsorge als einheitliche Summe und die darauf entfallenden Verzugszinsen und Nebengebühren ebenfalls als einheitliche Summe ausgewiesen werden.

(3) Vor Ausstellung eines Rückstandsausweises ist der rückständige Betrag einzumahnen. Die Mahnung wird durch Zustellung eines Mahnschreibens (Postauftrages) vollzogen, in dem der Beitragsschuldner unter Hinweis auf die eingetretene Vollstreckbarkeit aufgefordert wird, den Beitragsrückstand binnen zwei Wochen, von der Zustellung an gerechnet, zu bezahlen. Ein Nachweis der Zustellung des Mahnschreibens ist nicht erforderlich; bei Postversand wird die Zustellung des Mahnschreibens am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post vermutet.

[...]"

§ 40:

"Verjährung der Beiträge

§ 40.(1) Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Versicherte die Erstattung einer Anmeldung bzw. Änderungsmeldung oder Angaben über das Versicherungsverhältnis bzw. über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge unterlassen oder unrichtige Angaben über das Versicherungsverhältnis bzw. über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Die Verjährung ist gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes über das Bestehen der Pflichtversicherung oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig ist.

(2) Das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden verjährt binnen zwei Jahren nach Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung. Die Verjährung wird durch jede zum Zwecke der Hereinbringung getroffene Maßnahme, wie zum Beispiel durch Zustellung einer an den Zahlungspflichtigen gerichteten Zahlungsaufforderung (Mahnung), unterbrochen; sie wird durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung sowie in den Fällen des § 35c bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens gehemmt. Bezüglich der Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beitragsschuldners/der Beitragsschuldnerin gelten die einschlägigen Vorschriften der Insolvenzordnung.

(3) Sind fällige Beiträge durch eine grundbücherliche Eintragung gesichert, so kann innerhalb von 30 Jahren nach erfolgter Eintragung gegen die Geltendmachung des dadurch erworbenen Pfandrechtes die seither eingetretene Verjährung des Rechtes auf Einforderung der Beiträge nicht geltend gemacht werden."

3.5. Zur Feststellungsverjährung:

3.5.1. Gemäß § 40 Abs. 1 GSVG verjährt das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Die Fälligkeit von Beiträgen richtet sich nach § 35 Abs. 2 GSVG. Werden die Beiträge durch den Versicherungsträger für die Beitragsmonate eines Kalendervierteljahres gemeinsam vorgeschrieben, so sind diese Beiträge mit dem Ablauf des zweiten Monates des betreffenden Kalendervierteljahres fällig. Werden Beiträge auf Grund einer nachträglichen Feststellung der Einkünfte des Versicherten durch die Finanzbehörden vorgeschrieben, so sind sie mit dem Letzten des zweiten Monates des Kalendervierteljahres fällig, in dem die Vorschreibung erfolgt.

Die Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung wurden dem BF für die Beitragsjahre 2000 bis 2004 vorgeschrieben. Die mit Einkommenssteuerbescheiden festgestellten Einkünfte des BF im beschwerdegegenständlichen Zeitraum wurden der belangten Behörde nachweislich am 03.06.2005 (EStB 1999, 2000, 2001 und 2003), 18.02.2005 (EStB 2002) und 03.03.2006 (EStB 2004) von der Finanzverwaltung im Wege des elektronischen Datenaustausches gemäß § 229a GSVG übermittelt, sodass die Fälligkeit der Beiträge spätestens zu diesen Zeitpunkten eintrat.

Das erkennende Gericht geht davon aus, dass eine Verjährung des Rechts auf Feststellung gegenständlich nicht eingetreten ist:

Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird gemäß § 40 Abs. 1 dritter Satz GSVG durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird.

Unter einer zur Unterbrechung der Verjährung des Feststellungsrechts geeigneten Maßnahme ist jede nach außen hin in Erscheinung tretende und dem Beitragsschuldner zur Kenntnis gebrachte Tätigkeit des Versicherungsträgers zu verstehen, die der rechtswirksamen Feststellung der Beitragsschuld dient. Entsprechend dem Regelungszweck des § 40 Abs. 1 GSVG, nach dem immer dann (aber nur dann) eine Verjährung des Rechtes auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung eintreten soll, wenn gegenüber dem Schuldner innerhalb der gesetzten Fristen keine auf die Verpflichtung zur Zahlung gerichtete Maßnahme gesetzt wird, sind aber auch andere objektiv dem Feststellungsziel dienende Aktivitäten des Sozialversicherungsträgers, wie z.B. die Übersendung von Kontoauszügen über Rückstände an bestimmten Beiträgen durch den Versicherungsträger, als Maßnahmen im Sinne des § 40 Abs. 1 GSVG zu werten (vgl. VwGH 22.12.2010, 2007/08/0177, mwN).

Wesentlich für die Unterbrechung der Verjährung ist nach dem klaren Gesetzwortlaut, dass der Zahlungspflichtige von der getroffenen in Kenntnis gesetzt wird. Die vom Gesetz geforderte In-Kenntnissetzung des Beitragsschuldners wird bei Unterbrechungsmaßnahmen, die im Postweg erfolgen, mit Zustellung (per Rückschein) verwirklicht sein. Ansonsten würde die Unterbrechung ins Belieben des nachlässigen Schuldners gerückt werden, der seine Post nicht behebt/liest (vgl. Derntl in Sonntag (Hrsg), GSVG zu § 40, Rz 11).

Eine Zahlungsaufforderung (Mahnung) an den Zahlungspflichtigen bewirkt nach § 68 Abs. 2 ASVG eine Unterbrechung der Verjährung, wenn sie an diesen zugestellt wird. Zur Wirksamkeit als Unterbrechungsmaßnahme ist demnach hier keine Kenntnisnahme des Zahlungspflichtigen, wohl aber eine rechtlich wirksame Zustellung vorausgesetzt. Diese Mahnung bedarf zwar keines Nachweises der Zustellung, diese wird vielmehr bei Postversand am dritten Tag nach der Aufgabe der Post vermutet. Diese Vermutung ist aber nicht unwiderleglich; dem Zahlungspflichtigen steht der Gegenbeweis offen (Hinweis: E 30. Mai 1995, 93/08/0201, VwSlg 14264 A/1995). Die Vermutung der Zustellung setzt weiter die Feststellung voraus, dass die Mahnung überhaupt zur Post gegeben wurde, wobei den Träger der Krankenversicherung insoweit keine Beweislast trifft, die Frage der Postaufgabe ist vielmehr im Streitfall unter Mitwirkung der Parteien von Amts wegen zu klären (vgl. VwGH vom 12.09.2012, 2009/08/0049 mwN).

Im gegenständlichen Fall wurden dem BF erstmals im 3. Quartal 2005 Beiträge vorgeschrieben. In der Folge hat die belangte Behörde beginnend mit Versand einer Mahnung vom 20.09.2005 in regelmäßigen Abständen - nämlich weiters mit 19.06.2006, 09.03.2007, 05.09.2008, 05.03.2010, 09.09.2011, 08.03.2013, 12.09.2014 und 15.09.2017 - Mahnungen bzw. Sondermahnungen, sowie einen Kontoauszug vom 22.10.2016 an die laut zentralem Melderegister ausgewiesene Adresse des BF versandt. Darüber hinaus stellte die belangte Behörde am 25.07.2016 einen Antrag auf Aufrechnung des Beitragsrückstandes, der dem BF mit Bescheid der PVA vom 28.07.2016 (dem BF zugestellt mit 01.08.2016) zur Kenntnis gebracht wurde.

Betreffend die Zustellung der Sondermahnungen kommt jedenfalls im Zeitraum bis zur Bestellung des Sachwalters § 37 Abs. 3 GSVG zum Tragen, wonach ein Nachweis der Zustellung des Mahnschreibens nicht erforderlich ist; bei Postversand vielmehr die Zustellung des Mahnschreibens am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post vermutet wird. Hinsichtlich des tatsächlichen Postversandes trifft die belangte Behörde keine Beweislast. Dennoch legte die belangte Behörde Nachweise für Zustellversuche von Sondermahnungen vom 09.03.2007, 05.09.2008 und 05.03.2010 an die laut Melderegister ausgewiesene Zustelladresse des BF vor, sodass der tatsächliche Postversand jedenfalls dieser Sondermahnungen aktenkundig ist. Wie beweiswürdigend ausgeführt, handelte es sich bei den Mahnungen vom 09.09.2011 und 08.03.2013, sowie auch bei jenen vom 12.09.2014 und 15.09.2017 um technisch-automatisiert erstellte und versandte Schreiben, woraus nach Ansicht des erkennenden Gericht zu folgen ist, dass der Versand auch dieser Schreiben tatsächlich erfolgt ist, und die Zustellfiktion des § 37 Abs. 3 GSVG damit zum Tragen kommt. Gleiches gilt für die Mahnungen vom 20.09.2005 und 19.06.2006.

Hinsichtlich der ebenfalls ins Treffen geführten Sondermahnung vom 11.03.2016 ist festzuhalten, dass diese nicht an die zu diesem Zeitpunkt aktuelle Meldeadresse des BF gerichtet war, und damit nicht als zweckdienliche Maßnahme zu qualifizieren ist.

Im Ergebnis erweisen sich die in regelmäßigen Abständen seitens der Behörde vorgenommenen Maßnahmen im Lichte der obigen Ausführungen als objektiv der Feststellung der Beitragsschuld dienlich und geeignet, eine Unterbrechung der Verjährung des Rechts auf Feststellung der Beiträge zu bewirken.

3.5.2. Auch der Umstand, dass für den BF mit Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 03.01.2014 ein Sachwalter für die Besorgung aller Angelegenheiten gemäß § 168 Abs. 3 Z 3 ABGB bestellt wurde, hat gegenständlich keinen Verlust des Rechts auf Feststellung der Beitragsschulden zur Folge:

Gemäß § 40 Abs. 1 2. Satz GSVG verlängert sich die Verjährungsfrist der Feststellung auf fünf Jahre, wenn der Versicherte die Erstattung einer Anmeldung bzw. Änderungsmeldung oder Angaben über das Versicherungsverhältnis bzw. über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge unterlassen oder unrichtige Angaben über das Versicherungsverhältnis bzw. über die Grundlagen für die Berechnung der Beiträge gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als unrichtig hätte erkennen müssen.

Gemäß § 20 GSVG ist der Leistungs- bzw. Zahlungsempfänger verpflichtet, jede Änderung ua. des Wohnsitzes dem zuständigen Versicherungsträger anzuzeigen. Diese Meldepflicht schreibt dem Versicherten ein persönliches Tätigwerden vor, welches durch nichts, insb. auch durch keinen anderen Vorgang, zB. die Möglichkeit für den Versicherungsträger ersetzt wird, die Höhe der Einkünfte des Versicherten sonst irgendwie in Erfahrung zu bringen. Es ist auch nicht entscheidend, ob eine andere Behörde, zb. die Gewerbebehörde, den Versicherungsträger von den maßgeblichen Umständen verständigt hat, oder dessen Verständigung auch nur zugesagt hat. Der Versicherte hat kein Recht darauf, dass der Versicherungsträger über die normale Verwaltungstätigkeit hinausgehende und mit wesentlichen Erschwernissen verbundene Akte setzt, um die Entstehung eines vom Versicherten verschuldeten Überbezuges zu verhindern. Die persönliche Meldepflicht entbindet den Versicherungsträger sogar, eine zwischen seinen einzelnen Abteilungen nicht schon vorhandene Koordination zur Entlastung des Versicherten herzustellen (OLG Wien SV-Slg 20.997).

Durch diese persönliche Meldepflicht soll sichergestellt werden, dass der Versicherungsträger über alle maßgebenden Verhältnisse möglichst rasch Kenntnis erlangt, um seine Leistungen den geänderten Verhältnissen entsprechend anpassen zu können (OLG Wien SSV 21/45, 23/43) (vgl. Aminger-Solich in Sonntag (Hrsg), GSVG zu § 20, Rz 1f.).

Gegenständlich wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 03.01.2014 XXXX zum Sachwalter des BF für die Besorgung aller Angelegenheiten bestellt. Der belangten Behörde wurde dieser Umstand jedoch erst infolge des Unterbrechungsbeschlusses des Arbeits- und Sozialgerichtes vom 06.02.2017, Zl XXXX bekannt. Es wäre jedoch dem Erwachsenenvertreter des BF oblegen, die bescheiderlassende Behörde vom Umstand seiner Erwachsenenbestellung unverzüglich in Kenntnis zu setzen und über die damit einhergehende Änderung der maßgeblichen Zustelladresse des BF zu informieren. Der Sachwalter hat es damit unterlassen, als Vertreter des Versicherten eine Anmeldung bzw. Änderungsmeldung im Sinne des § 40 Abs. 1 GSVG zu erstatten. Ungeachtet dessen, dass sich die belangte Behörde damit in Unkenntnis einer Änderung der Zustelladresse befand, sodass die Zustellung von Schriftstücken an die laut Melderegister ausgewiesene Adresse des BF somit auch nach Bestellung des Sachwalters mit Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 03.01.2014 als zweckdienliche Betreibungsmaßnahmen zu qualifizieren wäre, ist aufgrund der Verletzung der Meldepflicht daher ab diesem Zeitpunkt eine Verjährungsfrist der Feststellung von fünf Jahren eingetreten. Die Verjährung des Rechts auf Feststellung der Beitragsschuld mit dem gegenständlichen Bescheid vom 27.10.2017 ist somit nicht eingetreten.

3.6. Zur Einforderungsverjährung:

Gemäß § 40 Abs 2 GSVG verjährt das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden binnen zwei Jahren nach Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung. Die Verjährung wird durch jede zum Zwecke der Hereinbringung getroffene Maßnahme, wie zum Beispiel durch Zustellung einer an den Zahlungspflichtigen gerichteten Zahlungsaufforderung (Mahnung), unterbrochen (...).

Als verjährungsunterbrechende Maßnahme iSd § 68 Abs 2 ASVG ist jede Maßnahme anzusehen, die objektiv mit dem Zweck der Hereinbringung der offenen Forderung in Einklang gebracht werden kann, mit anderen Worten, diesem Zwecke - unmittelbar oder mittelbar - dient. Dient eine Maßnahme dem Zweck der Hereinbringung, dann ist zu vermuten, daß sie zu diesem Zwecke getroffen wurde. Voraussetzung ist lediglich, daß die Behörde eindeutig zu erkennen gibt, daß sie eine Maßnahme in Bezug auf die konkrete Forderung gegen den Zahlungspflichtigen setzen wollte, mit anderen Worten, die Setzung einer solchen konkreten Maßnahme auch später noch nach der Aktenlage nachvollziehbar ist. Ob eine Maßnahme der Hereinbringung einer offenen Forderung dient, hängt von der Beurteilung im Einzelfall ab. Ist die Anschrift des Verpflichteten nicht bekannt (oder der Verpflichtete an der bekannten Anschrift nicht erreichbar), so dienen all jene Maßnahmen der Hereinbringung der offenen Forderung, die der Feststellung des tatsächlichen Aufenthaltsortes des Verpflichteten (zum Zwecke, die exekutive Einbringung der Forderung auf geeignete Weise fortsetzen zu können) dienen (hier ua Außendiensterhebungen des Versicherungsträgers und Anfragen beim Zentralmeldeamt) (VwGH 22.12.2004, 2004/08/0099 zu § 68 ASVG).

Da im § 68 Abs 2 ASVG die Zustellung einer an den Zahlungspflichtigen gerichteten Zahlungsaufforderung (Mahnung) nur als Beispiel einer Maßnahme iSd § 68 Abs 2 angeführt ist, unterbricht nicht nur sie die Einforderungsverjährung iSd § 68 Abs 2 ASVG. Wegen des Beispielcharakters kann auch daraus nicht die Erforderlichkeit der Inkenntnissetzung bzw. Verständigung des Zahlungspflichtigen für die Wirksamkeit einer solchen Maßnahme abgeleitet werden (VwGH 30.05.1995, 93/08/0201)

Wie bereits oben ausgeführt, hat die belangte Behörde in regelmäßigen Abständen - jeweils unter Wahrung der zweijährigen Verjährungsfrist - laufende Einbringungsmaßnahmen vorgenommen, die objektiv dem Zweck der Hereinbringung der offenen Forderung dienten und somit verjährungsunterbrechende Wirkung im Sinne des § 40 Abs. 2 GSVG entfalten. Kenntnis des BF über die vorgenommenen Einbringungsmaßnahmen seitens der Behörde ist im Anwendungsbereich des § 40 Abs. 2 GSVG keine notwendige Voraussetzung der Verjährungsunterbrechung.

3.7. Im Ergebnis trat somit weder eine Verjährung des Rechts auf Feststellung, noch auf Einforderung der offenen Beitragsforderung ein, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.

4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der BF die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Partei zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall liegt dem Bundesverwaltungsgericht die zur Klärung der Rechtsfrage nötige Aktenlage vor. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes hätte eine mündliche Verhandlung, die auch nicht beantragt wurde, keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen und war der Sachverhalt iSd § 24 Abs. 4 VwGVG entscheidungsreif. Insgesamt konnte daher von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das hg. Erkenntnis hält sich an die darin zitierte Judikatur des VwGH.

Schlagworte

Beitragsschuld Erwachsenenvertreter Feststellung der Beitragspflicht Mahnung Meldepflicht Verjährungsfrist Verjährungsunterbrechung Zustelladresse Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W151.2180658.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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