Entscheidungsdatum
15.05.2020Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G307 2227862-5/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des XXXX, geb. XXXX, StA. Algerien alias Marokko in Schubhaft, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst, gemeinnützige Gesellschaft mbH - ARGE Rechtsberatung in 1170 Wien, Zl. XXXX zu Recht erkannt:
A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
1. Der betroffene Fremde (im Folgenden: BF) reiste zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt - jedoch spätestens am 08.01.2018 - unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet ein, wurde an diesem Tag von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen und stellte einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes. Dieser wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) mit Bescheid vom 27.02.2018, Zahl XXXX abgewiesen, dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Algerien zulässig sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen und erwuchs diese Entscheidung am 28.03.2018 in Rechtskraft.
Mit Bescheid des BFA vom 25.07.2019, in Rechtskraft erwachsen am 24.08.2019, wurden gegen den BF unter anderem eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die Gründe hiefür lagen im Wesentlichen in den gegenüber dem BF bis dahin ausgesprochenen (2) rechtskräftigen Verurteilungen.
2. Mit Bescheid vom XXXX.2019 wurde über den BF zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt. Dieser Bescheid erwuchs am XXXX.2019 in Rechtskraft.
3. Am 29.01.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht die erste mündliche Verhandlung zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung des BF in Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG durch.
4. Am 26.02.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht die zweite mündliche Verhandlung zur amtswegigen Überprüfung der Anhaltung des BF in Schubhaft durch und stellte in der Folge gemäß Art 22a Abs. 4 BFA-VG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen seien und deren Aufrechterhaltung im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig sei.
5. Am 24.03.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht die dritte amtswegige Überprüfung der Anhaltung des BF in Schubhaft durch und stellte in der Folge gemäß Art 22a Abs. 4 BFA-VG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen seien und deren Aufrechterhaltung im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig sei.
Mit Erkenntnis vom 20.04.2020, Zahl G313 2227862-4/3E stellte das BVwG unter anderem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG fest, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzzungen vorlägen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig seien.
6. Am 09.05.2020 legte das Bundesamt die den BF betreffenden Akten erneut dem Bundesverwaltungsgericht zur Verhältnismäßigkeitsprüfung vor, welche am selben Tag hierorts einlangten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist in Österreich unter Angabe verschiedener, nämlich folgender Identitäten aufgetreten:
* XXXX, geb. XXXX
* XXXX, geb. XXXX
* XXXX, geb. XXXX
* XXXX, geb. XXXX
1.2. Der BF war von XXXX.2018 bis XXXX.2018, XXXX.2019 bis XXXX.2019 und XXXX.2019 bis XXXX.2019 in diversen Justizanstalten mit Neben- und Hauptwohnsitz gemeldet. Seit dem XXXX.2019 befindet er sich im XXXX in Schubhaft. Von 22.01.2018 bis 07.02.2019 war der BF privat mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet.
1.3. Am 07.08.2019 wurde der BF durch ein Organ des BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er BF im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, in Österreich bleiben zu wollen und hier eine Freundin zu haben. Auch habe er Verwandte in Spanien; man solle ihm zwei Tage Zeit geben, dann werde er verschwunden sein. Auch würde ihm seine Familie helfen, in Spanien Fuß zu fassen. Nach Algerien wolle er nicht gehen, er habe dafür seine Gründe. Auch gab er an, dass er im Moment zwar kein Geld habe, doch könne ihm in Spanien seine Familie helfen. Auf die Frage, was er nach seiner Entlassung aus der Strafhaft machen werde, gab der BF an, zuerst seine Freundin aufsuchen und sich anschließend nach Spanien begeben zu wollen (siehe Niederschrift des BFA vom 07.08.2019).
Mit Mandatsbescheid vom XXXX.2019, Zahl XXXX, verhängte das Bundesamt zum Zweck der Sicherung seiner Abschiebung die Schubhaft über den BF. Die Rechtsfolgen dieses Bescheides traten erst nach seiner Entlassung aus der Strafhaft ein.
Gegen den Schubhaftbescheid erhob der BF jedoch keine Beschwerde, weshalb dieser - ausgehend vom Zeitpunkt seiner Zustellung - am XXXX.2019 in Rechtskraft erwuchs.
Bereits am 25.07.2018 leitete das Bundesamt mit Algerien ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats (HRZ) ein.
Am XXXX.2018 wurde der BF nach erfolgter Urgenz durch das BFA der algerischen Botschaft vorgeführt. Zwischenzeitig wurden mehrere Urgenzen getätigt und die Ausstellung eines HRZ von der algerischen Botschaft am XXXX.2019 abgelehnt.
Am XXXX.2019 wurde die tunesische Botschaft um Ausstellung eines HRZ ersucht, was diese mit Schreiben vom 23.04.2019 ablehnte.
Am XXXX.2019 bemühte das Bundesamt auch die Botschaft von Marokko um die Ausstellung eines HRZ. Dem folgten 9 Urgenzen, die letzte am 15.04.2020, wobei es bis jetzt noch kein dahingehendes Ergebnis gibt.
Auch im Zuge der am 29.01.2020 und 26.02.2020 durchgeführten Prüfungsverhandlungen zeigte sich der BF nicht rückkehrwillig, indem er auf die Frage, ob er freiwillig nach Algerien zurückkehrte, angab, dorthin nicht mehr zurückkehren, er illegal zu seinen Verwandten nach Spanien weiterreisen wolle. Danach führte er aus, er werde nicht nach Spanien reisen, weil er wisse, nach Österreich rücküberstellt zu werden. Auf die Frage, wohin er dann wolle, gab er an: "Das weiß ich nicht." Auf die Frage, ob er an der Beschaffung von Unterlagen aus Algerien bzw. an seiner Identitätsfeststellung mitwirken wollen würde, gab er an, dass er bereits in der letzten Verhandlung gesagt habe, nicht nach Algerien zurückkehren zu können, daher sich auch nicht selbst um die Erlangung von Dokumenten bemühen werde.
1.4. Dem BF liegen folgende Verurteilungen zur Last:
1. Landesgericht für Strafsachen XXXX zu XXXX vom XXXX.2018, in Rechtskraft erwachsen am XXXX.2018 wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß §§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (2a) 2. Fall, 27 (3) SMG § 15 StGB, wobei die letzte Tat am XXXX.2018 gesetzt wurde und er zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt wurde. Zu LG F.STRAFS. XXXX, in Rechtskraft erwachsen am XXXX.2018 wurde die Probezeit auf insgesamt 5 Jahre verlängert;
2. LG XXXX, zu XXXX vom XXXX.2019, in Rechtskraft erwachsen am XXXX.2019 wegen unerlaubten Waffenbesitzes gemäß § 50 (1) Z 2 WaffG, Suchtmittelhandels gemäß §§ 28a (1) 4. Fall, 28a (1) 5. Fall SMG und versuchter gefährlicher Drohung gemäß § 15 StGB, § 107 (1) StGB, wobei die letzte Tat am XXXX.2019 begangen wurde zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten, davon Freiheitsstrafe 14 Monate, bedingt, unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren. Der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe wurde am XXXX.2019 vollzogen;
3. LG.XXXX XXXX, vom XXXX.2019 in Rechtskraft erwachsen am XXXX.2019 wegen versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt, gemäß §§ 15 StGB § 269 (1) 3. Fall StGB, wobei die letzte Tat am XXXX.2019 begangen wurde, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten und einer Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG F.STRAFS.XXXX XXXX
1.5. Der BF versuchte mit der Aussage, "aus Geldnot bzw., weil ihn jemand angeredet habe", seine strafgerichtlichen Verurteilungen in Österreich zu bagatellisieren. Er ist nicht gewillt, sich an die österreichischen Gesetze zu halten.
1.6. Obwohl er mit einer in XXXX lebenden Frau eine Beziehung führt, hat der BF in Österreich keine maßgebliche familiäre, soziale, berufliche oder sonstige Verankerung. Er verfügt auch nicht über die notwendigen finanziellen Mittel zur Sicherung seines Unterhalts und hat auch keinen gesicherten Wohnsitz. Wegen der Ankündigung, nach Spanien weiterreisen zu wollen, ist davon auszugehen, dass diese Bindung zu seiner Freundin nicht von großer Intensität sein kann.
1.7. Fest steht weiter, dass der BF seit dem XXXX.2019, 08:28 Uhr, durchgängig in Schubhaft angehalten wird, er haftfähig ist und keine Umstände hervorgekommen sind, die eine Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts indizieren oder Zweifel an der Verhältnismäßigkeit seiner weiteren Anhaltung in Schubhaft erwecken.
1.8. Die belangte Behörde betreibt das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats bereits beginnend mit 25.07.2018 durch mehrfache Urgenzen zu deren Erlangung bzw. Feststellungsversuchen der Identität des BF mit Nachdruck.
Der BF ließ über XXXX nach Marokko (Empfänger XXXX) Geld überweisen; auf eingehende diesbezügliche Nachfrage gab er schließlich an, dass er dieses durch einen Freund überweisen habe lassen. Diese Daten wurden der Botschaft des Königreichs Marokko zur Ausstellung eines HRZ übermittelt, zuletzt wurde dazu am 15.04.2020 dazu urgiert.
Zuletzt wurde abermals die Botschaft von Algerien zur HRZ-Ausstellung ersucht. Am 27.03.2020 hätte der BF neuerlich der Botschaft von Algerien vorgeführt werden sollen, aufgrund der Corona Krise wurde dieser Termin jedoch verschoben.
Ein Heimreisezertifikat liegt aktuell zwar nicht noch nicht vor, jedoch hat das BFA bisher alles unternommen, um ein solches zu erlangen. Die Ausstellung eines HRZ ist bislang vorwiegend an der mangelnden Kooperationsbereitschaft des BF gescheitert. Aktuell werden dahingehende Verfahren mit Marokko und Algerien geführt.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft sind zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vorgegeben und kann daher die Schubhaft weiter forstgesetzt werden.
Der BF übte in Österreich bis dato keine legale Beschäftigung aus und konnten keine Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus festgestellt werden.
2. Beweiswürdigung:
Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes sowie den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF in Österreich und der Dauer der in diesem Zusammenhang verhängten Freiheitsstrafe ergibt sich aus dem Amtswissen des BVwG durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.
Die Feststellungen zur Familiensituation des BF und zu seiner mangelnden (sozialen) Integration in Österreich folgt der Aktenlage. Den zitierten Einvernahmen vor dem BFA und dem BVwG ist keine enge Bindung zu Österreich zu entnehmen.,
Die zu seiner finanziellen Situation getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage und fügen sich zudem stimmig in die (unstrittigen) Lebensumstände des BF. Hinweise auf substanzielle gesundheitliche Probleme sind dem Akt nicht zu entnehmen; ein grundsätzliches Fehlen der Haftfähigkeit wurde in keiner Phase des Verfahrens behauptet.
Da der BF keine Bescheinigungsmittel für Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus vorlegte, konnten keine dahingehenden Kenntnisse festgestellt werden.
Der auf den Namen des BF lautende Sozialversicherungsdatenauszug weist keine Beschäftigung aus.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zur Fortsetzung und Verhältnismäßigkeit der Schubhaft (Spruchpunkt A.):
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF., hat folgenden Wortlaut:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."
Die Bestimmung des § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., lautet wörtlich wie folgt:
"§ 22a. [...]
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde."
Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die Fortsetzung der seit dem XXXX.2019 andauernden Schubhaft wegen des Vorliegens dem vom BF ausgehenden hohen Fluchtgefahr (auf Grund des § 76 Abs. 2 Z 2 iVm. Abs. 3 FPG) der fehlenden Vertrauenswürdigkeit betreffend die Angaben zu seiner Identität und fehlender Kooperation weiterhin als erforderlich und die Anhaltung in Schubhaft wegen des Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Vergleich zum Recht des betroffenen Fremden auf persönliche Freiheit als verhältnismäßig.
Zu beachten ist, dass der BF trotz Bestandes einer Beziehung das permanente Ansinnen hegt, nach Spanien reisen zu wollen und damit die Absicht kundtut, sich bei Entlassung aus der Schubhaft der behördlichen Verfügungsmacht zu entziehen.
Da eine zeitnahe Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat nach Vorliegen des HRZ als sehr wahrscheinlich gilt, seitens der Behörde auch auf eine Einzelrückführung des BF hingewiesen wurde, er sich bislang trotz rechtskräftiger Entscheidung beharrlich geweigert hat, seiner Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet nachzukommen und in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren, muss von einem verstärkten Sicherungsbedarf ausgegangen werden. Dieser wird in seinem Fall gerade auch dadurch verstärkt, dass er nunmehr in Kenntnis davon ist, dass eine Abschiebung unmittelbar bevorsteht und er seine illegalen Reisebewegungen nicht mehr fortsetzen kann, wodurch ihm eine illegale Weiterreise von Österreich ausgehend in andere europäische Staaten unmöglich wird, über die er sich einer Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen könnte. Auch hat er seine hohe Bereitschaft, sich dem Zugriff der Behörden durch Flucht zu entziehen, dadurch unter Beweis gestellt, dass er immer wieder betonte, in den Herkunftsstaat nicht zurückkehren zu wollen. Seine mangelnde Vertrauenswürdigkeit, die sich aus seinem bereits näher dargelegten Gesamtverhalten ergibt, lässt eine Fluchtgefahr durchaus als erheblich erscheinen. Auch seine Bereitschaft, sich durch Straftaten Geld im Rahmen der Suchtmitteldelikte zu beschaffen, weist auf dringenden Sicherungsbedarf hin.
Aus den eben dargelegten Umständen ist aktuell - jedenfalls - von einer als erheblich zu qualifizierenden Fluchtgefahr auszugehen, zumal besondere Umstände vorliegen, die ein Untertauchen des BF - um sich so einer Abschiebung zu entziehen - befürchten lassen.
Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG (etwa in Gestalt einer Wohnsitzauflage) erweist sich im Hinblick auf die erhebliche Fluchtgefahr als nicht geeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck (Durchführung der Abschiebung) zu erreichen. So gab der BF an, bei Freilassung "zuerst seine Freundin zu besuchen, danach aber gleich nach Spanien abzuhauen". Dies wird auch nicht zuletzt durch das in der Vergangenheit gezeigt Verhalten des BF untermauert.
Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Dass besondere in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen würden, die der Schubhaft allenfalls entgegenstehen könnten, ist anlassbezogen nicht hervorgekommen.
Vorliegend ist von einem Anwendungsfall des § 80 Abs. 4 Z 1 FPG auszugehen, weshalb die diesbezüglich vorgesehene Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht überschritten wurde.
Im Übrigen hat sich an den Umständen, die in den vorangegangenen Schubhaftüberprüfungsverfahren maßgebend waren, nichts Entscheidendes geändert.
Die Anhaltung in Schubhaft erweist sich somit weiterhin zum Zweck der Sicherung der Abschiebung wegen Fluchtgefahr als notwendig und verhältnismäßig. Die andauernde Schubhaft kann daher - auch unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer der Anhaltung - fortgesetzt werden, weshalb gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wie im Spruch angeführt zu entscheiden war.
Das Gericht schließt zwar nicht aus, dass es aufgrund der derzeitigen Pandemie (CoViD-19) in den kommenden Wochen weiterhin zu Verzögerungen oder Annullierungen von Flügen im internationalen Flugverkehr kommen könnte. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des BF in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht jedoch aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand - kooperatives Verhalten des BF vorausgesetzt, etwa bei von der Botschaft angeforderten weiteren Auskünften - als in der nächsten Zeit einzustufen. Eine Abschiebung ist aus derzeitiger Sicht jedenfalls realistisch. Nach aktueller Betrachtung ist auch damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit CoViD-19 zumindest noch weitgehend gelockert und Abschiebungen durchführbar sein werden. Zur Abschiebemöglichkeit sind derzeit Flugbeschränkungen bis 3.5.2020 vorgesehen. Auch wurde seitens der Behörde auf die Möglichkeit der Einzelabschiebung des BF hingewiesen. Eine zeitnahe Identifizierung und Abschiebung des BF erscheint daher jedenfalls als möglich.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm. § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Es sind keine Umstände gegenüber den beiden Schubhaftüberprüfungsverhandlungen der Vergangenheit hervorgekommen, die bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung eine Wendung erwarten ließen.
Zu Spruchteil B): Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF., hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder von den Parteien vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen.
Schlagworte
Fluchtgefahr Interessenabwägung öffentliche Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Sicherungsbedarf Verhältnismäßigkeit VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G307.2227862.5.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020