TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/18 G314 2200815-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.05.2020
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Entscheidungsdatum

18.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2

Spruch

G314 2200815-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des slowakischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.06.2018, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu Recht:

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass es in Spruchpunkt I. zu lauten hat: "Gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen."

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde in Österreich dreimal strafgerichtlich verurteilt. Zuletzt wurde er am XXXX.03.2017 im Bundesgebiet festgenommen und mit dem seit XXXX rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX, zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt.

Mit Eingabe vom 11.04.2017 langte eine schriftliche Stellungnahme des BF zur beabsichtigten Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 3 FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit der letzten strafgerichtlichen Verurteilung des BF begründet. Die von ihm gesetzten Handlungen seien unter § 67 Abs 1 und Abs 3 FPG zu subsumieren. Er habe keine familiären Anbindungen im Bundesgebiet; sein Privatleben stünde dem Aufenthaltsverbot nicht entgegen.

Dagegen richtet sich die auf Slowakisch verfasste Eingabe des BF, mit der er erkennbar die Behebung ("Annullierung") des angefochtenen Bescheids anstrebt. Er weist darauf hin, dass er "an der genannten Adresse" angemeldet gewesen sei und kritisiert, dass er keine Übersetzung des Bescheids in seine slowakische Muttersprache erhalten habe.

Das BFA wertete die Eingabe nach Veranlassung einer Übersetzung ins Deutsche (richtigerweise) als Beschwerde und legte sie samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor.

Das Landesgerichts für Strafsachen XXXX übermittelte dem BVwG den ECRIS-Auszug des BF sowie die Rechtsmittelentscheidungen zu seiner letzten Verurteilung.

Feststellungen:

Der BF ist slowakischer Staatsangehöriger und kam am XXXX in der slowakischen Stadt XXXX zur Welt. Er zählt sich selbst zur Volksgruppe der Roma. Er ist verheiratet und für zwei Kinder sorgepflichtig. Die Familie lebte zuletzt in der slowakischen Stadt XXXX zusammen. Die Frau des BF ist an Krebs erkrankt und wurde deshalb in der Schweiz behandelt (Stellungnahme; Reisepass).

Die Muttersprache des BF ist Slowakisch; er spricht gebrochen Deutsch. Er besuchte in der Slowakei die Grundschule und das Gymnasium; danach studierte er mehrere Jahre an einer Universität. Nach eigenen Angaben arbeitete er vor seiner Festnahme im März 2017 bei einem Radiosender und bezog ein monatliches Einkommen von EUR 600 (Stellungnahme; Vollzugsinformation; XXXX).

Der BF wurde in den Jahren XXXX und XXXX in der Slowakei und XXXX in Tschechien jeweils zu mehrmonatigen Freiheitsstrafen, vorwiegend wegen Vermögensdelikten, verurteilt. XXXX wurde gegen ihn in der Slowakei wegen Diebstahls eine vierjährige Freiheitsstrafe verhängt (ECRIS-Auszug OZ 5).

Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX, wurde der BF wegen des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls, teils durch Einbruch (§§ 15, 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 zweiter Satz StGB) zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er (unter Berücksichtigung der angerechneten Vorhaft) ab XXXX.11.2004 in den Justizanstalten XXXX verbüßte. Diese Verurteilung war Grundlage für den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom XXXX.02.2005, mit dem gegen ihn ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde, dessen Gültigkeitsdauer in der Folge auf zehn Jahre beschränkt wurde. Am XXXX.05.2006 wurde er unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt aus der Haft entlassen und reiste noch am selben Tag freiwillig aus dem Bundesgebiet aus (XXXX; Bescheid vom XXXX.02.2005; Ausreisebestätigung).

Am XXXX.06.2008 wurde der BF neuerlich im Bundesgebiet festgenommen und in der Folge in Untersuchungshaft angehalten. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX, wurde er wegen der (teilweise versuchten) wiederkehrenden Begehung von - auch - schweren Einbruchsdiebstählen von Sachen in einem EUR 50.000 übersteigenden Gesamtwert (§§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 zweiter Satz, 15 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Gleichzeitig wurde die 2006 ausgesprochene bedingte Entlassung widerrufen (XXXX; Strafregisterauszug). Der BF wurde bis XXXX.10.2013 in den Justizanstalten XXXX angehalten. An diesem Tag wurde er den slowakischen Behörden aufgrund eines Europäischen Haftbefehls zur Strafvollstreckung übergeben, nachdem seine Auslieferung mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX für zulässig erklärt worden war (Auslieferungsbrief vom 11.10.2013). Über ihn war XXXX in der Slowakei (unter anderem wegen Diebstahls) eine neunjährige Freiheitsstrafe verhängt worden, wobei im Februar 2016 der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt wurde (ECRIS-Auszug OZ 5).

Anfang September 2016 reiste der BF wieder in das Bundesgebiet ein, um hier Einbruchsdiebstähle zu begehen und so seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Am XXXX.03.2017 wurde er verhaftet und in der Folge in Untersuchungshaft genommen. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX, wurde er wegen des Verbrechens des schweren, gewerbsmäßigem Diebstahl durch Einbruch (§§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 2 und Abs 2 Z 1, 130 Abs 1 erster Fall, Abs 2 zweiter Fall und Abs 3, 15 StGB), sowie der Vergehen der Unterdrückung von Urkunden (§ 229 Abs 1 StGB), der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel (§ 241 e Abs 1 und Abs 3 StGB) und dem Besitz einer verbotenen Waffe (§ 50 Abs 1 Z 2 WaffG) zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Dem Urteil lag zugrunde, dass er in XXXX zwischen September 2016 und März 2017 in zahlreichen Angriffen Wertgegenstände in einem Gesamtwert von ca. EUR 94.000 überwiegend durch Einbruch in Wohnstätten, in Gebäude und in Behältnisse wegnahm und wegzunehmen versuchte, und zwar mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von solchen Einbruchsdiebstählen mehrere Monate hindurch ein nicht bloß geringfügiges Einkommen zu verschaffen. Außerdem unterdrückte er Urkunden (Jahreskarte der Wiener Linien, Reisepässe, Geburtsurkunden, Staatsbürgerschaftsnachweis, Geschäftsunterlagen) und unbare Zahlungsmittel (Kreditkarten), über die er nicht verfügen durfte, und besaß unbefugt eine verbotene Waffe, nämlich einen in eine Taschenlampe integrierten Elektroschocker. Als mildernd wurden das reumütige Geständnis, der teilweise Versuch und die Sicherstellung eines (geringen) Teils der Beute gewertet, als erschwerend das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit mehreren Vergehen, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 39 StGB sowie fünf weitere einschlägige Vorstrafen im In- und Ausland, die Tatwiederholung innerhalb der Gewerbsmäßigkeit, die vielfache Überschreitung der Wertqualifikation und die mehrfache Deliktsqualifikation. Die Nichtigkeitsbeschwerde des BF wurde durch den Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom XXXX, zurückgewiesen und seiner Berufung durch das Oberlandesgericht XXXX mit Urteil vom XXXX, nicht Folge gegeben (XXXX samt Rechtsmittelentscheidungen XXXX und XXXX). Der BF verbüßt die Freiheitsstrafe seit XXXX.09.2019 in der Justizanstalt XXXX, nachdem er zuvor in den Justizanstalten XXXX angehalten worden war (ZMR-Auszug). Das voraussichtliche Strafende ist am XXXX.02.2025 (Vollzugsinformation).

Der BF war ab in Österreich nur dann meldeamtlich erfasst, wenn er in Justizanstalten angehalten wurde (ZMR-Auszug). Er hat im Bundesgebiet keine nahen Angehörigen. Er ist gesund und arbeitsfähig, war jedoch in Österreich nie legal erwerbstätig (Versicherungsdatenauszug). Ihm wurde nie eine Anmeldebescheinigung ausgestellt (IZR-Auszug).

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellungen basieren jeweils auf den in den Klammerzitaten angegebenen Beweismitteln. Die Identität des BF (Name, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit) ergibt sich aus den Angaben zu seiner Person in den Strafurteilen sowie aus seinem (dem BVwG in Kopie vorliegenden, 2014 abgelaufenen) Reisepass. Seine familiären Verhältnisse werden anhand seiner plausiblen Angaben in seiner Stellungnahme und der Feststellungen zu seiner Person im letzten Strafurteil festgestellt. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie sich mittlerweile geändert hätten, zumal im Zentralen Melderegister (ZMR) als Familienstand nach wie vor "verheiratet" aufscheint. Die Volksgruppenzugehörigkeit des BF wird anhand seiner Stellungnahme an das BFA festgestellt, in der er sich als "Zigoana" bezeichnete.

Der BF gab in dieser Stellungnahme auch an, dass seine Frau an Leukämie erkrankt sei und in der Schweiz behandelt werde, im Strafverfahren (siehe Urteil XXXX, Seite 5) machte er dagegen eine Krebserkrankung seiner Tochter geltend. Das BVwG geht dabei von der Richtigkeit der unmittelbar vor dem BFA getätigten Angaben aus. Letztlich ist nicht entscheidungswesentlich, ob die Ehefrau oder die Tochter des BF (oder allenfalls beide) erkrankt sind, weil sich das Aufenthaltsverbot nur auf das österreichische Bundesgebiet bezieht und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich die Frau oder die Tochter des BF hier aufhalten. An der vom BF angegebenen Adresse (XXXX) war laut dem Zentralen Melderegister (ZMR) weder er selbst noch seine Frau gemeldet. Entgegen dem in der Beschwerde vorgebrachten Einwand, er wäre "an der genannten Adresse" gemeldet gewesen, scheint im ZMR nämlich kein den BF betreffender Eintrag außerhalb von Haftanstalten auf. Der BF widerspricht sich in dieser Hinsicht selbst, indem er in seiner Stellungnahme angab, er habe keinen Meldezettel, weil die Besitzerin der Wohnung gesagt habe, dass er keinen brauche.

In der Beschwerde bezeichnet der BF Slowakisch als seine Muttersprache. Dies ist aufgrund seiner Herkunft und der dort absolvierten Ausbildung naheliegend. Zumindest rudimentäre Deutschkenntnisse sind ob der Aufenthalte im Inland plausibel und ergeben sich auch aus der (offenbar vom BF selbst auf Deutsch verfassten) Stellungnahme an das BFA.

Die Ausbildung und die Erwerbstätigkeit des BF in der Slowakei werden anhand seiner Angaben im Rahmen der Stellungnahme, der Daten im Strafurteil und der Niederschrift vom 08.07.2008 festgestellt. Der BF gab in der Stellungnahme an das BFA an, er sei seit Dezember 2016 in Österreich. Aus dem Strafurteil geht jedoch hervor, dass er sich schon seit September 2016 im Inland aufhielt, zumal er Anfang September 2016 ein Zimmer in einer Pension in Wien anmietete, das er als Versteck und als Lager für Diebesgut nutzte, und ab XXXX.09.2016 Straftaten beging (siehe Urteil XXXX, Seite 11).

Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu seinen Verurteilungen und zu den Strafbemessungsgründen basieren auf dem Strafregister, den Urteilen des Landesgerichts XXXX und den Rechtsmittelentscheidungen sowie auf dem Auszug aus dem Europäischen Strafregister-Informationssystem (ECRIS). Die Feststellungen zum Strafvollzug basieren auf der Vollzugsinformation, den Wohnsitzmeldungen in Justizanstalten laut ZMR sowie der Vorhaftanrechnung laut den Strafurteilen. Die Feststellungen zu seiner Auslieferung beruhen auf dem aktenkundigen Auslieferungsbrief.

Mangels anderslautender aktenkundiger Informationen ist davon auszugehen, dass beim BF keine relevanten gesundheitlichen Probleme bestehen. Seine Arbeitsfähigkeit folgt daraus und aus seinem erwerbsfähigen Alter, zumal er laut der Vollzugsinformation während des Strafvollzugs (XXXX) arbeitet.

Es sind keine Anhaltspunkte für eine Integration des BF in Österreich zutage getreten, sodass dazu keine weiteren Feststellungen getroffen werden. Weder seinen Angaben noch dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) lässt sich entnehmen, dass ihm eine Anmeldebescheinigung ausgestellt worden wäre. Dem Versicherungsdatenauszug lässt sich keine der österreichischen Sozialversicherung gemeldete Beschäftigung des BF (für die es auch keine anderen aktenkundigen Anhaltspunkte gibt) entnehmen.

Rechtliche Beurteilung:

Wenn der BF in seiner Beschwerde moniert, dass er den Bescheid nicht in seiner Muttersprache erhalten habe, ist ihm entgegenzuhalten, dass § 12 Abs 1 BFA-VG lediglich vorsieht, dass Entscheidungen des BFA und des BVwG den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung in einer dem Betroffenen verständlichen Sprache zu enthalten haben, nicht jedoch den gesamten Text der Entscheidung (einschließlich der Entscheidungsgründe). Eine unrichtige Übersetzung von Spruch und Rechtsmittelbelehrung kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen. Da der angefochtene Bescheid Spruch und Rechtsmittelbelehrung auf Slowakisch, der Muttersprache des BF, enthält und es ihm möglich war, dagegen rechtzeitig eine Beschwerde zu erheben, ist es nicht zu beanstanden, dass ihm die Bescheidbegründung nur in deutscher Sprache, ohne Übersetzung, zuging.

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

Der BF ist slowakischer Staatsangehöriger und somit EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen einen EWR-Bürger, der den Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden, so z.B. bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren (§ 67 Abs 3 Z 1 FPG).

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (siehe VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

Hier hat sich der BF weder seit zehn Jahren im Bundesgebiet aufgehalten noch das unionsrechtliche Recht auf Daueraufenthalt erworben (das einen fünfjährigen rechtmäßigen und kontinuierlichen Aufenthalt voraussetzt, siehe § 54a NAG). Daher ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter bis vierter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden.

Das persönliche Verhalten des BF stellt eine solche Gefahr dar, die Grundinteressen der Gesellschaft iSd Art 8 Abs 2 EMRK (an nationaler Sicherheit, der Verteidigung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, der Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer und der Moral) berührt. Die strafrechtlichen Verurteilungen wegen qualifizierter Vermögensdelikte, die zur Erzielung eines fortlaufenden Einkommens begangen wurden, führen insbesondere angesichts des massiv einschlägig belasteten Vorlebens des BF, eines Profieinbrechers (siehe Urteil Landesgericht XXXX), den auch lange Freiheitsstrafen nicht nachhaltig von weiterer Tatbegehung abhalten konnten, dazu, dass für ihn keine positive Zukunftsprognose erstellt werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich insbesondere bei Einbrüchen in Wohnstätten um wesentliche Eingriffe in die Privatsphäre der Opfer handelt, die diese erheblich belasten (siehe Regierungsvorlage zum Strafrechtsänderungsgesetz 2015, 689 d.B. XXV. GP). Der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233).

Der BF hat in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte. Es ist davon auszugehen, dass er während seines Aufenthalts im Bundesgebiet nur geringe fremdenrechtlich relevante Sozialkontakte geknüpft hat, zumal er Österreich nur aufsuchte, um hier Straftaten zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zu begehen und lediglich während seiner Unterbringung in Haftanstalten meldeamtlich erfasst war. Eine diese Aspekte berücksichtigende einzelfallbezogene gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit seinen gegenläufigen privaten Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen in Form einer Gesamtbetrachtung ergibt, dass der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privatleben des BF verhältnismäßig ist, zumal ausreichende Anknüpfungen iSd § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG zur Slowakei bestehen, wo er sprachkundig und mit den Gepflogenheiten vertraut ist.

Angesichts der schwerwiegenden Straftaten, die zum wiederholten Mal die Verhängung einer mehrjährigen Haftstrafe notwendig gemacht haben, ist es ihm zumutbar, von dem Studium an der Universität XXXX, das er laut seiner Stellungnahme anstrebt, vorerst abzusehen und seine Weiterbildung nach der Haftentlassung in der Slowakei oder einem anderen Staat zu betreiben (zumal seine Deutschkenntnisse für ein Studium an einer deutschsprachigen Hochschule nicht ausreichen).

Wenn der BF angibt, dass er in Österreich bleiben wolle, weil er in der Slowakei aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit diskriminiert wird, ist ihm entgegenzuhalten, dass es sich bei der Slowakei um einen Mitgliedstaat de EU handelt, sodass von der Einhaltung entsprechender rechtsstaatlicher Standards auszugehen ist, zumal er dort bis 2016 zusammen mit seiner Familie lebte, eine tertiäre Ausbildung absolvierte und bei einem Radiosender arbeitete, sodass seine Rückkehr nicht unzumutbar ist. Aufgrund der Verstöße gegen fremdenrechtliche Bestimmungen sowie der zuletzt begangenen Straftaten besteht ein besonders großes öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung, das das Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich auch unter Berücksichtigung einer gewissen Diskriminierung von Roma in der Slowakei überwiegt, zumal sich das Aufenthaltsverbot nur auf das österreichische Bundesgebiet bezieht und es dem BF als EWR-Bürger freisteht, sich nach seiner Haftentlassung allenfalls auch in einem anderen EWR-Staat niederzulassen. Er kann etwaige Kontakte zu in Österreich lebenden Freunden und Bekannten durch Telefonate, Briefe und elektronische Kommunikationsmittel (Internet, E-Mail, soziale Medien) sowie durch Besuche außerhalb Österreichs pflegen. Im Inland lebende Freunde können den BF ob der Nähe zu seinem Heimatstaat nach Wegfall der derzeit bestehenden Reisebeschränkungen auch dort besuchen.

Obwohl der BF seit Jahren schwerwiegende Straftaten gegen das Rechtsgut Vermögen beging und die bisherigen Sanktionen keine nachhaltige Änderung seines Verhaltens bewirkten, ist ein Aufenthaltsverbot in der Maximaldauer des § 67 Abs 2 FPG ausreichend, um der von ihm ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wirksam zu begegnen. Zwar ist die Voraussetzung des § 67 Abs 3 Z 1 FPG aufgrund der Verurteilung zu einer achtjährigen Freiheitsstrafe erfüllt, die Straftaten des BF erreichen jedoch nicht eine solche Schwere, die ein unbefristetes Aufenthaltsverbot notwendig macht. So sind ihm weder Straftaten gegen Leib und Leben noch gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung noch terroristische Straftaten anzulasten, ebensowenig organisierte Kriminalität oder bandenmäßiger Handel mit Suchtgift. Da er sich im Strafverfahren geständig verantwortete und das Strafgericht den Strafrahmen des § 130 Abs 3 StGB von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe nicht zur Gänze ausschöpfte, ist Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids insoweit abzuändern, als gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen wird.

Zu den Spruchpunkten II. und III. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Aufgrund der Straftaten des BF, der seinen Lebensunterhalt offenbar seit Jahren auch durch die Begehung von Vermögensdelikten bestreitet und die Rechtsordnung trotz empfindlicher Haftstrafen weiterhin beharrlich missachtete, besteht eine signifikante Wiederholungsgefahr. Dem BFA ist darin beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise nach seiner Haftentlassung im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Daher ist weder die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes gemäß § 70 Abs 3 FPG noch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG zu beanstanden. Die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids sind rechtskonform.

Da der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbots möglich wäre, liegt ein eindeutiger Fall vor, sodass eine Beschwerdeverhandlung, von deren Durchführung keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten ist, gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleibt.

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose, die Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG und die Bemessung der Dauer eines Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (siehe VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284, 01.03.2018, Ra 2018/19/0014 und 10.07.2019, Ra 2019/19/0186). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Geständnis Herabsetzung Interessenabwägung Milderungsgründe öffentliche Interessen strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2200815.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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