TE Bvwg Beschluss 2020/5/19 W268 1418411-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.05.2020
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Entscheidungsdatum

19.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W268 1418411-3/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag Iris GACHOWETZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2018, FZ XXXX , beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid im angefochtenen Umfang aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte nach seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 04.07.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2011 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.), welche in den Folgejahren immer verlängert wurde.

3. Der gegen Spruchpunkt I. der Entscheidung fristgerecht eingebrachten Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 08.09.2011 stattgegeben, der Bescheid im bekämpften Umfang behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.07.2013 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten neuerlich abgewiesen (Spruchpunkt I.).

5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.06.2014 wurde die Beschwerde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.

6. Mit Urteil des LG für Strafsachen XXXX vom 28.07.2016 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 297 Abs. 1 StGB, § 105 Abs. 1 StGB, § 146 StGB, §§ 15 iVm § 87 Abs. 1 StGB und § 107 Abs. 1 und 2 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 18 Monate bedingt, verurteilt.

7. Am 02.02.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung.

8. Am 10.04.2018 wurde gegenständliches Aberkennungsverfahren eingeleitet.

9. Mit Schreiben vom 01.06.2018 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer mit, dass ein Aberkennungsverfahren gemäß § 9 eingeleitet worden sei und er daher einen Ladungsbescheid für eine Einvernahme am 25.07.2018 erhalte.

10. Da die Ladung vom Beschwerdeführer nicht behoben wurde und er gemäß dem ZMR als obdachlos gemeldet war, wurde eine Verständigung über eine Hinterlegung an seiner Meldeadresse, dem Verein Neustart für Haftentlassenenhilfe, hinterlegt. Der Beschwerdeführer behob die Schriftstücke jedoch nicht.

11. In Folge wurde neuerlich eine Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Schriftstückes an seiner genannten Meldeadresse zurückgelassen, welche neuerlich nicht behoben wurde.

12. Mit Schreiben vom 03.08.2018 wurde der Beschwerdeführer über die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens gemäß § 9 AsylG informiert. Gleichzeitig wurden dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen zu Somalia übermittelt und ihm die Gelegenheit eingeräumt, schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Erhalt eine Stellungnahme abzugeben.

13. Am 20.08.2018 behob der Beschwerdeführer das hinterlegte Schriftstück und die Länderfeststellungen und gab dazu am 02.09.2018 eine schriftliche Stellungnahme ab. In dieser wurde neuerlich auf die Fluchtgründe sowie die schwierige Lebenssituation der Familie des Beschwerdeführers hingewiesen und zudem auf die Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers in Österreich aufmerksam gemacht. Das Schreiben wurde von der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl übermittelt.

14. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.09.2018 wurde der dem Beschwerdeführer zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag vom 02.02.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.). Weiters wurde gemäß §53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein achtjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Begründend wurde im Hinblick auf die Aberkennung des subsidiären Schutzes ausgeführt, dass die Aberkennung aufgrund der grundlegenden Veränderungen und Verbesserungen der Versorgungslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers erfolge. Es seien keine Gründe ersichtlich, warum der Beschwerdeführer als nunmehr gereifter Mann nicht nach Mogadischu zurückkehren könne. Selbst wenn der Beschwerdeführer über keine Angehörigen in Somalia verfügen sollte, könne davon ausgegangen werden, dass er zumindest über soziale Anknüpfungspunkte verfüge, zumal er bis 2010 dort wohnhaft gewesen wäre. Darüber hinaus gebe es viele Hilfsorganisationen für Rückkehrer. In der rechtlichen Beurteilung wurde zudem noch auf die Straftaten des Beschwerdeführers hingewiesen und ausgeführt, dass ihm der subsidiäre Schutzstatus auch gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 und 3 abzuerkennen gewesen wäre. Eine individuelle Gefährdungsprognose erfolgte nicht. Auf die Straftaten des Beschwerdeführers wurde erst im Rahmen der Abwägungen betreffend die Rückkehrentscheidung bzw. das Einreiseverbot eingegangen und ua ausgeführt, dass beim Beschwerdeführer von keiner positiven Zukunftsprognose auszugehen sei. Weiters wurde bei den Ausführungen im Hinblick auf das Einreiseverbot ausgeführt, dass aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

15. Mit Beschwerde vom 12.10.2018 wurde unter anderem ausgeführt, dass letztendlich nicht klar sei, auf welche Rechtsgrundlage sich die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stütze. Die Behörde habe im Spruch sowie in der Begründung lediglich § 9 Abs.1 Z 1 AsylG herangezogen. Lediglich im Hinblick auf die Abwägung gemäß Art. 8 EMRK habe die Behörde angegeben, dass dem Beschwerdeführer der subsidiäre Schutz gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 und 3 AsylG aufgrund seiner Verurteilungen abzuerkennen wäre. Dies sei jedoch nicht fundiert begründet worden. Soweit sich die Behörde auf persönliche Umstände des Beschwerdeführers stütze, welche für eine mögliche Rückkehr nach Somalia sprechen würden, so sei festzuhalten, dass sich diese Umstände nicht geändert haben. Weiters würden auch die Voraussetzungen gemäß § 8 AsylG weiterhin vorliegen, weshalb die Aberkennung schon deshalb unzulässig sei. Der BF habe und hatte keine aktivierbaren Familienmitglieder, die ihn im Falle einer Rückkehr unterstützen könnten. Dies werde jedoch gemäß den Länderberichten als Voraussetzung für ein Überleben gewertet. Das BFA habe sich überhaupt nicht vergleichend mit der Lage in Mogadischu im Jahr 2016 und im Jahr 2018 auseinandergesetzt und sei der Bescheid deshalb mit einem Verfahrensmangel belastet. Vollkommen verkannt habe die Behörde, dass sich die Versorgungslage in Somalia insbesondere seit dem Frühjahr 2017 gravierend verschlechtert habe. Der BF sei acht Jahre abwesend gewesen und hätte in Mogadischu überhaupt keinen Zugang zu finanziellen Ressourcen. Er verfüge über keine familiären und sozialen Kontakte in Somalia. Der Beschwerdeführer sei zwar jung und arbeitsfähig, jedoch wurde in Folge auf die hohe Arbeitslosenquote in Somalia verwiesen. Weiters wurde auf die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zum Clan der Ashraf hingewiesen. Eine Aberkennung sei auch gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 und 3 AsylG nicht zulässig, da die Behörde keine Einzelfallprognose durchgeführt habe. Die Behörde habe es zur Gänze unterlassen, sich mit den Strafbemessungsgründen auseinanderzusetzen, weshalb der Bescheid auch aus diesem Grund mangelhaft sei. Schließlich sei der Bescheid inhaltlich rechtswidrig, da die Behörde verkannt habe, dass der Beschwerdeführer durch eine Rückkehrentscheidung in seinen Rechten nach Art. 8 EMRK verletzt werde und wurde in Folge auf die guten Integrationserfolge des Beschwerdeführers verwiesen. Weiters wurde ein Antrag auf zeugenschaftliche Einvernahme der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers gestellt. Im Hinblick auf das Einreiseverbot wird schließlich noch ausgeführt, dass die Behörde keine Gefährlichkeitsprognose sowie keine eigenständige gesamtheitliche Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers vorgenommen und sich mit der Wiedergabe der Urteilsbegründung des Strafgerichts zufriedengegeben habe. Letztendlich wurde ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Der Beschwerde beigelegt wurden mehrere Empfehlungsschreiben, ein umfangreichendes Schreiben der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers sowie mehrere Schreiben des AMS betreffend die Notstandshilfe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt (vgl. auch VwGH 30.06.2015, Ra 2014/03/0054) und dazu festgehalten, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg.cit. bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Das in § 28 leg.cit. insgesamt normierte System verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Der angefochtene Bescheid erweist sich vor diesem Hintergrund in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat es unterlassen, den Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren einzuvernehmen. Das dem Beschwerdeführer übermittelte Schreiben über das eingeleitete Aberkennungsverfahren war nicht geeignet, die Behörde von ihrer Pflicht, sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, zu entbinden. Auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer ursprünglich zu einer Einvernahme geladen worden ist, diese Einvernahme jedoch letztendlich nicht zustande kam, zumal der Beschwerdeführer die Ladung nicht behoben hat, ist nicht ausreichend, um von einer Einvernahme gänzlich abzusehen. So geht aus dem Akt hervor, dass es angesichts der Meldung des Beschwerdeführers an einer Obdachlosenadresse des Vereins Neustart offensichtlich Zustellungsprobleme gegeben hat und zudem gab der Beschwerdeführer anlässlich des zweiten Schreibens des Bundesamtes vom 03.08.2018, welchem jedoch keine Ladung mehr beigefügt wurde, eine persönliche Stellungnahme ab, in welcher er auf seine Integrationsbemühungen in Österreich verwies. Die letzte persönliche Einvernahme des Beschwerdeführers erfolgte nach Zurückverweisung des ersten Bescheids an das Bundesasylamt am 27.04.2012, wobei diese Befragung lediglich im Rahmen einer Prüfung gemäß § 3 AsylG erfolgte. Wenn der Beschwerdeführer im Rahmen dieser Einvernahme auch einige Angaben zu seiner Integration getätigt hat, kann dies keine Einvernahme des Beschwerdeführers zu seiner aktuellen persönlichen Situation in Österreich und zu seinen Bindungen in den Herkunftsstaat zum Zeitpunkt der Erlassung des nunmehrigen Bescheides im September 2018 ersetzen. So wurde im Bescheid etwa nicht festgestellt, ob der Beschwerdeführer noch über Familienangehörige in Somalia verfügt, sondern lediglich festgestellt, dass davon ausgegangen werden könne, dass der Beschwerdeführer über soziale Anknüpfungspunkte in Somalia verfüge, zumal dieser dort bis zum Jahr 2010 wohnhaft gewesen wäre, was jedoch insbesondere angesichts des dazwischenliegenden Zeitraums von acht Jahren jedenfalls nicht als ausreichende Begründung für allfällige Unterstützungsmöglichkeiten für den Beschwerdeführer in Somalia angesehen werden kann.

In seiner ständigen Rechtsprechung betont der Verwaltungsgerichtshof, dass die Frage der Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden kann, sondern der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zukommt (zuletzt Ra 2017/22/0007 vom 27.07.2017 mit Hinweis auf Ra 2014/22/0181 vom 23. Juni 2015). Hinsichtlich der Beurteilung der Rückkehrentscheidung ist daher eine Einvernahme zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet unerlässlich, zumal sonst die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit der Ausweisung in den Heimatstaat nicht erfolgen kann.

Des Weiteren ist es nicht nachvollziehbar, auf welche Ermittlungen die Behörde ihre Feststellungen stützt, wonach der seinerzeit für die Gewährung des subsidiären Schutzes maßgebliche Grund zwischenzeitlich nicht mehr gegeben und dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Somalia zuzumuten sei. Die bloße Heranziehung aktueller Länderberichte als Entscheidungsgrundlage, ohne sich mit den Länderfeststellungen zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auseinanderzusetzen, ist jedenfalls nicht geeignet, eine Änderung der Lage in Somalia zu begründen. Der maßgebliche Sachverhalt stellt sich mangels entsprechender Ermittlungen - auch in Verbindung mit der Beschwerde - als ungeklärt dar. Zentrale Ermittlungsschritte, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach erstmals durch das Verwaltungsgericht zu tätigen.

Es wird seitens des entscheidenden Gerichts explizit darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die allgemeine Lage in Somalia nicht so gelagert ist, dass eine Rückführung per se ausgeschlossen sei. Es erfordert eine derartige Entscheidung aber ein sorgfältiges Ermittlungsverfahren zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat sowie eine Prüfung der Situation des jeweiligen Antragstellers. Durch eine zielgerichtete Befragung wäre zu ermitteln gewesen, ob für den Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Somalia die reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK besteht bzw. ob für ihn dort überhaupt eine ausreichende Lebensgrundlage vorhanden ist. Ebenso hätte die belangte Behörde sich einen persönlichen Eindruck des Beschwerdeführers zu verschaffen gehabt, um das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich und den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat beurteilen zu können.

Auch der grundsätzlich richtige Hinweis darauf, dass die Situation in Mogadischu gemäß der Judikatur des EGMR nicht derartig sei, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sagt nichts darüber aus, inwiefern sich im konkreten Fall des BF zwischen 28.02.2011 und dem (nunmehrigen) Entscheidungszeitpunkt die Situation in Somalia bzw. Mogadischu nachhaltig verbessert hätte.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sohin im Rahmen der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gerade einmal ansatzweise Ermittlungen getätigt. Damit erweist sich der vorliegende Sachverhalt für das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung der Frage, ob die die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten - also die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK bzw. der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention durch Rückführung in den Herkunftsstaat - für den Beschwerdeführer nicht mehr vorliegen, als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich sind.

Hinzu kommt, dass sich die Behörde im Spruch des gegenständlichen Falles ausschließlich auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gestützt hat. Erst im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I verwies die Behörde darauf, dass im Fall des Beschwerdeführers auch gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 und 3 abzuerkennen wäre, verwies hierbei jedoch lediglich auf die Verurteilungen des Beschwerdeführers ohne eine diesbezügliche nähere Auseinandersetzung oder eine Gefährdungsprognose anzustellen.

Auch wenn das Vorliegen des Tatbestandes von § 9 Abs. 2 Z 2 bzw. 3 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung des BF wegen eines Verbrechens naheliegend erscheint, so bedürfte es für dessen Annahme im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung von Art. 17 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2011/95/EU zusätzlich zum Kriterium der rechtskräftigen Verurteilung des BF wegen eines Verbrechens einer vollständigen Prüfung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls und wäre anhand dieser Würdigung anschließend zu beurteilen, ob dem BF deshalb der ihm zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen abzuerkennen wäre. Bei dieser einzelfallbezogenen Würdigung wäre auch die konkret verhängte Strafe und die Gründe für die Strafzumessung ausreichend zu berücksichtigen (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/18/0295). Im gegenständlichen Fall wurden im Hinblick auf die Verurteilungen des BF seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl weder Ermittlungsschritte gesetzt, noch ausreichende Feststellungen getroffen, sondern lediglich auf die Tatsache der Verurteilung an sich verwiesen.

Dies bedeutet jedoch für die Verwaltungsgerichtsbarkeit die nahezu vollständige Übernahme der Aufgaben der Verwaltungsbehörde an sich, was im Einzelfall umfassende Ermittlungspflichten auslösen könnte, die von der Verwaltungsbehörde nicht einmal ansatzweise vorgenommen wurden, weshalb sich das Verfahren auch aus diesem Grund als mangelhaft erweist.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer persönlich einzuvernehmen und im Hinblick auf mögliche reale Gefahren einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ausführlich zu befragen und ebenso Fragen zu seinem Familien- und Privatleben in Österreich zu stellen haben. Sollte bei dieser Prüfung als Ergebnis herausgekommen, dass keine wesentliche Änderung der Umstände im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers eingetreten ist, wird in einem weiteren Schritt im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten eine Einzelfallprüfung durchzuführen sein, ob eine "schwere Straftat" im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit b der Statusrichtlinie vorliegt. Dabei ist die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen und eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen. Bei dieser einzelfallbezogenen Würdigung sind auch die konkret verhängte Strafe und die Gründe für die Strafzumessung zu berücksichtigen (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/18/0295).

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Rückkehrsituation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W268.1418411.3.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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