TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/20 W279 2226846-6

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.05.2020
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Entscheidungsdatum

20.05.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W279 2226846-6/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX 1988 alias XXXX 1988, Staatsangehörigkeit Algerien alias Marokko, in Schubhaft zu Recht:

I. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.03.2020, W137 2226846-4/2E, wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Das Bundesverwaltungsgericht führte u.a. Folgendes aus:

"Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte in Österreich unter Behauptung einer algerischen Staatsangehörigkeit erfolglos einen Antrag auf internationalen Schutz. Die diesbezügliche - mit einer Rückkehrentscheidung verbundene Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) erging am 28.08.2019 und wurde vom Beschwerdeführer bekämpft. Das Bundesverwaltungsgericht hat die diesbezügliche Beschwerde als unbegründet abgewiesen; diese Entscheidung erwuchs im September 2019 in Rechtskraft. Gegen diese Entscheidung wurde kein (außerordentliches) Rechtsmittel an den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

2. Der Beschwerdeführer befand sich während des Asylverfahrens fast durchgehend in Justizhaft. In dieser Zeit erfolgte auch eine Einvernahme zur möglichen Anordnung einer Schubhaft und es wurde diese mittels Bescheid vom 29.08.2019 auch angeordnet. Unmittelbar nach der Entlassung aus der Strafhaft wurde er am 05.09.2019 in die Schubhaft überstellt.

3. Am 20.12.2019 langte der Verfahrensakt zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einem beiliegenden Schreiben führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass das HRZ-Verfahren noch im Laufen sei und verwies auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers sowie das bewusste Verschleiern der Identität. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.12.2019, W137 2226846-1/2E, wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

4. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.01.2020, W112 2226846-2/8E, und vom 27.02.2020, W251 2226846-3/3E, wurden gleichlautende Entscheidungen in Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft getroffen. In der jüngsten Entscheidung wurde insbesondere auf die Suchtmittelkriminalität des Beschwerdeführers und den Versuch, durch Hungerstreik eine Freilassung zu erpressen, hingewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Betreffend den Beschwerdeführer liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung hinsichtlich seines mutmaßlichen Herkunftsstaates Algerien vor. Dem Beschwerdeführer kommt kein faktischer Abschiebeschutz zu. Das im September 2019 eingeleitete HRZ-Verfahren ist aktuell noch im Laufen und bewegt sich im üblichen Zeitrahmen hinsichtlich des hier relevanten Herkunftsstaates. Der Beschwerdeführer konnte am 31.01.2020 - insbesondere auch mangels Kooperationsbereitschaft - nicht als algerischer Staatsangehöriger identifiziert werden. Das HRZ-Verfahren mit Libyen wurde nach Verneinung der Staatsangehörigkeit durch die libysche Botschaft eingestellt.

Aufgrund entsprechender Hinweise seitens der Mitarbeiter der libyschen Botschaft wurde am 18.02.2020 ein HRZ-Verfahren mit Marokko gestartet.

Der Beschwerdeführer war in Österreich ausschließlich in Polizeianhaltezentren und Justizanstalten gemeldet. Seit 16.09.2017 ist er nicht mehr in Freiheit. Der Beschwerdeführer zeigte sich während seines Asylverfahrens nicht kooperativ und machte bewusst tatsachenwidrige Angaben zu seiner Identität (Name, Geburtsdatum) sowie zu seinem Herkunftsstaat. Das Bundesamt hat die gesetzlich vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt und entsprechende Aktenvermerke verfasst. Der Beschwerdeführer wurde wegen der Begehung von (qualifizierten) Suchtmitteldelikten 2017 zunächst zu einer teilbedingten und im Dezember zu einer unbedingten (2 Jahre) Freiheitsstrafe verurteilt. Von 13.01.2020 bis 01.02.2020 trat er in Hungerstreik, den er freiwillig beendete.

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand - kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt - mit einigen Monaten einzustufen. Das Erfordernis einer HRZ-Ausstellung und die dadurch bedingte Anhaltedauer sind allein dem Beschwerdeführer zuzurechnen. Das HRZ-Verfahren mit Marokko wurde vor rund einem Monat eingeleitet. Eine Vorführung zur Identifizierung ist aufgrund der Maßnahmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie gegenwärtig nicht möglich. Es ist davon auszugehen, dass eine Vorführung im Mai oder Juni 2020 ermöglicht werden kann. Eine Abschiebung im Herbst 2020 ist jedenfalls realistisch.

Der Beschwerdeführer ist nicht Asylwerber; es kommt ihm kein faktischer Abschiebeschutz zu. Er ist in besonderem Ausmaß nicht vertrauenswürdig. Er ist in Österreich in keiner Form integriert, spricht nicht Deutsch und verfügt über keine substanziellen sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Zudem verfügt er über keine gesicherte Unterkunft; sein Barvermögen beträgt gegenwärtig noch 100?. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und arbeitsfähig sowie jedenfalls haftfähig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten zu seinem Asylverfahren (BVwG-GZ 2223352-1). Die Feststellungen bezüglich der Meldeadressen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem rezenten Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen sind dem Strafregister entnommen. Der Beschwerdeführer hat im Asylverfahren nachweislich unterschiedliche Angaben zu seiner Identität und seinem Herkunftsstaat gemacht - was aus den Akten, insbesondere der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Beschwerde im Asylverfahren (I403 2223352-1/5E vom 18.09.2019), ersichtlich ist. Der Hungerstreik ist in der Anhaltedatei vermerkt.

2.2. Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden der mutmaßlichen Herkunftsstaaten Algerien und Marokko. Abschiebungen in beide Staaten fanden bis zuletzt regelmäßig statt. Ebenso regelmäßig muss diesen ein Ermittlungsverfahren im Herkunftsstaat vorangehen, weil die Betroffenen keine Personal- oder Reisedokumente vorweisen können. Diese benötigen üblicherweise einige Monate. Angesichts der Einleitung des HRZ-Verfahrens im Februar 2020 mit Marokko ist damit eine HRZ-Ausstellung und eine Abschiebung im Herbst 2020 realistisch.

Die Einleitung dieses weiteren HRZ-Verfahrens und die damit verbundene Verzögerung hinsichtlich einer Abschiebung des Beschwerdeführers beruht auf seiner konsequenten Verweigerung der Kooperation im Zusammenhang mit der Abschiebung. Der realistische Zeithorizont begründet sich auch durch die angeordneten Restriktionen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie. Aus diesem Grund ist eine Vorführung vor Ende April nicht möglich. Umgekehrt ist derzeit realistisch, dass eine solche Vorführung im Mai/Juni 2020 erfolgen kann. Bei bestätigter Staatsangehörigkeit sollte ein HRZ dann binnen weniger Monate zu erwirken sein.

2.3. Die Feststellungen zur fehlenden Integration des Beschwerdeführers und seiner Vermögenslage ergeben sich aus der Aktenlage. Die in besonderem Maße geminderte Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer im Asylverfahren bewusst getätigten falschen Angaben zu seiner Person und der Begehung qualifizierter Suchtmitteldelikte. Hinweise für ein Fehlen der Haftfähigkeit oder gröbere gesundheitliche Probleme sind im Verfahren nicht hervorgetreten. Zudem befand sich der Beschwerdeführer vor Anordnung der Schubhaft nahezu zwei Jahre lang in Strafhaft.

3. Rechtliche Beurteilung:

(...)

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz "liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 - immer noch - vor, da "bestimmte Tatsachen", nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete, haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Insbesondere hat der Beschwerdeführer das Kriterium der Ziffer 1 des § 76 Abs. 3 FPG durch bewusst falsche Angaben zu seiner Identität im Rahmen des Asylverfahrens erfüllt. Dazu kommt ein zwischenzeitlicher Hungerstreik, der ebenfalls unter diese Bestimmung zu subsumieren ist.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts (in besonderem Umfang) fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit - siehe dazu auch die massive Suchtgiftkriminalität - kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.(...)

Die mit der Erlangung eines Heimreisezertifikats verbundene Dauer der Anhaltung in Schubhaft hat der Beschwerdeführer durch seine illegale Einreise unter Zurücklassung von Personal- und Reisedokumenten selbst zu verantworten. Auch bei den Vorführungen (algerische Botschaft, libysche Botschaft) verweigerte der Beschwerdeführer die Kooperation. Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Es wurde auch laufend bei der algerischen Botschaft urgiert beziehungsweise umgehend HRZ-Verfahren gestartet, so sich Hinweise für einen anderen Herkunftsstaat ergeben haben.(...)

Gegenwärtig wird der Beschwerdeführer knapp sieben Monate in Schubhaft angehalten - etwas mehr als ein Drittel der zulässigen Anhaltedauer. Innerhalb dieses Rahmens ist jedenfalls von der realistischen Möglichkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers auszugehen. Die Pandemie-Restriktionen bewirken im gegenständlichen Fall lediglich eine Verzögerung von einigen Wochen.(...)"

Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 17.04.2020 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".

Mit E-Mail vom 17.04.2020 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) folgende Stellungnahme:

"Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, ersucht im Fall XXXX , geb. XXXX , StA: Algerien / unbekannt, um Genehmigung des 9. Monat in Schubhaft.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts; GZ. W137 2226846-4/2E, vom 25.03.2020 wurde gem. § 22a Abs 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.

Mit 15.04.2020 wurde eine Urgenzliste High Priority für den Monat April 2020 unter Berücksichtigung des Og. zusammengestellt.

Die Anordnung von / Aufrechterhaltung der Schubhaft ist auch in der aktuellen Situation im Zusammenhang mit dem Corona-Virus (COVID-19) als verhältnismäßig einzustufen. Entsprechend der medialen Berichterstattung werden zwar aktuell die Reisebewegungen weltweit und aus Österreich vermehrt eingeschränkt. Jedoch handelt es sich bei den derzeitigen Restriktionen um zeitlich begrenzte Maßnahmen. Dies bedeutet, dass im vorliegenden Fall eine Abschiebung zwar vorübergehend nicht möglich ist, jedoch in den kommenden Wochen möglich sein wird, unter Berücksichtigung der Urgenz zur Erlangung eines Heimreisezertifikats. Mit Blick auf die höchstzulässige Schubhaftdauer iSd § 80 Abs. ... FPG zeigt sich, dass die voraussichtliche Anhaltung in Schubhaft (in Hinblick auf einen realistischen Abschiebetermin) damit ohnehin deutlich länger andauert, als die Aufrechterhaltung der aktuellen Pandemie-Restriktionen gegenwärtig zu erwarten ist. Das Bundesamt für Fremdenswesen und Asyl wird, sobald die aktuellen Pandemiemaßnahmen zurückgenommen werden, die Abschiebung ehestmöglich realisieren.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, bittet um Genehmigung des 9. Monats für die weitere Anhaltung in Schubhaft.(...)"

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 21.04.2020 führte das BFA zum HRZ-Verfahren

Folgendes aus:

"Algerien (laufendes HRZ-Verfahren)

o HRZ-Antrag am 23.09.2019

o Urgenzen: 10.10.2019, 12.11.2019, 10.12.2019, 08.01.2020

o Vorführung zwecks Identitätsüberprüfung am 31.01.2020: konnte nicht als Algerier identifiziert werden, Vermutung der alger. Boschaft: es handelt sich um eine Libyer; dennoch wurden die Angaben nach Algier zur Überprüfung geschickt.

o Urgenz am 18.03.2020 (mit Schreiben des BFA an die alger. Botschaft)

o Urgenz am 26.03.2020 (Übermittlung der Urgenzliste Algerien)

o Urgenz am 30.03.2020 (mit Schreiben des BFA an die alger. Botschaft)

Lybien (HRZ-Verfahren ad acta)

o HRZ-Antrag am 03.02.2020

o Vorführung zwecks Identitätsüberprüfung am 14.02.2020: konnte nicht als Libyer identifiziert werden, Vermutung der liby. Boschaft: es handelt sich um einen Marokkaner

o Schriftliche Ablehnung mit 18.02.2020

Marokko (laufendes HRZ-Verfahren)

* HRZ-Antrag am 18.02.2020 (Übermittlung der Unterlagen an Botschaft)

* Urgenz am 12.03.2020 (erneute Übergabe der Unterlagen an Botschaft Marokko) und erneut nach Rabat weitergeleitet.

* Urgenz am 15.04.2020 (Übermittlung der High Priority Urgenzliste, Monat April, Marokko)

Einfluss der Covid-19-Pandemie auf die HRZ-Beschaffung, Identitätsüberprüfung und Abschiebung:

* HRZ-Unterlagen im Wege der Botschaften an Algerien und Marokko schon vor der Covid-19-Pandemie übermittelt.

* es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass wegen der der Covid-19-Pandemie diese Überprüfung der Identität nicht erfolgen kann.

* durch die nicht ausreichende Mitwirkung an seiner Identitätsfeststellung hat der Fremde selbst die zeitliche Verzögerung zu verantworten.

* Der Parteienverkehr an den Botschaften ist zwar eingestellt, was aber nicht bedeutet, dass die Vertretungsbehörden gänzlich ihre Amtsgeschäfte eingestellt haben.

* Das Bundesamt führt wie gehabt die übliche schriftliche Kommunikation betreffend Ersuchen und Urgenzen bei Identitätsüberprüfungen und HRZ-Ausstellungen. Die postalischen Schriftstücke werden übernommen. Auch sind beide Botschaften mittels Email für das Bundesamt nach wie vor erreichbar. An beiden Botschaften befindet sich offensichlich zumindest ein/e Mitarbeiter/in vor Ort."

Mit Erkenntnis W140 2226846-5/3E vom 22.04.2020 wurde gem. §22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Mit Schreiben vom 18.05.2020, eingelangt beim BVwG am 19.05.2020, initiert das BFA die gegenständliche Überprüfung der Verhältnismäßigkeit nach §22a Abs.4 BFA-VG.

Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die zitierten Entscheidungsgründe des Vorerkenntnisses werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihren Stellungnahmen anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen u. a. betreffend Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Anhaltung in Schubhaft unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere dem Vorerkenntnis W137 2226846-4/2E. Auch die Feststellungen des Vorerkenntnisses werden der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Im Besonderen ist hervorzuheben, dass die Behörde dargetan hat, dass sie sich im vorliegenden Fall um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht und nach den Erfahrungswerten davon auszugehen ist, dass ein solches auch von der Algerischen Botschaft sowie von der Marokkanischen Botschaft erlangt werden kann. Die Unterlagen des BF befinden sich derzeit - zur Überprüfung der Identität - in Algerien sowie in Marokko.

Die im Schreiben des BFA vom 18.05.2020 angeführte Urgenz vom 12.05.2020 verdeutlicht die weitere zielstrebige Verfolgung der Erlangung eines HRZ von Seiten des BFA.

Es gibt keine Indizien, dass der BF angehöriger einer COVID-19 Risikogruppe wäre.

Aktuell ist der Flugverkehr und auch der transnationale Reiseverkehr über den Landweg aufgrund der COVID-19 Pandemie stark eingeschränkt. Die Wiederaufnahme des geregelten, touristischen Flugbetriebes ist jedoch keine Voraussetzung für die Durchführung von Abschiebungen. Die COVID-19 Pandemie steht daher der Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht entgegen. Es sind keine Hinweise hervorgekommen, dass die Ausstellung eines Heimreisezertifikates innerhalb der höchstzulässigen Schubhafthaftdauer aufgrund dieser zeitlich befristeten Maßnahmen nicht möglich wäre. Es ist von einer HRZ-Ausstellung und Abschiebung des BF innnerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer von 18 Monaten auszugehen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. - Fortsetzung der Schubhaft

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Gemäß § 76 Abs 1 FPG idgF können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

Die Schubhaft darf gemäß § 76 Abs 2 FPG idgF nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

§ 76 Abs. 3 FPG idgF lautet:

Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise - wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG - erreicht werden ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig.

§ 80 FPG idgF lautet:

(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe." (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich infrage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zugrunde, dass die infrage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Der Verwaltungsgerichthof führte in seiner Entscheidung vom 30.08.2018 (Ra 2018/21/0111) Folgendes aus: "In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 - einen neuen Hafttitel dar. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen. Ein Erkenntnis nach § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 steht daher einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG 2014, mit der die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von vor oder nach der Erlassung des Erkenntnisses liegenden Haftzeiten begehrt wird, nicht entgegen."

Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG liegt weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben. Insbesondere zu berücksichtigen ist, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Die Schubhaft ist jedenfalls wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Es ist zu betonen, dass bei Kooperation des Beschwerdeführers die Anhaltung in Schubhaft mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schon vor Monaten hätte beendet werden können. Dass sie noch andauert - und damit nun auch von den Maßnahmen hinsichtlich der Covid-19-Pandemie betroffen ist - hat zu einem überwiegenden Teil der Beschwerdeführer zu verantworten. Da die voraussichtliche Anhaltung in Schubhaft - in Hinblick auf einen realistischen Abschiebetermin - aber ohnehin länger andauert, als die Aufrechterhaltung der aktuellen Pandemie-Restriktionen gegenwärtig zu erwarten ist, erweisen sich diese Restriktionen als von nur untergeordneter Relevanz.

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund - dass sich die Behörde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht / die Unterlagen des BF befinden sich derzeit zur Überprüfung der Identität in Algerien sowie in Marokko - auch verhältnismäßig. Da die Covid-19 Maßnahmen auf die Ausstellung des Heimreisezertifikates keine Auswirkung haben, da dieses elektronisch und telefonisch betrieben werden kann, erweist sich die weitere Anhaltung als verhältnismäßig.

In diesem Zusammenhang war auch die Straffälligkeit des Beschwerdeführers zu berücksichtigen und §76 Abs. 2a FPG anzuwenden: "(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt."

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus.

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine - die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft - ändernden Umstände erkennen.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Zu Spruchpunkt II. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W279.2226846.6.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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