Entscheidungsdatum
20.05.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W268 2202504-1/32E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag Iris GACHOWETZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2018, FZ XXXX , beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der Bescheid im angefochtenen Umfang aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG idgF zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Somalias, stellte nach seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 15.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.10.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 04.10.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).
3. Mangels Beschwerdeerhebung gegen Spruchpunkt I des Bescheides erwuchs dieser mit 02.11.2016 in Rechtskraft.
4. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 14.06.2017 wurde der Beschwerdeführer zu einer bedingten fünfmonatigen Freiheitsstrafe aufgrund von § 15 StGB iVm § 127 StGB, § 83 Abs. 1 StGB, § 223 Abs. 2 StGB sowie § 224 StGB verurteilt.
5. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 28.09.2017 wurde der Beschwerdeführer zu einer bedingten viermonatigen Freiheitsstrafe aufgrund von § 125 StGB, § 15 StGB iVm § 83 Abs. 1 StGB sowie § 127 StGB iVm § 15 StGB verurteilt.
6. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 15.12.2017 wurde der Beschwerdeführer zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe aufgrund von § 27 Abs. 2a SMG verurteilt.
7. Am 07.06.2018 wurde gegenständliches Aberkennungsverfahren eingeleitet, was dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom selben Tag mit der Möglichkeit einer Stellungnahme zu der geänderten Situation in seinem Herkunftsstaat mitgeteilt wurde. Dem Schreiben beigelegt waren Länderfeststellungen zu Somalia.
8. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 11.06.2018 wurde der Beschwerdeführer zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe aufgrund von § 287 Abs. 1 iVm § 15 und § 84 Abs. 4 StGB verurteilt.
9. Mit Schreiben vom 27.06.2018 gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zur beabsichtigen Aberkennung des Status des subsidiären Schutzes ab, in welcher er auf die schlechte Situation in Somalia hinwies.
10. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2018 wurde der dem Beschwerdeführer zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z1 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt IV.) und dass die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt V.). Weiters wurde gemäß §53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein sechsjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Hinblick auf die Aberkennung des subsidiären Schutzes ausgeführt, dass die Aberkennung aufgrund der grundlegenden Veränderungen und Verbesserungen der Versorgungslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers erfolge. Die seinerzeit für die Gewährung des subsidiären Schutzes maßgeblichen Gründe, nämlich die schlechte Lage in Somalia, vor allem die damals vorherrschende Dürre, seien zwischenzeitlich nicht mehr gegeben und sei dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Somalia zumutbar. In der rechtlichen Beurteilung wurde zudem noch auf die Straftaten des Beschwerdeführers hingewiesen und ausgeführt, dass ihm der subsidiäre Schutzstatus auch gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 abzuerkennen gewesen wäre. Eine individuelle Gefährdungsprognose erfolgte nicht. Auf die Straftaten des Beschwerdeführers wurde erst im Rahmen der Abwägungen betreffend die Rückkehrentscheidung bzw. das Einreiseverbot eingegangen und ua ausgeführt, dass aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.
11. Mit Beschwerde vom 24.07.2018 wurde unter anderem ausgeführt, dass die Länderfeststellungen mangelhaft seien und nicht feststellbar sei, dass der Beschwerdeführer in Somalia ein tragfähiges familiäres oder soziales Netz vorfinden würde. Zudem habe es die Behörde unterlassen, den Beschwerdeführer selbst zu seiner Situation im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland zu befragen. Im Fall des Beschwerdeführers sei nach wie vor ein "real risk" einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat zu erkennen. Weiters sei die Dauer des Einreiseverbots von sechs Jahren als unverhältnismäßig zu beurteilen. Letztendlich wurde ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.
12. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 11.04.2019 wurde der Beschwerdeführer zu einer 24-monatigen Freiheitsstrafe aufgrund von § 15 iVm § 269 Abs. 1 dritter Fall StGB, § 84 Abs. 2 und 4 StGB verurteilt. Dies Entscheidung wurde mit Urteil des OLG XXXX vom 19.08.2019 bestätigt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt gegenständlich somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt (vgl. auch VwGH 30.06.2015, Ra 2014/03/0054) und dazu festgehalten, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg.cit. bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Das in § 28 leg.cit. insgesamt normierte System verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
Der angefochtene Bescheid erweist sich vor diesem Hintergrund in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat es unterlassen, den Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren einzuvernehmen. Das dem Beschwerdeführer übermittelte Schreiben über das eingeleitete Aberkennungsverfahren war nicht geeignet, die Behörde von ihrer Pflicht, sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, zu entbinden. Die letzte persönliche Einvernahme des Beschwerdeführers erfolgte am 28.09.2016. Wenn der Beschwerdeführer im Rahmen dieser Einvernahme auch einige Angaben zu seinen Bindungen zu seinen Familienangehörigen bzw. zu seiner Integration getätigt hat, kann dies keine Einvernahme des Beschwerdeführers zu seiner aktuellen persönlichen Situation in Österreich und zu seinen Bindungen in den Herkunftsstaat zum Zeitpunkt der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides im Juli 2018 ersetzen. So wurde im Bescheid lediglich auf die allgemeine, nach Auffassung des Bundesamtes, verbesserte Lage in Somalia verwiesen, jedoch erfolgte in keiner Weise eine Auseinandersetzung mit der individuellen Situation des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr nach Somalia. Insbesondere wurden keine Feststellungen über allfällige Familienangehörige oder sonstige Personen getroffen, die den Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr unterstützen könnten.
In seiner ständigen Rechtsprechung betont der Verwaltungsgerichtshof, dass die Frage der Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden kann, sondern der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zukommt (zuletzt Ra 2017/22/0007 vom 27.07.2017 mit Hinweis auf Ra 2014/22/0181 vom 23. Juni 2015). Hinsichtlich der Beurteilung der Rückkehrentscheidung ist daher eine Einvernahme zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet unerlässlich, zumal sonst die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit der Ausweisung in den Heimatstaat nicht erfolgen kann.
Des Weiteren ist es nicht nachvollziehbar, auf welche Ermittlungen die Behörde ihre Feststellungen stützt, wonach der seinerzeit für die Gewährung des subsidiären Schutzes maßgebliche Grund zwischenzeitlich nicht mehr gegeben und dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Somalia zuzumuten sei. Die bloße Heranziehung aktueller Länderberichte als Entscheidungsgrundlage, ohne sich mit den Länderfeststellungen zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auseinanderzusetzen, ist jedenfalls nicht geeignet, eine Änderung der Lage in Somalia zu begründen. Der maßgebliche Sachverhalt stellt sich mangels entsprechender Ermittlungen - auch in Verbindung mit der Beschwerde - als ungeklärt dar. Zentrale Ermittlungsschritte, welche grundsätzlich von der belangten Behörde durchzuführen sind, wären demnach erstmals durch das Verwaltungsgericht zu tätigen.
Es wird seitens des entscheidenden Gerichts explizit darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die allgemeine Lage in Somalia nicht so gelagert ist, dass eine Rückführung per se ausgeschlossen sei. Es erfordert eine derartige Entscheidung aber ein sorgfältiges Ermittlungsverfahren zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat sowie eine Prüfung der Situation des jeweiligen Antragstellers. Durch eine zielgerichtete Befragung wäre zu ermitteln gewesen, ob für den Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Somalia die reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK besteht bzw. ob für ihn dort überhaupt eine ausreichende Lebensgrundlage vorhanden ist. Ebenso hätte die belangte Behörde sich einen persönlichen Eindruck des Beschwerdeführers zu verschaffen gehabt, um das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich und den persönlichen Umständen des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat beurteilen zu können.
Auch der grundsätzlich richtige Hinweis darauf, dass die Situation in Mogadischu gemäß der Judikatur des EGMR nicht derartig sei, dass jeder Mensch in der Stadt einem Risiko entsprechend Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sagt nichts darüber aus, inwiefern sich im konkreten Fall des BF zwischen 04.10.2016 und dem (nunmehrigen) Entscheidungszeitpunkt die Situation in Somalia bzw. Mogadischu nachhaltig verbessert hätte.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat sohin im Rahmen der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gerade einmal ansatzweise Ermittlungen getätigt. Damit erweist sich der vorliegende Sachverhalt für das Bundesverwaltungsgericht zur Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten - also die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK bzw. der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention durch Rückführung in den Herkunftsstaat - für den Beschwerdeführer nicht mehr vorliegen, als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen des Sachverhaltes diesbezüglich unerlässlich sind.
Hinzu kommt, dass sich die Behörde im Spruch des gegenständlichen Falles ausschließlich auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gestützt hat. Erst im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I verwies die Behörde darauf, dass im Fall des Beschwerdeführers auch gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 abzuerkennen wäre, verwies hierbei jedoch lediglich auf die Verurteilungen des Beschwerdeführers ohne eine diesbezügliche nähere Auseinandersetzung oder eine Gefährdungsprognose anzustellen.
Auch wenn das Vorliegen des Tatbestandes von § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung des BF wegen eines Verbrechens naheliegend erscheint, so bedürfte es für dessen Annahme im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung von Art. 17 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2011/95/EU zusätzlich zum Kriterium der rechtskräftigen Verurteilung des BF wegen eines Verbrechens einer vollständigen Prüfung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls und wäre anhand dieser Würdigung anschließend zu beurteilen, ob dem BF deshalb der ihm zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen abzuerkennen wäre. Bei dieser einzelfallbezogenen Würdigung wäre auch die konkret verhängte Strafe und die Gründe für die Strafzumessung ausreichend zu berücksichtigen (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/18/0295). Im gegenständlichen Fall wurden im Hinblick auf die Verurteilungen des BF seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl weder Ermittlungsschritte gesetzt, noch ausreichende Feststellungen getroffen, sondern lediglich auf die Tatsache der Verurteilungen an sich verwiesen.
Dies bedeutet jedoch für die Verwaltungsgerichtsbarkeit die nahezu vollständige Übernahme der Aufgaben der Verwaltungsbehörde an sich, was im Einzelfall umfassende Ermittlungspflichten auslösen könnte, die von der Verwaltungsbehörde nicht einmal ansatzweise vorgenommen wurden, weshalb sich das Verfahren auch aus diesem Grund als mangelhaft erweist.
Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer persönlich einzuvernehmen und im Hinblick auf mögliche reale Gefahren einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 oder 3 EMRK bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat ausführlich zu befragen und ebenso Fragen zu seinem Familien- und Privatleben in Österreich zu stellen haben. Sollte bei dieser Prüfung als Ergebnis herausgekommen, dass keine wesentliche Änderung der Umstände im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers eingetreten ist, wird in einem weiteren Schritt im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten eine Einzelfallprüfung durchzuführen sein, ob eine "schwere Straftat" im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit b der Statusrichtlinie vorliegt. Dabei ist die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen und eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen. Bei dieser einzelfallbezogenen Würdigung sind auch die konkret verhängte Strafe und die Gründe für die Strafzumessung zu berücksichtigen (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/18/0295).
Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Einvernahme Ermittlungspflicht Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W268.2202504.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020