TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/25 W266 2230740-1

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Veröffentlicht am 25.05.2020
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Entscheidungsdatum

25.05.2020

Norm

AlVG §49
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs5

Spruch

W266 2230740-1/4E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan WAGNER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Andreas KARWAS und Mag. Wolfgang Schieler als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz vom 2.3.2020 in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 31.3.2020, GZ: XXXX , betreffend eine Angelegenheit nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem im Spruch zitierten Bescheid des AMS Wien Esteplatz (in der Folge belangte Behörde oder AMS) wurde in Spruchpunkt A) ausgesprochen, dass der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 13.2.2020 bis zum 26.2.2020 der Anspruch auf Notstandhilfe aberkannt wurde. In Spruchpunkt B) wurde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin ihren Kontrollmeldetermin am 13.2.2020 nicht wahrgenommen und sie sich erst am 27.2.2020 bei der belangten Behörde wieder gemeldet habe. Die aufschiebende Wirkung sei auszuschließen, da die öffentlichen Interessen im Sinne einer raschen Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt und generalpräventive Gründe die Interessen der Beschwerdeführerin an der vorläufigen Auszahlung der Notstandshilfe übersteigen würden.

Gegen den im Spruch zitierten Bescheid der belangten Behörde erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und brachte darin im Wesentlichen vor, dass sie den Termin nicht aus Faulheit versäumt hätte, sondern dass ihre 81-Jährige Mutter schwer krank geworden sei und sie von der Pflege und den notwendigen Terminen völlig überfordert gewesen wäre. Sie habe nun kein Geld mehr zur Verfügung, wäre deshalb völlig verzweifelt und ersuche deshalb die Sperre aufzuheben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 31.3.2020 hat die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

In der Folge stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, dass die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt werden solle, wiederholte bzw. ergänzte ihr Beschwerdevorbringen. Insbesondere beantragte sie, ihr die Leistung auszuzahlen, da sie ihre monatlichen Rechnungen zu zahlen habe und demnach darauf angewiesen sei.

Mit Schreiben vom 6.5.2020 legte das AMS die Beschwerde unter Anschluss des Verwaltungsaktes dem BVwG zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. dargelegte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Der unter I. angeführte Verfahrensgang bzw. die Feststellungen ergeben sich aus den diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalten der zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des AMS und des Bundesverwaltungsgerichts.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG in Verbindung mit § 56 Abs. 2 AlVG (vgl. jüngst VwGH vom 07.09.2017, Ra 2017/08/0065).

Zu A)

Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG aufschiebende Wirkung.

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid von der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

Gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 oder 3 keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

Daraus folgt:

Da sich die Beschwerde der BF gegen alle Spruchpunkte des Bescheides bzw. der Beschwerdevorentscheidung richtet, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 4 VwGVG zunächst ohne weiteres Verfahren unverzüglich über die Beschwerde hinsichtlich der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden und wird zu einem späteren Zeitpunkt, nach Durchführung des notwendigen Ermittlungsverfahrens über die Hauptsache zu entscheiden haben.

Was die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 13 Abs. 2 VwGVG anbelangt, entsprechen diese großteils jenen, die § 64 Abs. 2 AVG normiert (vgl. Lehhofer, Die aufschiebende Wirkung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ÖJZ 2014, 5 f.). Auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage weisen darauf hin, dass § 13 VwGVG weitgehend der Bestimmung des § 64 AVG nachgebildet wurde (RV 2009 BlgNR 24. GP). Wie auch dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 01.09.2014, Zl. 2014/03/0028, zu entnehmen ist, kann somit ohne weiteres auf die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen werden, um die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung an Hand der dort aufgestellten Kriterien zu überprüfen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Rechtsmitteln gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 64 Abs. 2 AVG hat die Rechtsmittelinstanz zu überprüfen, ob im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde die Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gegeben waren (VwGH 29.09.2005, 2005/11/0123; 28.06.2001, 99/11/0243).

Die zuständige Behörde hat eine Interessenabwägung durchzuführen und darzulegen, worin die Gefahr im Verzug besteht, die einen vorzeitigen Vollzug des Bescheides dringend gebietet (Hengstschläger/Leeb, AVG, zu § 64 Rz 31). In der Interessenabwägung sind die Interessen des Beschwerdeführers gegen die berührten öffentlichen Interessen und allfälliger weitere Parteien abzuwägen, wobei in einem ersten Schritt festzustellen ist, welche Interessen überwiegen.

Im gegenständlichen Fall begründete das Arbeitsmarktservice den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung damit, dass die Einhaltung einer Kontrollmeldung ein wesentliches Instrument der Arbeitsvermittlung sei und der raschen Integration in den Arbeitsmarkt diene, weshalb diese grundsätzlich einmal wöchentlich wahrzunehmen sei. Die im öffentlichen Interesse gelegene rasche Arbeitsmarktintegration gestaltete sich umso schwieriger, je länger der Arbeitslose der Vermittlungstätigkeit des AMS fern bleibt, in dem er vorgeschriebene Kontrollmeldungen ohne Vorliegen von triftigen Gründen nicht wahrnimmt. Da im Zeitraum ab dem versäumten Kontrollmeldetermin bis zur Wiedermeldung (beziehungsweise neuerlichen Antragstellung) dem AMS die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nicht möglich war, stünde eine vorläufige Auszahlung der Leistung im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin verursachten Verhinderung der Vermittlungs- und Betreuungsmöglichkeiten in einem die Versichertengemeinschaft grob belastenden Missverhältnis. Eine aufschiebende Wirkung würde den aus generalpräventiver Sicht im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck, Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren, unterlaufen. Aus diesem Grund überwiege das öffentliche Interesse gegenüber dem mit einer Beschwerde verfolgten Einzelinteresse der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Leistungen der Arbeitslosenversicherung.

Die Beschwerdeführerin ist dieser Begründung weder in ihrer Beschwerde noch in ihrem Vorlageantrag substantiiert entgegengetreten. Sie beantragte lediglich, ihr die Leistung auszuzahlen, da sie ihre monatlichen Rechnungen zu zahlen habe und demnach darauf angewiesen sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z. B. VwGH 11.01.2012, AW 2011/07/0062; 02.07.2012, AW 2012/03/0011) hat jedoch die Beschwerdeührerin - unabhängig von der Frage, ob einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen - im Aufschiebungsantrag zu konkretisieren, worin für sie der unverhältnismäßige Nachteil gelegen wäre. Erst die ausreichende Konkretisierung ermöglicht die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung. Es ist demnach erforderlich, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihr behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt, es sei denn, dass sich nach Lage des Falles die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres erkennen lassen.

Diese - zur Konkretisierungspflicht von Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ergangene - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist nach Ansicht des erkennenden Gerichtes im Wesentlichen auch auf die Erfordernisse von Beschwerden gegen einen durch die belangte Behörde vorgenommenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zu übertragen, zumal Entscheidungen über die Zuerkennung wie auch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden - der Systematik der §§ 13 und 22 VwGVG folgend - stets eine Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien voraussetzen.

Gegenständlich führt die Beschwerdeführerin jedoch nicht näher aus, welche konkreten wirtschaftlichen, finanziellen oder rechtlichen Nachteile für sie mit der (vorläufigen) Nichtausbezahlung der Notstandshilfe verbunden wären, sodass eine Interessenabwägung nicht vorgenommen werden konnte.

Unter Berücksichtigung des im Rahmen eines Provisorialverfahrens eingeschränkten Prüfungsmaßstabes (gemäß § 13 Abs. 5 letzter Satz VwGVG hat das Bundesverwaltungsgericht "ohne weiteres Verfahren" unverzüglich zu entscheiden [vgl. Dünser, Beschwerde und Vorverfahren bei der Behörde, ZUV 2013, 12 ff.]) vermag das erkennende Gericht die Erwägungen der belangten Behörde über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2 war sohin abzuweisen.

Das Bundesverwaltungsgericht weist ausdrücklich darauf hin, dass mit dem gegenständlichen Erkenntnis eine Entscheidung über Spruchpunkt 1 des bekämpften Bescheides nicht vorweggenommen wird, sondern diese zu einem späteren Zeitpunkt gesondert erfolgen wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde unter Punkt III. wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich vergleichbaren Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung Interessenabwägung Konkretisierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W266.2230740.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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