TE Bvwg Beschluss 2020/5/28 G313 2216958-1

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Veröffentlicht am 28.05.2020
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Entscheidungsdatum

28.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

G313 2216958-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Slowakei, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.03.2019, Zl. XXXX, beschlossen:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 06.04.2018 wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) die behördliche Absicht, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, vorgehalten, und ihm die Möglichkeit dazu gegeben, binnen gesetzter Frist zu seinen familiären und privaten Verhältnissen Stellung zu nehmen.

Eine Stellungnahme binnen der dem BF dafür gesetzten Frist und darüber hinaus ist beim BFA jedoch nicht eingelangt.

2. Mit Bescheid des BFA vom 18.03.2019 wurde gegen den BF ein für die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG dem BF kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.), und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

4. Am 04.04.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist slowakischer Staatsangehöriger.

1.2. Mit Spruchpunkt I. des im Spruch angeführten Bescheides vom 18.03.2019 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, dies beinahe ein Jahr, nachdem dem BF mit Schreiben des BFA vom 06.04.2018 die behördliche Absicht zu dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorgehalten worden war.

Im Zuge der Begründung des Bescheides wurde angeführt, dass der Zeitpunkt der Einreise des BF nach Österreich unbekannt ist und der BF am 29.03.2018 festgenommen wurde und sich derzeit in Strafhaft befindet. Unter den Feststellungen "Zu den Gründen für die Erlassung des Aufenthaltsverbots" wurde die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung des BF wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls von Juni 2018 samt den dieser Verurteilung zugrunde liegenden strafbaren Handlungen festgehalten.

In der Rechtlichen Beurteilung des Bescheides wurde "Zu Spruchpunkt I.:" zunächst § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG wiedergegeben und daraufhin Folgendes ausgeführt:

"Diese Voraussetzungen treffen für Sie zu:

Ausgenommen in der Justizanstalt sind Sie in Österreich nie melderechtlich in Erscheinung getreten und nie einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Ihnen fehlen jegliche familiäre und private Anknüpfungspunkte in Österreich. Sie sind in keiner Form integriert.

Ihr Lebensmittelpunkt liegt in der Slowakei.

Sie sind lediglich in das Bundesgebiet eingereist, um sich durch Straftaten zu bereichern.

Sie besitzen eine hohe kriminelle Energie, da Sie in der Slowakei eine einschlägige Verurteilung aufweisen. Es ist von einer hohen Rückfallwahrscheinlichkeit auszugehen, da bereits eine einschlägige Vorstrafe Sie von der Begehung weiterer strafbarer Handlung nicht abhalten konnte. Durch Ihr Verhalten stellen Sie eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Um derartigen Umtrieben entgegenzuwirken und den Schutz des Gemeinwohls gewährleisten zu können, ist ein konsequentes Vorgehen nötig.

In Ihrem Fall kann von keiner positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden.

Sie haben durch Ihr Verhalten gezeigt, dass Sie kein Interesse haben, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Ihr bisheriger Aufenthalt in Österreich beeinträchtigte ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich jenes an Ruhe, an Sicherheit für die Person und Ihr Eigentum und an sozialem Frieden. Das von Ihnen gezeigte Verhalten ist erst vor kurzem gesetzt und ist aufgrund Ihrer persönlichen Situation mit einer Fortsetzung zu rechnen. Es muss daher von einer aktuellen, gegenwärtigen Gefahr gesprochen werden.

Zur Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen (unionsrechtlich) aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige rechtfertigt, kann nach ständiger Rechtsprechung des VwGH auf den Katalog des § 53 Abs. 2 und 3 FPG als Orientierungsmaßstab zurückgegriffen werden.

Die beeinträchtigten öffentlichen Interessen sind maßgeblich für das Wohlergehen und Wohlbefinden der Bevölkerung und könne daher als erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung bezeichnet werden. Ihr Verhalten beeinträchtigt Grundwerte des Staates und dessen Bürger, gefährdet somit die nationale Sicherheit.

Aufgrund der wiederkehrenden Missachtung der Rechtsordnung sowie aufgrund Ihrer Lebenssituation in Österreich ist auch das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit erfüllt.

Wird durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung gem. § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(...)."

Nach Angabe, welche Punkte bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens iS des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen sind, wurde Bezug nehmend auf ein Familienleben des BF angeführt:

"Sie verfügen in Österreich über kein Familienleben bzw. keine familiären Anknüpfungspunkte. Sie selbst haben dazu keine Stellungnahme eingebracht. Somit stellt das Aufenthaltsverbot keinen Eingriff in Ihr Familienleben dar. Ihr Lebensmittelpunkt befindet sich in der Slowakei."

Bezugnehmend auf ein Privatleben des BF wurde angeführt:

"Sie verfügen über keinen ordentlichen Wohnsitz, sind in Österreich keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen, verfügen über keinen Versicherungsschutz und weisen keinerlei Integrationsmerkmale auf.

Vielmehr weist die von Ihnen begangene gerichtlich strafbare Handlung darauf hin, dass Sie kein Interesse an einem rechtmäßigen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet haben."

Nach Wiedergabe von Art. 8 Abs. 2 EMRK wurde festgehalten:

"Das Interesse der Republik Österreich an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung und der Verhinderung weiterer Straftaten wiegt im gegenständlichen Fall insgesamt schwerer als Ihr persönliches Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet bzw. an der Rückkehr ins Bundesgebiet. Da Sie weder familiäre, noch private Anknüpfungspunkte in Österreich haben, stellt das Aufenthaltsverbot keinen Eingriff dar.

Wie bereits festgestellt, verfügen Sie über kein Familien- oder Privatleben in Österreich. Gegenständliche Prüfung kann daher unterbleiben.

Bei den von Ihnen begangenen strafrechtlichen Delikten handelt es sich ohne Zweifel um ein die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten.

Es muss somit davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit Ihrem persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiegt.

Die Gesamtbeurteilung Ihres Verhaltens, Ihrer Lebensumstände sowie Ihrer familiären und privaten Anknüpfungspunkte haben daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes gerechtfertigt und notwendig ist, die von Ihnen ausgehende, erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Es ist auch zu erwarten, dass nur ein unbefristetes Aufenthaltsverbot geeignet ist, die Republik Österreich vor der von Ihnen ausgehenden Gefahr zu bewahren, zumal von Ihrer Seite kein Besserungswille glaubhaft gemacht wurde. (...)."

1.3. Der BF ist nach einem strafgerichtlichen Beschluss vom 25.04.2019, mit dem der Antrag des BF auf "vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbotes" ab 06.05.2019 bewilligt wurde, am 07.05.2019 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Slowakei ausgereist.

2. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen ergaben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG samt der am 09.05.2019 eingelangten Nachreichung über die strafgerichtliche Bewilligung des Antrages des BF auf "vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Aufenthaltsverbotes" ab 06.05.2019, und der am 04.06.2019 beim BVwG eingelangten Bekanntgabe des BFA, der BF sei am 07.05.2019 in die Slowakei ausgereist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

3.2. Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1

B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung des Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.

Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).

3.3. Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch einen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet wurde. (...)

Gemäß Abs. 2 kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

3.4. Mit Spruchpunkt I. des im Spruch angeführten Bescheides vom 18.03.2019 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, dies beinahe ein Jahr, nachdem dem BF mit Schreiben des BFA vom 06.04.2018 die behördliche Absicht zu dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorgehalten worden war, ohne zeitnah zur Erlassung des im Spruch angeführten Bescheides nochmals Ermittlungen zu den individuellen Verhältnissen bzw. dem Privat- und Familienleben des in Strafhaft befindlichen BF angestellt zu haben.

Im Bescheid des BFA vom 18.03.2019 wurde keine Feststellung zur Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet getroffen und im Zuge des Verfahrensganges festgehalten, der Zeitpunkt der Einreise des BF nach Österreich sei unbekannt und der BF sei am 29.03.2018 festgenommen worden und befinde sich derzeit in Strafhaft.

Der einfache Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 2 FPG fordert eine vorliegende "tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr", "die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt", der erhöhte Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 2 S. 5 FPG stellt bei einem Aufenthalt im Bundesgebiet seit zehn Jahren auf eine "nachhaltige und maßgebliche" Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich ab.

Im Zuge der Rechtlichen Beurteilung fand nach Wiedergabe von § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG eine Vermischung des einfachen Prüfungsmaßstabes nach § 67 Abs. 1 S. 2 und des erst bei einem Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet zur Anwendung kommenden erhöhten Prüfungsmaßstabes nach § 67 Abs. 1 S. 5 FPG statt.

Zunächst wurde aus dem in Österreich "erst vor kurzem" gesetzten Verhalten des BF auf eine aktuelle, gegenwärtige Gefahr, dann nach Einstufung beeinträchtigter öffentlicher Interessen als "maßgeblich" für das Wohlergehen und Wohlbefinden der Bevölkerung auf eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und aufgrund einer Beeinträchtigung der Grundwerte des Staates und dessen Bürger durch das Verhalten des BF auf eine Gefährdung der nationalen Sicherheit geschlossen, bevor nachgesetzt wurde, aufgrund der wiederkehrenden Missachtung der Rechtsordnung sowie aufgrund der Lebenssituation des BF in Österreich sei auch das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit erfüllt.

Dieses Tatbestandsmerkmal ist beim einfachen Prüfungsmaßstab, welcher das Vorliegen einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr verlangt, jedenfalls nicht enthalten.

Auf die Anwendung eines bestimmten Prüfungsmaßstabs - des einfachen nach § 67 Abs. 1 S. 2 FPG oder des erhöhten nach 67 Abs. 1 S. 5 FPG, wollte sich die belangte Behörde offenbar nicht festlegen. Dies wäre jedoch nötig gewesen, folgt doch jedem Prüfungsmaßstab ein jeweils anderes Prüfungsschema.

Die belangte Behörde hat zudem bloß allgemeingehalten darauf hingewiesen, dass zur Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen (unionsrechtlich) aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige rechtfertigt, nach ständiger Rechtsprechung des VwGH auf den Katalog des § 53 Abs. 2 und 3 FPG als Orientierungsmaßstab zurückgegriffen werden könne, ohne angeführt zu haben, welches konkrete Fehlverhalten des BF unter welchen Einreiseverbotstatbestand fallen würde.

Nach Wiedergabe von § 67 Abs. 1 und 2 FPG wurde nach Angabe, der BF habe in Österreich keine familiären und privaten Anknüpfungspunkte und sei in keiner Weise integriert, bloß angeführt, der BF sei lediglich deshalb in das Bundesgebiet eingereist, um sich durch Straftaten zu bereichern, und unter Bezugnahme auf eine einschlägige Verurteilung des BF in der Slowakei auf eine hohe kriminelle Energie des BF und eine hohe Rückfallwahrscheinlichkeit geschlossen, habe den BF doch bereits eine einschlägige Vorstrafe nicht von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abhalten können.

Welche, wann und auf welche Weise in Österreich begangenen Straftaten bzw. welches in Österreich gesetzte Verhalten des BF auf keine positive Zukunftsprognose schließen lassen, wurde nicht angeführt.

Eine hinreichend begründete Gefährdungsprognose bzw. ein hinreichend begründeter Bescheid liegt somit nicht vor.

Spruchpunkt I. samt fortfolgende Spruchpunkte II. und III. des im Spruch angeführten Bescheides waren daher gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Da im gegenständlichen Fall bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2216958.1.00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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