Entscheidungsdatum
28.05.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
G313 2216159-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Rumänien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2019, Zl. XXXX, beschlossen:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 22.10.2018 (zugestellt am 24.10.2018) wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) die behördliche Absicht, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, vorgehalten, und ihm die Möglichkeit gegeben, innerhalb von zehn Tagen dazu Stellung zu nehmen.
Eine Stellungnahme ist binnen der dem BF dafür gesetzten Frist und darüber hinaus beim BFA jedoch nicht eingelangt.
2. Mit Bescheid des BFA vom 14.02.2019 wurde gegen den BF ein für die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG dem BF kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.), und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
4. Am 18.03.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist rumänischer Staatsangehöriger.
1.2. Mit Spruchpunkt I. des im Spruch angeführten Bescheides vom 14.02.2019 wurde gegen den BF ein für die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
In der Rechtlichen Beurteilung wurde "Zu Spruchpunkt I.:" nach Wiedergabe von § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG Folgendes ausgeführt:
"Diese Voraussetzungen treffen für Sie zu:
Sie haben sich durch rechtswidrige und vorsätzliche Wegnahme von fremden beweglichen Sachen unrechtmäßig bereichern wollen. Sie hielten sich nur kurz im Bundesgebiet auf und wurden von einem inländischen Gericht zu einer beträchtlichen Freiheitsstrafe, nämlich zu 15 Monaten unbedingt, rechtskräftig verurteilt. Dies stellt bereits Ihre dritte strafrechtliche Verurteilung im Bundesgebiet dar. Sie haben durch Ihr Verhalten gezeigt, dass Sie kein Interesse daran haben, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Ihr bisheriger Aufenthalt in Österreich beeinträchtigte die Grundinteressen der Gesellschaft, nämlich jenes an Ruhe, an Sicherheit für die Person und ihr Eigentum und an sozialem Frieden. Das von Ihnen gezeigte Verhalten ist erst vor kurzem gesetzt und ist aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation mit einer Fortsetzung zu rechnen. Es muss daher von einer aktuellen, gegenwärtigen Gefahr gesprochen werden.
Die beeinträchtigten öffentlichen Interessen sind maßgeblich für das Wohlergehen und - befinden der Bevölkerung und können daher als erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung bezeichnet werden.
Aufgrund der eklatanten Missachtung der österreichischen Rechtsordnung sowie aufgrund Ihrer Lebenssituation in Österreich ist auch das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit erfüllt.
(...)."
Danach wurde auf die für die Interessensabwägung relevanten Bestimmungen des § 9 Abs. 1 BFA-VG und Art. 8 Abs. 2 EMRK eingegangen und bezüglich eines Familienlebens des BF angeführt:
"Da Sie keine Stellungnahme abgegeben haben, muss die Behörde davon ausgehen, dass Ihre Familienangehörigen in Rumänien leben."
Bezüglich eines Privatlebens des BF wurde Folgendes angeführt:
"Sie waren in Österreich zuletzt von 28.06.2010 bis 23.08.2010 gemeldet und reisten laut Gerichtsurteil kurz vor Ihrer Tatbegehung wieder in das Bundesgebiet ein, somit kann davon ausgegangen werden, dass keine soziale Integration besteht.
(...)
Wie bereits ausgeführt, wurden sie wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls von einem österreichischen Gericht rechtskräftig verurteilt, wobei dies bereits Ihre dritte strafrechtliche Verurteilung im Bundesgebiet darstellt. Durch Ihre Straffälligkeit mutierte Ihr grundsätzlich rechtmäßiger Aufenthalt zu einem unrechtmäßigen. Sie sind nicht gewillt, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Ihr persönliches Verhalten stellt eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die Grundinteressen der Gesellschaft dar. Sie haben dadurch das Grundinteresse der Gesellschaft am Schutz fremden Vermögens und des sozialen Friedens massiv verletzt. Ihr Aufenthalt stellt somit eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Sie haben keine persönlichen Verhältnisse zu regeln. Sie sind weder familiär, noch sozial integriert und verfügen über kein geregeltes Einkommen. Ihre sofortige Ausreise ist im öffentlichen Interesse dringend erforderlich.
Es muss davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit Ihrem persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiegt.
Die Gesamtbeurteilung Ihres Verhaltens, Ihrer Lebensumstände sowie Ihrer familiären und privaten Anknüpfungspunkte haben daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig ist, die von Ihnen ausgehende, erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Es ist auch zu erwarten, dass dieser Zeitraum erforderlich ist, um in Ihnen einen positiven Gesinnungswandel Ihrer Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung zu bewirken. Insbesondere befindet die Behörde die Dauer als angemessen und notwendig, zumal Sie bereits zwei Vorstrafen aufweisen und auch diese nicht zu einem Wertewandel geführt haben. (...)."
2. Beweiswürdigung:
Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen ergaben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.
Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
3.2. Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1
B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung des Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.
Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.
Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebraucht macht.
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Begründung eines Bescheides bedeutet die Bekanntgabe der Erwägungen, aus denen die Behörde zur Überzeugung gelangt ist, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und dass damit der Tatbestand einer bestimmten Rechtsnorm verwirklicht ist. Die Begründung eines Bescheides hat Klarheit über die tatsächlichen Annahmen der Behörde und ihre rechtlichen Erwägungen zu schaffen. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht hat sie daher alle jene Feststellungen in konkretisierter Form zu enthalten, die zur Subsumierung dieses Sachverhaltes unter die von der Behörde herangezogene Norm erforderlich sind. Denn nur so ist es möglich, den Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0156; 13.10.1991, Zl. 90/09/0186; 28.07.1994, Zl. 90/07/0029).
3.3. Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch einen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet wurde. (...)
Gemäß Abs. 2 kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
3.4. Mit Spruchpunkt I. des im Spruch angeführten Bescheides vom 14.02.2019 wurde gegen den BF ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, dies nachdem der BF nach Erhalt des Schreibens des BFA vom 22.10.2018 am 24.10.2018 mit der Verständigung über die behördliche Absicht zu dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme binnen der ihm dafür gesetzten Frist und darüber hinaus keine schriftliche Stellungnahme abgegeben hat.
Die belangte Behörde führte eingangs im Verfahrensgang zum Aufenthalt des BF im Bundesgebiet an, es entziehe sich der Kenntnis der Behörde, wann der BF zuletzt in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei, es sei jedoch bekannt, dass der BF im Oktober 2018 wegen des dringenden Verdachts, eine Straftat begangen zu haben, festgenommen und folglich in eine bestimmte Justizanstalt eingeliefert worden sei.
Unter den Feststellungen wurde zum Aufenthalt des BF im Bundesgebiet Folgendes festgehalten:
"Sie verfügen über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet. Zuletzt waren sie von 28.06.2010 bis 23.08.2010 im Bundesgebiet gemeldet. Zu Österreich bestehen weder familiäre noch berufliche Bindungen. Sie befinden sich laut Gerichtsurteil spätestens seit 18.09.2018 wieder im Bundesgebiet, also seit relativ kurzer Zeit."
Im angefochtenen Bescheid wurde im Zuge des Verfahrensganges und der Beweiswürdigung die strafrechtliche Verurteilung des BF von November 2018 samt den dieser Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen angeführt. Demnach hat der BF die erste dieser strafbaren Handlungen am 18.09.2018 begangen.
In der Rechtlichen Beurteilung wurde nach Wiedergabe von § 67 Abs. 2 und Abs. 2 FPG Folgendes ausgeführt:
"Diese Voraussetzungen treffen für Sie zu:
Sie haben sich durch rechtswidrige und vorsätzliche Wegnahme von fremden beweglichen Sachen unrechtmäßig bereichern wollen. Sie hielten sich nur kurz im Bundesgebiet auf und wurden von einem inländischen Gericht zu einer beträchtlichen Freiheitsstrafe, nämlich zu 15 Monaten unbedingt, rechtskräftig verurteilt. Dies stellt bereits Ihre dritte strafrechtliche Verurteilung im Bundesgebiet dar. Sie haben durch Ihr Verhalten gezeigt, dass Sie kein Interesse daran haben, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Ihr bisheriger Aufenthalt in Österreich beeinträchtigte die Grundinteressen der Gesellschaft, nämlich jenes an Ruhe, an Sicherheit für die Person und ihr Eigentum und an sozialem Frieden. Das von Ihnen gezeigte Verhalten ist erst vor kurzem gesetzt und ist aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation mit einer Fortsetzung zu rechnen. Es muss daher von einer aktuellen, gegenwärtigen Gefahr gesprochen werden.
Die beeinträchtigten öffentlichen Interessen sind maßgeblich für das Wohlergehen und - befinden der Bevölkerung und können daher als erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung bezeichnet werden.
Aufgrund der eklatanten Missachtung der österreichischen Rechtsordnung sowie aufgrund Ihrer Lebenssituation in Österreich ist auch das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit erfüllt.
(...)."
Die belangte Behörde nahm demnach auf die dritte strafrechtliche Verurteilung des BF Bezug, ohne sich näher mit den dieser Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen bzw. dem auch die den vorherigen beiden Verurteilungen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen miteinschließenden Gesamtverhalten des BF im Bundesgebiet auseinandergesetzt zu haben. Es wurde nur kurzgehalten angeführt, der BF habe sich durch rechtswidrige und vorsätzliche Wegnahme von fremden beweglichen Sachen unrechtmäßig bereichern wollen, sich nur kurz im Bundesgebiet aufgehalten und sei von einem inländischen Gericht zu einer beträchtlichen Freiheitsstrafe, nämlich zu 15 Monaten unbedingt, rechtskräftig verurteilt worden.
Es wurde angeführt, der BF habe durch sein Verhalten gezeigt, dass er kein Interesse daran habe, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Das von ihm gezeigte Verhalten sei erst vor kurzem gesetzt worden, und es sei aufgrund der wirtschaftlichen Situation des BF mit einer Fortsetzung zu rechnen. Nähere Angaben zum konkreten Verhalten des BF im Bundesgebiet, etwa dazu, wann bzw. in welchem Zeitraum und wie oft der BF jemandem in Bereicherungsabsicht etwas weggenommen hat, fehlen ebenso wie nähere Angaben zur wirtschaftlichen Situation des BF.
Etwas später im Zuge der Interessensabwägung wurde angeführt, dass der BF wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls von einem österreichischen Gericht rechtskräftig verurteilt worden sei, der BF nicht gewillt sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten, sein persönliches Verhalten eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die Grundinteressen der Gesellschaft darstelle, und der BF dadurch das Grundinteresse der Gesellschaft am Schutz fremden Vermögens und des sozialen Friedens massiv verletzt habe.
Welches persönliche Verhalten des BF bzw. welche seiner Verurteilung zugrunde liegenden strafbaren Handlungen konkret eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die Grundinteressen der Gesellschaft bzw. das Grundinteresse der Gesellschaft am Schutz fremden Vermögens und des sozialen Friedens darstelle, wurde nicht angeführt.
Im angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, dass sich der BF "spätestens seit 18.09.2018", "also seit relativ kurzer Zeit", wieder im Bundesgebiet befindet. Im Zuge der Rechtlichen Beurteilung wurde keine konkrete Aufenthaltsdauer angegeben.
Auf die Aufenthaltsdauer stellen jedoch die beiden in § 67 Abs. 1 FPG angeführten Prüfungsmaßstäbe ab:
Der einfache Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 2 FPG fordert eine vorliegende "tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr", "die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt", der erhöhte Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 2 S. 5 FPG stellt bei einem Aufenthalt im Bundesgebiet seit zehn Jahren auf eine "nachhaltige und maßgebliche" Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich ab.
Im gegenständlichen Fall fand insofern eine Durchmischung der beiden in § 67 Abs. 1 FPG enthaltenen Prüfungsmaßstäbe statt, als zunächst "von einer aktuellen, gegenwärtigen Gefahr", und nach Angabe, die beeinträchtigten öffentlichen Interessen seien maßgeblich für das Wohlergehen und -befinden der Bevölkerung, von einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgegangen worden sei, bevor nachgesetzt wurde, dass aufgrund der eklatanten Missachtung der österreichischen Rechtsordnung" sowie aufgrund der Lebenssituation des BF in Österreich "auch das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit erfüllt" sei. (Bescheid des BFA vom 14.02.2019, S. 8).
Dieses angeführte Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit ist jedoch im erhöhten Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 5 FPG enthalten.
Etwas später im Zuge der Interessensabwägung wurde wiederum festgehalten, das persönliche Verhalten des BF stelle eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die Grundinteressen der Gesellschaft dar. Demnach wurde offenbar dem einfachen Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 2 FPG gefolgt, wonach das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen müsse, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
Da im Zuge der Rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides sich nicht näher mit dem vom BF im Bundesgebiet konkret gesetzten persönlichen Verhalten bzw. den der dritten strafrechtlichen Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen und dem Gesamtverhalten des BF samt dem den beiden vorherigen Verurteilungen zugrundeliegendem strafbaren Verhalten auseinandergesetzt wurde, und nicht angeführt wurde, aufgrund welchen konkreten Verhaltens des BF in Zusammenhang mit welcher konkreten wirtschaftlichen Situation des BF "mit einer Fortsetzung zu rechnen" sei bzw. von keiner positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden könne, kann nicht von einer hinreichend begründeten Gefährdungsprognose ausgegangen werden.
Spruchpunkt I. samt fortfolgende Spruchpunkte II. und III. des im Spruch angeführten Bescheides waren daher gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Da im gegenständlichen Fall bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht individuelle Verhältnisse Kassation mangelnde SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2216159.1.00Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
28.07.2020