TE Vwgh Erkenntnis 1969/9/5 0698/69

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Veröffentlicht am 05.09.1969
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Index

Familienbeihilfe
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
61/01 Familienlastenausgleich

Norm

BAO §26 Abs1
FamLAG 1967 §2 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kaniak und die Hofräte Dr. Eichler, Dr. Raschauer, Dr. Frühwald und Hofstätter als Richter im Beisein des Schriftführers Dr. Baran über die Beschwerde der G W in W, vertreten durch Dr. Ernst Pölzl, Rechtsanwalt in Gmünd, Litschauerstraße 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 7. März 1969, GZ. GA VI-924/68, betreffend Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 1.105,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Das Finanzamt forderte mit Bescheid vom 18. Dezember 1967 die von der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 1. Juli 1962 bis 30. September 1967 zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe im Betrage von S 27.600,-- zurück, weil die Beschwerdeführerin im Juni 1962 in das Ausland (S, Schweiz) verzogen und daher der Anspruch auf Familienbeihilfe für ihre beiden im Jahre 1952 geborenen Kinder W und E erloschen sei.

Die Beschwerdeführerin berief. Sie sei im Sommer 1962 von H nach Wien verzogen und dort als kaufmännische Angestellte bis 31. Jänner 1963 beschäftigt gewesen. Seit Sommer 1962 besitze sie in Wien eine Wohnung in Hauptmiete. Diese Wohnung sei komplett eingerichtet und werde von ihr durchschnittlich zwei bis drei Monate im Jahre bewohnt. Ebenso verbringe sie im Jahre sechs bis acht Wochen bei den Eltern in H. Da die Eltern alt und kränklich seien, müsse sie sich um deren Angelegenheiten kümmern. Die übrige Zeit wohne sie in S in der Schweiz, wo ihr Ehegatte derzeit beschäftigt sei. Sie werde ihren Wohnsitz in Wien nicht aufgeben.

Die belangte Behörde führte ergänzende Ermittlungen durch und gab sodann mit dem angefochtenen Bescheid dem Rechtsmittel insoweit statt, als sie die Rückforderung auf S 23.650,-- mit der Begründung herabsetzte, es sei glaubhaft, daß die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bis Ende April 1963 in Österreich gehabt und erst dann in der Schweiz genommen habe. Im übrigen wies sie die Berufung ab. Nach den Angaben der Beschwerdeführerin, die sich im wesentlichen mit den Angaben der namhaft gemachten Zeugen deckten, sei ihr Ehegatte im Jahr 1962 nach der Auflösung seines Dienstverhältnisses bei einer Firma in H in die Schweiz abgereist. Sie selbst sei in Österreich verblieben, habe in Wien eine Stellung angenommen und sich eine Wohnung gekauft. Ihr Sohn habe in H die Schule besucht, seit Ostern 1963 besuche er die Schule in der Schweiz. Die Tochter sei bis zum September 1962 in einem Internat in Wien gewesen und besuche seit Herbst 1963 die Schule in der Schweiz. Seither sei die Beschwerdeführerin in den Schulferien mit ihren Kindern entweder in Wien oder in H. Auch sonst kehre sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit nach Wien zurück und verbringe hier einige Wochen. Ihr letzter Aufenthalt in Wien bzw. in H sei in den Monaten September und Oktober 1968 gewesen. Auch die Weihnachtsferien habe sie in Österreich verbracht. Sie sei von Mitte Jänner bis Anfang Februar 1968 und zu den Osterferien in Österreich gewesen. Sie habe nicht die Absicht, die Wiener Wohnung aufzugeben, zumal ihre Tochter später die Modeschule in Hetzendorf besuchen werde. Ihr Mann sei nicht ganz gesund, lebe schon jahrelang mit nur einer Niere. Wenn ihm etwas zustoßen sollte, wäre sie gezwungen, nach Österreich zurückzukehren, weil sie die teure Miete in der Schweiz nicht bezahlen könne. Als einzige Tochter sei sie überdies verpflichtet, ihre alten Eltern immer wieder zu besuchen und sich um sie zu kümmern. Vom Frühling 1963 bis Herbst 1963 sei sie nur fallweise in der Schweiz gewesen. Diese Angaben ließen den Schluß zu, daß die Beschwerdeführerin im Jahre 1963 ihren Wohnsitz in Österreich aufgegeben habe. Zur Begründung eines Wohnsitzes genüge es nämlich nicht, daß jemand eine Wohnung innehabe und sie beibehalte. Sie müsse von ihm auch benutzt werden. Die Kinder der Beschwerdeführerin besuchten seit Ostern bzw. September 1963 in der Schweiz die Schule. Sie selbst sei ihrem Ehegatten in die Schweiz gefolgt, wo sie seither ständig wohne. In die Wiener Wohnung komme sie nur selten zurück, weil ihre Aufenthalte in Österreich hauptsächlich dem Besuch ihrer Eltern in H gälten. Diese Umstände ließen erkennen, daß die Anwesenheit der Beschwerdeführerin in Österreich jeweils Besuchscharakter habe. Bei diesen Besuchen halte sie sich in der Hauptsache bei ihren Eltern in H und nicht in Wien auf. Sie habe also unstreitig im Bundesgebiet eine Wohnung inne und behalte diese Wohnung auch bei. Es könne aber keine Rede davon sein, daß sie die Wohnung auch benütze. Wie sie selbst angebe, seien die Gründe für die Beibehaltung der Wohnung darin gelegen, daß sie sich gegen die Wechselfälle des Lebens absichern wolle. Es sei aber glaubhaft, daß sie bis einschließlich April 1963 ihren Wohnsitz in Österreich gehabt habe, weil ihr Sohn ab Ostern die Schule in der Schweiz besucht habe. Ab diesem Zeitpunkt habe sie ihren Wohnsitz in der Schweiz genommen, denn es sei nicht anzunehmen, daß sie ihren elfjährigen Sohn allein in die Schweiz reisen lassen und dort seinem Schicksal überlassen habe. Im Hinblick auf die Kostentragung des Kindesvaters (des geschiedenen früheren Ehegatten) werde bemerkt, daß dieser bei Zutreffen der Voraussetzungen den Beihilfenanspruch selbst geltend machen könne, daß es aber nicht möglich sei, daß die Beschwerdeführerin ihren Anspruch von der Person des Kindesvaters ableite.

Die vorliegende Beschwerde wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 2 des in der Beschwerdesache noch anzuwendenden Familienlastenausgleichsgesetzes (Bundesgesetz vom 15. Dezember 1954, BGB1. Nr. 18, in der Fassung der Bundesgesetze vom 27. Juni 1962, BGBl. Nr. 171, und vom 16. April 1963, BGBl. Nr. 83) haben auf Familienbeihilfe Personen Anspruch, die im Sinne der abgabenrechtlichen Vorschriften im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, minderjährige Kinder, wenn das Kind zum Haushalt des Anspruchswerbers gehört, oder sofern es nicht zu seinem Haushalt gehört, überwiegend auf seine Kosten unterhalten und erzogen wird.

Einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften hat nach § 26 der Bundesabgabenordnung (BAO) jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, daß er die Wohnung beibehalten und benützen wird.

Die belangte Behörde beurteilte den ihr vorliegenden Sachverhalt dahin, daß die Beschwerdeführerin in Wien eine Wohnung innehat und daß sie die Wohnung beibehalten wird. Sie verneinte aber den Anspruch auf Familienbeihilfe, weil keine Rede davon sein könne, daß die Beschwerdeführerin die Wohnung auch benutzt. Sie stützte ihre Rechtsmeinung auf die Angaben der Beschwerdeführerin, daß diese die Wohnung beibehalten wolle, um in dem Fall, als ihrem nicht ganz gesunden Ehegatten etwas zustoßen sollte, nach Österreich zurückkehren zu können, weil sie die teure Miete in der Schweiz nicht bezahlen könnte, und daß die Tochter die Modeschule in Wien-Hetzendorf besuchen möchte.

Unbestritten ist, daß die Wohnung für eine ständige Benutzung eingerichtet ist. Unbestritten ist ferner, daß die Wohnung von der Beschwerdeführerin bei ihren Besuchen in Österreich benutzt wird und daß diese Besuche zumeist in Begleitung der Kinder und daher zur Zeit der Schulferien stattfinden und zu ein- oder mehrwöchigen Aufenthalten in Österreich und zur Benützung der Wohnung durch etwa zwei bis drei Monate im Jahr führen. Mag diese Benutzung auch nur bei Aufenthalten während der Schulferien der Kinder und den sonstigen zeitlich beschränkten Aufenthalten der Beschwerdeführerin in Österreich stattfinden, so liegt doch schon in einer solchen fallweisen Benützung der Wohnung, insbesondere aber in Verbindung mit dem nicht widerlegten Vorbringen der Beschwerdeführerin über eine mögliche dauernde Benützung der Wohnung in der Zukunft, ein Umstand, der erkennen läßt, daß die Beschwerdeführerin die Wohnung unter Umständen innehat, die im Sinne der Abgabenvorschriften einen inländischen Wohnsitz begründen. [vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1964, Slg. Nr. 3198 (F)].

Damit ist dargetan, daß die belangte Behörde den Sachverhalt unrichtig beurteilte. Der angefochtene Bescheid war daher, ohne daß noch auf die im Verwaltungsverfahren nicht erörterte und von der Behörde erst in der Gegenschrift aufgeworfene Frage, ob die Kinder überhaupt zum Haushalte der Beschwerdeführerin gehören und es nicht an dieser Voraussetzung für den Anspruch auf Familienbeihilfe fehle, sowie auf die mit der Nichtdurchführung der beantragten mündlichen Berufungsverhandlung begründete Verfahrensrüge einzugehen war, gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 47, § 48 Abs. 1 und § 59 VwGG 1965 im Zusammenhalt mit Art. I A der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4. Der Ersatz der Umsatzsteuer konnte nicht zugesprochen werden, weil dieser Aufwand im Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand seine Deckung findet.

Wien, am 5. September 1969

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1969:1969000698.X00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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