TE Vwgh Erkenntnis 1981/3/24 2857/80

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Veröffentlicht am 24.03.1981
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Index

Abgabenverfahren
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

BAO §303 Abs4
BAO §305 Abs1
EStG 1972 §34
EStG 1972 §4 Abs4
EStG 1972 §9 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
2858/80
2992/80
2993/80

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerden des Mag. pharm. HO in S, vertreten durch Dr. Hans Pirker, Rechtsanwalt in Irdning/Steiermark, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Steiermark, Berufungssenat 1, vom 26. Juni 1980, Zl. B 170/4-2/80, betreffend Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1976 und Gewerbesteuer 1976, und vom gleichen Tag, Zl. B 88-2/80, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1977, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid vom 26. Juni 1980, Zl. B 170/4-2/80, wird, soweit mit ihm über die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1976 entschieden worden ist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.340,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ermittelt für seinen Apothekenbetrieb den Gewinn gemäß § 5 EStG 1972 für ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr (jeweils 1. April bis 31. März des folgenden Kalenderjahres). Über ein Dienstverhältnis zwischen ihm und seiner (nunmehr von ihm geschiedenen) Frau befindet sich bei den Verwaltungsakten ein auf Vorhalt des Finanzamtes in Fotokopie vorgelegtes und nicht unterfertigtes Schreiben vom 1. Februar 1972 folgenden Wortlautes:

"Frau

GO

S

Betrifft: Dienstverhältnis als Angestellte der E-Apotheke S

Liebe T!

Wunschgemäß bestätige ich Dir hiermit auch schriftlich die bereits anläßlich der Begründung des Dienstverhältnisses mündlich getroffene Vereinbarung wie folgt:

Da Du in Deutschland bis zu unserer Verehelichung ein fixes Dienstverhältnis hattest und nunmehr aufgrund der Änderung der österreichischen Gesetze auch im Rahmen des Betriebes Deines Ehegatten ein Dienstverhältnis begründen konntest, erkläre ich hiermit rechtsverbindlich für mich und meine Rechtsnachfolger, daß das mit Dir bestehende Dienstverhältnis als Angestellte seitens des Dienstgebers als unkündbar zu betrachten ist.

Eine Kündigung des Dienstverhältnisses bzw. eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses kann daher seitens des Dienstgebers erst nach Eintritt der Altersgrenze zur Erreichung einer Pension vorgenommen werden.

Im übrigen gelten auch für dieses Dienstverhältnis die Bestimmungen des österreichischen Angestelltengesetzes sowie die einschlägigen Bestimmungen des Kollektivvertrages."

Die Ehe des Beschwerdeführers wurde über Klage der Frau geschieden, und in dem dabei geschlossenen gerichtlichen Vergleich vom 7. Oktober 1975 verpflichtete sich der Beschwerdeführer, seiner geschiedenen Frau einen wertgesicherten Unterhaltsbetrag von S 8.475,-- 14mal jährlich auf Lebenszeit, längstens jedoch bis zu ihrer Wiederverehelichung, zu zahlen. Ausdrücklich wurde vereinbart, daß die Unterhaltsleistung für die Zeit ruht, in der die Klägerin ein zumindest gleich hohes Nettoeinkommen aus dem Angestelltenverhältnis mit dem Beschwerdeführer bezieht.

Einen weiteren Vorhalt des Finanzamtes beantwortete der Steuerberater des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 8. November 1977 wie folgt (auszugsweise):

„.........

Nach den Bestimmungen des Dienstvertrages vom 1. Feber 1972 ist das Dienstverhältnis mit Frau GO seitens des Dienstgebers unkündbar, so daß grundsätzlich die Zahlungen an Frau GO Betriebsausgaben sind, da es sich um Aufwendungen handelt, die durch den Betrieb veranlaßt sind.

.........

Im gegenständlichen Falle wurde das Dienstverhältnis infolge des bestehenden Dienstvertrages vorerst auch nach der Scheidung fortgesetzt, da die Scheidung, eine familiäre Angelegenheit, mit dem Dienstverhältnis nichts zu tun hat.

Bedauerlicherweise hat jedoch mein Klient als Dienstgeber seiner geschiedenen Gattin erkennen müssen, daß diese ihren dienstlichen Obliegenheiten nicht in einer Form und Art nachkommt, wie es von einem verantwortungsbewußten Angestellten zu erwarten ist.

Mein Klient mußte feststellen, daß seine Angestellte, die immerhin mit der Führung der Buchhaltung und weitgehend mit der Abwicklung der finanziellen Gestion des Unternehmens betraut war, Handlungen setzte, die geeignet waren, eine Ruf- und Geschäftsschädigung des Unternehmens mit sich zu bringen.

Mein Klient hat daher das notwendige Vertrauen zu seiner Dienstnehmerin nicht mehr besessen und aus betrieblicher Vorsicht, vor Eintritt eines nicht wieder gutzumachenden Schadens somit rein aus betrieblicher Veranlassung auf die Arbeitsleistung verzichtet und es lieber in Kauf genommen, daß auf Grund des bestehenden unkündbaren Dienstverhältnisses weiterhin Lohnzahlungen anfallen, da dies ohne Zweifel das geringere Übel gegenüber einer echten Schädigung des Betriebes darstellt.

Dabei ist auch speziell der ausgeprägte Kleinstadtcharakter des Ortes zu berücksichtigen, in dem sich der Betrieb meines Klienten befindet.

........

Familiäre Gründe, die die betriebliche Veranlassung in Frage stellen würden, liegen hier keineswegs vor, so daß auch die wirtschaftliche Freizügigkeit des Unternehmens in diesem Falle nicht beeinträchtigt erscheint.

Wie bereits erwähnt, sind infolge des kleinstädtischen Charakters bei wirtschaftlichen Entscheidungen des Unternehmers andere Maßstäbe anzulegen, wenn aus betrieblicher Sicht darüber zu urteilen ist, ob eine Unternehmerentscheidung wirtschaftlich zweckmäßig ist.

.......“

Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer und Gewerbesteuer für das Kalenderjahr 1976 am 17. November 1977 (Wirtschaftsjahr 1. April 1975 bis 31. März 1976) anerkannte das Finanzamt den Lohnaufwand für die geschiedene Frau des Beschwerdeführers für den Zeitraum Dezember 1975 bis März 1976 (S 55.288,--) nicht als Betriebsausgabe.

Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer die undatierte, am 7. Dezember 1977 beim Finanzamt eingelangte Berufung, in der er unter Hinweis auf die Unkündbarkeit des zwischen ihm und seiner (nunmehr geschiedenen) Frau bestehenden Dienstverhältnisses in sachverhaltsmäßiger Hinsicht die Ausführungen in der Vorhaltsbeantwortung vom 8. November 1977 wiederholte.

Auf Grund einer abweislichen Berufungsvorentscheidung beantragte der Beschwerdeführer am 18. Jänner 1978 die Entscheidung über die Berufung durch die belangte Behörde als Abgabenbehörde zweiter Instanz. Er legte auch ein Schreiben der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark, Amtsstelle Liezen, vor, in dem bescheinigt wird, daß der Beschwerdeführer zufolge der vereinbarten Unkündbarkeit des Dienstverhältnisses dieses nur aus einem wichtigen Grund im Sinne der §§ 25 ff AngG auflösen konnte. Wenn der Beschwerdeführer seine geschiedene Frau ohne wichtige Gründe zur vorzeitigen Auflösung des unkündbaren Dienstverhältnisses "außer Dienst gestellt" habe, so sei er zur Fortzahlung des vereinbarten Entgelts verpflichtet.

Nachdem die Berufung gegen den Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheid 1976 am 30. Jänner 1978 vom Finanzamt der belangten Behörde zur Entscheidung vorgelegt worden war, führte diese die vom Beschwerdeführer beantragte mündliche Berufungsverhandlung durch. Dabei erklärte der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers, die geschiedene Frau des Beschwerdeführers habe in S erzählt, sie bewundere ihren Mann, daß er um 8,00 Uhr in der Apotheke sei, wenn er zuvor die ganze Nacht "gezecht" habe. Im übrigen werde in eventu beantragt, die Gehaltszahlung an die geschiedene Frau als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Mit Berufungsentscheidung vom 15. Oktober 1979 gab die belangte Behörde der Berufung teilweise Folge, indem sie, dem Eventualantrag des Beschwerdeführers entsprechend, die im Kalenderjahr 1976 geleisteten Zahlungen von S 216.157,-- zur Gänze aus dem Titel des Unterhaltes als außergewöhnliche Belastung berücksichtigte. Nach Abzug der mit S 62.555,-- ermittelten zumutbaren Mehrbelastung ergab sich eine zur tariflichen Auswirkung gelangende Überbelastung von S 153.602,--. Zum Nichtabzug der behaupteten Gehaltszahlungen als Betriebsausgaben führte die belangte Behörde aus: Der Haupteinwand des Beschwerdeführers, eine Einstellung der Gehaltszahlungen sei aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht möglich, werde durch das eigene Vorbringen des Beschwerdeführers zu Fall gebracht. Dem Beschwerdeführer wäre es bei dem von ihm behaupteten Verhalten seiner geschiedenen Frau ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist möglich gewesen, das Dienstverhältnis durch vorzeitige Entlassung zu beenden (§ 27 Z. 1 AngG). Die vom Beschwerdeführer selbst dargelegten Umstände, an deren Richtigkeit nicht gezweifelt werde, hätten zur Auflösung des Dienstverhältnisses führen können. Wenn der Beschwerdeführer die entsprechenden Schritte nicht unternommen habe, so sei dies, ebenso wie die seinerzeit erfolgte "Einräumung der Unkündbarkeit", ausschließlich "seinen inneren Beweggründen und damit der Sphäre der privaten Lebensführung zuzurechnen; dies insbesondere deshalb, weil diesen Zuwendungen eine gleichwertige Leistung des Empfängers nicht gegenüberstand".

Die Berufungsentscheidung vom 15. Oktober 1979 wurde vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht in Beschwerde gezogen.

Auch bei der am 17. September 1979 erfolgten vorläufigen Veranlagung zur Einkommensteuer und Gewerbesteuer für das Kalenderjahr 1977 verweigerte das Finanzamt dem für die geschiedene Frau des Beschwerdeführers geltend gemachten Lohnaufwand von S 198.119,-- den Abzug als Betriebsausgabe. Nachdem der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die im Zuge des Rechtsmittelverfahrens betreffend die Veranlagung 1976 durchgeführte Berufungsverhandlung auf die Anerkennung der Zahlungen an die geschiedene Frau als außergewöhnliche Belastung hingewiesen und die Berücksichtigung der Zahlungen 1977 unter diesem Titel beantragt hatte, erließ das Finanzamt am 7. Jänner 1980 den endgültigen Einkommensteuerbescheid 1977. Dabei wurde ein Betrag von S 124.944,-- als außergewöhnliche Belastung anerkannt (30 v. H. des mit S 485.984,-- berechneten Nettoeinkommens abzüglich S 20.851,-- eigene Einkünfte der Ehefrau). Nach Abzug der mit S 66.826,-- ermittelten zumutbaren Mehrbelastung ergab sich eine zur tariflichen Auswirkung gelangende Überbelastung von S 58.118,--. Gleichzeitig wurde der vorläufige Gewerbesteuerbescheid 1977 für endgültig erklärt.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung gegen den endgültigen Einkommensteuerbescheid 1977 und gegen den Bescheid, mit dem die vorläufige Veranlagung zur Gewerbesteuer für 1977 endgültig erklärt worden ist. Der Beschwerdeführer führte im wesentlichen aus wie in der Vorhaltsbeantwortung vom 8. November 1977. Zur Vereinbarung der Unkündbarkeit des behaupteten Dienstverhältnisses brachte er vor, wegen des aufstrebenden Fremdenverkehrs in S seien Zugeständnisse, wie z. B. Unkündbarkeit für qualifiziertes Personal, üblich gewesen. Dazu sei gekommen, daß seine geschiedene Frau spezifische Kenntnisse des Rechnungswesens in Apotheken habe. Wegen der langen Einschulungsperiode und der "schwierigen Personaldisposition" sei es zweckmäßig gewesen, "ein möglichst langfristiges Dienstverhältnis zu schließen, woraus sich die Befristung bis zum Zeitpunkt der Altersgrenze ableitet. Unabdingbare Forderung der Dienstnehmerin ... war jedoch die Unkündbarkeit bis zur Altersgrenze. Dieses Streben nach Sicherung des Arbeitsplatzes ist aber bei einem Dienstnehmer dieses Alters und Ausbildungsstandes verständlich und eher unter Familienfremden als unter Eheleuten üblich". Der Beschwerdeführer bezeichnete das Verhalten seiner geschiedenen Frau als "gewisse passive Resistenz", behauptete, sie habe nicht näher bezeichnete geschäfts- und rufschädigende Gerüchte über ihn in Umlauf gesetzt und habe "das von ihr offensichtlich geleistete Intrigenspiel so geschickt" geführt, daß ein konkreter Entlassungsgrund nicht habe angeführt werden können. Durch die Rechtsauskunft der Arbeiterkammer sei der in arbeitsrechtlichen Belangen nicht vorgebildete Beschwerdeführer veranlaßt worden, einen arbeitsgerichtlichen Prozeß, der wahrscheinlich zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausgegangen wäre, zu unterlassen, zumal dadurch eine weitere Ruf- und Geschäftsschädigung eingetreten wäre.

Auf Grund einer abweisenden Berufungsvorentscheidung auch über die Berufung 1977 beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Berufung durch die belangte Behörde als Abgabenbehörde zweiter Instanz. Die Aktenvorlage erfolgte am 19. Februar 1980, und am 2. April 1980 teilte das Finanzamt der belangten Behörde im Nachhang hiezu die Einkünfte der geschiedenen Frau aus Vermietung und Verpachtung des Jahres 1976 mit.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid (protokolliert zu den hg. Zlen. 14/2858/80, 14/2993/80) nahm die belangte Behörde ihr mit dem oben erwähnten Bescheid vom 15. Oktober 1979 abgeschlossenes Verfahren über die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für 1976 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und erließ zugleich eine neue Sachentscheidung, mit der sie der Berufung teilweise Folge gab. Als Wiederaufnahmsgrund sah es die belangte Behörde an, daß ihr erst anläßlich der Aktenvorlage betreffend die Berufung gegen die Abgabenbescheide für 1977 die schon bestandene Tatsache eigener Einkünfte der geschiedenen Frau des Beschwerdeführers bekannt geworden sei. Das Hervorkommen dieses Wiederaufnahmsgrundes rechtfertige die Wiederaufnahme in vollem Umfang. Im Sinne des hg. Erkenntnisses vom 24. Mai 1978, Zl. 1307/77, sei der vom Beschwerdeführer an seine geschiedene Frau zu leistende angemessene Unterhalt bei der gegebenen Sorgepflicht für ein Kind mit etwa 28 v. H. bis 30. v. H. des Nettoeinkommens abzüglich eigener Einkünfte der Frau festzusetzen. Bei dem Nettoeinkommen des Beschwerdeführers von S 456.748,-- errechne sich der somit zu leistende Unterhalt mit S 137.024,-- (30 v. H.), was nach Abzug der Einkünfte der geschiedenen Frau und der unverändert mit S 62.555,-- anzusetzenden zumutbaren Mehrbelastung eine Überbelastung von S 58.167,-- ergebe.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid (protokolliert zu den hg. Zlen. 14/2857/80, 14/2992/80) wies die belangte Behörde die Berufung gegen die Abgabenbescheide 1977 ab. Mit seinem Hinweis, daß die Abgabenbehörde nicht zu untersuchen habe, ob Betriebsausgaben notwendig, üblich oder zweckmäßig seien, habe der Beschwerdeführer die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Z. 2 EStG 1972 übersehen, wonach Aufwendungen für die Lebensführung des Steuerpflichtigen nicht abzugsfähig seien. Nach der Auslegung, die diese Vorschrift durch die Rechtsprechung erfahren habe, werde damit zur Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit die Aufteilung und damit der Abzug von Aufwendungen, die sowohl der privaten Lebensführung dienen als auch den Beruf fördern, verboten. Es solle verhindert werden, daß Steuerpflichtige durch eine mehr oder weniger zufällige oder bewußt herbeigeführte Verbindung zwischen beruflichem oder privatem Interesse Aufwendungen für ihre Lebensführung zum Teil in einen einkommensteuerrechtlich relevanten Bereich verlagern können, weil sie einen Beruf haben, der ihnen dies ermögliche, während andere Steuerpflichtige derartige Aufwendungen aus versteuerten Einkünften decken müßten. An den vom Steuerpflichtigen zu führenden Nachweis des beruflichen Charakters solcher Aufwendungen seien grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen. Die vorliegende Frage der Anerkennung der Zahlungen an die geschiedene Gattin sei bereits für das Jahr 1976 Gegenstand der Berufungsentscheidung vom 15. Oktober 1979 gewesen. Mit dieser Entscheidung sei zum Ausdruck gebracht worden, daß den strittigen Zahlungen nicht der Charakter von Betriebsausgaben zukomme. Da in der nunmehrigen, das Jahr 1977 betreffenden Berufung Umstände, die zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen könnten, nicht aufgezeigt worden seien - nach Auffassung des Senates seien die neuerlichen Behauptungen hinsichtlich der Unmöglichkeit einer vorzeitigen Lösung des Dienstverhältnisses mit der geschiedenen Gattin wiederum nur als bloßes Zweckvorbringen anzusehen - und somit der Sachverhalt keine Änderung gegenüber dem Vorjahr erfahren habe, finde der Berufungssenat keine Veranlassung, von dieser Rechtsmeinung abzugehen. Darüberhinaus sei der nunmehr vorliegenden Vergleichsausfertigung vom 7. Oktober 1975 unzweifelhaft der Versuch zu entnehmen, Aufwendungen der privaten Lebensführung in den betrieblich relevanten Bereich zu verlagern. Auch in Ansehung des als gesetzlicher Unterhalt anzusehenden Betrages sei die Höhe der laut Vergleich vereinbarten Zahlungen als Indiz für diese Auffassung anzusehen.

Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer die vorliegenden Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und hierüber erwogen:

1. Wiederaufnahme des Einkommensteuerveranlagungsverfahrens 1976

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen u. a. in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Der Beschwerdeführer bestreitet, die Tatsache eigener Einkünfte seiner geschiedenen Frau sei eine neu her vorgekommene Tatsache im Sinne des Gesetzes. Bereits im Veranlagungsverfahren für 1977 habe die belangte Behörde das Finanzamt angewiesen, entgegen der für 1976 getroffenen Berufungsentscheidung vom 15. Oktober 1979 "nunmehr" auch die eigenen Einkünfte der geschiedenen Frau im Sinne des hg. Erkenntnisses vom 24. Mai 1978, Zl. 1307/77, zu berücksichtigen. Das Finanzamt habe den steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers bereits im Veranlagungsverfahren 1977 auf diese Anweisung der Finanzlandesdirektion hingewiesen und "bedauert", daß 1977 die Höhe der außergewöhnlichen Belastung anders ermittelt werden müsse als in der Berufungsentscheidung für 1976.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum gewünschten Erfolg zu führen. Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist streitentscheidend, ob bestimmte Tatsachen oder Beweismittel im Verfahren geltend gemacht worden sind. Nach Lage der Akten ergibt sich, daß die hier zur Wiederaufnahme Anlaß gebende neu hervorgekommene Tatsache in dem maßgeblichen Verfahren betreffend die Einkommensteuer des Beschwerdeführers für das Jahr 1976 vor der Abgabenbehörde nicht geltend gemacht worden ist; und zwar weder im Verfahren vor der Behörde erster Instanz, noch im Verfahren vor der Behörde zweiter Instanz.

Schon aus den vorstehend dargelegten Überlegungen läßt sich mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 29. März 1965, Zl. 1335/64, Slg. Nr. 3250/F, für den Beschwerdeführer nichts gewinnen.

Weiters verweist der Beschwerdeführer auf den Ermessenscharakter des § 303 Abs. 4 BAO. Der Verwaltungsgerichtshof kann indes in der von der belangten Behörde verfügten Wiederaufnahme des Verfahrens weder eine Ermessensüberschreitung noch einen Ermessensmißbrauch erkennen. Die Durchführung der Wiederaufnahme erfolgte in Übereinstimmung mit dem im § 20 BAO normierten Gesetzessinnes der Billigkeit und Zweckmäßigkeit. Die richtige Berechnung der außergewöhnlichen Belastung und damit letztendlich der Bemessungsgrundlage und die darauf beruhende richtige Abgabenfestsetzung sind bei den im Beschwerdefall gegebenen Verhältnissen nicht als Unbilligkeit zu erkennen. An der Zweckmäßigkeit der mit dem Gesetz übereinstimmenden Besteuerung können vorliegendenfalls Zweifel überhaupt nicht aufkommen.

Schließlich rügt der Beschwerdeführer, die Wiederaufnahme sei nicht auch hinsichtlich des Berufungsverfahrens betreffend die Gewerbesteuer 1976 erfolgt. Dieser Rüge kommt allein schon deswegen keine Berechtigung zu, weil die Tatsache des Bezuges eigener Einkünfte durch die geschiedene Frau des Beschwerdeführers für die Gewerbesteuer jeder Relevanz entbehrt.

2. Betriebsausgabeneigenschaft der strittigen Zahlungen 1976 und 1977:

Die belangte Behörde stützt die Begründung der angefochtenen Bescheide zum einen darauf, daß der Beschwerdeführer im Falle des Zutreffens der seiner geschiedenen Frau zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Dienstverhältnis durch vorzeitige Entlassung zur Auflösung hatte bringen können. Zum anderen stützt die belangte Behörde im Ergebnis ihre Entscheidungen auf die Unglaubwürdigkeit der vom Beschwerdeführer behaupteten Unlösbarkeit des Dienstverhältnisses mit seiner geschiedenen Frau. Die Beschwerden hingegen begründen die behauptete Rechtswidrigkeit im wesentlichen mit den schon im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumenten.

Somit reduziert sich die dem Verwaltungsgerichtshof aufgetragene Prüfung der angefochtenen Bescheide in diesem Punkt darauf, ob die belangte Behörde zu ihrer Schlußfolgerung auf Grund des von ihr festgestellten Sachverhaltes rechtmäßigerweise gelangen konnte und ob die Feststellung dieses Sachverhaltes in einem von wesentlichen Mängeln freien Verfahren erfolgte.

Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß die belangte Behörde das Gesetz verletzte, wenn sie die strittigen Beträge, die der Beschwerdeführer an seine geschiedene Frau zur Auszahlung brachte, nicht als Betriebsausgaben anerkannte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ist für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen erforderlich, daß die zu beurteilenden Vereinbarungen u. a. auch zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 1977, Zlen. 346, 453/77, Slg. Nr. 5139/F, das zu dieser Frage eine Zusammenfassung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes enthält). Unter diesem Gesichtspunkt ist nicht allein die Frage von Bedeutung, ob das vom Beschwerdeführer behauptete, seiner Person und seinem Betrieb angeblich im hohen Maß abträgliche Verhalten seiner geschiedenen Frau einen Grund für eine vorzeitige Entlassung im Sinne des § 27 AngG darstellte. Die Dinge sind bei der gegebenen Sachlage in ihrem Zusammenhang als Ganzes zu beurteilen, und bei einer solchen Betrachtung erscheint die Auffassung der belangten Behörde als nicht rechtswidrig, wonach die Ausführungen über die ruf- und geschäftsschädigenden Handlungen der geschiedenen Frau - von denen der Beschwerdeführer letztlich selbst einräumt, daß sie für eine erfolgreiche vorzeitige Entlassung nicht beweisbar sind - nicht konkretisierte bloße Zweckbehauptungen darstellten. Auch der Grund für die vom Beschwerdeführer behauptete Notwendigkeit der Weiterzahlung von Dienstbezügen ohne jede Gegenleistung, nämlich die angebliche Unkündbarkeit, kann einer näheren Prüfung nicht standhalten. Es ist nämlich mit den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht in Einklang zu bringen, daß zwischen Betriebsinhaber als Dienstgeber beim Gegenstand des vorliegenden Betriebes (Apotheke) und einem Angestellten mit dem vorliegenden Aufgabenbereich (Beschäftigung im Buchhaltungs- und Rechnungswesen einer Apotheke) seitens des Dienstgebers unkündbare Dienstverhältnisse abgeschlossen werden. Für den Gerichtshof ist es notorische Tatsache, daß bis zur Erreichung des Pensionsalters unkündbare Anstellungen nur in ganz besonderen Fällen erfolgen, so etwa in Großbetrieben bei leitenden Angestellten, die in ihrem Aufgabenbereich unternehmergleiche Funktionen ausüben und über ganz außerordentliche und branchenspezifische langjährige Erfahrungen und Kenntnisse verfügen. Aus diesem Grund ist auch die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Annahme nicht rechtswidrig, daß zwischen einem Apotheker und seinem lediglich in Buchhaltungs- und Rechnungsangelegenheiten beschäftigten Angestellten unkündbare Dienstverhältnisse nicht abgeschlossen zu werden pflegen, wenn es sich um durch keine persönlichen Beziehungen verbundene Personen handelt. Die belangte Behörde konnte somit unbedenklich schließen, daß die vom Beschwerdeführer als durch den Betrieb veranlaßt (§ 4 Abs. 4 EStG 1972) behaupteten Zahlungen ihren wahren Grund in einer in den Bereich der privaten Lebenssphäre zu verweisenden Vereinbarung haben. Ebenso unbedenklich konnte die belangte Behörde schließen, daß die gegenteiligen Ausführungen des Beschwerdeführers als auf die Erreichung steuerlich ungerechtfertigter Vorteile abzielende und unbewiesene Zweckbehauptungen sind.

Der Beschwerdeführer bekämpft die angefochtenen Bescheide auch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß die belangte Behörde solche Vorschriften in einer eine Rechtswidrigkeit begründenden Weise außer acht ließ.

Demnach sind in diesem Punkt die angefochtenen Bescheide weder mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes noch mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

3. Außergewöhnliche Belastung durch die strittigen Zahlungen:

Hier ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens lediglich strittig, ob die vom Beschwerdeführer zu Lasten des 1976 zu versteuernden Gewinnes gemäß § 9 Abs. 1 EStG 1972 gebildete Investitionsrücklage Einfluß auf die Höhe jenes Nettoeinkommens hat, das für das Ausmaß der den Beschwerdeführer treffenden Unterhaltspflicht maßgebend ist. Anders gesagt, ob die Investitionsrücklage für das Nettoeinkommen erhöhend zu behandeln ist.

Mit dieser Frage hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 4. November 1980, Zl. 3301/79, befaßt. Diese dort für den gemäß § 9 Abs. 3 EStG 1972 gebildeten steuerfreien Betrag getroffenen Aussagen gelten grundsätzlich auch für die Investitionsrücklage. Auch bei ihr handelt es sich um einen Teil des Gewinnes. Die steuerlich begünstigte Behandlung dieses Gewinnteiles bewirkt nicht, daß dem Unterhaltsverpflichteten deswegen geringere Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung stehen. Durch die Bildung einer Investitionsrücklage erfahren daher die Unterhaltsverpflichtung wie der ihr korrespondierende Unterhaltsanspruch keine Verringerung. Der Gerichtshof hat im zitierten Erkenntnis vom 4. November 1980 allerdings auch ausgesprochen, daß eine Korrektur des Nettoeinkommens um eine Investitionsrücklage dann unterbleiben kann, wenn der Rücklagenbildung eine annähernd gleich hohe Rücklagenauflösung gegenübersteht. Diese Beurteilung beruht auf der Überlegung, daß bei Rücklagenbildung und gleichzeitiger Auflösung einer in früheren Jahren gebildeten Rücklage gleicher Höhe die für den Lebensunterhalt verfügbaren Mittel unberührt bleiben. Daher hat bei gleicher Höhe der neu gebildeten und der aufgelösten Investitionsrücklagen eine Korrektur des Nettoeinkommens nicht stattzufinden. Ist, wie das im vorliegenden Fall den den Abgabenerklärungen 1976 angeschlossenen Beilagen zu entnehmen ist, die aufgelöste, in einem Vorjahr gebildete Investitionsrücklage niedriger als die neu eingestellte, so rechtfertigt das im Sinne der dem hg. Erkenntnis vom 4. November 1980 entsprechenden Grundgedanken eine "Adaptierung" des Nettoeinkommens nur in der Höhe der Differenz der beiden Investitionsrücklagen(teile).

Aus dem Gesagten folgt, daß der belangten Behörde in diesem Punkt eine Rechtswidrigkeit nicht anzulasten ist.

Insgesamt war daher der erstangefochtene Bescheid, soweit mit ihm über die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1976 entschieden wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im übrigen waren die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenaussprüche gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/1977. Das Kostenmehrbegehren des Beschwerdeführers war abzuweisen, da der Ersatz des Schriftsatzaufwandes nicht, wie vom Beschwerdeführer begehrt, S 5.832,--, sondern S 3.000,-- beträgt, und damit auch die Umsatzsteuer abgegolten ist. Der Ersatz für Stempelmarken war in dem Umfang zuzusprechen, als nach dem Gesetz Gebühren durch Anbringen von Stempelmarken zu entrichten waren.

Wien, 24. März 1981

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1981:1980002857.X00

Im RIS seit

28.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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