Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Bianca Hammer (aus dem Kreis Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Mag. Manfred Pollitsch, Mag. Hannes Pichler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Doris Braun, Rechtsanwältin in Graz, wegen 23.624,76 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Februar 2020, GZ 6 Ra 79/19p-14, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1 Nach der Rechtsprechung ist zwischen Aussetzungsvereinbarungen, die ohne Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen, einerseits und Wiedereinstellungszusagen und -vereinbarungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses andererseits wegen der damit verbundenen unterschiedlichen Folgen zu unterscheiden (RIS-Justiz RS0021837 [T10]). Bei einer bloßen Karenzierung wird der Arbeitsvertrag rechtlich nicht beendet; es werden nur die Hauptpflichten, die Arbeitspflicht und die Entgeltpflicht, zum Ruhen gebracht (RS0021837). Eine echte Karenzierung ist daher mit einer Wiedereinstellungszusage oder einer
-vereinbarung nicht in Einklang zu bringen, weil jede „Wiedereinstellung“ zwangsläufig eine vorherige Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzt (RS0021837 [T11]).
1.2 Ob die Parteien eine Unterbrechung oder eine – keine Beendigung oder Unterbrechung darstellende – Karenzierung des Arbeitsverhältnisses vereinbart haben, ist aus dem nach §§ 914 ff ABGB unter Erforschung der wahren Parteienabsicht zu ermittelnden Inhalt der zwischen den Arbeitsvertragsparteien abgeschlossenen Vereinbarung zu beurteilen (RS0017802 [T14]). Hierbei ist nicht so sehr auf die Wortwahl der Parteien, sondern auf die von ihnen bezweckte Regelung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen abzustellen (RS0017802). Entscheidend ist, ob aufgrund einer Gesamtsicht die Merkmale, die für das Vorliegen einer Unterbrechungsvereinbarung sprechen, gegenüber den Merkmalen, die auf das Vorliegen einer bloßen Karenzierungsvereinbarung hindeuten, überwiegen (RS0017802 [T26]). Diese Frage kann immer nur anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls beantwortet werden (vgl RS0017802 [T19, T20, T24]). Sie erfüllt daher regelmäßig nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO (RS0017802 [T25]; 9 ObA 147/98b).
2.1 Nach den Feststellungen vereinbarte der als Schlosser bei der Beklagten beschäftigte Kläger mit seiner Arbeitgeberin Ende Jänner 2019, dass das Arbeitsverhältnis ab 1. 2. 2019 für die Dauer von vier Wochen „unterbrochen“ werden sollte. Die Initiative ging dabei allein von ihm aus, weil er „private Dinge“ zu erledigen habe. Da der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger, einem verdienstvollen, langjährigen Mitarbeiter, entgegenkommen wollte, war er mit dieser Vereinbarung trotz sehr guter Auftragslage einverstanden, Voraussetzung war aber die Limitierung mit vier Wochen. Eine Notwendigkeit zu einem arbeitsbedingten Mitarbeiterabbau bestand nicht. Vereinbart war, dass der Kläger nach vier Wochen seine Arbeit wiederaufzunehmen hat. Von ihm wurden weder das Diensthandy, noch die Schlüssel oder die Arbeitskleidung zurückverlangt. Die Baustellenausweise blieben aktiv, das Handy angemeldet. Auch erstellte die Beklagte keine Endabrechnung.
2.2 Davon ausgehend gelangte das Berufungsgericht – wie schon das Erstgericht – zu der Auffassung, dass die Parteien ihre vertragliche Bindung nicht abbrechen, sondern – ungeachtet der gegenüber der Krankenkasse abgegebenen Erklärung (Abmeldegrund „einvernehmliche Auflösung“ per 1. 2. 2019) – lediglich auf eine bestimmte, von vornherein festgelegte Zeit suspendieren wollten. Der Umstand, dass der Kläger Arbeitslosengeld bezogen habe, vermöge daran, dass bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller Umstände von einer Karenzierung auszugehen sei, nichts Wesentliches zu ändern. Daher habe der Kläger mit seiner schließlich Mitte Februar 2019 gegenüber der Beklagten abgegebenen Erklärung, nicht mehr arbeiten zu kommen, weil er eine andere Arbeitsstelle gefunden habe, seinen Abfertigungsanspruch gemäß § 23 Abs 7 AngG iVm § 2 Abs 1 Arbeiter-Abfertigungsgesetz verloren.
2.3 Dem Revisionswerber gelingt es nicht, an dieser Beurteilung Bedenken zu wecken.
Entgegen seiner Meinung ergibt sich aus der von ihm zitierten Entscheidung 9 ObA 35/19s kein Judikaturwandel dahin, dass nicht mehr auf die Absicht der Parteien, sondern ausschließlich auf objektive Merkmale – wie den Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung – abzustellen wäre. Vielmehr kam der Oberste Gerichtshof im dortigen Fall auch erst aufgrund einer Gesamtsicht zu dem Schluss, dass die für eine echte Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses im Sinn einer Beendigung sprechenden Gründe überwiegen würden. Ausschlaggebend war, dass im Vergleichsfall – neben einer zu einem noch nicht näher konkretisierten Zeitpunkt in Aussicht gestellten Wiederbeschäftigung – eine saisonbedingte Abmeldung vorlag, um dem dortigen Kläger zur Überbrückung den Bezug von Arbeitslosengeld zu ermöglichen (vgl RS0017802 [T21, T22, T27]). Abgesehen davon, dass im Einzelfall die Erforschung des Parteiwillens auch in einem derartigen Fall zum gegenteiligen Ergebnis führen kann (RS0017802 [T27]; 9 ObA 147/98b), steht eine solche (eine echte Unterbrechung indizierende) Parteienabsicht im Anlassfall nicht fest.
Demgegenüber stützen die Feststellungen, dass der Wiederantritt des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von vier Wochen von vornherein fixiert war, eine Endabrechnung nicht stattfand und die Vereinbarung ausschließlich über Wunsch des Klägers und nicht aus betrieblichen Gründen erfolgte, die Rechtsansicht des Berufungsgerichts.
3. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.
Textnummer
E128651European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00041.20T.0527.000Im RIS seit
28.07.2020Zuletzt aktualisiert am
23.04.2021