TE Lvwg Erkenntnis 2020/6/9 VGW-031/019/15924/2019

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Veröffentlicht am 09.06.2020
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Entscheidungsdatum

09.06.2020

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §4 Abs1 lita
StVO 1960 §4 Abs1 litc
StVO 1960 §4 Abs5
StVO 1960 §99 Abs2 lita
StVO 1960 §99 Abs3 litb

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. Pichler über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch die Rechtsanwaltspartnerschaft KG, vom 2. Dezember 2019 gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat ..., vom 5. November 2019, Zl. VStV/..., betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung (StVO), nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 17. Jänner 2020 und 3. Juni 2020,

zu Recht:

I. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses insoweit Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von € 100,00 auf € 70,00 und die für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 22 Stunden auf 1 Tag und 8 Stunden herabgesetzt wird; im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Strafverfahrens beträgt gemäß § 64 VStG € 30,00 (das sind zu Spruchpunkt 1. und 3. des angefochtenen Straferkenntnisses 10 % der verhängten Geldstrafe und zu Spruchpunkt 2. der gesetzliche Mindestkostenbeitrag).

III. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 3. des angefochtenen Straferkenntnisses einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von € 40,00 (das sind 20 % der zu diesen Spruchpunkten verhängten Geldstrafen) zu leisten.

IV. Hinsichtlich des Spruchpunktes 2. des angefochtenen Straferkenntnisses ist gegen dieses Erkenntnis gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof durch die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig. Hinsichtlich des Spruchpunktes 3. des angefochtenen Straferkenntnisses ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig. Hinsichtlich des Spruchpunktes 1. des angefochtenen Straferkenntnisses ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Verfahrensgang:

1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat ..., vom 5. November 2019, zugestellt am 12. November 2019, Zl.: VStV/..., wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:

„1. Datum/Zeit:                    18.09.2019, 05:30 Uhr

Ort:                               Wien, C.-Straße 44

Betroffenes Fahrzeug:  PKW, Kennzeichen: MD-... (A)

Sie sind mir einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, zumal Sie die Unfallstelle sofort verlassen haben.

2. Datum/Zeit:                    18.09.2019, 05:30 Uhr

Ort:                                Wien, C.-Straße 44

Betroffenes Fahrzeug:  PKW, Kennzeichen: MD-... (A)

Sie sind mir einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl Sie und die genannte Person(en) in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, (Zulassungsbesitzer mit dem Kennzeichen MD-...) einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben.

3. Datum/Zeit:                    18.09.2019, 05:30 Uhr

Ort:                                Wien, C.-Straße 44

Betroffenes Fahrzeug:  PKW, Kennzeichen: MD-... (A)

Sie sind als Lenker/in des angeführten Fahrzeuges mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben Ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1.   § 4 Abs. 1 lit. c StVO

2.   § 4 Abs. 5 StVO

3.   § 4 Abs. 1 lit. a StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

1. € 100,00

2. € 100,00

3. € 100,00

0 Tage(n) 22 Stunde(n) 0 Minute(n)

1 Tage(n) 22 Stunde(n) 0 Minute(n)

0 Tage(n) 22 Stunde(n) 0 Minute(n)

 

§ 99 Abs. 2 lit. a StVO

§ 99 Abs. 3 lit. b StVO

§ 99 Abs. 2 lit. a StVO

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 30,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 330,00

Begründend führte die belangte Behörde im angefochtenen Straferkenntnis im Wesentlichen aus, dass sich die Feststellungen auf die Wahrnehmungen des Anzeigenlegers sowie das Ergebnis des durchgeführten Beweisverfahrens stützten. Für die Strafbemessung seien keine Straferschwerungsgründe zu berücksichtigen; es läge jedoch der Strafmilderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit vor.

2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Beschwerde und führte an, dass das gegenständliche Verfahren mit wesentlichen Verfahrensmängeln behaftet sei, da der Sachverhalt nicht ordnungsgemäß festgestellt worden sei. Es werde jedenfalls bestritten, dass er an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei; von ihm sei kein Verkehrsunfall wahrgenommen worden. Es entspreche nicht den Tatsachen, dass er die C.-Straße entlang gefahren sei und auf Höhe der ONr. 44 ohne zu blinken auf die linke Spur gewechselt habe; er habe geblinkt und es wäre auch nicht beinahe zu einem Zusammenstoß gekommen. Herr D. sei weiters weder gegen einen Randstein gefahren, noch sei nachvollziehbar, weshalb dadurch die linke vordere Alufelge beschädigt worden sein könnte. Er hätte es jedenfalls im Rückspiegel bemerkt, wenn Herr D. gegen den Randstein gefahren wäre. Herr D. habe in keiner Weise seine Fahrtrichtung verändert; auch sei kein Schaden dokumentiert. Schließlich definiere sich ein Verkehrsunfall darüber, dass zwei Fahrzeuge aneinander fahren würden, was hier jedenfalls nicht stattgefunden habe.

3. Die belangte Behörde sah von einer Beschwerdevorentscheidung ab und legte dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde samt dem Akt des Verwaltungsverfahrens vor, welche dort am 12. Dezember 2019 einlangten.

4. Das Verwaltungsgericht Wien führte am 17. Jänner 2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in deren Rahmen der Beschwerdeführer im Beisein seiner rechtsfreundlichen Vertretung als Partei sowie Herr E. D. als Zeuge einvernommen wurden.

5. Mittels Schreiben vom 17. Jänner 2020 ersuchte das Verwaltungsgericht Wien die Magistratsabteilung 46 um Erstellung eines KFZ-technischen Gutachtens. Das in Folge erstattete Gutachten vom 29. Jänner 2020 wurde in der am 3. Juni 2020 fortgesetzten mündlichen Verhandlung erörtert. Der Beschwerdeführer erklärte sich am Ende der mündlichen Verhandlung mit einer schriftlichen Erledigung einverstanden.

II. Sachverhalt:

Für das Verwaltungsgericht Wien steht folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt fest:

1. Der Zeuge E. D. lenkte am 18. September 2019 um 5:30 Uhr sein Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen „MD-... (A)“ auf der C.-Straße in Wien. Einige Meter vor ONr. 44 der C.-Straße beginnt in Fahrtrichtung stadteinwärts (Fahrrichtung F.-gasse) eine Rechtsabbiegespur zu verlaufen.

Der Zeuge D. befand sich am Ende einer kurzen Auto-Kolonne; vor dem Zeugen D. fuhren drei Fahrzeuge – der Beschwerdeführer lenkte das Auto mit dem behördlichen Kennzeichen „MD-...“ direkt vor dem Fahrzeug des Zeugen D.. Die drei Fahrzeuge wechselten mit Beginn der zuvor dargestellten „Rechts-Abbiegespur“ auf diesen Fahrstreifen. Kurz darauf wechselte der Beschwerdeführer mit seinem Fahrzeug jedoch abrupt und ohne dies vorher anzuzeigen auf den Fahrstreifen, auf dem sich das Auto des Zeugen D. befand, zurück.

Um einen Auffahrunfall zu verhindern, sah sich der Zeuge D. durch das Fahrmanöver des Beschwerdeführer veranlasst, rasch (von einer Geschwindigkeit von 40 km/h auf 20 km/h) abzubremsen und sein Fahrzeug nach links auszulenken. Im Zuge dieses Auslenkens kam es zu einer Berührung zwischen dem Randstein der an dieser Stelle (C.-Straße 44, Wien) befindlichen Verkehrsinsel und dem linken Vorderreifen des Fahrzeuges des Zeugen D.. Durch diese Berührung kam es am linken Vorderreifen sowie der darauf befindlichen Felge des vom Zeugen D. gelenkten Kraftfahrzeuges zu einer Beschädigung (Cut in der Felge, kleiner Riss im Gummi des Reifens). Zu einem Zusammenstoß zwischen den Fahrzeugen des Beschwerdeführers und des Zeugen D. kam es nicht; auch entstand kein Personenschaden. Der Beschwerdeführer selbst nahm die Kollision des vom Zeugen D. gelenkten Fahrzeuges mit dem Randstein nicht war.

2. An der Unfallstelle verlangte niemand das Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Es war auch sonst kein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes vor Ort, das den Unfall aufgenommen hätte.

3. Der Beschwerdeführer setzte seine Fahrt, dem Straßenverlauf folgend, fort und bog rechts in die F.-gasse ein. Ca. 150 Meter nach der Einfahrt in die F.-gasse wollte der Beschwerdeführer sich parallel zum Fahrbahnrand einparken, dies war ihm jedoch nicht möglich, weil der Zeuge D. sein Fahrzeug knapp hinter dem Fahrzeug des Beschwerdeführers angehalten hatte. Es kam zu einem kurzen Wortwechsel zwischen dem Beschwerdeführer und dem Zeugen D.. Wegen des Verkehrsaufkommens setzten beide Fahrzeuglenker sodann ihre Fahrt fort und bogen bei einer der nächsten Gelegenheiten rechts ab und hielten neuerlich an. Dort setzten sie ihr Gespräch fort, der Zeuge D. zeigte dem Beschwerdeführer über Aufforderung die Beschädigungen am linken Vorderreifen seines Kraftfahrzeuges. Ein Austausch der Führerscheine oder sonstiger näherer Angaben zu den beteiligten Personen erfolgte dabei nicht.

4. Der Beschwerdeführer ist verwaltungsstrafrechtlich unbescholten, verfügt über ein monatliches Einkommen von netto € 2.100,-- und hat keine Sorgepflichten oder Vermögen. Er hat eine monatliche Kreditrate in Höhe von € 200,-- zu bedienen.

III. Beweiswürdigung:

Zu diesen Feststellungen gelangt das Verwaltungsgericht Wien aufgrund folgender Beweiswürdigung:

1. Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde, Würdigung des Beschwerdevorbringens, Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 17. Jänner 2020 und am 3. Juni 2020, Einsichtnahme in das seitens des Zeugen D. hinsichtlich des eingetretenen Schadens vorgelegte Foto (Beilage /.3 zum Verhandlungsprotokoll vom 17. Jänner 2020) sowie Einholung eines KFZ-technischen Gutachtens der Magistratsabteilung 46 vom 29. Jänner 2020, welches im Zuge des zweiten Verhandlungstermins am 3. Juni 2020 erörtert wurde. Überdies wurde im Vorfeld des ersten Verhandlungstermins in das Geographische Informationssystems der Stadt Wien (Vienna GIS) Einsicht genommen und entsprechende Luftbildaufnahmen der Tatörtlichkeit zum Akt genommen (Beilagen ./2 und ./4 zum Verhandlungsprotokoll vom 17. Jänner 2020).

2. Die Feststellungen betreffend die Lage und örtlichen Verhältnisse des Tatortes ergeben sich aus den übereinstimmenden Ausführungen des Beschwerdeführers und des im Rahmen der mündlichen Verhandlung als Zeugen einvernommenen E. D. sowie einem Auszug des Geographischen Informationssystems der Stadt Wien (Vienna GIS).

3. Auch bestritt der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Ausführungen grundsätzlich nicht, zum Tatzeitpunkt am Tatort gewesen zu sein und das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen „MD-... (A)“ gelenkt zu haben. Vielmehr gab er an, sich – wie jeden Tag – auf seinem Arbeitsweg befunden zu haben. Unstrittig ist ebenfalls, dass sich der Zeuge D. zum Unfallzeitpunkt auf der C.-Straße im von ihm gelenkten Fahrzeug befand.

4. Zum Unfallhergang:

4.1. Der festgestellte Unfallhergang folgt weitgehend der nachvollziehbaren Darstellung des als Zeugen einvernommenen E. D., welcher während seiner Einvernahme einen glaubwürdigen Eindruck machte und den Geschehensablauf nachvollziehbar und schlüssig schilderte.

4.2. Übereinstimmend mit dem Zeugen D. gab auch der Beschwerdeführer selbst in der mündlichen Verhandlung an, die aufgezeigte Strecke üblicher Weise zu fahren und – um einen Parkplatz zu suchen – von der C.-Straße aus immer rechts in die F.-gasse einzubiegen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer zunächst in die Rechts-Abbiegespur wechselte, erscheint daher auch bereits nach seinen eigenen Ausführungen plausibel.

4.3. Den übrigen Angaben des Beschwerdeführers war aber aus folgenden Gründen nicht zu folgen:

Der Beschwerdeführer führte im Rahmen seiner Beschwerde aus, beim erneuten Fahrstreifenwechsel nach links auf jeden Fall „geblinkt“ zu haben, weshalb es keinesfalls fast zu einem Zusammenstoß mit dem Auto des Zeugen gekommen sei. Eine etwaige Kollision des Zeugen D. mit dem Randstein der Verkehrsinsel wäre ihm aufgefallen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer hingegen an, „normal“ (gemeint: wie sonst auch ausschließlich) auf der Rechts-Abbiegespur gefahren und anschließend in die F.-gasse abgebogen zu sein. Einen neuerlichen Spurwechsel hat der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung hingegen überhaupt in Abrede gestellt, weshalb sich die Verantwortung des Beschwerdeführers im Hinblick auf das konkrete Unfallgeschehen als widersprüchlich erweist und daher nicht zu folgen war.

4.4. Die durch den Zeugen in der mündlichen Verhandlung erfolgte Darstellung des Unfallgeschehens war hingegen klar strukturiert und plausibel. So gab dieser an, dass sich die (beiden) vor dem Beschwerdeführer fahrenden Autos auf dem rechts neben dem Rechts-Abbiegestreifen befindlichen Parkstreifen offenbar einparken wollten und der Beschwerdeführer vom Rechts-Abbiegestreifen wieder rasch nach links wechselte – dies scheinbar um dem bevorstehenden Wartevorgang zu entkommen. Ein derartiger Geschehnisablauf entspricht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes auch durchaus der allgemeinen Lebenserfahrung, da derartige Situationen im alltäglichen Straßenverkehr des Öfteren zu beobachten sind.

4.5. Weiters ergibt sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien durch den raschen Fahrstreifenwechsel des Beschwerdeführers auch das (weitere) vom Zeugen nachvollziehbar geschilderte Fahrverhalten, wonach er dem vom Beschwerdeführer gelenkten Fahrzeug dadurch auszuweichen versuchte, dass er seine Fahrgeschwindigkeit reduzierte und nach links auslenkte, um einen Auffahrunfall zu vermeiden.

4.6. Der Umstand, dass der Zeuge D. aufgrund des Fahrstreifenwechsels des Beschwerdeführers und des Versuches, seinerseits einen Auffahrunfall zu vermeiden, den Randstein der linkerhand situierten Verkehrsinsel touchierte, ist auch mit den örtlichen Verhältnissen am Tatort (Rechtsabbiegespur, mittige Verkehrsinsel) in Einklang zu bringen, die sich aus den von Seiten des Gerichtes beigeschafften Luftbildaufnahmen (Vienna GIS) ergeben. Dass der Schaden am Kraftfahrzeug zumindest auch bereits bei dem Gespräch zwischen dem Beschwerdeführer und dem Zeugen D. am 18. September 2019 vorgelegen ist, bestätigte schließlich selbst der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, indem er angab, der am Foto abgebildete Schaden könne jener sein, den ihm der Zeuge D. am Unfalltag gezeigt habe. Die Beschädigungen am Reifen und der Felge des Fahrzeuges des Zeugen D. sind auch durch das vorgelegte Lichtbild der Beschädigung (Beilage ./3 zum Verhandlungsprotokoll vom 17. Jänner 2020) objektiviert.

4.7. Weiters ergibt sich auch aus dem seitens des Verwaltungsgericht Wien eingeholten KFZ-technischen Gutachten vom 29. Jänner 2020, dass der festgestellte Schaden am linken Vorderrad des Kraftfahrzeuges bei einer „Anfahrgeschwindigkeit“ von ca. 20 km/h auch aus technischer Sicht durch den vom Zeugen D. geschilderten Geschehensablauf eingetreten sein kann und die Beschädigungen an Reifen und Felge mit der Randsteinoberkante an der Tatörtlichkeit „in Einklang“ gebracht werden können.

Das eingeholte KFZ-technische Amtssachverständigengutachten ist nachvollziehbar und schlüssig, insbesondere wurde in diesem ausgeführt, dass die Schäden an Reifen und Felge sowohl bei einem Auffahren auf den Randstein als auch bei einer bloßen seitlichen Kontaktierung entstanden sein und beide vom selben Verkehrsunfall herrühren könnten. Auch hat der Amtssachverständige bejaht, dass das auf den Fotos ersichtliche Schadensbild von einer Kollision mit einer Geschwindigkeit von etwa 20 km/h entstehen kann. Der Beschwerdeführer ist diesem Gutachten, dass ihm bereits im Februar 2020 gemeinsam mit der Ladung zum sodann abberaumten Verhandlungstermin am 18. März 2020 übermittelt wurde, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten. Da das Gutachten des Amtssachverständigen nachvollziehbar und schlüssig ist und die vom Gericht gestellte Anfrage vollständig beantwortet, war es dem gegenständlichen Erkenntnis (mit) zu Grunde zu legen.

4.8. Nach obigen Ausführungen besteht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien somit ein direkter Zusammenhang des Unfallherganges mit dem eingetretenen Schaden und ist das Verhalten des Beschwerdeführers somit jedenfalls als dessen Ursache zu sehen.

4.9. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass kein Anhaltspunkt hervorgekommen ist, aus dem der Zeuge D. den Beschwerdeführer wahrheitswidrig belasten sollte, zumal sich der Zeuge hierdurch der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung aussetzen würde.

5. Den Ablauf nach dem Unfallgeschehen schilderten sowohl der Beschwerdeführer als auch der einvernommene Zeuge weitgehend übereinstimmend. Dass es zu keinem Identitätsaustausch gekommen ist und der Beschwerdeführer den gegenständlichen Unfall auch nicht einer Polizeidienststelle meldete, gab der Beschwerdeführer selbst im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu Protokoll. Auch ergibt sich aus den Aussagen des Zeugen und des Beschwerdeführers, dass keiner der beiden das Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder den Austausch von Personendaten verlangt hat.

6. Die Feststellungen betreffend die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen eigenen Angaben im Rahmen in der mündlichen Verhandlung.

IV. Rechtsgrundlagen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO, lauten:

„§ 4. Verkehrsunfälle.

(1) Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben

a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b) wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu treffen,

c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

(2) Sind bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden, so haben die im Abs. 1 genannten Personen Hilfe zu leisten; sind sie dazu nicht fähig, so haben sie unverzüglich für fremde Hilfe zu sorgen. Ferner haben sie die nächste Polizeidienststelle sofort zu verständigen. Wenn bei einem Verkehrsunfall, an dem ein Schienenfahrzeug oder ein Omnibus des Kraftfahrlinienverkehrs beteiligt ist, sich erst nach dem Wegfahren des Schienenfahrzeuges bzw. des Omnibusses nach dem Unfall eine verletzte Person meldet, kann auch das Unternehmen, dem das Schienenfahrzeug bzw. der Omnibus gehört, die Polizeidienststelle verständigen.

[…]

(5) Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

[…]

§ 99. Strafbestimmungen.

(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2 180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen,

a)   der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizeidienststelle verständigt,

(Anm.: lit. b aufgehoben durch Abs. 1 VfGH, BGBl. Nr. 228/1963.)

[…]

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

a)   wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist,

b)   wer in anderer als der in Abs. 2 lit. a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet,

[…]“

V. Rechtliche Beurteilung:

1. Zum Vorliegen eines Verkehrsunfalls im Sinne des § 4 StVO:

Gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten und gemäß § 4 Abs. 1 lit. c StVO an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Wenn bei einem Verkehrsunfall nur ein Sachschaden entstanden ist, haben die genannten Personen gemäß § 4 Abs. 5 StVO die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf unterbleiben, wenn die genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Als Verkehrsunfall im Sinne des § 4 StVO ist jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis anzusehen, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat (VwGH 20.4.2016, Ra 2016/02/0069 mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht auch ein Verhalten von Personen, die nicht unmittelbar von einem Verkehrsunfall betroffen sind, die aber den oder die unmittelbar Betroffenen zu einem Verhalten veranlasst haben, das zum Verkehrsunfall geführt hat, in ursächlichen Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall. Unter den Personen, deren Verhalten mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sind somit alle jene zu verstehen, deren Verhalten örtlich und zeitlich unmittelbare Bedingung für das Entstehen des Unfalles ist, unabhängig davon, ob dieses Verhalten rechtswidrig oder schuldhaft war bzw. unter Strafsanktion steht (VwGH 22.3.2000, 99/03/0469).

Der Verwaltungsgerichtshof stützt sich bei der Beurteilung der Bedingungen für das Entstehen eines Verkehrsunfalles auf die „Äquivalenztheorie“. Diese Theorie bedient sich einer Eliminationsmethode, bei der man sich die Handlung, die auf ihre Kausalität für den in concreto eintretenden Erfolg geprüft wird, wegdenkt, um dadurch festzustellen, ob dieser Erfolg, so wie er im gegebenen Fall unter Berücksichtigung aller Umstände eingetreten ist, bestehen bliebe oder entfiele. Jede Handlung, die auch nur das Geringste dazu beigetragen hat, dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt eingetreten ist, war für den Erfolg kausal (VwGH 4.3.1983, 81/02/0253).

Feststellungsgemäß hat in gegenständlicher Angelegenheit ein Verkehrsunfall in obigem Sinne stattgefunden, da der Beschwerdeführer durch ein plötzliches und nicht indiziertes Wechseln des Fahrstreifens ein Ausweichmanöver des Zeugen D. erforderlich machte, bei dem dieser mit seinem linken Vorderreifen die linkerhand situierte Verkehrsinsel touchierte und somit eine leichte Beschädigung des Rades sowie der Felge herbeiführte. Die Ursächlichkeit des vom Beschwerdeführer hinsichtlich des Eintrittes des Schadens gesetzten Verhaltens liegt eindeutig vor, da dieser im Sinne der obigen Rechtsprechung bei Wegdenken des riskanten Fahrmanövers des Beschwerdeführers jedenfalls nicht eingetreten wäre.

Sofern der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Beschwerde ausführt, es wäre für die Definition als Verkehrsunfall Voraussetzung, dass es zu einem Kontakt zwischen seinem Auto und jenem des Zeugen D. gekommen sei, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, nach der das Fehlen eines derartigen Kontaktes als nicht wesentlich bei der Beurteilung der Frage, ob ein Verkehrsunfall im Sinne des § 4 StVO vorliegt, zu qualifizieren ist (VwGH 28.6.1991, 91/18/0092).

2. Zu Spruchpunkt 2. und 3. des angefochtenen Straferkenntnisses:

Voraussetzung für die Anhalte- und Meldepflicht des § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 und des § 4 Abs. 5 leg. cit. ist als objektives Tatbildmerkmal der Eintritt wenigstens eines Sachschadens und in subjektiver Hinsicht das Wissen von dem Eintritt eines derartigen Schadens, wobei der Tatbestand schon dann gegeben ist, wenn dem Täter objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermochte (VwGH 15.4.2019, Ra 2019/02/0070, VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417, VwGH 29.6.1994, 92/03/0269 uva). Es kommt dabei grundsätzlich nicht auf die Art der Beschädigung und auch nicht darauf an, an welcher Stelle des Fahrzeuges ein Sachschaden entstanden ist; so löst auch ein geringfügiger Schaden Meldepflichten nach § 4 Abs. 5 StVO aus (VwGH 22.2.1995, 94/03/0234 mwH).

Der Lenker eines Fahrzeuges hat bei und nach riskanten Fahrmanövern, bei welchen die dringende Gefahr besteht, dass es zu einer Kollision mit einem anderen Straßenverkehrsteilnehmer kommen kann, den Geschehnissen um sein Fahrzeug die volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und sich zu vergewissern, ob sein Fahrverhalten für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist. Unterlässt er dies, so ist sein Nichtwissen von einem von ihm derart verursachten Unfall verschuldet (VwGH 5.5.2017, Ra 2016/02/0036; 17.11.2014, 2012/02/0237, VwGH 30.06.1993, 93/02/0059).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zählt zu einem solchen „riskanten Fahrmanöver“ jedenfalls ein abrupter Fahrstreifenwechsel. Der das Fahrmanöver ausführende Kraftfahrzeuglenker hat in diesen Fällen ua. in seinem Rückspiegel das Geschehen hinter ihm zu beobachten und sich somit zu vergewissern, ob sein Fahrverhalten nicht für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist (VwGH 7.3.2016, Ra 2016/02/0020; VwGH 15.5.1991; 91/02/0023; VwGH 26.9.1990, 30/02/0112; VwGH 28.11.1990, 90/02/0134).

Wie unter Punkt 1. der Erwägungen ausgeführt, liegt im vorliegenden Fall ein Verkehrsunfall mit (bloßem) Sachschaden vor. Soweit der Beschwerdeführer einwendet, es sei ihm kein Unfallgeschehen aufgefallen, ist Folgendes auszuführen: Der Beschwerdeführer hat gemäß den getroffenen Feststellungen einen abrupten Fahrstreifenwechsel vorgenommen und somit ein im Sinne obiger Rechtsprechung „riskantes Fahrmanöver“ gesetzt. Er hätte daher den Geschehnissen um sein Fahrzeug die volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und sich zu vergewissern gehabt, ob sein Fahrverhalten für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist. Hätte der Beschwerdeführer die entsprechende Aufmerksamkeit an den Tag gelegt, hätte ihm aber auffallen müssen, dass das hinter ihm fahrende Fahrzeug nach links auslenken musste, um einen Auffahrunfall zu vermeiden und dabei den Randstein der Verkehrsinsel touchierte. Insoweit ist für den Beschwerdeführer aus seinem Einwand nichts zu gewinnen.

Da der Beschwerdeführer sein Fahrzeug schließlich nicht „sofort anhielt“, sondern seine Fahrt dem Straßenverlauf folgend fortsetzte, erfüllte er das objektive Tatbild gem. § 4 Abs. 1 lit. a StVO. Sofern der Beschwerdeführer vorbringt, ca. 150m nach Abbiegen in die F.-gasse bzw. nach einer kurzen weiteren Fahrt stehengeblieben zu sein und mit dem Zeugen D. über den etwaigen Unfallvorgang gesprochen zu haben, ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits ein Anhalten in 40 m Entfernung von Unfallort nicht mehr als „sofortiges Anhalten“ iSd. § 4 Abs. 1 lit. a StVO verstanden werden kann (vgl. dazu auch VwGH 29.8.1990, 90/02/0032, wonach ein Einparken bzw. Anhalten unmittelbar an der Unfallstelle zu erfolgen hat).

Da der Beschwerdeführer weiters selbst angibt, den Unfall nicht der nächsten Polizeidienststelle gemeldet zu haben, und auch der Person, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, nicht seinen Namen und Anschrift nachgewiesen hat, hat er ebenfalls das objektive Tatbild des § 4 Abs. 5 StVO verwirklicht.

Bei den dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretungen handelt es sich um Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG (VwGH 29.1.1986, 85/03/0116; VwGH 25.4.1990, 89/03/0306); zur Strafbarkeit reicht fahrlässiges Verhalten. Aufgrund der Tatumstände ist nicht anzunehmen, dass die Einhaltung der vom Beschwerdeführer übertretenen Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder dass die Verwirklichung der Tatbestände aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Es wäre dem Beschwerdeführer daher jedenfalls zumutbar gewesen, nach Eintritt des Verkehrsunfalles „sofort anzuhalten“ und den Unfall unverzüglich der nächsten Polizeidienststelle zu melden bzw. diesen spätestens im Zuge ihrer nachfolgenden Anhaltung zu melden.

3. Zu Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses:

Einleitend kann zur Frage des Vorliegens eines Verkehrsunfalls und zum „Wissen müssen“ des Beschwerdeführers um selbigen auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht die in § 4 Abs. 1 lit. c StVO normierte Verpflichtung dann, wenn es zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat (VwGH 30.1.2019, Ra 2018/02/0311 mwN). Dies trifft immer dann zu, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht im Sinn des § 4 Abs. 2 StVO besteht; darüber hinaus aber auch, wenn ein am Unfall Beteiligter das Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt oder wenn ein am Unfallort etwa zufällig anwesendes Sicherheitsorgan aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlasst (VwGH 30.1.2019, Ra 2018/02/0311 mwN).

Die Mitwirkungspflicht nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO kann Unterschiedliches umfassen und beispielsweise auch zur Person des beteiligten Fahrzeuglenkers erforderlich sein, so etwa, ob er zur Lenkung des am Verkehrsunfall beteiligten Fahrzeuges berechtigt war oder ob er äußerlich den Anschein erweckt, dass er sich geistig oder körperlich in einem zur Lenkung eines KFZ geeigneten Zustand befindet (VwGH 20.10.1999, 99/03/0252 mwN).

Wie das verwaltungsgerichtliche Ermittlungsverfahren ergeben hat, ist im vorliegenden Fall bei dem Verkehrsunfall niemand verletzt worden. Allerdings ist am Kraftfahrzeug des Zeugen D. ein Sachschaden entstanden. Am Unfallort sind, wie festgestellt wurde, keine Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes eingeschritten und hat niemand deren Einschreiten verlangt.

In seiner früheren Rechtsprechung verneinte es der Verwaltungsgerichtshof bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden – wenn also keine Verständigungspflicht nach § 4 Abs. 2 StVO besteht – der Verpflichtung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO durch Verbleiben an der Unfallstelle nachkommen zu müssen, wenn kein am Unfall Beteiligter die Intervention eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt und kein am Unfallort zufällig anwesendes Sicherheitsorgan aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder veranlasst (VwGH 5.11.1997, 97/03/0170; 22.4.1998, 97/03/0353; siehe weiters etwa VwGH 29.5.2001, 99/03/0373, 26.3.2004, 2004/02/0032) bzw. bejahte er das Bestehen dieser Verpflichtung, wenn ein am Unfall Beteiligter das Einschreiten von Sicherheitsorganen verlangt (VwGH 20.10.1999, 99/03/0252).

Aus der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich jedoch, dass es im Fall eines Verkehrsunfalls mit bloßem (nicht nur am eigenen KFZ entstandenem) Sachschaden zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes auch dann zu kommen hat, und die Mitwirkungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 1 lit. c StVO durch Verlassen der Unfallstelle verletzt werden kann, wenn ein Identitätsnachweis nicht erfolgte und eine Verständigungspflicht nach § 4 Abs. 5 StVO gegeben ist (VwGH 29.10.2019, Ra 2019/02/0062 mit Hinweisen auch auf frühere Rechtsprechung in diesem Sinne). Die Verständigungspflicht nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, nach dem es zu keinem Identitätsnachweis kommt, zieht somit nach der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch die Mitwirkungspflicht nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO nach sich.

Dennoch enthalten freilich § 4 Abs. 1 lit. c und § 4 Abs. 5 StVO verschiedene und voneinander unabhängige Verpflichtungen, sodass die Tatbestände einander nicht ausschließen (VwGH 20.10.1999, 99/03/0252 mwN).

Im vorliegenden Fall hat unbestritten kein Identitätsnachweis stattgefunden und bestand eine Verständigungspflicht nach § 4 Abs. 5 StVO. Dennoch hat der Beschwerdeführer an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, indem er die Unfallstelle – nicht etwa zum Zweck der Meldung des Unfalls bei der nächsten Polizeidienststelle, sondern aus anderen Gründen, nämlich zur Suche nach einem Parkplatz – verließ. Somit hat er den objektiven Tatbestand des § 4 Abs. 1 lit. c StVO erfüllt, wobei bereits die Tatanlastung des Verlassens der Unfallstelle im Hinblick auf § 44a Z 1 VStG ausreichend ist (siehe etwa VwGH 20.10.1999, 99/03/0252).

Bei der dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses angelasteten Verwaltungsübertretung handelt es sich ebenfalls um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG (VwGH 26.11.1997, 95/03/0075); zur Strafbarkeit reicht fahrlässiges Verhalten. Aufgrund der Tatumstände ist nicht anzunehmen, dass die Einhaltung der vom Beschwerdeführer übertretenen Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Es wäre dem Beschwerdeführer nicht unzumutbar gewesen, unmittelbar an der Unfallstelle zu verbleiben, um an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken.

4. Zur Strafbemessung:

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Milderungs- und Erschwerungsgründe sind im Verwaltungsstrafgesetz nicht taxativ aufgezählt. Auch die Dauer eines strafbaren Verhaltens kann im Rahmen der Strafbemessung maßgebend sein (VwGH 12.12.1995, 94/09/0197). Bei der Strafbemessung kommt es gemäß § 19 Abs. 2 letzter Satz VStG – unter anderem – auf die Einkommensverhältnisse im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht an.

4.1. Zur Strafbemessung betreffend Spruchpunkt 1. und 3. des angefochtenen Straferkenntnisses:

Gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und 2 leg.cit. zuwiderhandelt, und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2 180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen.

Durch die vorliegenden Taten wurde das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs (VwGH 27.9.2005, 2003/18/0277) sowie daran, nach einem Verkehrsunfall eine geordnete Schadensregelung zu ermöglichen (vgl. VwGH 25.1.2002, 2001/02/0240), geschädigt. Der objektive Unrechtsgehalt der Taten war daher keineswegs als gering einzustufen.

Auch das Ausmaß des den Beschwerdeführer treffenden Verschuldens konnte nicht als geringfügig angesehen werden, da im Verwaltungsstrafverfahren weder hervorgekommen noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen ist, dass die Verwirklichung der Tatbestände aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Sowohl ein Anhalten seines Fahrzeuges, als auch eine anschließende Meldung des Verkehrsunfalles wären dem Beschwerdeführer jedenfalls möglich gewesen.

Die Behörde orientierte sich in Bezug auf den Strafrahmen (von 36 Euro bis 2 180 Euro) an dessen unterem Rand.

Die nach der Aktenlage vorliegende verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde bei der Strafbemessung entsprechend berücksichtigt, Erschwerungsgründe sind im Verwaltungsstrafverfahren nicht hervorgekommen.

Im Rahmen der Strafbemessung war weiters zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer ein überdurchschnittliches Einkommen erzielt, vermögenslos ist und für keine Sorgepflichten aufzukommen hat. Seine monatlichen Kreditschulden belaufen sich auf € 200,-- pro Monat.

Angesichts der angeführten Strafzumessungsgründe und unter Bedachtnahme auf den Strafrahmen erscheint die von der belangten Behörde hinsichtlich Spruchpunkt 1. und 3. des angefochtenen Straferkenntnisses verhängte Geldstrafe von jeweils € 100,-- aus general- und spezialpräventiven Gründen nicht als zu hoch.

Auch die Ersatzfreiheitsfreiheitsstrafe ist im Verhältnis zu der verhängten Geldstrafe und dem gesetzlichen Strafrahmen gesetzeskonform und angemessen.

4.3. Zur Strafbemessung betreffend Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses:

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer in anderer als der in § 4 Abs. 2 lit. a leg.cit. bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet.

Auch durch diese Tat wurde das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs (VwGH 27.9.2005, 2003/18/0277) sowie daran, nach einem Verkehrsunfall eine geordnete Schadensregelung zu ermöglichen (vgl. VwGH 25.1.2002, 2001/02/0240), geschädigt. Der objektive Unrechtsgehalt der Tat war daher keineswegs als gering einzustufen.

Das Ausmaß des den Beschwerdeführer treffenden Verschuldens konnte nicht als geringfügig angesehen werden, da im Verwaltungsstrafverfahren weder hervorgekommen noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen ist, dass die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. So wäre es dem Beschwerdeführer in gegenständlicher Situation jedenfalls möglich gewesen, an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Im Gegensatz zum Strafrahmen betreffend der Spruchpunkte 1. und 3. des angefochtenen Straferkenntnisses, beläuft sich der Strafrahmen jedoch lediglich auf bis zu € 726,--. Angesichts der bisherigen verwaltungstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und dem deutlichen engeren Strafrahmen, war die verhängte Geldstrafe sowie die Ersatzfreiheitsstrafe daher spruchgemäß herabzusetzen, zumal nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf den unterschiedlich hohen Strafrahmen in der Regel auch unterschiedlich hohe Strafen zu verhängen sind (vgl. VwGH 23.1.1991, 90/03/0051)

5. Die Kostenentscheidungen stützen sich auf die im Spruch zitierten Gesetzesstellen.

6. Zur Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit der Revision:

6.1. In Bezug auf Spruchpunkt 3. des angefochtenen Straferkenntnisses ist die ordentliche Revision unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen, oben unter Pkt. V.2.. zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Anhaltepflicht gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal entscheidungswesentlich insbesondere die Beweiswürdigung im Einzelfall war (vgl. etwa VwGH 30.4.2018, Ra 2018/01/0172 mwN).

6.2. Soweit sich das vorliegende Erkenntnis auf Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses bezieht, ist die Revision zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Rechtslage vor dem Hintergrund der oben unter Pkt. V.3. zitierten jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 29.10.2019, Ra 2019/02/0062 mit Hinweisen auch auf frühere Rechtsprechung; siehe auch VwGH 15.5.1990, 89/02/0164), der das Verwaltungsgericht Wien gefolgt ist, im Hinblick auf die oben unter Pkt. V.3. ebenfalls zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (insbesondere VwGH 5.11.1997, 97/03/0170; 22.4.1998, 97/03/0353; siehe weiters etwa VwGH 29.5.2001, 99/03/0373, 26.3.2004, 2004/02/0032) betreffend die hier entscheidungswesentliche Rechtsfrage, ob eine Mitwirkungspflicht nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO bei einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden auch dann besteht, wenn niemand das Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt und ein solches auch nicht aus eigenem Antrieb die amtliche Aufnahme des Unfalles veranlasst, nicht eindeutig erscheint.

Keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hingegen in Bezug auf die Frage, welche Schäden durch den gegenständlichen Verkehrsunfall verursacht wurden, vor, zumal es sich dabei um eine einzelfallbezogene Frage der Beweiswürdigung handelt, die einer Revision grundsätzlich nicht zugänglich ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 30.4.2018, Ra 2018/01/0172 mwN).

6.3. In Bezug auf Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses ist die Revision gemäß § 25a Abs. 4 VwGG für den Beschwerdeführer absolut unzulässig. Für die vor dem Verwaltungsgericht Wien belangte Behörde ist die ordentliche Revision unzulässig, weil auch im Hinblick auf den Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses vorrangig Fragen der Beweiswürdigung zu beantworten waren.

Schlagworte

Verkehrsunfall; Sachschaden; Anhaltepflicht; Meldepflicht; Mitwirkungspflicht; Identitätsnachweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.031.019.15924.2019

Zuletzt aktualisiert am

27.07.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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