Entscheidungsdatum
06.06.2020Norm
BauO NÖ 2014 §4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch HR Mag. Janak-Schlager als Einzelrichter über die Beschwerde der A, der B, des C und der D, vertreten durch die E Rechtsanwälte GmbH in ***, gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 20.12.2017, ***, betreffend Bestätigung eines ihnen erteilten baupolizeilichen Entfernungsauftrages nach der NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014), zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum bisherigen Verfahrensgang:
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 03.08.2017, ***, wurde gegenüber den nunmehrigen Beschwerdeführern als Eigentümer des Grundstückes Nr. ***, EZ ***, KG ***, gemäß § 35 Abs 2 Z 2 NÖ BO 2014 angeordnet, die auf dieser Liegenschaft befindliche bauliche Anlage (Unterstand) bis spätestens 31.10.2017 abzutragen. Gleichzeitig wurde für den Fall, dass dieser Termin nicht eingehalten werden sollte, eine Ersatzvornahme durch die Baubehörde angeordnet.
Begründend führte die Baubehörde I. Instanz im Wesentlichen aus, dass geprüft worden sei, ob für das bestehende Flugdach ein möglicher baubehördlicher Konsens bestehe. Lediglich eine private Notiz der Frau G aus dem Jahr 1958, welche der Behörde per E-Mail vorgelegt worden sei, habe einen Hinweis gegeben, dass das Flugdach von Herrn F wieder errichtet werden sollte. Baubehördliche Unterlagen für ein Flugdach würden im Bauakt zur Liegenschaft *** nicht aufliegen. Der Bauakt beinhalte unter anderem Pläne aus 1947 zu einer Böschungsmauer und aus 1957 zu einem Umbau. Dies lasse darauf schließen, dass auch der Unterstand als baubehördlicher Akt vorhanden sein müsste. Es würden keine Pläne oder Niederschriften aufliegen, weshalb der Unterstand konsenslos sei. Das Bauwerk bestehe als eine einfache Konstruktion aus Holzstehern mit Flugdach. Die angegebene Erledigungsfrist bis Ende Oktober 2017 (ca. drei Monate) sei als angemessen anzusehen.
Dieser Bescheid wurde von den Beschwerdeführern wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. Die Beschwerdeführer führten dazu zusammengefasst aus, dass es sich bei der vorliegenden Anlage um eine forstliche Bringungsanlage handle, die gemäß § 1 Abs 3 Z 1 NÖ Bauordnung vom Geltungsbereich der NÖ Bauordnung ausgenommen sei. In diesem Zusammenhang sei auch darauf zu verweisen, dass gemäß § 17 Z 16 der NÖ Bauordnung die Lagerung von u.a. forstwirtschaftlichen Produkten auf Grundstücken mit der Flächenwidmung Grünland-Land- und Forstwirtschaft bewilligungs-, anzeige und meldefrei zulässig sei. Im Übrigen wäre jedenfalls gemäß § 23 Abs 2 NÖ Bauordnung eine Bauplatzerklärung nicht erforderlich.
Gemäß § 1a Abs 3 des Forstgesetzes würden unbeschadet ihrer besonderen Nutzung als Wald auch dauernd unbestockte Grundflächen gelten, insoweit sie in einem unmittelbaren räumlichen und forstbetrieblichen Zusammenhang mit Wald stünden und unmittelbar dessen Bewirtschaftung dienen (wie forstliche Bringungsanlagen, Holzlagerplätze, Waldschneisen und Rückewege). Die Voraussetzungen gemäß der Aktennotiz der Architektin H vom 03.08.2016 würden daher vorliegen.
Im Übrigen ergebe sich aus den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Urkunden, dass die gegenständliche Anlage schon vor 1958 bestanden habe und im Jahr 1958 oder unmittelbar danach erneuert worden sei. Im Zuge der Besprechungen sei hervorgekommen, dass sich aus einem Aktenvermerk aus den 70er Jahren der Umstand ergeben dürfte, dass die Anlage bewilligt worden sei oder doch in einer eine Bewilligung substituierenden Weise seitens der Baubehörde zur Kenntnis genommen worden sei. Dasselbe gelte für das Verfahren anlässlich der Baugenehmigung für den Stall des Nachbarn im Jahr 2007.
Im Übrigen sei seitens der Baubehörde zugesagt worden, dass selbst im Falle eines Abbruchbescheides der Bescheid unbefristet, jedenfalls aber nicht mit einer kurzen Frist bis 31.10.2017 erlassen werden würde. Die gegenständliche Anlage weise beträchtliche Dimensionen auf, sodass ihnen deren Abtragung bis 31.10.2017 nicht zumutbar sei, zumal die Abtragung durch ein entsprechendes Fachunternehmen erfolgen müsste und Gefahr im Verzug nicht bestehe, da eine Stabilisierung erfolgt sei.
Die Baubehörde erster Instanz habe es offenbar unterlassen, den Bauakt (insbesondere im Hinblick auf den Aktenvermerk aus den 70er Jahren) einer eingehenden Würdigung zu unterziehen und ein Ermittlungsverfahren im Hinblick auf die Nichtanwendbarkeit der NÖ Bauordnung auf die gegenständliche Anlage und einen allenfalls bestehenden Konsens zu führen. Damit habe die Baubehörde erster Instanz gegen die Bestimmungen von § 39 AVG verstoßen. Soweit die Baubehörde erster Instanz jedoch ein Verfahren geführt habe, habe sie es unterlassen, ihnen die Ergebnisse dieses Verfahrens vorzuhalten und damit ihr Parteiengehör verletzt.
Die Beschwerdeführer beantragten die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Erstreckung der Frist bis 31.10.2018.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 20.12.2017, ***, wurde der Abbruchbescheid dahingehend abgeändert, als den Beschwerdeführern der baupolizeiliche Auftrag erteilt wurde, die auf den Grundstück Nr. ***, KG ***, nächst der nördlichen Grundstücksgrenze bestehende bauliche Anlage, und zwar ein auf Holzstehern ruhendes Flugdach, binnen drei Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheides abzubrechen. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
In der Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass es sich bei der gegenständlichen Konstruktion zweifellos um ein Objekt handle, dessen fachgerechte Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordere und das mit dem Boden kraftschlüssig verbunden sei. Es würden somit alle Elemente des Bauwerksbegriffs im Sinne des § 4 Z 7 NÖ BO 2014 zutreffen. Da es sich mangels Außenwänden nicht um ein Gebäude handle, sei der Begriff „bauliche Anlage“ (§ 4 Z 6 NÖ BO 2014) einschlägig.
Die im Akt einliegenden Fotos würden nämlich eindeutig zeigen, dass ein Objekt wie das gegenständliche, nicht ohne statische Kenntnisse so habe ausgeführt werden können, dass seine Standsicherheit gewährleistet sei. Nicht relevant sei, ob die konkret gewählte Konstruktion den statischen Anforderungen entsprechen würde; entscheidend sei vielmehr, dass zur ordnungsgemäßen Ausführung eines solchen Objekts ein entsprechendes Fachwissen erforderlich sei.
Die Bewilligungspflicht derartiger Anlagen bestehe jedenfalls seit der NÖ BauO 1883.
Das gegenständliche Objekt habe daher im Jahr 1958 jedenfalls einer baubehördlichen Bewilligung bedurft. Nach dem Berufungsvorbringen sei es in diesem Jahr „oder unmittelbar danach“ erneuert worden. Wie sich aus der Beilage 2 zur Berufung ergebe, handle es sich bei der „Erneuerung“ um die Errichtung eines neuen Flugdachs. Da auch die flächenidente Neuerrichtung eines Bauwerks an einer Stelle, an der schon früher ein gleichartiges Bauwerk bestanden habe, als Neubau zu qualifizieren sei, steht fest, dass im vorliegenden Fall im Jahr 1958 oder später ein bewilligungspflichtiges Vorhaben ausgeführt worden sei. Das Vorliegen einer Bewilligung könne aus dem Akt, der zumindest bis ins Jahr 1947 zurückreiche, nicht abgeleitet werden. Es gebe aber aufgrund des Alters des Bauwerks einerseits und des Bauaktenbestands andererseits keinerlei Anknüpfungspunkt dafür, dass im vorliegenden Fall der „vermutete Konsens“ zum Tragen kommen könnte. Allein aus dem Umstand, dass ein Bauwerk seit längerer Zeit bestehe und von der Behörde nicht beanstandet worden sei, könne nämlich die Konsensmäßigkeit desselben nicht abgeleitet werden. Würden sich aus dem bezüglich einer Liegenschaft vorliegenden Bauakt keine Hinweise auf das Vorliegen einer Baubewilligung ergeben, sei jedenfalls bei solchen Bauwerken, die nicht älter als der Aktenbestand seien, davon auszugehen, dass sie konsenslos seien.
Das Berufungsvorbringen, wonach das gegenständliche Bauwerk vor 1958 errichtet und in diesem Jahr erneuert worden sei, gehe daher ebenso ins Leere wie der Vorwurf, dass die Baubehörde erster Instanz eine eingehende Würdigung des Bauaktes unterlassen habe.
Zum Berufungsvorbringen, bei der gegenständlichen Anlage handle es sich um eine vom Geltungsbereich der NÖ Bauordnung ausgenommene „forstliche Bringungsanlage“, wird von der belangten Behörde auf § 59 Abs 1 Forstgesetz 1975 verwiesen, wonach „forstliche Bringungsanlagen Forststraßen (Abs 2), Waldbahnen (Abs 3) und forstliche Materialseilbahnen (Abs 4)“ seien und die gegenständliche Anlage eindeutig unter keinen dieser Begriffe zu subsumieren sei.
Der Tatbestand „Lagerung von Brennholz“ (§ 17 Z 6 NÖ BO 2014) umfasse darüber hinaus ausschließlich die Tätigkeit der Lagerung näher bezeichneten Materials und handle es sich somit um eine Iex specialis zur allgemeinen Regel des § 15 Abs 1 Z 16 NÖ BO 2014, wonach die „Verwendung eines Grundstückes als Lagerplatz für Material aller Art“ anzeigepflichtig sei. Aus dieser Bestimmung sei somit keineswegs abzuleiten, dass auch Bauwerke, die dem Zweck der Lagerung dienen würden, von der Bewilligungspflicht ausgenommen seien.
Die Baubehörde erster Instanz habe einen Abbruchauftrag zu Recht erlassen. Die Behörde habe nicht zu prüfen gehabt, ob das Bauwerk allenfalls einer nachträglichen Bewilligung zugänglich sei.
Berechtigung komme der Berufung nur hinsichtlich der Leistungsfrist zu. Anstelle der datumsmäßig festgelegten Frist trete nun eine ab dem Eintritt der Rechtskraft des Auftrages bemessene Frist, wobei ein Zeitraum von drei Monaten jedenfalls angemessen sei.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
In der nunmehr erhobenen Beschwerde vom 26.01.2018 beantragten die Beschwerdeführer die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ebenso wie des erstinstanzlichen Bescheides.
Die verfahrensgegenständliche bauliche Anlage, und zwar ein auf Holzstehern ruhendes Flugdach, sei Ende der 1950er Jahre durch die damaligen Pächter der landwirtschaftlichen Gründe der Beschwerdeführer, die Familie F, errichtet worden und stehe seither unverändert an diesem Ort, an dem auch zuvor schon ein ebensolches Objekt gestanden sei.
Im Sommer 2007 habe der Nachbar, Herr F, für den Stallbau um eine Baubewilligung eingereicht. Die zuständige Referentin der Marktgemeinde ***, Frau I, sei gemeinsam mit dem Bauwerber F unangemeldet bei der Beschwerdeführerin A erschienen und habe dieser gegenüber behauptet, sie benötige dringend die Unterschrift aller Mitbesitzer der Liegenschaft *** (also der Beschwerdeführer) für die Genehmigung der Zufahrt zum Futtereinwurf des Bauwerbers F. Dabei ist Frau I direkt an der verfahrensgegenständlichen baulichen Anlage vorbeigegangen, die damals - das Pachtverhältnis zu F sei noch aufrecht gewesen - von F als Heu-, Stroh- und Gerätelager benutzt worden sei.
Die Beschwerdeführerin A habe nach einer Gerichtsverhandlung am 02.12.2013 (die Familie F habe ein Servitut des Fahrens und Gehens über ein Grundstück der Beschwerdeführer zum Futtereinwurf des Stalls von F beansprucht) das Bauamt aufgesucht, um zu hinterfragen, auf welcher Grundlage der Stallbau genehmigt worden sei, zumal 2007 für die Baugenehmigung plötzlich die Unterschriften der Eigentümer der Liegenschaft *** (also der Beschwerdeführer) offenbar nicht mehr nötig gewesen wäre. Bei dieser Gelegenheit habe die Referentin der Marktgemeinde ***, Frau I, ausgeführt, der Bauwerber F hätte unterschrieben, dass er - wenn er die Pachtfläche nicht mehr bewirtschaften würde - sich verpflichte, eine Feuermauer zu errichten.
Im November 2014 habe eine Feuerbeschau durch den Rauchfangkehrer stattgefunden, die auf der Liegenschaft *** ausgefallen sei, da es zu diesem Zeitpunkt unmöglich gewesen wäre, zur Liegenschaft *** zuzufahren. Der Rauchfangkehrer habe nachher gegenüber der Beschwerdeführerin A ausgeführt, er habe den Nachbarn F aufgefordert, die gegenständliche bauliche Anlage zu sanieren. Davon hätten sie, die Beschwerdeführer, nichts erfahren. In diesem Jahr sei das Raumordnungsgesetz geändert worden.
Am 17.09.2015 sei die Feuerbeschau auf der Liegenschaft *** nachgeholt worden und habe der Rauchfangkehrer die Sanierung der verfahrensgegenständlichen baulichen Anlage verlangt.
Ungefähr zum selben Zeitpunkt habe der Bürgermeister der Marktgemeinde *** die Beschwerdeführerin A darauf hingewiesen, dass der Nachbar F gedroht habe, sie, die Beschwerdeführer, wegen der baufälligen baulichen Anlage anzuzeigen und habe F die Gemeinde darauf hingewiesen, dass es für diese (von seiner Familie errichtete) bauliche Anlage keine Baugenehmigung gäbe.
Sie hätten daraufhin versucht, im Zuge einer Einreichung betreffend das Haus auf der Liegenschaft *** auch die verfahrensgegenständliche bauliche Anlage einzubeziehen; die von ihnen beauftragte Architektin habe die bauliche Anlage auf den Einreichplänen eingezeichnet und miteingereicht. Bei einer Vorsprache der Architektin H bei der Baubehörde am 23.03.2016 hätte die Referentin der Marktgemeinde ***, Frau I, der Architektin gegenüber ausgeführt, dass die verfahrensgegenständliche bauliche Anlage nicht miteingereicht werden könne, da dies nicht Sache der Baubehörde, sondern der Forstbehörde sei, zumal die Hütte auf einer Waldparzelle stehe. Sie hätte auf Herrn J verwiesen und auch ausgeführt, dass es zur Hütte einen Aktenvermerk aus den 1970er Jahren gebe.
Daraufhin habe die Architektin H (staatlich befugte Ziviltechnikerin) mit J Kontakt aufgenommen. Am 2.8.2016 habe es einen gemeinsamen Termin im Büro von J gegeben, worauf die Architektin H einen Aktenvermerk erstellt habe, der auch von J bestätigt und an Frau I gesandt worden sei.
In der Folge hätte die Referentin der Marktgemeinde ***, Frau I, die Beschwerdeführerin A vertröstet und ihr gegenüber ausgeführt, dass es zuerst die Umwidmung in erhaltenswertes Gebäude im Grünland, dann eine Baugenehmigung für das Haus und dann ein Verfahren betreffend die Hütte geben werde. Die Baugenehmigung für das Haus sei am 14.11.2016 erteilt worden.
Am 28.11.2016 habe die Referentin der Marktgemeinde ***, Frau I, gemeinsam mit einer Referentin des Landes Niederösterreich die Beschwerdeführerin A aufgesucht und erklärt, dass das Wohnhaus auf der Liegenschaft *** zwar als erhaltenswertes Gebäude im Grünland gewidmet sei, aber wegen der schlechten Zufahrt nur mit einer eingeschränkten Nutzung versehen werden könne.
Im Dezember 2016 sei von ihnen die Stabilisierung der verfahrensgegenständlichen baulichen Anlage beauftragt worden, wonach sofort ein Anruf vom Bauamt der Marktgemeinde *** (informiert durch Herrn F) erfolgt sei, dass dies nicht zulässig sei. Die Arbeiten wegen Gefahr in Verzug seien ausgeführt worden und sei am 19.12.2016 durch die ausführende Firma L eine Bestätigung ausgestellt worden, dass die verfahrensgegenständliche bauliche Anlage nun stabilisiert sei.
Im Juni 2017 habe der Nachbar F begonnen, ein Vordach zu errichten, und zwar anders als bei der Baubehörde eingereicht.
Am 20.07.2017 habe ein Besprechungstermin auf der Liegenschaft *** mit J (Leiter der Bezirksforstinspektion Neunkirchen), dem Bürgermeister der Marktgemeinde *** K und der Referentin der Marktgemeinde ***, Frau I, stattgefunden. Bei dieser Gelegenheit habe J erklärt, dass es leider doch nicht stimme, dass die verfahrensgegenständliche bauliche Anlage im Forst stehe, weil sie sich dort länger als 10 Jahre befinde und - obwohl rundherum alles Wald sei und die Hütte auf Luftaufnahmen so gut wie nicht sichtbar sei - dann auf der Fläche der verfahrensgegenständlichen baulichen Anlage keine Bäume mehr wachsen würden. Frau I hätte daraufhin erläuterte, dass die Angelegenheit aus diesem Grund wieder in die Zuständigkeit der Baubehörde zurückfallen würde und kein Konsens bestehe. Daher müsse der Bürgermeister einen Abbruchbescheid erteilen.
Auf den Aktenvermerk aus den 1970er Jahren angesprochen, hätte Frau I ungehalten reagiert und gemeint, sie könne nicht den ganzen Bauakt durchsehen. Bei der unmittelbar darauffolgenden Vorortbesichtigung der verfahrensgegenständlichen baulichen Anlage hätte sich J sehr überrascht gezeigt, dass sich so nahe bei der Grenze ein Futtereinwurf befinden würde.
Der erstinstanzliche Abbruchbescheid stütze sich auf § 25 Abs 2 der NÖ BauO, berücksichtige aber nicht, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen baulichen Anlage um eine forstliche Anlage (Lagerung von Brennholz) handeln würde, die nach der NÖ BauO bewilligungs- und anzeigefrei ist. Weiters sei von der Beschwerdeführerin ausgeführt worden, dass gemäß § 1a Abs 3 des Forstgesetzes, unbeschadet jeweils der anderen Nutzung als Wald, auch dauernd unbestockte Grundflächen als Wald gelten würden, insoweit sie in einem unmittelbaren räumlichen und forstbetrieblichen Zusammenhang mit Wald stehen und unmittelbar dessen Bewirtschaftung dienen würden. Es sei daher darauf verwiesen worden, dass die Voraussetzungen gemäß Aktennotiz der Architektin H vom 03.08.2016 jedenfalls vorliegen würden. Schließlich hätten sie auch ausgeführt, dass sich aus einem Aktenvermerk aus den 1970er Jahren, der Umstand ergeben dürfte, dass die Anlage bewilligt worden sei oder doch in einer eine Bewilligung substituierenden Weise zur Kenntnis genommen worden sei.
Entgegen den oben dargestellten Ausführungen der Referentin der Marktgemeinde *** I behaupte der nunmehr angefochtene Bescheid, dass eine baubehördliche Bewilligung für diese Anlage im Akt nicht enthalten sei, führe aber nichts zu einem angeblich im Akt befindlichen Aktenvermerk aus den 1970er Jahren aus.
Auf ihr substantiiertes Vorbringen, dass es sich um eine forstliche Anlage außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Baubehörde handle, werde nur mit einem verfassungsrechtlich unzulässigen dynamischen Verweis eingegangen. Im vorliegenden Fall genüge aber die Ausnahme des § 17 Z 6 der NÖ BauO betreffend die Lagerung von Brennholz, da einerseits die hiefür erforderliche Widmung vorliege und andererseits zur Lagerung von Brennholz und Gebrauchsholz auch ein entsprechender Schutz vor Witterungseinflüssen gehöre, was die verfahrensgegenständliche bauliche Anlage ausschließlich sei.
Die belangte Behörde habe es jedenfalls verabsäumt, Herrn J, dessen Aussage im Aktenvermerk der Architektin H wiedergegeben werde, mit dieser Aussage zu konfrontieren, zumal eindeutig feststehe, dass es sich bei der Fläche, auf der die verfahrensgegenständliche bauliche Anlage errichtet sei, um Waldgrund im Sinne des Forstgesetzes handle.
Die belangte Behörde habe es weiters verabsäumt, Feststellungen hinsichtlich des von der Referentin der Marktgemeinde *** vor Zeugen erwähnten Aktenvermerks aus den 1970er Jahren zu treffen und diesen beizuschaffen.
Falls die belangte Behörde jedoch entsprechende Erkundigungen angestellt habe, hätte sie verabsäumt, ihnen das Ergebnis dieser Erkundigungen vorzuhalten und damit deren Parteiengehör verletzt.
Zum Beweis für das gesamte Vorbringen, wurden von den Beschwerdeführern die Einvernahme der Beschwerdeführerin A sowie der Zeugen M, H, J und II beantrag.
Mit Schreiben des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 19.03.2018 wurde der Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung über diese Beschwerde vorgelegt.
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Da die gegenständliche Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG nicht zurückzuweisen bzw. das Beschwerdeverfahren nicht einzustellen war, hatte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich darüber gemäß § 28 Abs 2 VwGVG in der Sache selbst zu entscheiden.
Das Landesverwaltungsgericht NÖ hat im Rahmen seines Ermittlungsverfahrens am 23.08.2019 und am 06.11.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in deren Rahmen die anwesenden Verfahrensparteien Stellungnahmen erstatteten und die Beschwerdeführerin A befragt sowie die Zeugen M, H, J und I zum Sachverhalt vernommen wurden. Beweis wurde weiters erhoben durch Verlesung des Bezug habenden unbedenklichen Aktes der belangten Behörde.
4. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der Liegenschaft ***, Gst.Nr. ***, KG ***, in der Marktgemeinde ***. Das Grundstück weist laut rechtskräftigem Flächenwidmungsplan die Widmung Grünland Land- und Forstwirtschaft auf.
[Abweichend vom Original – Bilder nicht wiedergegeben]
„…
…“
Ca. im Jahr 1958 wurde vom damaligen Pächter dieses Grundstückes, einem Rechtsvorgänger der nunmehrigen Eigentümer des Nachbargrundstückes Nr. ***, mit Zustimmung der damaligen Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstückes, der Großmutter der Beschwerdeführerin A, im nordöstlichen Bereich in Hanglage ein zwischen ca. 5 und 7 m hohes Flugdach in Form einer gedeckten Holzkonstruktion mit den Außenabmessungen von ca. 19 x 7 m errichtet, unter welchem in weiterer Folge landwirtschaftliche Geräte und Holz gelagert wurden.
Das Flugdach ist mit dem Boden kraftschlüssig verbunden und war zu dessen fachgerechter Errichtung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erforderlich.
Das Pachtverhältnis mit der Familie F hat im Jahr 2014 geendet. Eine baubehördliche Bewilligung für das verfahrensgegenständliche Flugdach auf Gst.Nr. *** liegt bei der Baubehörde nicht vor und wurde im Verfahren auch von den Beschwerdeführern nicht beigebracht.
Es liegen keine Hinweise vor, dass die diesbezüglichen Bauakten der Marktgemeinde *** unvollständig sind, dass Aktenteile abhandengekommen sind oder dass die Akten nicht ordnungsgemäß geführt worden sind.
In Bezug auf das verfahrensgegenständliche Flugdach ist bei der Baubehörde I. Instanz der Marktgemeinde *** aktuell ein Baubewilligungsverfahren anhängig. Die baubehördliche Bewilligung wurde bis dato nicht erteilt.
Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund des gesamten vorgelegten verwaltungsbehördlichen Verfahrensaktes, an dessen Richtigkeit und Vollständigkeit keine Zweifel bestehen, sowie nach Aufnahme der beantragten Beweise im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung .
Die Feststellungen zu den Eigentumsverhältnissen ergeben sich aus der Einsichtnahme in das öffentliche Grundbuch und den im Bauakt einliegenden Urkunden.
Die Lage und die Abmessungen des Flugdaches sind aus dem Einreichplan der Baueinreichung zur Erteilung der nachträglichen Baubewilligung ersichtlich. Der oben abgebildete Lageplan ist diesem Einreichplan entnommen. Das ebenfalls oben eingefügte Foto des Flugdaches wurde von der Beschwerdeführerin A zur Verfügung gestellt.
Im Hinblick auf den Errichtungszeitpunkt des Flugdaches folgt das erkennende Gericht den Angaben der Beschwerdeführer. Aus dem vorgelegten Notizbucheintrag vom 25.09.1958, getätigt von der Großmutter der Beschwerdeführerin A, geht nachvollziehbar hervor, dass damals seitens des Pächters die Erlaubnis eingeholt wurde, anstelle eines Schuppens ein Flugdach zu errichten.
Die Existenz eines Aktenvermerks aus den 1970er Jahren, aus welchem sich laut Ausführungen der Beschwerdeführer ein baubehördlicher Konsens für das Flugdach herleiten soll, konnte nicht verifiziert werden. Ein derartiger Aktenvermerk befindet sich laut Stellungnahme des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** in der Verhandlung vom 23.08.2019 auch nicht im Bauakt des Nachbarn F, dessen Familie das Gst.Nr. *** über mehrere Jahrzehnte gepachtet gehabt hatte.
Wie die Zeugin I, Bausachverständige der Marktgemeinde ***, dazu bei ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme ausführte, habe sich ihre diesbezügliche Aussage gegenüber der Architektin der Beschwerdeführer möglicherweise auf ein Schreiben des ehemaligen Pächters N bezogen, in welchem dieser Angaben zu einer von seinem Vater im Jahr 1971 auf dem Gst.Nr. *** errichteten Scheune für Futtervorräte und zum Einstellen von landwirtschaftlichen Geräten machte. Abgesehen davon, dass es sich bei einer Scheune - im Gegensatz zum Flugdach - um ein Gebäude handelt, lässt sich daraus weder die Existenz eines baubehördlichen Konsenses für das verfahrensgegenständliche Flugdach noch dessen Errichtungszeitpunkt ableiten.
Für das erkennende Gericht bestand jedenfalls kein Anlass, an den glaubwürdigen und nachvollziehbaren Aussagen der Zeugin I zu zweifeln.
Der Zeuge J konnte zur Frage eines möglichen baubehördlichen Kosenses für das Flugdach keine Angaben machen, war er als Forsttechniker der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen in dieser Angelegenheit lediglich in Bezug auf forstrechtliche Belange im Zusammenhang mit dem Bauwerk und zur forstfachlichen Unterstützung der Baubehörde im Rahmen eines allfälligen Baubewilligungsverfahrens involviert.
Der Beweis des Vorliegens eines baubehördlichen Konsenses konnte somit auch nach Aufnahme der von den Beschwerdeführern beantragten Beweise nicht erbracht werden.
5. Rechtsgrundlagen:
Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen; andernfalls zufolge § 31 Abs 1 VwGVG mit Beschluss.
Soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde als gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen und nach § 28 Abs 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden.
Die hier relevanten Bestimmungen der NÖ BO 2014 lauten auszugsweise:
§ 1
„Geltungsbereich
(1) Dieses Gesetz regelt das Bauwesen im Land Niederösterreich.
[…]
(3) Weiters sind folgende Bauwerke vom Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgenommen:
1. Forststraßen und forstliche Bringungsanlagen;
[…]“
§ 4
„Begriffsbestimmungen
[…]
6. bauliche Anlage: alle Bauwerke, die nicht Gebäude sind.
7. Bauwerk: ein Objekt, dessen fachgerechte Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordert und das mit dem Boden kraftschlüssig verbunden ist;
[…]“
§ 14
„Bewilligungspflichtige Bauvorhaben
Nachstehende Vorhaben bedürfen einer Baubewilligung:
1. Neu- und Zubauten von Gebäuden;
2. die Errichtung von baulichen Anlagen;
[…]“
§ 17
„Bewilligungs-, anzeige- und meldefreie Vorhaben sind jedenfalls
[…]
16. die Lagerung von Brennholz für ein auf demselben Grundstück bestehendes Gebäude und von land- und forstwirtschaftlichen Produkten auf Grundstücken mit der Flächenwidmung Grünland-Land- und Forstwirtschaft sowie Grünland-Freihaltefläche;
[…]“
§ 35
„Sicherungsmaßnahmen und Abbruchauftrag
(1) Die Baubehörde hat alle Sicherungsmaßnahmen, die zum Schutz von Personen und Sachen erforderlich sind, insbesondere die Untersagung der Nutzung sowie die Räumung von Gebäuden oder Teilen davon anzuordnen.
(2) Die Baubehörde hat den Abbruch eines Bauwerks ungeachtet eines anhängigen Antrages nach § 14 oder einer anhängigen Anzeige nach § 15 anzuordnen, wenn
1. mehr als die Hälfte des voll ausgebauten umbauten Raumes eines Gebäudes durch Baugebrechen unbenützbar geworden ist und der Eigentümer einem Auftrag nach § 34 Abs. 2 innerhalb der ihm darin gewährten Frist nicht entsprochen hat oder
2. für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt.
Für andere Vorhaben gilt Z 2 sinngemäß.
(3) Die Baubehörde hat die Nutzung eines Bauwerks zu einem anderen als dem bewilligten oder aus der Anzeige (§ 15) zu ersehenden Verwendungszweck zu verbieten. Abs. 1 und 2 sowie § 34 Abs. 1 und 2 bleiben davon unberührt.
[…]“
8. Erwägungen:
Soweit die Beschwerdeführer die Zuständigkeit der belangten Behörde für die Erteilung des bekämpften Abbruchauftrages in Zweifel ziehen und darauf verweisen, dass es sich beim verfahrensgegenständlichen Flugdach um eine forstliche Anlage handeln würde, für die es keiner baurechtlichen Bewilligung bedürfe, ist ihnen zu entgegnen, dass der Kompetenztatbestand Forstwesen, welcher alle auf die Pflege, Erhaltung und auf den Schutz des Waldbestandes Bezug habenden Vorkehrungen umfasst, zwar nach Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG in die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes fällt, die hier zu lösende Frage, ob Flugdächer, wie das hier vorliegende, der Baurechtskompetenz der Länder gemäß Art 15 Abs 1 B-VG unterliegen, jedoch im Sinne der sogenannten „Versteinerungstheorie“ zu beurteilen ist (VfGH B209/74, B157/75).
Der Inhalt des Kompetenztatbestandes Forstwesen gemäß Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG bestimmt sich somit grundsätzlich nach dem Forstgesetz 1852 (VwGH 98/10/0177). Diesem Gesetz ist jedoch kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, dass Bauwerke auf Waldboden - mit Ausnahme der in den §§ 24ff geregelten Triftbauten zur Bringung von Waldprodukten - einer besonderen forstrechtlichen Bewilligungspflicht unterworfen werden sollten. Forstliche Bringungsanlagen (gemäß § 59 Abs 1 Forstgesetz 1975 nunmehr Forststraßen und forstliche Materialseilbahnen) sind auch aktuell vom Geltungsbereich der NÖ BO 2014 ausgenommen.
Das Flugdach am Grundstück der Beschwerdeführer kann jedoch nicht unter den Begriff „Bringungsanlage“ subsumiert werden, auch wenn unter diesem, neben landwirtschaftlichem Gerät, auch Waldprodukte gelagert werden.
Das Bauwerk stellt entgegen der Rechtsansicht der Beschwerdeführer auch kein bewilligungs-, anzeige- und meldefreies Vorhaben gemäß §17 Z 16 NÖ BO 2014 dar, bezieht sich diese Bestimmung doch ausschließlich auf die solitäre Lagerung von Brennholz mit Bezug zu einem auf dem gleichen Grundstück bestehenden Gebäude, während Bauwerke zum Schutz des Brennholzes vor Witterungseinflüssen - sogenannte Holzlegen - vom VwGH bereits 1904 als baubehördlich bewilligungspflichtige Bauten eingestuft wurden (Nr. 2267 A).
Zumal der Frage, ob das Flugdach auf Waldboden errichtet wurde, ausschließlich in einem forstrechtlichen Verfahren Relevanz zukommt, erübrigt sich in diesem Zusammenhang jedes weitere Eingehen auf das diesbezügliche weitschweifige Beschwerdevorbringen.
Soweit es die Erforderlichkeit bautechnischer Kenntnisse für die Herstellung des mit Holz ausgeführten Flugdaches betrifft, ist zu bemerken, dass das Erfordernis wesentlicher bautechnischer Kenntnisse nicht daran zu messen ist, ob auch ein Laie die Aufstellung des Flugdaches vollbringen kann, sondern ob diese Kenntnisse zur ordnungsgemäßen Ausführung notwendig sind. Das Kriterium der Notwendigkeit bautechnischer Kenntnisse muss daher auch dann angenommen werden, wenn die Anlage zwar laienhaft gestaltet ist, nach den Regeln der bautechnischen Wissenschaft aber eine Ausführung unter Verwendung bautechnischer Kenntnisse bedürfte, wozu auch Kenntnisse auf dem Gebiet der Statik gehören (VwGH 2003/05/0043). Es ist somit nicht entscheidend, ob bautechnische Kenntnisse tatsächlich angewendet wurden, sondern es kommt darauf an, ob diese für eine einwandfreie Errichtung notwendig gewesen wären (VwGH 91/10/0007).
Zur Herstellung eines Flugdaches mit den gegebenen Abmessungen bedarf es jedenfalls wesentlicher bautechnischer Kenntnisse, insbesondere hinsichtlich der Statik, um dieses stand-, sturm- und kippsicher errichten zu können, sodass es sich beim verfahrensgegenständlichen Objekt zweifellos um ein mit dem Boden kraftschlüssig verbundenes Bauwerk handelt, dessen Errichtung ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben darstellt (VwGH 2007/05/0247).
Auch nach der früheren Rechtslage der NÖ BO 1996 (vgl. § 14 Z 1), der NÖ BO 1976 (§ 92 Abs 1 Z 1) und der Bauordnung für NÖ 1883 (§ 16) wäre die Errichtung eines Flugdaches bewilligungspflichtig gewesen.
Aufgrund des Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens steht fest, dass das Gebäude vor dem Inkrafttreten der in Geltung stehenden NÖ BO 2014 errichtet wurde, jedoch auch nach der damaligen Rechtslage baubewilligungspflichtig war (VwGH 2001/05/0368; 2007/05/0126). Nach dieser Judikatur unterliegt es keinem Zweifel, dass auch bereits vor Jahrzehnten die Errichtung eines Flugdaches einer Baubewilligung bedurfte.
Die Baubewilligung muss (bzw. musste) zwingend schriftlich (mit Bescheid) erfolgen (siehe § 23 Abs 1 NÖ BO 2014, § 23 Abs 1 NÖ BO 1996, § 118 Abs 3 NÖ BO 1976 bzw. NÖ BO 1969 und § 26 der Bauordnung für NÖ 1883). Aus dem Umstand, dass die Gemeindeorgane über mehrere Jahre untätig geblieben sind, kann jedenfalls keine Konsensmäßigkeit aufgrund stillschweigender Zustimmung konstruiert werden. Allfällige mündliche Zusagen baubehördlicher Organe vermögen die erforderliche schriftliche Bescheiderlassung nicht zu ersetzen (VwGH 2013/05/0176).
Hinsichtlich des von den Beschwerdeführern monierten vermuteten Konsenses ist festzuhalten, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (2001/05/0835) die Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit eines alten Bauwerks nur dann Platz greifen kann, wenn der Zeitpunkt der Erbauung des Altbestandes so weit zurückliegt, dass die Erteilung der Baubewilligung fraglich erscheint, oder bestimmte Indizien dafür sprechen, dass trotz des Fehlens behördlicher Unterlagen von der Erteilung einer Baubewilligung auszugehen ist. Die Rechtmäßigkeit des Bestandes soll nur dann vermutet werden, wenn der Zeitpunkt seiner Erbauung so weit zurückliegt, dass - von besonders gelagerten Einzelfällen abgesehen - auch bei ordnungsgemäß geführten Archiven die Wahrscheinlichkeit, noch entsprechende Unterlagen auffinden zu können, erfahrungsgemäß nicht besteht (VwSlg Nr. 13.727/A mwN). Ein vermuteter Konsens kann also für Baulichkeiten, die um 1900 errichtet und für bestimmte Zwecke verwendet worden sind […] nur insofern angenommen werden, als nicht in einem Zeitpunkt, in dem die Archive üblicherweise ordnungsgemäß geführt und auch (schriftliche) Baubewilligungen erteilt worden sind, bauliche Abänderungen oder Umwidmungen vorgenommen wurden (VwGH 92/06/0152).
Das Vorliegen eines konsensgemäßen Zustandes kann aber grundsätzlich nur vermutet werden, wenn keine Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme vorliegen (VwGH 2000/06/0066 mwN), wenn also hinsichtlich eines seit Jahrzehnten bestehenden Bauwerks Unterlagen über seine seinerzeitige Baubewilligung nicht mehr auffindbar sind, aber feststeht, dass hinsichtlich eines fehlenden Konsenses baubehördliche Beanstandungen niemals stattgefunden haben.
Die betroffene Partei trifft in diesem Zusammenhang eine Mitwirkungspflicht bei der Prüfung, ob hiefür eine Baubewilligung erteilt wurde, weil es in der Regel der Eigentümer eines Bauwerkes ist, der zielführende Hinweise über das Vorliegen einer Baubewilligung geben kann (VwGH 2000/05/0252).
Für die Liegenschaften der Beschwerdeführer wird der Verfahrensakt seit dem Jahr 1947 geführt, wiewohl dessen Gegenstand überwiegend baurechtliche Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Wohnhaus an der Anschrift *** sind.
Demgegenüber monieren die Beschwerdeführer unsubstantiiert und auf Vermutungen basierend, dass es einen Aktenvermerk aus den 1970er Jahren gebe, aus dem sich ergeben solle, dass die Anlage „bewilligt wurde oder doch in einer eine Bewilligung substituierenden Weise zur Kenntnis genommen wurde.“
Soweit mit diesem Vorbringen die Unvollständigkeit des Bauaktes am 1947 behauptet wird, ist entgegenzuhalten, dass das bloße Vorliegen von Unterlagen bezüglich des Wohnhauses auf dem Gst.Nr. ***, KG ***, vielmehr indiziert, dass für diese Liegenschaft EZ 1 eben keine weitere Baubewilligung für ein Flugdach erteilt worden war.
Im Sinne der oben genannten Judikatur liegen daher konkrete Anhaltspunkte gegen die Annahme eines vermuteten Konsenses vor, sodass vom Vorliegen eines konsensgemäßen Zustandes nicht auszugehen ist. Somit ist der belangten Behörde im Ergebnis jedenfalls nicht entgegenzutreten, wenn sie von der Konsenslosigkeit des verfahrensgegenständlichen Flugdaches ausgeht.
Die Anhängigkeit eines Bauansuchens für das Flugdach bei der Baubehörde I. Instanz steht der Erteilung eines Abbruchauftrages nach § 35 Abs 2 Z 2 NÖ BO 2014 nicht entgegen und kommt es dabei auch nicht darauf an, ob ein gestelltes Bauansuchen Aussicht darauf hat, bewilligt zu werden. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass ein baupolizeilicher Abbruchauftrag erst nach rechtskräftiger Abweisung oder Zurückweisung eines bereits anhängigen Bauansuchens vollstreckt werden darf (vgl. W Pallitsch/Ph. Pallitsch/W.Kleewein, Niederösterreichisches Baurecht (2020), Anm 22 zu § 35).
Die Leistungsfrist wurde im Abbruchauftrag mit drei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides festgelegt. Diese Frist wird vom erkennenden Gericht als angemessen und ausreichend erachtet. Leistungsfristen müssen objektiv dazu geeignet sein, dem Leistungspflichtigen unter Anspannung all seiner Kräfte nach der Lage des konkreten Falls die Erfüllung der aufgetragenen Leistung zu ermöglichen (VwGH 2011/01/0167).
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
9. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die Revision ist unzulässig, da sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Zudem stellen die – hier im Einzelfall beurteilten – Fragen keine „Rechtsfragen von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung“ (VwGH Ro 2014/01/0033) dar.
Schlagworte
Bau- und Raumordnungsrecht; baubehördlicher Auftrag; Entfernungsauftrag; Bewilligungspflicht; vermuteter Konsens;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.299.001.2018Zuletzt aktualisiert am
27.07.2020