TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/1 I415 1417408-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.07.2019
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Entscheidungsdatum

01.07.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I415 1417408-4/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ) geb. XXXX (alias XXXX ), StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom 22.11.2016, Zl. XXXX ,

nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.06.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer stellte am 18.12.2010 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.12.2010, Zl. XXXX und in weiterer Folge mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 18.02.2011, Zl. A2 417.408-1/2011/3E negativ entschieden wurde. Das Erkenntnis des Asylgerichtshofes und die gleichzeitig darin ausgesprochene Ausweisung nach Nigeria erwuchsen mit 08.03.2011 in Rechtskraft. Der vom Asylgerichtshof ausgesprochenen Ausreiseverpflichtung kam der Beschwerdeführer nicht nach. Begründet hatte der Beschwerdeführer seinen Antrag im Wesentlichen damit, dass sein Vater das Oberhaupt seines Familienclans gewesen sei. Nachdem dieser im Jahr 2007 verstorben sei, habe sein Onkel diese Position übernehmen wollen und dem Beschwerdeführer deshalb mit dem Tod gedroht. Zum Schutz vor seinem Onkel sei der Beschwerdeführer einem gefährlichen Geheimkult beigetreten, der ihn jedoch nach seinem Austritt verfolgt habe. Der Beschwerdeführer machte als Fluchtgrund eine ihm in seiner Heimat drohende Verfolgung durch seinen Onkel sowie durch den Kult geltend.

2.       Am 13.09.2011 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stand der Schubhaft erneut einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.09.2011, Zl. 11 10.546 EAST Ost wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.11.2011, Zl. A2 417.408-2/2011/4E als unbegründet abgewiesen und erwuchs die Entscheidung des Asylgerichtshofes mit 16.11.2011 in Rechtskraft. Als Fluchtgrund hatte der Beschwerdeführer geltend gemacht, homosexuell zu sein, wodurch ihm in Nigeria Verfolgung drohe.

3.       Am 24.02.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen seines illegalen Aufenthaltes von der Polizei betreten. Aufgrund eines bestehenden Aufenthaltsverbotes wurde er festgenommen und zur Sicherung der Abschiebung über ihn mit Bescheid vom 25.02.2016, Zl. IFA: 540626303-160292451, die Schubhaft verhängt.

4.       Aus dem Stand der Schubhaft stellte der Beschwerdeführer am 15.03.2016 drittmalig den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 16.03.2016 führte der Beschwerdeführer – nachdem er auf seine bereits rechtskräftig entschiedenen Verfahren hingewiesen wurde – hinsichtlich seiner Fluchtgründe aus, dass er psychische Probleme habe. Beim Schlafen sehe er Juju (Hexen) und er schreie im Schlaf, da er glaube, dass ihn die Hexen umbringen würden. Befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er diesen neuen Fluchtgrund seit 25.02.2016 habe.

5.       In seiner ebenfalls am 16.03.2016 durchgeführten Einvernahme durch die belangte Behörde gab der Beschwerdeführer zur Absicht der belangten Behörde, wonach mit einer Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes zu rechnen sei, keine Stellungnahme ab.

6.       Hinsichtlich der Anhaltung in Schubhaft fand am 01.04.2016 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt. Darin gab der Beschwerdeführer befragt zu seinen neu hervorgekommenen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass er an psychischen Problemen leide, die seit seiner In-Schubhaftnahme erneut ausgebrochen seien. Auf den Vorhalt, wonach er bislang und auch bei der amtsärztlichen Untersuchung in Schubhaft konsistent angegeben habe, keine gesundheitlichen Probleme zu haben, er den gegenständlichen Asylantrag in Unkenntnis der Ausstellung von Dokumenten durch die nigerianische Botschaft gestellt habe und der Vermutung, dass der mit psychischen Problemen begründete Asylantrag vom 15.03.2016 somit allein zur Verhinderung der Abschiebung gestellt worden sei, erklärte der Beschwerdeführer, dass er nicht gewusst habe, dass die nigerianischen Behörden ihm ein Heimreisezertifikat ausgestellt haben. Den Asylantrag habe er lediglich aufgrund seiner psychischen Probleme gestellt. Auf die weitere Frage, was einer Rückführung seiner Person in seinen Herkunftsstaat entgegenstehe, erwiderte der Beschwerdeführer, dass er wegen seiner Probleme um Asyl ansuche und er möchte, dass man sich um ihn kümmere. Er könne nicht schlafen. Er sehe Juju und denke an Selbstmord. Wie könne er abgeschoben werden, wenn er bei seiner Rückkehr mit Problemen zu rechnen habe. Er benötige Hilfe und solle ins Spital gebracht werden.

7.       Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.04.2016, Zl. W112 2123683-1/10Z wurde nach Einholung eines medizinischen Gutachtens festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

8.       Am 05.04.2016 wurde der Beschwerdeführer nach der Mitteilung, dass beabsichtigt sei, seinen faktischen Abschiebeschutz aufzuheben, durch die belangte Behörde zur Wahrung des Parteiengehörs niederschriftlich einvernommen, wobei er die Beantwortung aller ihm gestellten Fragen verweigerte. In weiterer Folge hob die belangte Behörde mit mündlich verkündetem Bescheid vom 05.04.2016 den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG auf. Nach erfolgter Beschwerde wurde diese Entscheidung mit rechtskräftigem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.04.2016, Zl. I411 1417408-3/5E bestätigt.

9.       Am 21.04.2016 wurde der Beschwerdeführer mittels Charterflug nach Nigeria abgeschoben.

10.      Der Beschwerdeführer reiste erneut unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und wurde aufgrund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes am 13.08.2016 von Beamten der LPD XXXX festgenommen.

11.      In seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 14.08.2016 erklärte der Beschwerdeführer, er sei diesmal nicht da, um Asyl zu beantragen, sondern nur zu Besuch. Er sei letzten Mittwoch (Anmerkung: den 10.08.2016) mit dem Zug aus Ungarn in das Bundesgebiet eingereist, weil ihn seine Freunde zu einer Veranstaltung in ihrer Kirche eingeladen haben. Der Beschwerdeführer sei deshalb nicht im Bundesgebiet gemeldet. Er habe einen fünf Jahre gültigen Aufenthaltstitel für Spanien, wo er als Straßenverkäufer arbeite. Zu diesem Aufenthaltstitel sei er gekommen, weil er seine derzeitige ungarische Ehefrau in Italien geheiratet und mit dieser gemeinsam in Spanien gelebt habe. Seine Frau sei vorübergehend nach Ungarn gezogen, um ihre Eltern zu besuchen. Nun wolle der Beschwerdeführer zu ihr nach Ungarn fahren und sehen, dass sie gemeinsam nach Spanien zurückgehen. Auf eine sich in seinem Reisepass befindliche Wettbüroquittung vom 29.07.2016 angesprochen erklärte der Beschwerdeführer, dass ein Freund ihn gebeten habe, diese für ihn aufzubewahren, weil er vielleicht gewonnen habe. Der Beschwerdeführer erklärte, gesund zu sein. Er erklärte auch, nach der kirchlichen Veranstaltung Österreich wieder zu verlassen. Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme von der belangten Behörde aufgefordert, das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen und sich nach Spanien zu begeben. Ihm wurde angedroht, bei nochmaligem Aufgriff zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen zu werden. In Kopie genommen wurden der Reisepass des Beschwerdeführers (gültig bis November 2019) und ein spanischer Ausländerausweis mit dem Vermerk „Familienangehöriger Unionsbürger“, gültig bis zum 12.03.2020.

12.      Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 22.11.2016 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 15.03.2016 wegen entschiedener Sache nach § 68 Abs. 1 AVG zurück (Spruchpunkt I.).

13.      Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung am 12.12.2016 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begründete dies mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, mangelhafter Verfahrensführung und verfassungswidriger Rechtsmittelbelehrung. Anders als von der belangten Behörde ausgeführt, habe der Beschwerdeführer eine neue, aktuelle Bedrohungssituation vorgebracht. Aus diesem Grund hätte sich die belangte Behörde inhaltlich mit dem neuen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers auseinandersetzen müssen. Dem Beschwerdeführer drohe in seiner Heimat asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. In Nigeria sei es zu Festnahmen von freiwilligen und unfreiwilligen Rückkehrern gekommen. Es wurde beantragt, festzustellen, dass die Zurückweisung gem. § 68 AVG nicht zulässig ist; die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen und die notwendigen Ermittlungsschritte anzuordnen; eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, um schließlich Asyl oder in eventu subsidiären Schutz zu gewähren; festzustellen, dass die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer unzulässig ist.

14.      Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 13.12.2016 vorgelegt.

15.      Am 27.06.2019 erfolgte eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in der Außenstelle Innsbruck, wobei der nach Niederlegung der Vollmacht durch seine Rechtsvertretung per 24.05.2019 unvertretene Beschwerdeführer aus der Untersuchungshaft durch die JA XXXX vorgeführt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria. Seine Identität steht fest. Er heißt XXXX und ist am XXXX , Nigeria, geboren.

Der Beschwerdeführer ist volljährig und leidet weder an einer schweren Krankheit, noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig. Er ist jung, gesund und arbeitsfähig.

Seinen Aussagen zu Folge ist der Beschwerdeführer mit einer ungarischen Staatsangehörigen verheiratet, die in Ungarn lebt. Der Beschwerdeführer verfügt über keine maßgeblichen privaten oder familiären Beziehungen im Bundesgebiet. Er ist für niemanden sorgepflichtig.

Die Begründung einer besonderen Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich seit Abschluss des Vorverfahrens in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht ist nicht feststellbar.

Der Beschwerdeführer befindet sich aktuell in Untersuchungshaft.

Der Beschwerdeführer war zuletzt im Dezember 2018 in Nigeria aufhältig, um mit seinen Eltern Weihnachten zu feiern.

Der Beschwerdeführer verfügt über eine bis 12.03.2020 gültige spanische Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers („familiar de un ciudadano de la Unión).

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Zwischen rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens und der Zurückweisung des gegenständlichen Folgeantrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 22.11.2016 ist keine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten.

Der Beschwerdeführer brachte im gegenständlichen Asylverfahren keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vor, denen zumindest ein glaubhafter Kern innewohnt.

1.3 Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsland des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 22.11.2016 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria zitiert. Dem Beschwerdeführer wurde im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Nigeria übermittelt. Daraus ergeben sich folgende Feststellungen:

Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und einen Bundeshauptstadtbezirk sowie 774 Local Government Areas (LGA/Bezirke) untergliedert. Die Bundesstaaten werden von direkt gewählten Gouverneuren regiert. Sie verfügen auch über direkt gewählte Parlamente.

Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die am System der USA orientierte Verfassung enthält alle Attribute eines demokratischen Rechtsstaates (inkl. Grundrechtskatalog, Gewaltenteilung). Dem starken Präsidenten – zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte – und dem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber. Die Verfassungswirklichkeit wird von der Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und von den direkt gewählten Gouverneuren dominiert. Der Kampf um politische Ämter wird mit großer Intensität, häufig auch mit undemokratischen, gewaltsamen Mitteln geführt. Die Justiz ist der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt.

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien. Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara. Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten, sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen. Die 2017 deutlich angespannte Lage im Südosten des Landes („Biafra“) hat sich mit dem Eingriff des Militärs und der mutmaßlichen Flucht des Anführers der stärksten separatistischen Gruppe IPOB derzeit wieder beruhigt.

Die Verfassung sieht Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor. In der Realität ist die Justiz allerdings der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt. Vor allem auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) versuchen Politiker die Justiz zu beeinflussen. Die insgesamt zu geringe personelle und finanzielle Ausstattung sowie mangelnde Ausbildung behindern die Funktionsfähigkeit des Justizapparats und machen ihn chronisch korruptionsanfällig. Die Gehälter im Justizbereich sind niedrig, und es mangelt an Infrastruktur. Zusätzlich widersprechen sich die Rechtssysteme mitunter. Trotz allem hat die Justiz in der Praxis ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht.

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o. ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken oder sich einen Rechtsbeistand leisten können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte auf Grund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich. Gesetzlich vorgesehen sind prozessuale Rechte wie die Unschuldsvermutung, zeitnahe Information über die Anklagepunkte, das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren, das Recht auf einen Anwalt, das Recht auf ausreichende Zeit zur Vorbereitung der Verteidigung, Zeugen zu befragen und das Recht auf Berufung. Diese Rechte werden jedoch nicht immer gewährleistet. Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Rechtsbeistand oder zu Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht. Der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen.

Die am 29.5.1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen. Das in Art. 33 der Verfassung gewährte Recht auf körperliche Unversehrtheit wird z.B. unter den Vorbehalt gestellt, dass die betroffene Person nicht bei der Anwendung legal ausgeübter staatlicher Gewalt zur „Unterdrückung von Aufruhr oder Meuterei“ ihr Leben verloren hat. In vielen Bereichen bleibt die Umsetzung der zahlreich eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen weiterhin deutlich hinter internationalen Standards zurück. Zudem wurden völkerrechtliche Verpflichtungen zum Teil nur lückenhaft in nationales Recht umgesetzt. Einige Bundesstaaten haben Vorbehalte gegen einige internationale Vereinbarungen geltend gemacht und verhindern regional eine Umsetzung. Selbst in Bundesstaaten, welche grundsätzlich eine Umsetzung befürworten, ist die Durchsetzung garantierter Rechte häufig nicht gewährleistet. Die Menschenrechtssituation hat sich seit Amtsantritt einer zivilen Regierung 1999 zum Teil erheblich verbessert, vor allem im Hinblick auf die Freilassung politischer Gefangener und die Presse- und Meinungsfreiheit. Allerdings kritisieren Menschenrechtsorganisationen den Umgang der Streitkräfte mit Boko Haram-Verdächtigen, der schiitischen Minderheit, Biafra-Aktivisten und Militanten im Nigerdelta. Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetismus, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst werden. Es gibt viele Fragezeichen hinsichtlich der Einhaltung der Menschenrechte, wie z.B. die Praxis des Scharia-Rechts (Tod durch Steinigung), Entführungen und Geiselnahmen im Nigerdelta, Misshandlungen und Verletzungen durch Polizisten und Soldaten sowie Verhaftungen von Angehörigen militanter ethnischer Organisationen.

Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia haben zu keinem starken Anstieg von Menschenrechtsverletzungen geführt, die wenigen Steinigungsurteile wurden jeweils von einer höheren Instanz aufgehoben, auch Amputationsstrafen wurden in den letzten Jahren nicht vollstreckt. Es setzten sich nigerianische Organisationen wie z.B. CEHRD (Centre for Environment, Human Rights and Development), CURE-NIGERIA (Citizens United for the Rehabilitation of Errants) und HURILAWS (Human Rights Law Services) für die Einhaltung der Menschenrechte in ihrem Land ein. Auch die Gewerkschaftsbewegung Nigeria Labour Congress (NLC) ist im Bereich von Menschenrechtsfragen aktiv.

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit und Freiheit der Religionsausübung. Laut Verfassung darf die Regierung keine Staatsreligion beschließen, ist religiöse Diskriminierung verboten und hat jeder die Freiheit seine Religion zu wählen, auszuüben, zu propagieren und zu ändern. Im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, z.B. bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious- Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät. Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt. Die Regierung achtet Religionsfreiheit in der Praxis, obwohl von lokalen politischen Akteuren geschürte Gewalt in der Regel straflos bleibt. Die Verfassung verbietet es, ethnischen oder religiösen Gruppen Vorrechte einzuräumen. In der Praxis bevorzugen Bundesstaaten jedoch die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Manche Gesetze der Landes- und Lokalregierung diskriminieren Mitglieder religiöser Minderheiten. Außerdem gestaltet sich die Umsetzung der verfassungsmäßig gesicherten Religionsfreiheit in der Praxis aufgrund religiöser Spannungen schwierig.

Generell können jene Personen, die sich vor Problemen hinsichtlich der Religionsfreiheit oder vor Boko Haram fürchten, entweder staatlichen Schutz oder aber eine innere Relokationsmöglichkeit in Anspruch nehmen.

Verfassung und Gesetze erlauben die freie Bildung politischer Parteien, Gewerkschaften oder Interessengruppen. Üblicherweise respektiert die Regierung dieses Recht, es wird jedoch für einige Gruppen eingeschränkt (USDOS 13.3.2019). Es liegen keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung vor. Auch in Nigeria kann sich die politische Opposition grundsätzlich frei betätigen. Das gilt nicht nur für die parlamentarische Opposition sondern auch für außerparlamentarische Parteien und Gruppen. Bislang sind auch – meist marginale – Gruppen mit sezessionistischen Zielen (etwa Biafra) weitgehend toleriert worden (AA 10.12.2018).

Mit dem Verbot der Indigenous People of Biafra (IPOB) im September 2017 und der schiitischen IMN sind jetzt aber klare Grenzen markiert worden (AA 10.12.2018). Neben der IPOB ist im Südosten Nigerias als zweite sezessionistische Bewegung das Movement for the Actualization of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) aktiv (EASO 2.2019; vgl. ÖB 10.2018). Beide werden von der Igbo-Volksgruppe beherrscht, konkurrieren aber miteinander (ÖB 10.2018). Die Aktivitäten von IPOB oder MASSOB selbst beinhalten keine Verfolgungshandlungen oder schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen (EASO 2.2019). Seit dem Regierungswechsel 2015 kommt es verstärkt zu politischen Demonstrationen von Anhängern der Biafra-Bewegung, denen die Regierung gewaltsam begegnet sein soll (AA 9.2018a). Nach der vorübergehenden Freilassung des seit Herbst 2015 inhaftierten Anführers der IPOB, Nnamdi Kanu, im Frühjahr 2017 spitzte sich die Lage rund um den 50. Jahrestag des Beginns des Biafra-Kriegs neuerlich zu. Zur Sicherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wurden Truppen entsandt, die IPOB wurde zur terroristischen Organisation erklärt (ÖB 10.2018). Die Polizei geht gegen Mitglieder beider Gruppen mittels Inhaftierungen vor (HRW 17.1.2019). Laut Polizeichef des Bundesstaates Abia sind zwischenzeitlich 59 vermutliche IPOB-Mitglieder wegen Mordes, Brandstiftung und anderer Verbrechen verhaftet worden. Seither hat es seitens IPOB und MASSOB nur noch vereinzelt Versuche gegeben, in der Öffentlichkeit für die (verfassungswidrige) Unabhängigkeit eines fiktiven Staates „Biafra“ zu werben. Diese wurden von den nigerianischen Sicherheitsbehörden regelmäßig unterbunden. Insgesamt können diese Bewegungen jedoch als relativ unbedeutende Randgruppen angesehen werden (ÖB 10.2018).

Rezentestes Beispiel für ihren abnehmenden Einfluss war eine großteils unbeachtet gebliebene„Sit-at-home Order“ der IPOB im September 2018. Jedoch wurden im Rahmen dieser Aktion insgesamt 19 militante Mitglieder der Organisation verhaftet, die im Bundesstaat Rivers 15 LKWs in Brand gesetzt und vier LKW-Fahrer entführt haben sollen. Diese Brandstifter beziehungsweise Entführer werden zum gegebenen Zeitpunkt vor Gericht gestellt werden. Festnahmen oder Verhaftungen von IPOB-Mitgliedern einzig aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu der Organisation sind bislang nicht bekannt geworden (ÖB 10.2018).

Der IPOB-Führer Nnamdi Kanu, der seit September 2017 spurlos verschwunden gewesen war, trat überraschend im Oktober 2018 in Jerusalem wieder öffentlich in Erscheinung (ÖB 10.2018; vgl. BBC 22.10.2018). Aufgrund einer umstrittenen Äußerung Kanus bei einem Interview distanzierte sich die IPOB in der Folge von ihrem (ehemaligen) Anführer (ÖB 10.2018). Der Federal High Court in Abuja erließ am 28.3.2019 einen Haftbefehl gegen ihn. Gleichzeitig widerrief das Gericht die Kanu im April 2017 aus gesundheitlichen Gründen gewährte Freilassung auf Kaution, da er seither mehreren Vorladungen des Gerichts nicht Folge geleistet hatte (BAMF 1.4.2019).

Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein. Dies betrifft aufgrund der Operationen gegen Boko Haram v.a. die Bundesstaaten Adamawa, Borno und Yobe. Auch in anderen Bundesstaaten kommt es in Reaktion auf gewaltsame Auseinandersetzungen in ländlichen Regionen mitunter zu Ausgangssperren. Bei Operationen von Sicherheitskräften in Städten und an Hauptverkehrsstraßen werden gelegentlich Checkpoints eingerichtet. Zahlreiche von Militär und Polizei betriebene Checkpoints bleiben aufrecht.

Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen. Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Prinzipiell sollte es einer Person, die von nicht-staatlichen Akteuren verfolgt wird oder die sich vor diesen fürchtet, in einem großen Land wie Nigeria möglich sein, eine interne Relokation in Anspruch zu nehmen. Natürlich müssen die jeweiligen persönlichen Umstände beachtet werden.

Ein Meldewesen ist nicht vorhanden, wie zahlreiche Quellen bei EASO angeben. Nur eine Quelle behauptet, dass es eine Art Meldewesen gibt. Es bestehen gesetzliche Voraussetzungen, damit Bundesstaaten ein Meldewesen einrichten können. Bislang hat lediglich der Bundesstaat Lagos davon Gebrauch gemacht. Auch ein funktionierendes nationales polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Daraus resultiert, dass eine Ausforschung einmal untergetauchter Personen kaum mehr möglich ist. Das Fehlen von Meldeämtern und bundesweiten polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung „unterzutauchen“. Im Sheriffs and Civil Process Act Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte Bailiffs müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen.

Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor. Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung. Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat – gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung. Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten. Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert. Über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt, in ländlichen Gebieten über 90 Prozent. Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen. Auch die Mais- und Reisproduktion wurde dadurch kräftig ausgeweitet. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft und das Land ist nicht autark, sondern auf Importe – v.a. von Reis – angewiesen. Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt aus Subsistenzbetrieben. Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut, fast 50 Prozent unter der Armutsgrenze. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei Jugendlichen wird sie auf über 20 Prozent geschätzt. Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent – in erster Linie unter 30-jährige – mit großen regionalen Unterschieden. Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umzusetzen. Die Resultate sind dürftig. Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige. Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen. Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird.

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat. Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für „peppersoup“, „garri“ oder „pounded yam“, für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch „mini-farming“ eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als „bushmeat“ gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun „grasscutter“ (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als „bushmeat“ gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und „grasscutter“ finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet.

Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten.

Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überweisung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen). Heimkehrer, die vorher nicht in ärztlicher Behandlung waren, müssen lediglich dem Krankenhaus eine Registrierungsgebühr zahlen und in der Lage sein, ihre Behandlungskosten selbst zu tragen. Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung).

Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein. Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen. Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben. In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden.

Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als „lead nation“. Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen.

Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt. Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt bzw. erkennungsdienstlich behandelt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen. Meist steigen sie in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist.

Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im „Decree 33“ nicht zu befürchten. Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets „overstay“ angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt.

Internationale Akteure bemühen sich, neue Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren aufzubauen. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. Gleichermaßen hat im Herbst 2018 in Lagos das Migrationsberatungszentrum der GIZ seinen Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert.

Aufgrund des nicht vorhandenen Meldewesens, verbreiteter Korruption in den Passbehörden sowie Falschangaben der Antragsteller ist es ohne weiteres möglich, einen nigerianischen Reisepass zu erhalten, der zwar echt, aber inhaltlich falsch ist. Der „Nigerian Passport Act“ stellt jede unbefugte Veränderung des Dokuments unter Strafe (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr). Mit der Einführung des elektronischen Passes (mit elektronisch gespeicherten Fingerabdrücken) im Jahr 2007 haben die Behörden einen wichtigen Schritt unternommen, die Dokumentensicherheit zu erhöhen. Es sind auch so gut wie keine gefälschten nigerianischen Pässe im Umlauf, da wie bereits beschrieben, es keinerlei Problem darstellt, einen echten Pass unter Vorlage gefälschter Dokumente zu erhalten. Mangels eines geordneten staatlichen Personenstandswesens ist die Überprüfung der Echtheit von Dokumenten durch nigerianische Behörden folglich kaum möglich.

Auf den ersten Blick nicht als Fälschungen erkennbare, gefälschte Dokumente (Geburts- und Heiratsurkunden, Zeugnisse von Schulen und Universitäten etc.) sind in Lagos und anderen Städten ohne Schwierigkeiten zu erwerben. Sie sind professionell gemacht und von echten Dokumenten kaum zu unterscheiden. Inhaltlich unwahre, aber von den zuständigen Behörden ausgestellte (Gefälligkeits-)Bescheinigungen sowie Gefälligkeitsurteile in Familiensachen kommen vor. Vorgelegte angebliche Fahndungsersuchen nigerianischer Sicherheitsbehörden sind in der Form oft fehlerhaft oder enthalten falsche Darstellungen behördlicher Zuständigkeiten und waren dadurch als Fälschungen zu erkennen. Aufrufe von Kirchengemeinden – z.B. genannten Asylbewerbern Zuflucht und Schutz zu gewähren – sind oft gefälscht.

Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt. Es kann allgemein festgestellt werden, dass der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria nicht ausreicht, um eine Bedrohung iSv Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen.

Es kann daher zusammengefasst festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr keiner lebensbedrohenden Situation überantwortet wird, er selbst hat hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr auch kein substantiiertes Vorbringen erstattet und haben sich auch amtswegig keine Anhaltspunkte dafür ergeben.

Es wird weiters festgestellt, dass der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten kann, zumal er gesund und arbeitsfähig ist und über Berufserfahrung verfügt. Selbst wenn ihm kein privater Familienverband soziale Sicherheit bieten sollte, kann er seinen Lebensunterhalt wie o.a. aus eigener Kraft bestreiten. Staatliche Repressionen im Falle der Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl können nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer erstattete kein substantiiertes Vorbringen hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr und ergaben sich auch amtswegig keine diesbezüglichen Hinweise.

Zusammenfassend wird festgestellt, dass sich die individuelle Situation für den Beschwerdeführer hinsichtlich seines Herkunftsstaates Nigeria nicht in einem Umfang verändert hat, dass von einer wesentlichen Änderung des Sachverhalts auszugehen ist.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Einsicht wurde auch genommen in die Gerichtsakten des Asylgerichtshofes zu A2 417408-1/2011 und zu A2 417408-2/2011 und damit zu den Beschwerdeverfahren der vorangegangenen Asylverfahren sowie in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu I411 1417408-3 sowie in die Verhandlungsniederschrift vom 27.06.2019. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt und somit entscheidungsreif ansieht und sich der vorgenommenen Beweiswürdigung vollinhaltlich anschließt.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen persönlichen Verhältnissen in Österreich ergeben sich aus seinen entsprechenden Äußerungen gegenüber dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und den Sicherheitsorganen. Die entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid blieben unwidersprochen.

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund der Vorlage eines unbedenklichen, identitätsbezeugenden Dokumentes (nigerianischer Reisepass Nr. XXXX fest.

Dass der Beschwerdeführer über eine bis 12.03.2020 befristete spanische Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers Nr. XXXX ist durch die Kopie derselben belegt, welche seitens der belangen Behörde am 28.09.2019 übermittelt wurde.

Dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist ergibt sich daraus, dass sich unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen im Verfahren keine Hinweise ergeben haben, dass er an einer schweren körperlichen oder psychischen Krankheit leidet. Bei seiner Einvernahme bezüglich Schubhaftverhängung am 24.02.2016 gab der Beschwerdeführer an, gesund zu sein und nicht in ärztlicher Behandlung zu stehen. Im Rahmen der Erstbefragung am 16.03.2016 zu seinem gegenständlichen Asylantrag erklärte der Beschwerdeführer, dass er psychische Probleme habe. Er sehe beim Schlafen Juju (Hexen) und schreie im Schlaf, weil er glaube, dass diese ihn umbringen wollen. Diese Probleme brachte er erneut im Rahmen einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 01.04.2016 vor dem Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Anhaltung in Schubhaft vor. Es wurde jedoch von Seiten der erkennenden Richterin festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft gegeben sind. Im Zuge dessen wurden auch die vom Beschwerdeführer behaupteten psychischen Probleme abgeklärt (siehe dazu Arztbrief des PAZ Hernalser Gürtel vom 31.03.2016, AS 191.) Am 02.04.2016 kontaktierte die belangte Behörde die Sanitätsstelle des PAZ Hernalser Gürtel telefonisch und erhielt zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers die Auskunft, dass dieser sich unauffällig verhalte, sich nicht beim Arzt gemeldet habe, keine Medikamente nehme und auch nicht beim ihm angebotenen Dialog vorstellig gewesen sei (AS 190). Insgesamt ist festzuhalten, dass der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers von mehreren Seiten ausführlich abgeklärt wurde. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde am 14.08.2016 erklärte der Beschwerdeführer, gesund zu sein (AS 291). Auch in der Beschwerde wurde nichts Gegenteiliges vorgebracht. In der Beschwerdeverhandlung vom 27.06.2019 gab der Beschwerdeführer auf Nachfrage bekannt, dass es ihm gut gehe und er nicht unter chronischen Krankheiten oder anderen Gebrechen leide. Aus diesem Grund war die entsprechende Feststellung zu treffen.

Die Feststellung betreffend seine ungarische Ehefrau, welche in Ungarn lebt, wurde aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung am 27.06.2019 getroffen:

„RI: Sind Sie verheiratet oder leben Sie in einer Lebensgemeinschaft?

BF: Ja, ich bin verheiratet und lebe zusammen mit meiner Ehegattin.

RI: Wo leben Sie?

BF: In Spanien.

RI: Laut Akt lebt Ihre Frau in Ungarn.

BF: Ja, tut sie auch.

RI: Wann haben Sie Ihre Frau zuletzt gesehen?

BF: Im Mai dieses Jahres. Ich habe sie in Ungarn gesehen, dann habe ich sie verlassen und bin nach Österreich gekommen.

RI: Ihre Frau lebt nach wie vor in Ungarn?

BF: Ja.

RI: Haben Sie irgendwann gemeinsam einen Wohnsitz gehabt?

BF: Ja, in XXXX in Spanien.

RI: Wo haben Sie geheiratet?

BF: In Italien, das war in Valencia.

RI: Valencia ist in Spanien.

BF: Nein, in Sevilla.

RI: Auch das liegt in Spanien.

BF: Nein, ich meine in Venezia.“

Dass es sich beim Beschwerdeführer um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen handelt, konnte mangels Vorlage von Dokumenten, die belegen, dass seine ungarische Ehefrau von ihrem unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht Gebrauch gemacht hat bzw. in Spanien einer Erberbstätigkeit nachgegangen ist wie vom Beschwerdeführer in der Verhandlung behauptet, nicht festgestellt werden, ist aber für gegenständliches Verfahren ohnehin nicht von Relevanz, weil die belangte Behörde im bekämpften Bescheid lediglich über Asyl und subsidiären Schutz abgesprochen, aber keine Rückkehrentscheidung erlassen hat.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus seinen eigenen Angaben. Es wurden im gesamten gegenständlichen Verfahren keine Anhaltspunkte vorgebracht, die auf ein schützenswertes Privat- bzw. Familienleben im Bundesgebiet im Sinne der EMRK schließen lassen.

Der Beschwerdeführer brachte weder vor der belangten Behörde noch in der gegenständlichen Beschwerde konkrete Angaben vor, welche die Annahme eine umfassende Integration in sprachlicher, gesellschaftlicher und beruflicher Hinsicht in Österreich rechtfertigen würden. Der Beschwerdeführer spricht trotz seines vergleichsweise langen Aufenthaltes in Österreich nur wenig bis gar kein Deutsch, er geht in Österreich keiner erlaubten Beschäftigung nach und es haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte für eine tiefer gehende Integration ergeben. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung wurde vom Beschwerdeführer auch nicht vorgebracht.

Dass sich der Beschwerdeführer aktuell in Untersuchungshaft befindet, ergibt sich aus einer Anklagerhebung der Staatsanwaltschaft XXXX vom 28.05.2019 zur Zl. XXXX .

Dass der Beschwerdeführer zuletzt im Dezember 2018 in Nigeria bei seinen Eltern auf Besuch war, hat er selbst in der Verhandlung am 27.06.2019 vorgebracht:

„RI: Wann waren Sie zuletzt in Nigeria?

BF: Im Dezember 2018.

RI: Aus welchem Grund?

BF: Wegen Weihnachten. Ich habe meine Eltern besucht.

RI: Sie wissen aber schon, dass Sie dadurch den Asylantrag ad absurdum führen?

BF: Aber nur die drei, sonst habe ich keinen Antrag gestellt.

RI: Sie beantworten die Frage selbst. Sie haben bereits drei Asylantrage gestellt. Was sagen Sie dazu?

BF: Sobald ich meine Frau hatte, habe ich aufgehört die Anträge zu machen.“

2.3. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Fluchtgründen stützen sich auf seine Angaben in den jeweiligen Asylverfahren.

Der Beschwerdeführer hatte seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz vom 18.12.2010 zusammengefasst mit einer ihm in seiner Heimat drohenden Verfolgung durch seinen Onkel sowie durch einen Geheimkult begründet. Der Asylgerichtshof kam im rechtskräftigen Erkenntnis vom 18.02.2011, Zl. A2 417.408-1/2011/3E zum Schluss, dass der Antrag unbegründet war.

Ein weiter Asylantrag des Beschwerdeführers vom 13.09.2011, den er damit begründete, aufgrund seiner behaupteten Homosexualität in Nigeria verfolgungsgefährdet zu sein, wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.09.2011, Zl. 11 10.546 EAST Ost wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.11.2011, Zl. A2 417.408-2/2011/4E als unbegründet abgewiesen.

Am 15.03.2016 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

Vom Bundesverwaltungsgericht ist im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, ob zwischen der Rechtskraft des Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 18.02.2011, Zl. A2 417.408-1/2011/3E und der Zurückweisung des gegenständlichen Antrages wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 22.11.2016 eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist.

Dabei ist festzustellen, dass keine neuen entscheidungsrelevanten Fluchtgründe vorgebracht wurden, wie den Niederschriften zur Erstbefragung und zu den Einvernahmen durch die belangte Behörde zu entnehmen ist. Der Beschwerdeführer erwähnte die in den beiden Vorverfahren vorgebrachten Fluchtgründe im gegenständlichen Verfahren mit keinem Wort. Den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz begründete er damit, dass er im Schlaf schreie, weil er Juju sehe und glaube, dass ihn die Hexen umbringen würden.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 05.04.2016 weigerte sich der Beschwerdeführer, auf die ihm gestellten Fragen zu antworten, mit der Begründung: „Ich spreche nicht ohne meinen Anwalt.“ Der Beschwerdeführer wurde daraufhin von der belangten Behörde informiert, dass der von ihm bevollmächtigte rechtsfreundliche Vertreter geladen wurde, allerdings nicht erschienen ist. Der bei der niederschriftlichen Einvernahme anwesende Rechtsberater der ARGE Rechtsberatung konnte den gewünschten rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers erst nach mehreren Versuchen telefonisch erreichen, wobei dieser nicht zur niederschriftlichen Einvernahme erschien und ausrichten ließ, dass man ihn über die gerade stattfindende niederschriftliche Einvernahme rechtzeitig informiert habe. Es erfolgte die mehrmalige Aufklärung von Seiten der belangten Behörde, dass eine Einvernahme auch ohne Anwesenheit des gewünschten Vertreters stattfinden könne. Die Einvernahme wurde in weiterer Folge unterbrochen und der Beschwerdeführer zum Arzt geschickt, welcher diesen für haft- und einvernahmefähig erachtete, was man dem Beschwerdeführer auch mitteilte. Der Beschwerdeführer weigerte sich trotz erneutem, ausdrücklichen Hinweis auf seine Mitwirkungspflichten sowie die Konsequenzen einer allfälligen Verletzung dieser Pflichten, zu kooperieren. Er beantwortete aus eigenem Verschulden keine einzige Frage zu seinem neuen Antrag auf internationalen Schutz. Der belangten Behörde ist dabei beizupflichten, wenn sie dem Beschwerdeführer unterstellt, er habe sich offensichtlich erhofft, mit diesem Verhalten aus der Schubhaft entlassen zu werden. Auch in einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme am 14.08.2016 ergriff der Beschwerdeführer in keiner Weise die sich ihm bietende Gelegenheit, weitere Aussagen zu einer allfälligen Verfolgung in Nigeria zu treffen und erklärte stattdessen: „Ich bin diesmal nicht da, um Asyl zu beantragen, sondern nur zum Besuch.“ (AS 289).

Aus diesem Grund sprach die belangte Behörde den im gegenständlichen Verfahren gemachten Angaben die Eignung ab, eine neue inhaltliche Entscheidung zu treffen. Dieser Ansicht schließt sich der erkennende Richter an.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass ein durchschnittlich sorgfältiger Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Wunsch dienliche vorzubringen, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt ist. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen. (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250). Gerade von einem juristischen Laien muss vor dem Hintergrund der Tatsache, dass eine solche Person über das Asylrecht in allen Einzelheiten nicht im Vorhinein informiert ist, davon ausgegangen werden, dass ein solcher Mensch im Bestreben, seine Position im Asylverfahren nicht zu gefährden, eine Frage seitens der Asylbehörde nach dem Bestehen eines nicht unwesentlichen Sachverhaltselements spontan und freiwillig wahrheitsgemäß beantwortet, anstatt diesen besseren Wissens zu verschweigen. Es ist daher gerade von einer solchen Person zu erwarten, dass sie von sich aus am Verfahren mitwirkt und wahrheitsgemäß über tatsachlich Geschehenes bereitwillig Auskünfte erteilt, (vgl. auch UBAS 300.443-2/3E-XVIII/58/08).

Insofern liegt nach Ansicht des erkennenden Richters das Argument, dass der Beschwerdeführer mit dem Folgenantrag den Versuch unternommen hat, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verlängern, wesentlich näher, als dass er tatsächlich in seinem Herkunftsstaat einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre. In der Beschwerdeverhandlung am 27.06.2019 bestätigte dies der Beschwerdeführer selbst, indem er angab, zu Weihnachten 2018 seine Eltern in Nigeria besucht zu haben.

Bereits im Vorverfahren wurde dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit zur Gänze abgesprochen und auch seine nunmehrigen Aussagen weisen keinen glaubhaften Kern auf.

In der Zusammenschau ist sohin den Ausführungen der belangten Behörde beizutreten, dass der Beschwerdeführer keine glaubhaften Fluchtgründe und sohin keinen neuen entscheidungserheblichen Sachverhalt vorgebracht hat.

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zum Schluss, dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Asylverfahren keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vorbrachte. Dass sich die Situation in Nigeria seit der rechtskräftigen Vorentscheidung maßgeblich geändert hätte wurde zwar vom Beschwerdeführer behauptet, allerdings geht die Beschwerde überhaupt nicht darauf ein, inwiefern eine Änderung eingetreten sei und entspricht eine solche auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgericht. Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, dass sich die belangte Behörde inhaltlich mit dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers befassen hätte sollen, ist dem entgegenzuhalten, dass dieser Schritt sich erübrigt, weil dem Vorbringen des Beschwerdeführers kein glaubhafter Kern innewohnt. Es ist daher insgesamt weder eine Änderung der Rechts- noch der Sachlage erkennbar.

Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus des Antragstellers einer Prüfung zu unterziehen (vgl. VwGH 15.05.2012, 2012/18/0041). Eine Änderung der Situation in Nigeria in den letzten Monaten wurde zwar behauptet, jedoch nur auf sehr allgemeine und nicht substantiierte Art und entspricht eine solche nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes. Es sind auch keine wesentlichen in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, etwa eine schwere Erkrankung oder ein sonstiger auf seine Person bezogener außergewöhnlicher Umstand, welcher eine neuerliche umfassende Refoulementprüfung notwendig erscheinen ließe.

Ein schützenswertes Privat- oder Familienleben in Österreich wurde seit Beendigung des Vorverfahrens auch nicht begründet. Es kann daher nicht von einer entscheidungswesentlichen Änderung des Sachverhaltes im Sinne einer nachhaltigen Aufenthaltsverfestigung ausgegangen werden.

Soweit in der Beschwerde beantragt wurde, festzustellen, dass eine "Ausweisung" des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet auf Dauer unzulässig sei, ist daher darauf hinzuweisen, dass mit der in Beschwerde gezogenen Entscheidung des BFA keine aufenthaltsbeendende Maßnahme verbunden war. Ein neuer Sachverhalt in Bezug auf die Frage des internationalen Schutzes ergibt sich durch die Eheschließung mit einer ungarischen Staatsangehörigen nicht.

2.4 Zu den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat

Die Situation in Nigeria wäre nur dann einer näheren Prüfung zu unterziehen, wenn sie sich seit der rechtskräftigen Vorentscheidung maßgeblich geändert hätte. Dies wurde zwar vom Beschwerdeführer, jedoch lediglich unsubstantiiert unter Heranziehung der von der belangen Behörde der Entscheidung zugrunde gelegten Länderfeststellungen, behauptet, ohne auch nur ansatzweise anzuführen, worin die seiner Ansicht nach gravierenden Veränderungen seit der letzten Entscheidung bestehen würden und entspricht dies auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

-        AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

-        AA - Auswärtiges Amt (12.4.2019): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/ 205788#content_6, Zugriff 12.4.2019

-        AA - Auswärtiges Amt (9.2018a): Nigeria - Innenpolitik,

-        AA - Auswärtiges Amt (9.2018b): Nigeria - Kultur und Bildung, Medien, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/-/205846, Zugriff 9.11.2018

-        AA - Auswärtiges Amt (9.2018c): Nigeria - Wirtschaft,

-        AI - Amnesty International (10.4.2019): Death Sentences and Executions 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/2006174/ACT5098702019ENGLISH.PDF, Zugriff 12.4.2019

-        AI - Amnesty International (22.2.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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