Entscheidungsdatum
26.09.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
I415 2217673-1/12E
Im NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Gambia, (alias XXXX , geb. XXXX , StA: Gambia, alias XXXX , geb. XXXX , StA: Liberia) vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, 1170 XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge kurz: BFA) vom 20.02.2019, Zl. XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 25.03.2019, Zl. XXXX und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.08.2019 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des BFA vom 20.02.2019, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 52 Abs. 1 Ziffer 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und des Weiteren gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.) Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Ziffer 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).
2. Mit Schriftsatz vom 21.03.2019 erhob der Beschwerdeführer unterstützt von seiner Rechtsberatung Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte u.a., dass schon der Spruch des Bescheides stark mangelhaft sei, heiße es doch in Spruchpunkt III., dass eine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Ferner wurde aufgezeigt, dass sich Spruchpunkt V. des Bescheides auf § 18 Abs 1 Ziffer 2 BFA-VG beziehe, aber die Behörde - wenn überhaupt - nach § 18 Abs 2 BFA-VG hätte vorgehen müssen.
3. Mit Beschwerdevorentscheidung des BFA vom 25.03.2019, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 52 Abs. 1 Ziffer 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und des Weiteren gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Gambia zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.) Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Ziffer 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).
4. Dagegen wurde am 10.04.2019 ein Vorlageantrag eingebracht und von der belangten Behörde mit Schreiben vom 16.04.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
5. Am 06.08.2019 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung, sowie einer Vertreterin der belangten Behörde statt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige, geschiedene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Gambia, seine Identität steht aufgrund des vorliegenden gambischen Reisepasses Nr. XXXX fest. Er heißt XXXX und wurde am XXXX in Gambia geboren. Diesbezüglich ist anzumerken, dass sich der Beschwerdeführer bis zu seiner Eheschließung einer anderen Identität bediente.
Der Beschwerdeführer reiste erstmals 1995 illegal nach Europa in die Bundesrepublik Deutschland unter Angabe der Aliasidentität XXXX , geb. XXXX , StA. Liberia, ein (AS 223).
(Spätestens) am 26.10.2003 reiste der Beschwerdeführer illegal in Österreich ein und stellte unter Angabe der Aliasidentität XXXX , geb. XXXX , StA Gambia, einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid Zl. XXXX , vom 28.12.2004, gem. § 7 AsylG 1997 ab, stellte gem. § 8 Abs. 1 AsylG 1997 fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia zulässig ist und wies den Beschwerdeführer gem. § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Gambia aus. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 28.10.2009, Zl. XXXX , bezüglich Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides gemäß § 7 AsylG 1997 als unbegründet ab. In Erledigung der Beschwerde wurde der bekämpfte Bescheid in den Spruchpunkten II. und III. behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 29.06.2005, Zl. XXXX , wurde gegen den Beschwerdeführer (lautend auf die Aliasidentität XXXX ) ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (AS 205ff). Mit Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland XXXX vom 03.08.2005, Zl. XXXX , wurde der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid der BPD XXXX vom 29.06.2005 bestätigt (AS 210ff).
Anfang 2009 reiste der Beschwerdeführer nach Gambia und heiratete dort die österreichische Staatsbürgerin T.B. in Banjul (AS 224ff, AS 283). Diese Ehe wurde am XXXX vor dem BG XXXX geschieden (AS 228).
Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt reiste der Beschwerdeführer unter seiner festgestellten Identität nach Österreich zurück und stellte am 17.07.2009 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als „Familienangehöriger“ und wurde ihm dieser von der MA35 befristet bis 06.02.2014 erteilt. Der Aufenthaltstitel wurde vom Magistrat XXXX am 08.07.2013 widerrufen, nachdem festgestellt wurde, dass gegen den Beschwerdeführer unter der Alias-Identität XXXX ein aufrechtes Aufenthaltsverbot besteht. Seitdem hält sich der Beschwerdeführer illegal in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer war zeitweise am Arbeitsmarkt integriert: Der Beschwerdeführer war von Dezember 2009 bis Herbst 2011 bei unterschiedlichen Arbeitgebern nicht durchgängig als Arbeiter zur Sozialversicherung gemeldet. Von 19.11.2015 bis 26.11.2015 war er als geringfügig beschäftigter Arbeiter zur Sozialversicherung gemeldet. Dazwischen und danach bezog er Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Krankengeld (AS 289ff).
Der Beschwerdeführer leidet seit seiner Kindheit an einer hochgradigen Sehminderung beiderseits bei zentralen Netzhautnarben. Der Beschwerdeführer ist wegen erhöhter Cholesterinwerte in Behandlung. Es wurde keine gesundheitliche Beeinträchtigung vorgebracht, welche unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur zur Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Falle einer Rückkehr führen könnte.
Der Beschwerdeführer hat in Gambia 12 Jahre die Grundschule besucht und dann eine Musikausbildung gemacht.
Der Beschwerdeführer lebt derzeit in keiner Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer hat eine 2009 geborene Tochter, die bei seiner Schwester in Norwegen lebt und die er zuletzt im Jahr 2015 gesehen hat. Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Verwandten und keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.
Der Beschwerdeführer spricht Deutsch. Er ist Mitglied in einer Musikgruppe und half vor seiner Inhaftierung zeitweise in XXXX in einem Verein für Blinde und Sehbehinderte aus, ansonsten ist er nicht Mitglied in Vereinen, sozialen oder karitativen Organisationen. Trotz seiner Integrationsbemühungen kann nicht von einer nachhaltigen Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht gesprochen werden.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich fünf Mal nach dem SMG vorbestraft, in Summe zu 52 Monaten Freiheitsstrafe:
01) LG XXXX vom 10.05.2005 RK 10.05.2005
PAR 27 ABS 1 U 2/2 (1. FALL) SMG
PAR 15 StGB
PAR 27/1 SMG
Freiheitsstrafe 9 Monate, davon Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Vollzugsdatum 28.10.2006
zu LG XXXX RK 10.05.2005
Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 08.07.2005
LG XXXX vom 13.07.2005
zu XXXX RK 10.05.2005
Der bedingt nachgesehene Teil der Freiheitsstrafe wird widerrufen
LG XXXX vom 16.12.2005
02) LG XXXX vom 16.12.2005 RK 16.12.2005
PAR 27 ABS 1 U 2/2 (1. FALL) SMG
Freiheitsstrafe 9 Monate
Vollzugsdatum 28.10.2006
zu LG XXXX RK 16.12.2005
zu LG XXXX RK 10.05.2005
Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 28.10.2006, bedingt, Probezeit 2 Jahre
LG XXXX vom 28.08.2006
zu LG XXXX RK 16.12.2005
zu LG XXXX RK 10.05.2005
Aus der Freiheitsstrafe entlassen, endgültig
Vollzugsdatum 28.10.2006
LG XXXX vom 28.05.2009
03) LG XXXX vom 21.09.2015 RK 21.09.2015
§ 27 (1) Z 1 7. Fall u (3) SMG
§ 27 (1) Z 1 8. Fall u (3) SMG
§ 27 (1) Z 1 1.2. Fall u (2) SMG
Datum der (letzten) Tat 21.08.2015
Freiheitsstrafe 12 Monate, davon Freiheitsstrafe 8 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
zu LG XXXX RK 21.09.2015
Probezeit des bedingten Strafteils verlängert auf insgesamt 5 Jahre
LG XXXX vom 14.12.2016
zu LG XXXX RK 21.09.2015
Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 28.04.2017
LG XXXX vom 28.04.2017
04) LG XXXX vom 14.12.2016 RK 14.12.2016
§ 15 StGB § 27 (2a) SMG
Datum der (letzten) Tat 13.11.2016
Freiheitsstrafe 10 Monate
Vollzugsdatum 24.03.2019
05) LG XXXX vom 25.01.2018 RK 30.01.2018
§§ 27 (1) Z 1 1.2. Fall, 27 (2) SMG
§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (2a), 27 (3) SMG
Datum der (letzten) Tat 06.01.2018
Freiheitsstrafe 12 Monate
zu LG XXXX RK 30.01.2018
zu LG XXXX RK 14.12.2016
Aus der Freiheitsstrafe entlassen am 07.05.2019, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Anordnung der Bewährungshilfe
LG XXXX vom 12.03.2019
Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stellt eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.
1.2 Zu den Feststellungen zur Lage in Gambia
Politische Lage
Gambia ist eine Präsidialrepublik. Staatsoberhaupt und Regierungschef ist seit 2017 Präsident Adama Barrow von der United Democratic Party - UDP (AA 18.9.2018). Präsident Barrow war Anfang 2017 in sein Amt eingeführt worden, nachdem er die Präsidentschaftswahlen vom Dezember 2016 gegen den langjährigen Gewaltherrscher Yahya Jammeh gewonnen hatte (AA 3.8.2018).
Seit den Präsidentschaftswahlen vom 1.12.2016, die als weitgehend frei und fair bezeichnet werden (KAS 16.5.2018; vgl. HRW 18.1.2018; FH 1.2018), befindet sich das Land in einem tief greifenden und anhaltenden demokratischen Transformations- und Demokratisierungsprozess. Der seit 22 Jahren autoritär regierende Präsident, Yaya Jammeh, wurde abgewählt und durch Adama Barrow ersetzt.
Seither befinden sich im Auftrag der CEDEAO/ECOWAS und auf Bitten der neuen Regierung Militärtruppen in Gambia (KAS 16.5.2018; vgl. FH 1.2018; HRW 18.1.2018), um die Sicherheit des Transformationsprozesses und der aktuellen Regierung zu gewährleisten (KAS 16.5.2018). Die internationale Gemeinschaft hat der Barrow - Regierung erhebliche finanzielle Unterstützung gewährt, einschließlich der Unterstützung bei der Untersuchung vergangener Menschenrechtsverletzungen und der Reform der Sicherheitskräfte und der Justiz (HRW 18.1.2018).
Barrow spricht von einem „neuen Gambia“ - öffnet seither das Land nach außen und reformiert es nach innen (KAS 16.5.2018; vgl. HRW 18.1.2018). Direkt nach seiner Amtsübernahme erklärte Barrow sein Land zur Republik und ließ den Zusatz „Islamische Republik“ streichen. Er stärkt die Freiheit der Bürger, indem Militär- und Polizei-Checkpoints im Land reduziert werden und der Stellenwert von Meinungs- und Pressefreiheit öffentlich beteuert wurde (KAS 16.5.2018). Am 13. 12.2017 wurde das Gesetz der Wahrheits-, Versöhnungs- und Reparationskommission (TRRC) von der Nationalversammlung verabschiedet und vom Präsidenten am 13.1.2018 bestätigt (LHG 2018). Darüber hinaus soll die Truth, Reconciliation and Reparations Commission (TRRC) ihre Arbeit aufnehmen, um das in zwei Jahrzehnten Diktatur begangene Unrecht zu sammeln und aufzuarbeiten (AA 3.8.2018; vgl. KAS 16.5.2018; LHB 2018). In den meisten Fällen gab es keine wirksamen Ermittlungen und die Täter wurden nicht vor Gericht gestellt. Das TRRC-Gesetz sieht die Erstellung einer historischen Aufzeichnung über Art, Ursachen und Ausmaß der im Zeitraum Juli 1994 bis Januar 2017 begangenen Verstöße und Verletzungen der Menschenrechte und die Gewährung einer Entschädigung für die Opfer vor (LHG 2018).
Ein wichtiges Reformvorhaben der Regierung Barrow ist der am 6.2.2018 vorgestellte nationale Entwicklungsplan (The Gambia National Development Plan), der als Grundlage der Beratung der Geberkonferenz am 22.5.2018 in Brüssel gilt. Der Entwicklungsplan betont die Wichtigkeit von Demokratie, guter Regierungsführung, Menschenrechte, sowie Sicherheit und Wohlstand für alle (KAS 16.5.2018). Die innenpolitische Reformbereitschaft Barrows in Gambia wird auch durch das Moratorium zur Abschaffung der Todesstrafe deutlich, das am 18.2.2018 in Kraft trat. Vorerst wurden keine Hinrichtungen mehr vorgenommen, die Abschaffung der Todesstrafe soll noch folgen (KAS 16.5.2018).
In Gambia fanden am 12.4.2018 und am 12.5.2018 Lokal- und Kommunalwahlen statt. Die Wahlen verliefen friedlich ohne Zwischenfälle (KAS 16.5.2018; vgl. UNSC 29.6.2018). Als Bürgermeisterin in der Hauptstadt Banjul wurde mit Rohey Malick Lowe, erstmals eine Frau gewählt (KAS 16.5.2018). Die Vereinigte Demokratische Partei unter der Leitung von Außenminister Ousainou Darboe gewann die Mehrheit der Sitze, während die Alliance for Patriotic Reorientation and Construction of Ex-Präsident Yahya Jammeh weniger als 15 % der Sitze erlangte. In der Zwischenzeit hat die Regierung weitere Fortschritte gemacht bei der eine Reihe von Reformprozessen, unter anderem in den Bereichen Sicherheitssektor Reform und Übergangsjustiz, durchgeführt wurden (UNSC 29.6.2018).
Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen Gambias ähneln einer Herkulesaufgabe und stehen unter Zeitdruck. Die Bevölkerung erwartet sichtbare Resultate in der Dezentralisierung des Landes, in der Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen sowie in der Verbesserung ihrer persönlichen Lebenssituation. Dazu gehört auch ein Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum, die Reform des Sicherheitsapparates, die Aufarbeitung der Schreckenstaten während des Jammeh-Regimes und die sichtbare Entwicklung der Infrastruktur des Landes (KAS 16.5.2018).
Sicherheitslage
Laut France Diplomatie wird im gesamten Staatsgebiet zu erhöhter Wachsamkeit aufgerufen (FD 18.9.2018; vgl. BMEIA 18.9.2018), vor allem in entlegenen Teilen entlang der südlichen Grenze zum Senegal (BMEIA 18.9.2018). Gambia blieb bisher von terroristischen Anschlägen verschont. Angesichts möglicher terroristischer Aktivitäten in der ganzen Region Westafrika können jedoch auch in Gambia Anschläge gegen westliche Einrichtungen oder Staatsangehörige nicht ausgeschlossen werden (AA 18.9.2018). Im Rest des Landes wird ein erhöhtes Sicherheitsrisiko ausgerufen (BMEIA 18.9.2018).
Rechtsschutz / Justizwesen
Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor und die Regierung respektiert die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz (USDOS 20.4.2018). Die Verfassung garantiert allen Bürgern den Zugang zu einer unabhängigen Justiz und das Recht auf Verteidigung (EASO 12.2017).
Nach dem Regierungswechsel Anfang 2017 kündigte Barrow an, dass er Jammehs Entscheidung, Gambia den Internationalen Strafgerichtshof zu verlassen, rückgängig machen werde (EASO 12.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Er ernannte einen ehemaligen Sonderbeauftragten und Staatsanwalt des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda auf die höchste Position der gambischen Justiz. Barrow erklärte, dies seien Zeichen der Unabhängigkeit der Justiz und Schritte auf dem Weg zur institutionellen und rechtlichen Reform (EASO 12.2017; vgl. USDOS 20.4.2018).
Im ersten Amtsjahr hat die Regierung Barrows eine Justiz- und Verfassungsreform angestoßen (AA 3.8.2018). Auch Amnesty International forderte Ende April 2017 die Regierung auf, Reformen durchzuführen und mehr Mittel in folgenden Bereichen der Justiz bereitzustellen: die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz zu stärken; Organisationen wie die National Agency for Legal Aid (NALA), die Gambia Bar Association und die Female Lawyers Association Gambia zu unterstützen; sicherzustellen, dass Folter als Straftatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen wird (EASO 12.2017).
Die Justiz wird durch Korruption und Ineffizienz behindert und die Exekutive dominiert die gerichtlichen Verfahren. Von Februar bis November 2017 ernannte Barrow neue Richter am Obersten Gerichtshof (FH 1.2018; vgl. EASO 12.2017; HRW 18.1.2018; USDOS 20.4.2018), ein Schritt, welchen die Gambia Bar Association lobte (FH 1.2018). Die Richter verpflichteten sich, das Justizsystem zu reformieren und seine Glaubwürdigkeit wiederherzustellen (USDOS 20.4.2018).
Sicherheitsbehörden
Die zivilen Behörden behalten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Das Militärpersonal der ECOWAS bleibt auf Einladung des Präsidenten weiterhin im Land (USDOS 20.4.2018).
Die Gambia Armed Forces – GFA (Streitkräfte) ist für die externe Verteidigung zuständig und steht unter der Aufsicht des Oberbefehlshabers der Streitkräfte und Verteidigungsminister, eine Position, die der Präsident innehat (USDOS 20.4.2018; vgl. EASO 12.2017). Der Nationale Geheimdienst untersteht direkt dem Präsidenten (EASO 12.2017). Das Innenministerium ist für die Gambia Police Force (GPF) verantwortlich, die die innere Sicherheit gewährleistet (USDOS 20.4.2018; vgl. EASO 12.2017). Die Abteilung für Einwanderung fällt in die Zuständigkeit des Innenministeriums und ist für Migration und Grenzkontrolle zuständig. Straflosigkeit war unter dem Jammeh-Regime weit verbreitet. Ehemalige Beamte der NIA (Geheimdienst) stehen wegen Foltervorwürfen vor Gericht (USDOS 20.4.2018).
Im Februar 2017 wurde die National Intelligence Agency (NIA), die unter der früheren Regierung Folter und willkürliche Inhaftierung praktizierte, in State Intelligence Services (SIS) umbenannt und ihre Haftbefugnisse wurde aufgehoben (AI 22.2.2018; vgl. EASO 12.2017; USDOS 20.4.2018). Laut Menschenrechtsorganisationen unterhielt die NIA ihre eigenen Haftanstalten. Menschenrechtsorganisationen und die Opposition warfen der NIA wiederholt Verbrechen wie übermäßige Gewaltanwendung, illegale Verhaftung, Folter und Tötung vor. Der neue Präsident Barrow ließ die Führungsspitzen der NIS verhaften und kündigte an, die Vorwürfe zu untersuchen (EASO 12.2017). Auch die Leiter von Polizei, Gefängnis und Militär wurden ausgetauscht (AI 22.2.2018). Selbst nach dem Regierungswechsel gibt es Berichte über die Anwendung von Gewalt durch die Polizei. Innerhalb des Innenministeriums wurde eine Stelle geschaffen, die Vorwürfe wegen Fehlverhaltens und Menschenrechtsverletzungen durch Polizeibeamte untersucht (EASO 12.2017).
Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassung und weitere Gesetze verbieten Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Es gibt aber Berichte, dass Sicherheitskräfte Personen in Gewahrsam foltern, schlagen und misshandeln (USDOS 20.4.2018). Seit Amtsübernahme der Regierung Barrow im Januar 2017 sind keine Berichte über Folter bekannt geworden (AA 3.8.2018). Bis dato hat Gambia noch nicht das optionale Protokoll der Anti-Folter Konvention ratifiziert (EASO 12.2017).
Korruption
Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Regierungsbeamte vor, und die Regierung setzt das Gesetz im Allgemeinen um, jedoch haben Beamte manchmal ungestraft korrupte Praktiken angewandt (USDOS 20.4.2018).
Die neue Regierung hat Initiativen zur Verringerung der Korruption ergriffen, die nach wie vor ein ernsthaftes Problem darstellt. Eine Untersuchungskommission prüft die Verwendung staatlicher Mittel durch den ehemaligen Präsidenten Jammeh für private Zwecke und friert sein Vermögen ein. Die Herausforderungen bleiben jedoch bestehen. Die Bevölkerung fordert nach wie vor Gesetze zur Einrichtung einer Anti-Korruptionskommission und zur Abgabe von Vermögenserklärungen durch Regierungsbeamte. Es gibt derzeit kein Gesetz zum Schutz von Informanten, und im Juni 2017 kam es bereits zu Verhaftung eines Beamten (FH 1.2018). Im August setzte die Regierung von Barrow eine Untersuchungskommission ein, um die finanziellen Transaktionen des ehemaligen Präsidenten Jammeh zu untersuchen (USDOS 20.4.2018).
Die Regierungsgeschäfte sind im Allgemeinen undurchsichtig, aber 2017 wurden Schritte zur Verbesserung der Transparenz unternommen. Regierungsbeamte sind nun verpflichtet, Vermögenserklärungen an den Bürgerbeauftragten abzugeben, aber die Erklärungen sind nicht öffentlich und medienwirksam; Barrow hat diese Zurückhaltung von Informationen verteidigt und auf Bedenken des Datenschutzes hingewiesen. Es gibt weit verbreitete Behauptungen über Korruption in öffentlichen Beschaffungsprozessen (FH 1.2018).
Im Jahr 2017 wurde Gambia im von Transparency International veröffentlichten Korruptionsindex auf Platz 130 von 180 Ländern platziert (TI 2018).
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
In Gambia gibt es eine Reihe von NGOs, die sich mit Fragen der Menschenrechte und der Regierungsführung befassen. Unter Jammeh sahen sich NGO-Mitarbeiter der Gefahr ausgesetzt, inhaftiert zu werden und mit Repressalien zu rechnen. Es gab jedoch nur wenige Berichte über eine solche Unterdrückung im Jahr 2017 (FH 1.2018).
Regierungsbeamte sind in der Regel kooperativ und empfänglich für ihre Ansichten. Das 1996 erlassene NGO-Dekret, welcher NGOs verpflichtet, sich beim Nationalen Beirat zu registrieren und welcher befugt ist die Rechte einer NGO einzuschränken oder aufzuheben, wurde trotz Zusage der Barrow - Regierung, noch nicht widerrufen (USDOS 20.4.2018). Die neue Regierung toleriert die Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen in Bezug auf Menschenrechte und Regierungsführung (FH 1.2018).
Die Regierung gewährt dem Büro des Ombudsmanns uneingeschränkten Zugang zu allen Haftanstalten, und lokale und internationale NGOs haben uneingeschränkten Zugang, nachdem sie die Erlaubnis der Regierung einholen, agieren aber ohne staatliche Einschränkungen (USDOS 20.4.2018).
Das Büro des Bürgerbeauftragten betreibt eine Nationale Menschenrechtseinheit (NHRU) mit dem Auftrag, die Menschenrechte zu fördern und zu schützen und gefährdete Gruppen zu unterstützen. Im August 2017 erhielt das Büro uneingeschränkten Zugang zu Gefängnissen und allen Haftanstalten. Die NHRU befasst sich mit Beschwerden über rechtswidrige Handlungen, ungerechte Behandlung sowie illegalen Verhaftungen (USDOS 20.4.2018).
Die Regierung hat im Laufe des Jahres keine Maßnahmen gegen eine NGO ergriffen (USDOS 20.4.2018).
Allgemeine Menschenrechtslage
Der neue Präsident Adama Barrow machte deutlich, dass ein vorrangiges Ziel der neuen Regierung darin bestehen würde, die Achtung der Menschenrechte zu gewährleisten (EASO 12.2017).Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen gehören: harte und potenziell lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftungen; mangelnde Verantwortlichkeit in Fällen von Gewalt gegen Frauen, einschließlich Vergewaltigung und FGM; Menschenhandel und Kinderarbeit (USDOS 20.4.2018).
Das Menschenrechtsklima in Gambia hat sich seit dem Amtsantritt von Präsident Barrow deutlich verbessert (HRW 18.1.2018). Die neue Regierung versprach, Gambia zur "Menschenrechtshauptstadt Afrikas" zu machen, ließ zahlreiche politische Gefangene frei und begann, die Justiz zu stärken und die Sicherheitsdienste zu reformieren. Die internationale Gemeinschaft leistete der Regierung Barrow erhebliche finanzielle Unterstützung, einschließlich der Unterstützung bei der Untersuchung früherer Menschenrechtsverletzungen und der Reform der Sicherheitskräfte und der Justiz (HRW 18.1.2018). Mitglieder des Jammeh-Regimes werden nicht systematisch verfolgt (EASO 12.2017).
Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit werden durch die Verfassung garantiert und seit Amtsübernahme der Regierung durch Barrow werden diese staatlicherseits respektiert und gewährleistet (AA 3.8.2018; vgl. FH 1.2018; HRW 18.1.2018; USDOS 20.4.2018). Die neue Regierung unternahm mehrere bedeutende Anstrengungen, um ein günstigeres Umfeld für die Meinungsfreiheit zu schaffen. Die Verfassung und das Gesetz sehen die Meinungsfreiheit, auch für die Presse, vor, und die Regierung respektierte dieses Recht (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018; HRW 18.1.2018). Tageszeitungen veröffentlichten regierungskritische Artikel, ohne Angst vor Vergeltung. Radiosender strahlen regelmäßig Sendungen mit politischem und zivilen Diskursen aus (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 1.2018). Radioprogramme, Nachrichten-Websites und Fernsehsender sind in Gambia online zugänglich. Internationale Sender wie die BBC, Voice of America und Nachrichten-Websites aus der Diaspora, die der Regierung Jammeh sehr kritisch gegenüberstanden, bleiben eine wichtige Informationsquelle (EASO 12.2017).
Die gesetzlichen Regelungen aus der Jammeh-Ära, welche die Pressefreiheit stark eingeschränkt haben, wurden im Mai 2018 vom Obersten Gerichthof weitestgehend für verfassungswidrig erklärt. Die Barrow-Regierung hat das Gesetz seit Amtsantritt nicht angewendet. Seit dem Regierungswechsel liegen auch keine Hinweise auf Einschränkungen der Medienfreiheit vor. Die Regierung sucht den Austausch mit Journalisten und der „Gambia Press Union“. In Kooperation mit der Menschenrechts-NGO Article 19 erarbeitet die Regierung aktuell ein neues Mediengesetz (AA 3.8.2018). Allerdings hat die Regierung noch keine Gesetzesänderungen vorgenommen, die eine Genehmigung für öffentliche Kundgebungen erfordern, was eine Verletzung der Versammlungsfreiheit darstellt (HRW 18.1.2018). Die Regierung verpflichtete sich zur Reform mehrerer repressiver Mediengesetze. Eine Reihe von Journalisten kehrten in das Land zurück, nachdem sie wegen Schikanen oder drohender Inhaftierungen unter der früheren Regierung ins Exil geflohen waren (AI 22.2.2018).
Religionsfreiheit
Schätzungsweise sind 95,7 % der rund 21 Millionen Einwohner Gambias Muslime, die meisten davon sind Sunniten. Die christliche Gemeinde, welche sich hauptsächlich im Westen und Süden des Landes befindet, macht 4,2 % der Bevölkerung aus. Rund 1 % der Bevölkerung praktiziert indigene animistische Glaubensrichtungen, obwohl viele Muslime und Christen einige traditionelle Praktiken aufrechterhalten. Religiöse Gruppen, die weniger als 1 % der Bevölkerung ausmachen, sind unter anderem die Bahai, eine kleine Hindu-Gemeinschaft unter südasiatischen Einwanderern und Geschäftsleuten, und eine kleine Gemeinschaft von Eckankar Mitgliedern (USDOS 29.5.2018).
Die Verfassung verbietet religiöse Diskriminierung, das Einrichten einer Staatsreligion und auf Religion basierende politische Parteien. Im Januar kündigte Präsident Adama Barrow die Rückkehr des Landes in eine säkulare Republik an, wie sie in der Verfassung vorgeschrieben ist, und hob das Dekret des ehemaligen Präsidenten Jammeh auf, mit dem das Land zum islamischen Staat erklärt wurde (USDOS 29.5.2018). Im Jahr 2017 traf sich Präsident Barrow mit religiösen Führern und bekräftigte seine Unterstützung für die Religionsfreiheit, die in der Verfassung verankert ist (FH 1.2018). Heiraten zwischen Muslimen und Christen sind üblich (USDOS 29.5.2018). Sowohl was das ethnische als auch religiöse Zusammenleben anbelangt, ist Gambia durch eine friedliche Koexistenz der diversen Ethnien und Religionen gekennzeichnet (USDOS 29.5.2018; vgl. USDOS 20.4.2018).
Ethnische Minderheiten
In Gambia leben zahlreiche westafrikanischen Ethnien (AA 3.8.2018). Viele Gambianer sind gemischter ethnischer Herkunft (EASO 12.2017). Die größte Bevölkerungsgruppe stellen die Wolof dar. Eine diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis besteht nicht (AA 3.8.2018). Der Volkszählung aus dem Jahr 2017 zufolge hat Gambia 2.051.363 Einwohner. 34 % gehören der Volksgruppe der Mandinka an, 22,4 % den Fula/Fulbe, 12,6 % den Wolof, 10,7 % den Jola/Diola, 6,6 % den Serahuli, 3,2 % den Serer, 2,1 % der Manjago, 1 % der Bambara u.a. (CIA 20.8.2018). Die Amtssprache ist Englisch, die wichtigsten Umgangssprachen sind Mandinka, Wolof, Diola und Fula (CIA 20.8.2018).
Präsident Barrow ist Mitglied der größten ethnischen Gruppe, der Mandinka. Ex-Präsident Jammeh stammt aus der Jola Ethnie (EASO 12.2017).
Relevante Bevölkerungsgruppen
Die Verfassung sieht die Gleichstellung aller Personen vor dem Gesetz vor (USDOS 20.4.2018). Gemäß Art.28 der gambischen Verfassung sind Frauen und Männer gleichberechtigt. Dieser Grundsatz erfährt jedoch durch Gesetzgebung, religiöse Traditionen und allgemeine gesellschaftliche Verhältnisse Einschränkungen. Frauen sind im politischen und wirtschaftlichen Leben unterrepräsentiert, auch weil sie häufig ein geringeres Bildungsniveau aufweisen als Männer. Frauen werden durch Anwendung des Scharia-Rechts im Erbrecht und Familienrecht benachteiligt (AA 3.8.2018). Vergewaltigung und häusliche Gewalt sind illegal (FH 1.2018). Häusliche Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet, trotz des „National Plan of action on gender-based violence 2013 - 2017“, mit dem die Regierung versucht, Gewalt gegen Frauen zu senken. Art. 33 der Verfassung lässt Diskriminierung in so zentralen Bereichen wie Adoption, Heirat, Scheidung und Erbe zu und nimmt zudem Stammes- und Gewohnheitsrecht vom Schutz vor Diskriminierung aus. In Gambia gilt dadurch für bestimmte Volksgruppen bspw. das Scharia-Recht, welches gerade hinsichtlich des Erbrechtes und der Anzahl der erlaubten Ehepartner Frauen benachteiligt (AA 3.8.2018). Es gibt keine Gesetze, die Polygamie oder Leviratsehe verbieten (in denen eine Witwe mit dem jüngeren Bruder ihres Ehepartners verheiratet ist) (FH 1.2018).
Bewegungsfreiheit
Die Verfassung und Gesetze ermöglichen die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung. Die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 20.4.2018).
Die Bewegungsfreiheit wird durch schlechte Straßen und zahlreiche Sicherheitskontrollen beeinträchtigt (FH 1.2018).
Grundversorgung
Gambia ist im internationalen Vergleich eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Lediglich ein Drittel der Bevölkerung verfügt über eine garantierte Ernährungssicherheit. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren zwischen 2014 und 2016 über 200.000 Gambier gezwungen, sich auf humanitäre Hilfe zu verlassen (EASO 12.2017). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist v.a. in ländlichen Gegenden nur beschränkt gewährleistet (EASO 12.2017). Das staatliche „Social Welfare Service“ bietet für bedürftige Frauen und Kinder Unterbringung, Nahrung und Kleidung. Nach Angaben der Weltbank sind knapp 40 % der Kinder unter 5 Jahren akut unterernährt. Sozialhilferegelungen etc. bestehen nicht (AA 3.8.2018).
Gambia ist wirtschaftlich schwach. Etwa drei Viertel der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft. Familien bauen auch in kleinem Umfang Produkte für den Eigenbedarf an. Viele führen kleine Einzelhandelsgeschäfte (EASO 12.2017).
Die Wirtschaft des Landes ist aufgrund von Rückschlägen abgewürgt (KAS 16.5.2018). Zudem ist die Landwirtschaft anfällig für Überschwemmungen und Dürren (EASO 12.2017). Die schlechte landwirtschaftliche Ernte führte 2016/2017 zu Ausfällen (KAS 16.5.2018). Der Landwirtschaftssektor ist nicht vielfältig genug aufgestellt, 91 % der Landbevölkerung sind Kleinbauern, mehrheitlich durch Subsistenzwirtschaft geprägt. Das Land ist stark importabhängig, praktisch alle Güter des täglichen Gebrauchs werden importiert. Die Preise sind entsprechend hoch (KAS 16.5.2018).
Negativ wirkte sich auch die politische Krise des Jahres 2017 aus. Der jüngste Länderbericht des Internationalen Währungsfonds schätzt, dass die Tourismuseinnahmen im ersten Quartal 2017 aufgrund der politischen Turbulenzen um rund ein Drittel (8,8 Mio. $) gesunken sind (EASO 12.2017) und sich nur zögerlich erholten (KAS 16.5.2018). Die Überweisungen (Geldtransfers) von Auswanderern in ihr Heimatland werden auf rund 10% des BIP geschätzt. Im internationalen Handel haben China und Indien die EU (insbesondere Frankreich und Großbritannien) als Hauptexporteur teilweise abgelöst (EASO 12.2017).
Eine zerstörte Wirtschaft, ausgebeutete Staatsressourcen, eine ineffiziente Infrastruktur, enorme soziale Herausforderungen sowie ein Mangel an Möglichkeiten für die junge Bevölkerung waren die Rahmenbedingungen, unter denen Barrow seine Präsidentschaft angetreten hat (KAS 16.5.2018).
Als Jammeh Anfang 2017 ins Exil nach Äquatorialguinea ging, nahm er Vermögenswerte mit unbekanntem Wert mit (EASO 12.2017). Der systematische Diebstahl von Staatseigentum wurde rückwirkend seit 2014 auf 4 % des BIP jährlich geschätzt (KAS 16.5.2018). Laut Medien sei das Land "fast bankrott". Niedrige Ernteerträge, ängstliche Touristen und Investoren sowie wachsende Staatsverschuldung tragen zur weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation bei (EASO 12.2017). Das Land ist auf finanzielle Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. Nach Angaben der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) machten die Hilfen ausländischer Geber 2013 11% des BIP aus (EASO 12.2017). Die externe Schuldenlast beläuft sich auf über 1 Mrd. US-Dollar (20 % des BIP). Aufgrund der Schuldennotlage können keine neuen Investitionen im Land getätigt werden, der Privatsektor erhält auch keinen Zugang zu Krediten auf dem Finanzmarkt. Die Elektrizitätskrise mit mehrmals täglichen Stromausfällen behindert zudem wirtschaftliche Aktivitäten und Investitionen (KAS 16.5.2018).
Ausländische Geber versprachen der Barrow-Regierung finanzielle Unterstützung unter der Bedingung, dass die Entwicklung der Demokratie gefördert und die Menschenrechte geachtet werden (EASO 12.2017).
Medizinische Versorgung
Die medizinische Versorgung in Gambia bleibt mangelhaft (AA 3.8.2018), wogegen die ärztliche Versorgung im Großraum Banjul ausreichend ist (BMEIA 18.9.2018). Die medizinische Versorgung im Lande bleibt eingeschränkt und ist technisch, apparativ und / oder hygienisch problematisch. Auch im privaten Sektor ist nur eine begrenzte Diagnostik und Behandlung möglich (AA 18.9.2018; vgl. AA 3.8.2018). Auch wenn die Lage in Privatkliniken deutlich besser ist, bieten diese keinen europäischen Standard (AA 3.8.2018). Die Versorgung ist besonders bei Notfällen, z. B. nach Autounfällen, aber auch im Falle eines Herzinfarktes oder eines Schlaganfalles sehr eingeschränkt (AA 18.9.2018). Die Mehrheit der Gesundheitseinrichtungen befindet sich im Stadtgebiet, was bedeutet, dass der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen in ländlichen Gebieten komplexer ist. Im Allgemeinen leiden alle Einrichtungen unter einem Mangel an gut ausgebildetem Personal und Defiziten in Bezug auf Infrastruktur, medizinische Ausrüstung und Versorgung mit bestimmten Medikamenten (EASO 12.2017).
Eine allgemeine Krankenversicherung existiert nicht. Die Selbstversorgung im Gesundheitswesen ist hoch und stellt eine schwere Belastung für private Haushalte dar. Staatliche Krankenhäuser bieten zwar eine quasi kostenlose Versorgung, diese ist jedoch aufgrund mangelnder Ärzte, Apparaturen und Medikamente unzureichend. Es existiert eine staatliche psychiatrische Einrichtung, in der es allerdings oft an Medikamenten und gelegentlich an Lebensmitteln fehlt. Die Einrichtung wird von kubanischen Ärzten betreut, die nicht immer anwesend sind. Die Versorgung mit Medikamenten ist über Apotheken möglich (AA 3.8.2018).
Die traditionelle Medizin ist für einen Großteil der Bevölkerung Gambias oft der erste Ansprechpartner, da die Ärzte über das ganze Land verstreut und vor allem in ländlichen Regionen besser zugänglich sind. Und auch die Behörden Gambias streben eine stärkere Partnerschaft mit traditionellen Heilern an, um die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern. Im Jahr 2015 gab es in Gambia 213 Mediziner (1.1 Arzt für 10.000 Einwohner). Darüber hinaus erlauben traditionelle Mediziner oft Sachleistungen, die für arme Haushalte günstiger sind (AA EASO 12.2017).
Rückkehr
Die Regierung arbeitete mit dem Büro des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Binnenvertriebenen, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen, Asylbewerbern, Staatenlosen oder anderen Betroffenen Schutz und Unterstützung zu gewähren (USDOS 20.4.2018).
Staatliche Einrichtungen zur Aufnahme von Rückkehrerinnen und Rückkehrern existieren nicht in Gambia. Rückkehrer werden in der Regel von ihrer (Groß-) Familie aufgenommen. Zwischen der International Organisation of Migration (IOM) und der EU wurde eine Vereinbarung zum Schutz und zur Wiedereinbürgerung von Migranten getroffen (EU-IOM Initiative on Migrant Protection and Reintegration), welche Unterstützung für freiwillig oder zwangsweise zurückgekehrte Gambier vorsieht. Wegen unerwartet hohen Rückkehrerzahlen v.a. aus Libyen und Anlaufschwierigkeiten des 2017 eingerichteten IOM-Büros besteht zum Stand Mai 2018 ein Rückstau von rund 3.000 Rückkehrern, deren Unterstützungsmaßnahmen noch ausstehen. Des Weiteren gibt es zahlreiche NGOs, die in Gambia tätig sind, hauptsächlich im Grundbildungsbereich (AA 3.8.2018).
Der UNHCR koordinierte die Regierungsarbeit mit der Internationalen Organisation für Migration, der Gambia Red Cross Society und anderen Organisationen, um diesen Schutz und diese Unterstützung zu gewährleisten (USDOS 20.4.2018).
Rückkehrer bzw. wiedereingebürgerte Personen unterliegen keiner besonderen Behandlung. Fälle von Misshandlung oder Festnahmen sind nicht bekannt. Bei Rückkehr muss nicht mit staatlichen Maßnahmen aufgrund der Asylantragstellung gerechnet werden. Bislang ist es noch in keinem Fall zu einem Einwand gegen eine beabsichtigte Rückführung gekommen. Der „Social Welfare Service“ unterhält eine Einrichtung zur Unterbringung von Minderjährigen, dürfte sich aber eher an Kinder jüngeren Alters richten. Ob eine Unterbringung von abgeschobenen Minderjährigen dort möglich ist, muss im Einzelfall geklärt werden (AA 3.8.2018).
Hinsichtlich der aktuellen Sicherheitslage kann zusammengefasst festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr keiner lebensbedrohenden Situation überantwortet wird.
Es wurden zwischenzeitlich auch keine Anhaltspunkte dafür bekannt, wonach die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 50 FPG 2005 in seinen Heimatstaat Gambia unzulässig wäre.
Eine nach Gambia zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia eine Verletzung von Art. 2 oder 3 der EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.
Es wird weiters festgestellt, dass der junge und arbeitsfähige Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten kann. Staatliche Repressionen im Falle der Rückkehr nach Gambia allein wegen der Beantragung von Asyl können nicht festgestellt werden.
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Fremdenregister (IZR) dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
Außerdem konnte im vorliegenden Beschwerdefall auf die Ermittlungsergebnisse im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 06.08.2019 vor dem Bundesverwaltungsgericht zurückgegriffen werden.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund des vorliegenden gambischen Reisepasses Nr. XXXX fest (siehe Reisepasskopie, AS 285). Dass sich der Beschwerdeführer bis zu seiner Eheschließung einer anderen Identität bediente, ergibt sich unstrittig aus dem Verwaltungsakt und wurde auch vom Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 06.08.2019 bestätigt.
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinen persönlichen Verhältnissen in Gambia wie auch in Österreich ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Angaben gegenüber dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht. Die entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid und der Beschwerdevorentscheidung blieben unwidersprochen.
Die Feststellungen zu seiner Einreise nach Europa, zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet seit dem Jahr 2003, zu seinem Asylverfahren in Österreich, zum gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbot und zu dem ihm vorübergehend erteilten Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ ergeben sich aus dem Verwaltungsakt in Zusammenschau mit den Angaben des Beschwerdeführers, einer am 24.09.2019 eingeholten ZMR-Auskunft und einem Auszug aus dem zentralen Fremdenregister.
Aus den Angaben des Beschwerdeführers, dem Verwaltungsakt (AS 289ff) und einer aktuellen Abfrage aus dem AJ-WEB ergeben sich die Zeiten seiner Erwerbstätigkeit und sein Bezug von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Krankengeld.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Ausführungen vor der belangten Behörde sowie dem Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 06.08.2019:
„RI: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, der heutigen Verhandlung zu folgen?
BF: Ja. Es geht mir gut, ich bin nur etwas heißer, weil ich Musiker bin, aber sonst geht es mir gut.
RI: Leiden Sie an chronischen Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen?
BF: Ich bin sehbehindert und nehme Medikamente für psychische Probleme, Polanzabil und Pakina (phonetisch). Ich habe Diabetes und muss auch deswegen Medikamente nehmen. (Seite 379 im Akt).
RI: Bezüglich Diabetes haben Sie gesagt, dass es aufgrund der Ernährungsumstellung in der JA besser geworden ist. Ist es wieder schlimmer geworden?
BF: Im Gefängnis habe ich trainiert und habe eine spezielle Ernährung bekommen mit weniger Zucker usw. deswegen wurden meine Werte besser. Außerhalb des Gefängnisses habe ich diese Möglichkeit nicht. Deswegen weiß ich meine Werte zurzeit nicht. Ich habe aber morgen einen Termin beim Hausarzt und da werde ich eine Blutuntersuchung machen, dann werde ich wissen, was los ist.
RI: Da hätte es vor der Verhandlung genügend Vorlaufzeit gegeben, um aktuelle medizinische Befunde beizubringen, und nicht zwingend einen Tag nach der Verhandlung. Laut Arztbrief besteht diese Sehminderung bereits seit Ihrer Kindheit. Ist der Status quo immer noch jener, dass es für Ihre Sehminderung keine Behandlung und keine Sehbehelfe gibt?
BF: In Gambia gab es keine Behandlung, es konnte keine Operation durchgeführt werden, ich könnte zwar eine Brille tragen, aber davon bekomme ich Kopfschmerzen. Seit mir die Polizei Pfefferspray in die Augen gesprüht hat, sehe ich dunkler, also wurde es schlimmer.
RI: Ist Ihnen geholfen, wenn wir ein Licht machen im Verhandlungssaal, sehen Sie dann besser?
BF: Ja.
RI: Ich frage Sie deswegen, weil ich unten bei der Bäckerei XXXX einen Kaffee geholt habe, da habe ich Sie gesehen, da sind Sie neben mir gestanden, sind eigenständig gegangen und haben selbstständig einen Kaffee bezahlt und nicht so unbeholfen gewirkt haben, wie jetzt, als Sie sich von Ihrer RB regelrecht zu Ihrem Platz haben führen lassen.
BF: Ja, das stimmt. Dort war es auch heller als hier im Raum, außerdem sehe ich auf kurze Distanz besser. Mein Hauptproblem ist, dass ich nicht auf Gegenstände fokussieren kann, die etwas weiter weg sind. Da sehe ich die Personen und Gegenstände nur verschwommen.
RI: Wie war Ihre Zeit in Gambia mit dieser körperlichen Einschränkung?
BF: Meine Eltern lebten damals noch und ich bin in eine Blindenschule gegangen. Wir haben gelernt zu trommeln und Musik zu machen. Wir haben dann auch Konzerte gegeben. Es war eine schwierige Zeit. Besonders als ich jung war. Durch das Sonnenlicht musste ich immer weinen und ich war mit diesen behinderten Leuten in der Schule zusammen.“
Weiters legte der Beschwerdeführer ein amtsärztliches Zeugnis über die Sehminderung der MA 15 des Magistrats der Stadt XXXX vom 19.01.2011, zwei Schreiben des Vereins XXXX vom 13.05.2016 und vom 17.08.2016, einen augenärztlichen Befund eines Facharztes für Augenheilkunde und Optometrie vom 30.05.2016, eine fachärztliche Begutachtung der Augenambulanz des XXXX Krankenhauses XXXX vom 11.07.2018, einen Endbefund des Instituts XXXX vom 14.01.2019, eine Arbeitsunfähigkeitsmeldung eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 13.08.2018, sowie eine Medikamentenübersicht der XXXX vom 13.03.2018 vor.
Die vom Beschwerdeführer im Zuge einer schriftlichen Stellungnahme vom 19.07.2017 (AS 31ff) vorgebrachten Erkrankungen an einer Störung durch Opioide (ICD-10 F11.22) und an einer paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F20.0) fanden weder in seinen späteren Stellungnahmen vom 14.01.2019 (AS 175f) und vom 11.02.2019 (AS 195f), noch in seiner Beschwerde vom 21.03.2019 oder dem Vorlageantrag vom 10.04.2019 Erwähnung. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung erklärte der Beschwerdeführer, Medikamente für psychische Probleme zu nehmen, legte diesbezüglich aber keine aktuellen medizinischen Befunde vor. Die aktuellsten vom Beschwerdeführer beigebrachten medizinischen Unterlagen stellen nicht auf psychische Probleme des Beschwerdeführers ab. Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass laut dem eingeholten Länderinformationsbericht der Staatendokumentation in Gambia eine staatliche psychiatrische Einrichtung besteht und die Versorgung mit Medikamenten über Apotheken möglich ist.
Betreffend seine Diabetes führte der Beschwerdeführer selbst im Zuge einer schriftlichen Stellungnahme vom 14.02.2019 an, nicht mehr in Behandlung zu sein, weil sich seine Werte aufgrund einer Ernährungsumstellung in der Haft verbessert hätten. Bei seiner mündlichen Beschwerdeverhandlung änderte er diese Aussage dahingehend ab, dass er die Möglichkeit einer speziellen Ernährung außerhalb des Gefängnisses nicht mehr habe und deshalb seine aktuellen Blutzuckerwerte nicht kenne. Er legte jedoch keine medizinischen Befunde vor, aus denen ein aktueller Handlungsbedarf in Bezug auf seine neuerlich behauptete Erkrankung an Diabetes hervorginge.
Ohne die bestehenden Beeinträchtigungen des Beschwerdeführers bagatellisieren zu wollen, kann keine Notwendigkeit einer akuten Behandlungsbedürftigkeit in Österreich erkannt werden, dies insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Sehbehinderung bereits seit seiner Kindheit besteht und laut den vom Beschwerdeführer vorgelegten medizinischen Unterlagen derzeit auch in Österreich keine Therapiemöglichkeit besteht. Dem Beschwerdevorbringen, demzufolge die Augenerkrankung des Beschwerdeführers aktuell durch gute medikamentöse Einstellung kontrolliert werde und der Beschwerdeführer fürchte, dass sich sein Zustand ohne die Behandlung in Österreich wieder verschlechtern könne, kann daher nicht beigetreten werden.
Darauf aufbauend war die Feststellung zu treffen, dass der Beschwerdeführer keine gesundheitliche Beeinträchtigung vorgebracht hat, welche unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur zur Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Falle einer Rückkehr führen könnte.
Die Feststellungen zur Ausbildung und Arbeitserfahrung des Beschwerdeführers gründen auf seinen glaubhaften, unwidersprochenen Aussagen. Aus dem Gesamtvorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich, dass er arbeitsfähig ist und es ihm zumutbar ist, in Gambia seinen Lebensunterhalt zu sichern. Eine hochgradige Sehminderung bedeutet nicht zwingend Arbeitsunfähigkeit. Wie von der belangten Behörde in ihrer Beweiswürdigung ausgeführt, kann daher nicht pauschal festgestellt werden, dass Einschränkungen im Berufsleben auftreten werden. Der Beschwerdeführer macht zwar in seiner Beschwerde geltend, ihm drohe aufgrund seiner Erkrankung in Gambia eine Verletzung seiner in Art. 3 EMRK verbürgten Rechte und wirft der belangten Behörde diesbezüglich mangelnde Ermittlungstätigkeit vor, jedoch brachte auch er keinen Nachweis vor, welcher geeignet wäre, eine weitere Ermittlungspflicht der Behörde zu begründen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung führte der Beschwerdeführer aus, in Österreich mehrmals gearbeitet zu haben. In Gambia habe er Besen und Körbe hergestellt und als Musiker gearbeitet. Er komme aus einer „Griots Family“, einer Familie, die aus Musikern bestehe. Seine Mutter sei sehr bekannt gewesen und habe durch Musizieren ihren Unterhalt verdient und die ganze Familie unterstützt. Weiters gab der Beschwerdeführer ausdrücklich zu Protokoll: „Ich bin richtig gut als Musiker und kann viel Geld damit verdienen. Ich bin nicht einfach nur ein Straßenmusiker.“ Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung in der Lage sein wird, in Gambia seinen Lebensunterhalt zu sichern.
Die Feststellung zur mittlerweile geschiedenen Ehe des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers und dem vorliegenden Scheidungsbeschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX (AS 183).
Die Feststellung zu der bei seiner Schwester in Norwegen lebenden Tochter des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen diesbezüglichen Aussagen gegenüber der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht. Daraus ergibt sich auch, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Verwandten hat.
In der Verhandlung am 06.08.2019 führte der Beschwerdeführer danach befragt, ob er verheiratet oder in einer Lebensgemeinschaft sei, aus, eine Freundin namens A.Ö. zu haben, die er seit 2-3 Jahren kenne, wobei er nicht mit ihr zusammenwohne. Diesbezüglich wird auch angemerkt, dass der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde Frau A.Ö. neben drei weiteren Damen lediglich als Kontakt und nicht als seine Freundin bezeichnete und auch in der mündlichen Verhandlung keine nachvollziehbare Erklärung dafür liefern konnte, weshalb er seine behauptete Beziehung bislang gänzlich unerwähnt ließ:
„RI: Sind Sie verheiratet oder leben Sie in einer Lebensgemeinschaft?
BF: Ich bin zurzeit nicht verheiratet, aber ich habe eine Freundin. Sie heißt A[…]Ö[…]r und wohnt in H[…]. Manchmal übernachte ich bei ihr und manchmal bei Freunden. Ich würde gerne einen Meldezettel machen, aber das geht nicht, man hat mir alles weggenommen.
RI: Was sagen Sie dazu, dass Sie in der Beschwerde A[…]Ö[…] neben drei weiteren Damen allesamt aus XXXX lediglich als österreichische Kontakte namhaft gemacht haben, nunmehr aber sagen, dass es sich dabei um Ihre Freundin handelt (Vorhalt Akt Seite 366)?
BF: Das war ein Fehler der Sozialarbeiterin im Gefängnis. Ich habe ihr das genau erklärt, aber sie hat das einfach so hingeschrieben. Mir schien, dass sie in Eile war. Deswegen will ich manchmal etwas nicht unterschreiben, weil ich ja nicht weiß, was derjenige unterschrieben hat.
RI: Ich beziehe mich nicht auf ein Schreiben von einer Sozialarbeiterin, sondern auf die Beschwerde Ihrer RV, der Diakonie?
BF: Es tut mir leid, aber das ist wieder ein Fehler. Es ist eigenartig, dass dieser Fehler zweimal passiert ist, aber ich habe das dem Mann der Diakonie schon richtig erklärt. Wenn es da so steht, dann ist es wohl mein Fehler. Sie war von Anfang an meine Freundin.
RI: Was heißt von Anfang an?
BF: damit meine ich, dass wir gleich nachdem wir uns kennengelernt haben, zusammengekommen sind. Sie war von Anfang an meine Freundin. Ich kenne sie seit 2-3 Jahren.“
Die Feststellungen zu den integrativen Schritten des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus seinen Angaben gegenüber dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht.
Wie in der rechtlichen Beurteilung darzulegen sein wird, war unter Berücksichtigung aller Umstände die Feststellung zu treffen, dass kein den Anforderungen des Art. 8 EMRK entsprechendes schützenswertes Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich besteht.
Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer mehrfach strafgerichtlich verurteilt ist, ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
Aus seinen strafgerichtlichen Verurteilungen ergibt sich die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.
2.3 Zu den Länderfeststellungen zu Gambia:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Gambia samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Gambia ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:
- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (4.9.2018): Reise & Aufenthalt - Gambia - Sicherheit und Kriminalität, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/gambia/, Zugriff 4.9.2018
- AA - Auswärtiges Amt (17.8.2016): Reise- und Sicherheitshinweise - Gambia - Besondere strafrechtliche Vorschriften, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GambiaSicherheit_node.html, Zugriff 17.8.2016
- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Reise & Sicherheit - Gambia - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambiasicherheit/213624#content_0, Zugriff 18.9.2018
- AA - Auswärtiges Amt (3.8.2018): AA-Bericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/1442719/4598_1536326072_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-gambia-stand-juli-2018-03-08-2018.pdf, Zugriff 18.9.2018
- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World’s Human Rights - Gambia, https://www.ecoi.net/en/document/1425363.html, Zugriff 4.9.2018
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (26.2.2018): Briefing Notes – Gambia, Abschaffung der Todesstrafe, Zugriff 18.9.2018
- CIA - Central Intelligence Agency (20.8.2018): The World Factbook - Gambia, The - Government, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ga.html, Zugriff 19.9.2018
- EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 18.9.2018
- FD - France Diplomatie (18.9.2018): Conseils par pays, Gambie, Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/gambie/, Zugriff 18.9.2018
- FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 – The Gambia, https://www.ecoi.net/en/document/1428746.html, Zugriff 4.9.2018
- FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Gambia, The, http://www.ecoi.net/local_link/281635/411922_de.html, Zugriff 18.8.2016
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