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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des Köksal Adas in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien VII, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 12. September 1996, Zl. MA 61/IV - A 105/96, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 12. September 1996 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 14. Jänner 1993 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10 und 11 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab.
Aufgrund des Beschwerdevorbringens im Zusammenhang mit dem angefochtenen Bescheid steht als Sachverhalt fest, daß der Beschwerdeführer seit 1989 ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat. Er wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Dezember 1991 rechtskräftig als Flüchtling anerkannt.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, daß im Fall des Beschwerdeführers ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG nicht vorliege. Darüber hinaus begründete die belangte Behörde, daß es ihr im Hinblick auf die dargelegte Einkommens- bzw. Sozialversicherungssituation des Beschwerdeführers nicht möglich sei, das ihr in § 11 StbG eingeräumte Ermessen im positiven Sinne auszuüben.
Der Beschwerdeführer erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit dem Beschluß vom 9. Juni 1997, B 3654/96-10, ab und trat sie in der Folge mit dem Beschluß vom 3. September 1997, B 3654/96-12, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend. Er führt aus, daß entgegen der restriktiven Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, nach der die Flüchtlingseigenschaft alleine nicht genüge, um besonders berücksichtigungswürdige Gründe zur vorzeitigen Einbürgerung annehmen zu können, von der belangten Behörde Flüchtlinge "mit bereits sechs Jahren Wohnsitzfrist eingebürgert" würden. Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes übersehe, daß "sich die Republik Österreich in Art. 34 GFK verpflichtet" habe, alles zu tun, um das Einbürgerungsverfahren zu beschleunigen und so weit als möglich auch die Kosten eines solchen Verfahrens zu reduzieren. Die Vertragsstaaten der GFK hätten soweit als möglich die Gleichstellung und Einbürgerung von Flüchtlingen zu erleichtern. Art. 34 GFK als unmittelbar anwendbares Flüchtlingsrecht wäre jeglichen Anwendungsbereiches entledigt, wenn er nicht als Interpretationsmaßstab für § 10 Abs. 3 StbG herangezogen würde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 10 Abs. 3 StbG kann bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft von der Voraussetzung des Abs. 1 Z. 1 (seit 10 Jahren ununterbrochener Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik) abgesehen werden, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt oder wenn der Fremde seit mindestens vier Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat und ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 9. April 1997, Zl. 96/01/0513, mit weiteren Judikaturhinweisen) handelt es sich bei der Beurteilung der Frage, ob ein "besonders berücksichtigungswürdiger Grund" im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG vorliegt, um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung. Eine Ermessensausübung gemäß § 11 StbG kann erst dann einsetzen, wenn alle Verleihungsvoraussetzungen im Sinne des § 10 StbG - somit bei einer das Ausmaß von 10 Jahren unterschreitenden Aufenthaltsdauer auch das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes - gegeben sind. Liegt ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund nicht vor, kann die in § 11 verankerte Bedachtnahme auf die Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Gesamtverhalten der Partei sowie auf die Flüchtlingseigenschaft eines Verleihungswerbers nicht dazu führen, daß in Ausübung des freien Ermessens von der angeführten Verleihungsvoraussetzung abgesehen werden könnte.
Die belangte Behörde befindet sich mit ihrer Rechtsanschauung, die ins Treffen geführte Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers stelle für sich allein keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG dar, auf dem Boden der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. für viele andere z.B. das
hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 95/01/0251, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Der Verwaltungsgerichtshof sieht angesichts des Umstandes, daß das Staatsbürgerschaftsgesetz in seinem § 11 bei der Ausübung des freien Ermessens normiert, bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft sei gegebenenfalls besonders auf den Umstand Bedacht zu nehmen, daß der Fremde Flüchtling ist, und dergestalt auf die Stellung der Flüchtlinge - wenn auch nicht in einer den Zeitraum des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG (zehn Jahre ununterbrochener ordentlicher Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik) verkürzenden Weise - und damit auf Art. 34 erster Satz GFK Bedacht genommen hat, keinen Grund erkennen, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen. Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf Art. 34 zweiter Satz GFK ist nicht geeignet, die Flüchtlingseigenschaft als besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG anzusehen, da diese Bestimmung lediglich die Beschleunigung des Einbürgerungsverfahrens und die weitestgehende Reduktion der Kosten eines solchen Verfahrens bezweckt.
Außer seiner Flüchtlingseigenschaft macht der Beschwerdeführer keine anderen Gründe geltend, welche als besonders berücksichtigungswürdig anzusehen wären.
Die Ausführungen der belangten Behörde zu § 11 StbG verletzen den Beschwerdeführer im Hinblick auf den Umstand, daß er die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 3 StbG nicht erfüllt, nicht in einem subjektiv-öffentlichen Recht.
Bereits der Inhalt der Beschwerde läßt erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997010875.X00Im RIS seit
20.11.2000