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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §45 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der EE in U, vertreten durch Dr. Helmut Edenhauser, Rechtsanwalt in Salzburg, Hildmannplatz 1a, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 10. Februar 1997, Zl. Gem(Stb) - 35988/6 - 1996/Pr, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 10. Februar 1997 hat die Oberösterreichische Landesregierung den Antrag der Beschwerdeführerin vom 21. Juli 1994 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft auf ihre minderjährige Tochter AE gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 iVm §§ 17 und 18 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), abgewiesen.
Die 1960 in Moskau geborene Beschwerdeführerin habe erst seit 28. Juni 1990 ohne Unterbrechung ihren Hauptwohnsitz in Österreich. Sie sei am 10. Juli 1995 freiwillig aus dem russischen Staatsverband ausgeschieden. Aufgrund der Freiwilligkeit dieses Ausscheidens stelle die Staatenlosigkeit keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 3 StbG dar. Die Beschwerdeführerin habe im Jahre 1983 an einer Universität in Moskau das Jus-Studium mit Diplom abgeschlossen. Der Universitätsabschluß könne jedoch nur in Verbindung mit der Nostrifikation durch eine österreichische Universität "entscheidungsrelevante positive Bedeutung" haben. "Die engagierte Ausübung eines Berufes bzw. das Bestreben für weiteres berufliches Fortkommen und die materielle Absicherung der Existenz, um unter anderem den Kindern eine glückliche Zukunft bieten zu können, stelle an sich eine Selbstverständlichkeit dar."
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Da die Beschwerdeführerin unbestritten erst seit 28. Juni 1990 ihren Wohnsitz in Österreich hat, erfüllt sie nicht die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG, weil sie noch nicht seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat. Von dieser Voraussetzung kann aber gemäß § 10 Abs. 3 StbG abgesehen werden, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt oder wenn der Fremde seit mindestens vier Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat und ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. Jänner 1998, Zl. 96/01/0834) handelt es sich bei der Beurteilung der Frage, ob ein "besonders berücksichtigungswürdiger Grund" im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG vorliegt, um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung.
Da bei der Beschwerdeführerin, welche erst im Alter von 30 Jahren als damals sowjetische Staatsbürgerin nach Österreich einreiste, keine ähnlichen oder vergleichbaren Verhältnisse, wie sie in § 14 Abs. 1 Z. 1 StbG umschrieben sind, vorliegen, vertrat die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht die Auffassung, daß die Staatenlosigkeit der Beschwerdeführerin keinen "besonders berücksichtigungswürdigen Grund" darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1997, Zl. 94/01/0744).
§ 10 Abs. 3 StbG erfordert, daß ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft "vorliegt". Dieser Grund muß daher im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde gegeben sein. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte früher bestehende Lebensgemeinschaft mit einem österreichischen Staatsbürger erfüllt diese Voraussetzung schon deshalb nicht, weil sie bereits seit dem Tod des Lebensgefährten im Jahre 1990 nicht mehr besteht. Überdies hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 96/01/0205, ausgesprochen, daß eine Lebensgemeinschaft keinen für eine vorzeitige Einbürgerung sprechenden besonders berücksichtigungswürdigen Grund darstellt.
Entgegen der von der belangten Behörde zum Ausdruck gebrachten Ansicht stellt auch die Nostrifizierung eines im Ausland erworbenen akademischen Grades - ebenso wie die inländische Anerkennung einer nicht-akademischen Berufsausbildung -
für sich allein keinen "besonders berücksichtigungswürdigen Grund" dar.
Was das Vorbringen der Beschwerdeführerin anlangt, sie sei in einem großen österreichischen Pharmaunternehmen aufgrund ihrer Kenntnisse der russischen Sprache und Rechtslage in einer für den Export nach Rußland sehr wichtigen Funktion tätig, ist ihr zunächst entgegenzuhalten, daß es sich bei der Sicherung des Lebensunterhaltes - welche in der überwiegenden Zahl der Fälle durch Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit erfolgt - nach § 10 Abs. 1 Z. 7 StbG um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung handelt und daher die Ausübung einer Beschäftigung an sich nicht zusätzlich als besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinne des § 10 Abs. 3 leg. cit angesehen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. September 1997, Zl. 96/01/0205).
Auch das allenfalls gegebene wirtschaftliche Interesse der Dienstgeberin der Beschwerdeführerin an der weiteren Beschäftigung der Beschwerdeführerin stellt keinen "besonders berücksichtigungswürdigen Grund" dar, zumal die Beschwerdeführerin ihre Tätigkeit auch bisher ohne österreichische Staatsbürgerschaft ausgeübt hat. Ein Vorbringen, daß es sich bei der von der Beschwerdeführerin ausgeübten Tätigkeit um einen "Mangelberuf" (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1998, Zl. 96/01/0834) handelte, hat die Beschwerdeführerin nicht erstattet.
Es sei noch hinzugefügt, daß darin, daß die belangte Behörde der Beschwerdeführerin ihre Ansicht, es liege kein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vor, vorgehalten hat, schon deshalb keine "vorgreifende Beweiswürdigung" liegt, weil es sich bei der Beurteilung, ob ein derartiger Grund vorliegt, nicht um einen Akt der Beweiswürdigung handelt.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Februar 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997010272.X00Im RIS seit
30.06.2020Zuletzt aktualisiert am
30.06.2020