TE OGH 2020/5/26 2Ob57/20a

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Veröffentlicht am 26.05.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** M*****, vertreten durch Dr. Gernot Lehner, Rechtsanwalt in Neumarkt im Hausruckkreis, gegen die beklagten Parteien 1. H***** S*****, 2. Z*****-Aktiengesellschaft, *****, beide vertreten durch Dr. Christoph Arbeithuber, Rechtsanwalt in Linz, wegen 26.238,85 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der beklagten Parteien (Revisionsinteresse 17.019,43 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2020, GZ 6 R 4/20f-34, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 12. November (richtig) 2019, GZ 36 Cg 1/19b-27, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.292,50 EUR (darin 214,42 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Erstbeklagte lenkte auf einer Landstraße außerhalb des Ortsgebiets einen Traktor mit einem nicht zum Verkehr zugelassenen Anhänger (§ 104 Abs 7 KFG iVm § 62 KDV) mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h. An einer nicht feststellbaren Stelle des Gespanns transportierte er einen etwa 3 kg schweren Stahlunterlegkeil, der 30 cm lang, 20 cm hoch und 14 cm breit war. Hinter dem Gespann fuhr mit derselben Geschwindigkeit ein Pkw, dahinter näherten sich der Kläger und eine weitere Person auf Motorrädern mit einer Geschwindigkeit von 95 km/h bis 105 km/h.

Aufgrund einer durch die Geschwindigkeit ausgelösten Schwenkbewegung löste sich der Keil vom Gespann und fiel auf die Straße. Der PKW lenkte nach links aus, der andere Motorradfahrer bremste ab. Auch der Kläger bremste und versuchte auszulenken. Dabei kam er ohne Fahrfehler zu Sturz. Er hatte den Keil um 1,5 Sekunden zu spät wahrgenommen.

Der Erstbeklagte hätte den Unfall verhindern können, wenn er den Keil ordentlich verladen und eine Geschwindigkeit von 10 km/h eingehalten hätte.

Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Berufungsgericht dem Schadenersatzbegehren des Klägers zur Gänze statt. Der Erstbeklagte sei zur Sicherung des Ladeguts verpflichtet gewesen, wobei diese Sicherung beim Keil leicht möglich gewesen wäre. Hätte er diese Verpflichtung erfüllt, wäre es nicht zum Unfall gekommen. Dem stehe zwar eine Reaktionsverspätung des Klägers gegenüber, die aber wegen der geringen Größe und daher mangelnden Auffälligkeit des Hindernisses nicht entscheidend ins Gewicht falle. Darauf, ob das Herunterfallen auch durch die überhöhte Geschwindigkeit verursacht worden sei, komme es nicht an.

Nachträglich ließ das Berufungsgericht die Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Verschuldensteilung bei Gegenüberstellung von fehlender Ladegutsicherung und Reaktionsverspätung aufzufinden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten, mit der sie ein gleichteiliges Mitverschulden des Klägers anstreben, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Bei der Aufteilung des Verschuldens entscheiden vor allem der Grad der Fahrlässigkeit des einzelnen Verkehrsteilnehmers, die Größe und Wahrscheinlichkeit der durch das schuldhafte Verhalten bewirkten Gefahr und die Wichtigkeit der verletzten Vorschriften für die Sicherheit des Verkehrs im Allgemeinen und im konkreten Fall (2 Ob 19/12a mwN; RIS-Justiz RS0027389, RS0026861). Ein geringfügiger Sorgfaltsverstoß kann gegenüber einem schweren Fehlverhalten des anderen Teils so in den Hintergrund treten, dass er überhaupt zu vernachlässigen ist (RS0027202 [T1, T2, T12]). Die Zulässigkeit der Revision können Fragen der Verschuldensteilung als typische Wertungsfragen nur dann begründen, wenn das Berufungsgericht seinen insofern bestehenden Beurteilungsspielraum überschritten hat (RS0087606 [T2]; Lovrek in Fasching/Konecny3 § 502 ZPO Rz 51, Rz 89 mwN).

2. Im vorliegenden Fall steht der offenkundig unzureichenden und damit in hohem Maße gefährlichen Befestigung des Keils (§ 101 Abs 1 lit e KFG; vgl dazu 2 Ob 19/12a) die verspätete Reaktion des Klägers auf ein Hindernis gegenüber, das auf der Straße nicht zu erwarten war und aufgrund seiner geringen Größe auch nicht leicht wahrgenommen werden konnte. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Reaktionsverspätung in diesem konkreten Fall nicht anspruchsmindernd ins Gewicht fällt, überschreitet seinen Beurteilungsspielraum nicht.

3. Zur Klarstellung ist festzuhalten, dass auch der Verstoß des Erstbeklagten gegen § 58 Abs 1 Z 2 lit a sublit aa KDV (Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h beim Ziehen eines nicht zum Verkehr zugelassenen Anhängers) für den Unfall kausal war. Denn es steht fest, dass sich der Keil aufgrund der durch die überhöhte Geschwindigkeit ausgelösten Schwenkbewegungen des Gespanns (US 6) – also des Anhängers und des Zugfahrzeugs – von diesem löste. Damit ist aber unerheblich, ob der Keil am Anhänger oder am (nach dieser Feststellung ebenfalls schwankenden) Zugfahrzeug verladen war. Die von den Beklagten gewünschte ergänzende Feststellung, dass die überhöhte Geschwindigkeit nicht kausal gewesen sei, steht mit dieser Urteilsannahme im Widerspruch. Auf Fragen des Rechtswidrigkeitszusammenhangs und der diesbezüglichen Beweislast geht die Revision nicht ein.

4. Aus diesen Gründen ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen. Da der Kläger auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, haben die Beklagten die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen (§§ 41, 50 ZPO).

Textnummer

E128642

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00057.20A.0526.000

Im RIS seit

27.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.08.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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