TE OGH 2020/5/27 8Ob28/20f

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Veröffentlicht am 27.05.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G*****, vertreten durch Mag. Robert Stadler, Rechtsanwalt in Gallneukirchen, gegen die beklagte Partei Mag. Dr. R*****, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in Wels, wegen 28.785 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. Februar 2020, GZ 2 R 19/20g-32, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 9. Dezember 2019, GZ 26 Cg 45/18y-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.804,50 EUR (darin 300,75 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der beklagte Rechtsanwalt errichtete für den Kläger am 1. 4. 2010 eine „Dissolutionsvereinbarung“. Mit dieser Vereinbarung wurde ein zwischen dem Kläger und einer GmbH (deren Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter er war) am 3. 12. 2008 geschlossener Liegenschaftskaufvertrag aufgrund beiderseitigen Irrtums teilweise aufgehoben, und zwar in Ansehung aller mit einem Vorkaufsrecht zugunsten eines Dritten belasteten Grundstücke. Die betroffenen Grundstücke wurden in der Folge einer neu eröffneten Einlagezahl zugeschrieben, bei der das Eigentumsrecht des Klägers einverleibt wurde. Das auf den Grundstücken (bereits vor Errichtung des aufgehobenen Kaufvertrags) zugunsten einer Bank lastende Höchstbetragspfandrecht wurde unter Anmerkung der Simultanhaftung der alten mit der neuen Einlagezahl als weiterer Nebeneinlage mitübertragen. Für diesen grundbücherlichen Vorgang wurde dem Kläger als Pfandbesteller zur ungeteilten Hand mit der Bank als Pfandgläubigerin im Jahr 2015 eine das Pfandrecht betreffende Eintragungsgebühr nach TP 9 lit b Z 4 GGG in Höhe von 28.785 EUR einschließlich Einhebungsgebühr vorgeschrieben.

Der Kläger begehrte vom Beklagten den Ersatz dieser Gebühren wegen eines anwaltlichen Beratungsfehlers. Der Beklagte hätte bei der Erstellung des Kaufvertrags und der Dissolutionsvereinbarung die Lastenfreistellung erwirken müssen. Jedenfalls aber hätte er den Kläger auf die Gebührenfolgen der Pfandrechtsmitübertragung bei gleichzeitigem Eigentümerwechsel hinweisen müssen. Diesfalls hätte der Kläger den Auftrag erteilt, diese Gebühren zu vermeiden. Das wäre etwa mithilfe einer anderen Vertragskonstruktion leicht möglich gewesen.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab.

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich über Antrag des Klägers gemäß § 508 ZPO für zulässig erklärt, weil die Frage, ob ein Vertragserrichter bei jeglicher Liegenschaftstransaktion (hier: der Gestaltung einer Rückabwicklung) verpflichtet sei, von sich aus die (allenfalls inzwischen zu bewerkstellende) Möglichkeit der Löschung von Pfandrechten anzusprechen, bislang, soweit ersichtlich, nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Rechtsprechung gewesen sei.

Die vom Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

1. Der Rechtsanwalt haftet grundsätzlich nur für den notwendigen Fleiß und die erforderliche Gesetzeskenntnis (RIS-Justiz RS0026727). Wird das schadensstiftende Verhalten darauf zurückgeführt, dass der Rechtsanwalt bei seiner Tätigkeit gesetzliche Vorschriften unrichtig auslegte, ist daher zu prüfen, ob sich zu einer bestimmten Rechtsfrage bereits eine Spruchpraxis gebildet hat (6 Ob 116/05k mwN); ist dies nicht der Fall und sind die gesetzlichen Bestimmungen nicht vollkommen eindeutig, sondern enthalten sie Unklarheiten über die Tragweite des Wortlauts, so ist dem Rechtsanwalt ein Verschulden nur dann anzulasten, wenn bei pflichtgemäßer Überlegung die von ihm eingehaltene Vorgangsweise nicht mehr als vertretbar bezeichnet werden kann. Die Fehlbeurteilung einer komplizierten Materie kann nicht ohne Weiteres als Sorgfaltsverletzung angesehen werden (RS0026732). Der Anwalt haftet daher nicht für eine unrichtige, aber vertretbare Rechtsansicht, auch wenn sie in der Folge von der Rechtsprechung nicht geteilt wird (RS0023526; RS0026727 [T1]). Der Rechtsanwalt haftet aber, wenn bei einer strittigen, noch nicht höchstgerichtlich entschiedenen Frage weder Schrifttum noch Materialien für die gewählte Auslegung Anhaltspunkte bieten (6 Ob 116/05k).

Ob ein Rechtsanwalt im Einzelfall die gebotene Sorgfalt eingehalten hat, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls geprüft werden und stellt regelmäßig keine Frage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0023526 [T16]).

2. Nach TP 9 lit b Z 4 GGG betragen die Gebühren für Eintragungen zum Erwerb eines Pfandrechts 1,2 % vom Wert des Rechts.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass dieser Gebührentatbestand nach seinem Wortlaut (nur) den Erwerb eines Pfandrechts erfasst. Ab- oder Zuschreibungen unter Mitübertragung eines Pfandrechts ohne Änderung des Pfandgegenstands stellten aber keinen Pfandrechtserwerb im eigentlichen Sinn dar, weil Pfandobjekt und gesicherte Forderung ident bleiben, sodass der Beklagte schon aufgrund des Wortlauts der Bestimmung vertretbar annehmen durfte, dass diese Konstellation keine Gebührenpflicht nach TP 9 lit b Z 4 GGG auslösen werde.

Für die Vertretbarkeit des Standpunkts des Beklagten sprach nicht zuletzt auch, dass für die Durchführung des später aufgehobenen Kaufvertrags keine Gebühren für die Mitübertragung des Pfandrechts bei Abschreibungen der Grundstücke aus einer Einlagezahl und Zuschreibung zu einer neuen Einlagezahl bei gleichzeitigem Eigentümerwechsel vorgeschrieben worden waren.

Aus dem Fehlen einschlägiger Literatur und Judikatur vor dem Zeitpunkt der Vertragserrichtung ergeben sich zwar keine weiteren für, aber auch keine gegen die Rechtsauffassung des Beklagten sprechenden Anhaltspunkte. Die erste – eine entsprechende Gebührenpflicht zugrundelegende – Entscheidung erging erst mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 28. 3. 2014 zu 2013/16/0218. Diese Rechtsprechung wurde in der Folge allerdings nicht nur von Bittner (NZ 2014/107 [Glosse zu 2013/16/0218]) mit „Verwunderung“ quittiert, sondern – wie die Vorinstanzen unter Verweis auf die auf diese Rechtsprechung ausdrücklich Bezug nehmenden Gesetzesmaterialien (RV 560 BlgNR 26. GP 5) aufgezeigt haben – auch vom Gesetzgeber korrigiert: Mit Einführung der Anmerkung 10 zu TP 9 GGG durch das ZZRÄG 2019 wurde klargestellt, dass folgende Eintragungen keine Eintragung zum Erwerb eines Pfandrechts sind: a) wenn sich der verpfändete Gutsbestand durch die Eintragung nicht ändert oder b) wenn keine Änderung der Eintragung im Lastenblatt erfolgt. Für das Berufungsgericht lag aus diesem Grund der Schluss nahe, dass der Gesetzgeber eine Gebührenpflicht schon ursprünglich nicht intendiert hatte.

3.1 Angesichts all dieser Umstände hält sich die Beurteilung der Vorinstanzen, dass dem Beklagten nicht vorwerfbar ist, die vorliegende Vertragsgestaltung nicht unter TP 9 lit b Z 4 GGG subsumiert und den Kläger daher nicht auf eine mögliche Gebührenpflicht hingewiesen zu haben, noch im Rahmen der Rechtsprechung. Feststellungen zu allfälligen Vertragsalternativen bedarf es damit nicht.

3.2 Die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe mit der Möglichkeit einer Gebühr gerechnet, entfernt sich vom festgestellten Sachverhalt, demzufolge der Beklagte nach Prüfung der Frage anlässlich der Erstellung des Kaufvertrags vom 3. 12. 2008 zu dem Ergebnis gekommen war, dass Gebührenfreiheit bestehe, wovon er, bestätigt durch das Unterbleiben einer Gebührenvorschreibung, auch im Jahr 2010 noch ausging.

3.3 Mit der – vom Berufungsgericht im Zulassungsbeschluss angesprochenen – Ansicht, der Beklagte hätte sich nach den Pfandrechten erkundigen und allenfalls deren (Teil-)Löschung herbeiführen müssen, zeigt der Revisionswerber ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Der Kläger ist für die Behauptung beweispflichtig, dass der Schaden bei einem bestimmten und möglichen pflichtmäßigen Handeln des Rechtsanwalts nicht eingetreten wäre (RS0022700). Hier hat das Erstgericht aber zur Frage, ob die Bank im Jahr 2010 einer gänzlichen Löschung der Hypothek zugestimmt hätte, eine unbekämpft gebliebene Negativfeststellung getroffen.

4. Die Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

         5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).

Textnummer

E128633

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0080OB00028.20F.0527.000

Im RIS seit

27.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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