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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AlVG 1977 §1 Abs1 litaBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima LL.M., über die Revision des K Studios in W, vertreten durch Dr. Metin Akyürek, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Köstlergasse 1/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2020, Zl. W198 2215682-1/14E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Gebietskrankenkasse, nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19, mitbeteiligte Parteien: 1. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich-Hillegeiststraße 1, 2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65-67, 3. S N in W, weitere Parteien: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Bundesministerin für Arbeit, Familie und Jugend), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus, dass die Drittmitbeteiligte auf Grund ihrer Beschäftigung bei der revisionswerbenden Partei in näher bezeichneten Zeiträumen in den Jahren 2017 und 2018 der Teilversicherungspflicht in der Unfallversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 und § 5 Abs. 1 Z 2 iVm § 7 Z 3 lit. a ASVG bzw. der Voll- (Kranken-, Unfall- und Pensions-)versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei.
5 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision bringt die revisionswerbende Partei unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zunächst vor, zur Auslegung des Begriffes „Kunstschaffender“ in § 4 Abs. 4 lit. d ASVG existiere keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Das angefochtene Erkenntnis beruhe auf der Annahme, dass die Drittmitbeteiligte für die revisionswerbende Partei nicht als Kunstschaffende tätig gewesen wäre. Die Beurteilung dieser Frage sei für den Ausgang des Verfahrens deshalb von Bedeutung, weil die Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG gemäß dessen lit. d ausgeschlossen sei, wenn es sich um eine Tätigkeit als Kunstschaffender, insbesondere als Künstler im Sinne des § 2 Abs. 1 Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz, handle. Dem ist entgegen zu halten, dass das Verwaltungsgericht - anders als noch die vor ihm belangte Behörde - im Rechtsverhältnis der Drittmitbeteiligten zur revisionswerbenden Partei keinen freien Dienstvertrag im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG, sondern ein „echtes“ Dienstverhältnis (eine abhängige Beschäftigung im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG) gesehen hat. § 4 Abs. 4 lit. d ASVG bezieht sich aber nur auf die Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 4 ASVG und nicht auf jene nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG, von der das Verwaltungsgericht - als Ergebnis einer im Allgemeinen nicht revisiblen Gesamtabwägung im Einzelfall (vgl. etwa VwGH 20.11.2019, Ra 2018/08/0227, mwN) - ausgegangen ist. Von der Auslegung des Begriffes „Kunstschaffender“ in § 4 Abs. 4 lit. d ASVG hängt die vorliegende Revision somit nicht ab, weshalb mit dem Vorbringen, zu dieser Bestimmung liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor, keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgeworfen wird.
6 Da die Revision, wie dargelegt, nicht von der Auslegung des Begriffes „Kunstschaffender“ in § 4 Abs. 4 lit. d ASVG abhängt, wird auch mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe sich mit den diesbezüglichen rechtlichen Argumenten der revisionswerbenden Partei überhaupt nicht auseinander gesetzt, kein wesentlicher Begründungsmangel und somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung geltend gemacht.
7 Die revisionswerbende Partei macht weiters geltend, das Verwaltungsgericht habe sich bei der Beweiswürdigung im Zusammenhang mit Feststellungen betreffend die Bindung der Drittmitbeteiligten an bestimmte Arbeitszeiten und Arbeitsorte auf schriftlich festgehaltene Aussagen einer Person - die im selben Zeitraum wie die Drittmitbeteiligte für die revisionswerbende Partei tätig gewesen sei - während deren Einvernahme vor der belangten Behörde gestützt und sich über den Beweisantrag der revisionswerbenden Partei, diese Person als Zeugen vor dem Verwaltungsgericht einzuvernehmen, einfach hinweggesetzt. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund den schriftlichen Äußerungen dieser Person mehr Beweiskraft zukommen solle als den diesbezüglichen Äußerungen der revisionswerbenden Partei.
8 Dem ist entgegenzuhalten, dass bei einer behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens die Zulässigkeit der Revision - neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel - voraussetzt, dass auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang - im Sinn seiner Eignung, bei einem mängelfreien Verfahren zu einer anderen für den Revisionswerber günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu führen - konkret dargetan wird (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2016/08/0058, mwN). Die revisionswerbende Partei bringt zwar vor, das Verwaltungsgericht habe mit seiner Vorgangsweise der revisionswerbenden Partei das Recht genommen, diese Person mit von der revisionswerbenden Partei selbst erbrachten Beweisen zu konfrontieren. Dabei handelt es sich aber nicht um eine - im Rahmen einer hinreichenden Relevanzdarstellung gebotene - konkrete und substanziierte Darlegung, welche vor dem Hintergrund der zu beantwortenden Rechtsfragen wesentlichen tatsächlichen Angaben der Zeuge hätte machen können und inwieweit sich daraus eine für den Revisionswerber günstigere Sachverhaltsgrundlage hätte ergeben können (vgl. abermals VwGH 28.2.2019, Ra 2016/08/0058, mwN). Insgesamt hat das Verwaltungsgericht die Sachverhaltsfeststellung, dass es eine Orts- und Zeiteinteilung gab, an die sich die Drittmitbeteiligte im Wesentlichen zu halten hatte, auf eine schlüssige Beweiswürdigung unter Einbeziehung zahlreicher Beweismittel - darunter auch Aussagen einer Person, die während der mündlichen Verhandlung als Vertreterin der nunmehr revisionswerbenden Partei auftrat - gestützt, wobei den schriftlich festgehaltenen Äußerungen der Person, deren Einvernahme als Zeuge die revisionswerbende Partei beantragt hatte, lediglich die Funktion eines die Beweiswürdigung unterstützenden Hilfsbeweises zukam.
9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 1. Juli 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020080073.L00Im RIS seit
19.08.2020Zuletzt aktualisiert am
19.08.2020