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Baurecht - WienNorm
BauO Wr §129 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Striebl und die Hofräte Dr. Rath, Dr. Hrdlicka, Dr. Straßmann und Dr. Draxler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weitzer, über die Beschwerde des E W in W vertreten durch Dr. Manfred Melzer, Rechtsanwalt in Wien I, Rudolfsplatz 12, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. Dezember 1974, Zl. GA 62-123/73/Str., betreffend Bestrafung wegen Übertretung der Bauordnung für Wien, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Dr. Manfred Melzer, und des Vertreters der belangten Behörde, Magistratsoberkommissär Dr. WS, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 1.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 20. Bezirk, vom 22. Mai 1973 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 12.000,-- (für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe von einer Woche) verhängt, weil der Beschwerdeführer als Verwalter des Hauses Wien 20, W.-straße 43, in der Zeit vom 17. September 1971 bis 7. Marz 1973 ohne Veranlassung und Vorwissen, des Liegenschaftseigentümers nicht für die Erhaltung der von ihm verwalteten Baulichkeit in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der Bauordnung für Wien entsprechenden Zustand gesorgt habe; dadurch habe der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 2 in Verbindung mit § 135 Abs. 3 der Bauordnung für Wien begangen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer u.a. vor, er sei persönlich haftender Gesellschafter der Firma M. Sch. KG. Der Kommanditist K. F. R. sei Einzelprokurist dieser Gesellschaft und sei daher nach außen im Rahmen seiner Prokura vertretungsbefugt. Mit den Verwaltungsagenden für das in Rede stehende Haus sei im Rahmen der Gesellschaft lediglich K. F. R. betraut, der Beschwerdeführer sei bei der Verwaltung des Hauses nicht selbst tätig geworden. Der Beschwerdeführer beantragte in diesem Zusammenhang die Einvernahme des K. F. R. als Zeugen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in der Schuldfrage (und hinsichtlich des Ausspruches über den Ersatz der Kosten des Strafvollzuges) mit der Ergänzung bestätigt, daß der Beschwerdeführer als satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ der M. Sch. KG., Verwalterin des Hauses Wien XX., W.-straße 43, verantwortlich sei. Die Strafe wurde gemäß § 51 Abs. 4 VStG 1950 auf S 5.000,-- (bei Uneinbringlichkeit 5 Tage Arrest) herabgesetzt. In der Begründung des Bescheides wurde zu dem oben dargestellten Berufungsvorbringen ausgeführt, es seien die tatsächlichen Angaben, ohne daß es der Einvernahme des Zeugen R. bedürfe, glaubhaft und der Entscheidung zugrunde zu legen. Gemäß § 9 VStG 1950 fänden aber bei einer Gesellschaft die Strafbestimmungen auf die satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe Anwendung. Bei einer Kommanditgesellschaft seien nach dem Handelsgesetzbuch nur die persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementäre) als satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufene Organe denkbar. Die Bestellung einer beliebigen Person (auch eines Kommanditisten) zum Prokuristen erhebe diese nicht in den Rang eines Organes. Die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers sei daher unter Hinweis auf seine Organqualität zu bestätigen.
In der Beschwerde wird - anknüpfend an die wiedergegebene Begründung des angefochtenen Bescheides vorgebracht, es übersehe die belangte Behörde, daß der § 9 VStG 1950 lediglich bestimme, wer als Subjekt der Übertretung zu betrachten sei, jedoch nichts an den Bestimmungen des § 5 VStG 1950 über die Schuldfrage ändere.
Die Verwaltungsbehörde müsse daher auch untersuchen, ob im fraglichen Falle dem gemäß § 9 VStG 1950 Verantwortlichen auch ein Verschulden im Sinne des § 5 VStG 1950 angelastet werden könne. In diesem Zusammenhang sei darauf zu verweisen, daß sich ein Organ einer Gesellschaft zweifelsohne einer anderen Person zur Erfüllung einer ihn treffenden Verpflichtung, also zum Beispiel zur Erfüllung der Verwaltungsaufgaben, bedienen könne. Begehe diese einen Fehler bei der Durchführung der Verwaltung, dann könne dieser Fehler dem Organ der Gesellschaft nicht schlechthin angelastet werden, es sei denn, daß zu diesem Verschulden des Vertreters ein eigenes Verschulden des Organes der Gesellschaft komme. Im angefochtenen Bescheid befinde sich keinerlei Hinweis, worin dieses Verschulden des Beschwerdeführers erblickt werden könne, es seien in dieser Richtung auch keinerlei Ermittlungen durch die belangte Behörde angestellt sondern vielmehr der von dem Beschwerdeführer zur Frage, wer die tatsächlich Verwaltungstätigkeit auszuüben habe, angebotene Beweis nicht durchgeführt worden. Gerade diese Vernehmung hätte aber ergeben, daß der Beschwerdeführer einen in Hausverwaltungen äußerst versierten Prokuristen mit der Durchführung der Verwaltungstätigkeit für das gegenständliche Haus betraut habe und ihm daher in der Bestellung des K. F. R. keinerlei Verschulden zur Last zu legen sei. Die Vernehmung dieses Zeugen hätte weiters ergeben, daß der Beschwerdeführer von der Notwendigkeit der gegenständlichen Bauarbeiten im Rahmen einer ihm zumutbaren Tätigkeit bei der Firma M. Sch. KG. nicht informiert gewesen, sodaß ihm also an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften keinerlei Verschulden anzulasten sei. Der Beschwerdeführer sei daher in seinem Recht, lediglich bei einem Eigenverschulden zur strafrechtlichen Verantwortung herangezogen zu werden, verletzt worden. Es liege ferner eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, da die belangte Behörde trotz des Beweisantrages des Beschwerdeführers zur Frage, in welcher Weise die Arbeit bei der Firma M. Sch. KG zwischen dem Beschwerdeführer und K. F. R. aufgeteilt sei und ob den Beschwerdeführer aus dieser Aufteilung ein Verschulden treffe, gepflogen habe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die Gegenschrift der belangten Behörde erwogen:
Dem Beschwerdeführer wurde eine Übertretung nach § 129 Abs. 2 in Verbindung mit § 135 Abs. 3 der Bauordnung für Wien zur Last gelegt. Die belangte Behörde ist in Übereinstimmung mit der Aktenlage davon ausgegangen, daß die Pflicht zur Einhaltung dieser Verwaltungsvorschriften eine Gesellschaft, nämlich die M. Sch. KG., getroffen habe. Die belangte Behörde hat ferner angenommen, daß der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall als satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ dieser Gesellschaft nach § 9 VStG 1950 verantwortlich gewesen sei. In der Beschwerde wird der Annahme der belangten Behörde, daß dem Beschwerdeführer die Eigenschaft eines satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ der M. Sch. KG. und dem als Prokuristen bestellten K. F. R. in dieser Gesellschaft die Stellung eines Kommanditisten zugekommen seien, nicht entgegengetreten. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, daß der zweite Satz des § 9 VStG 1950 - nach dieser Bestimmung sind die sitzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe berechtigt und auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis ein oder mehrere handlungsfähige Personen zu bestellen, denen für den Gesamtbetrieb oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Gebiete die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt - hier schon deshalb nicht anzuwenden war, weil der Kommanditist zur Vertretung der Gesellschaft (nach außen) nicht berechtigt ist (vgl. § 170 HGB); desgleichen begründet die bloße Prokura nicht die Organeigenschaft nach § 9 VStG 1950 (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1966, Zl. 525/66). Der Wortlaut des § 9 VStG 1950 läßt aber keinen Zweifel daran, daß der Verantwortliche immer nur aus dem Kreise der satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organe genommen werden kann (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Jänner 1968, Zl. 1044/67).
Die Übertretung des § 135 Abs. 3 der Bauordnung für Wien (hier in Verbindung mit § 129 Abs. 2 leg cit.) ist ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs 1 VStG 1950. Es oblag daher dem Beschwerdeführer zu seiner Entlastung den Beweis zu führen, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei.
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsstrafverfahren vorgebracht, daß nicht er, sondern K. F. R. mit der Verwaltung des in Rede stehenden Gebäudes betraut gewesen sei. Zum Beleg dafür hat der Beschwerdeführer einen Zeugenbeweis angeboten.
Die im § 9 VStG 1950 getroffene Regelung über die Verantwortlichkeit in jenen Fällen in welchen eine Handlungs- oder Unterlassungspflicht eine Gesellschaft, eine Genossenschaft oder einen Verein trifft verlöre jeden Sinn, wenn schon eine bloße Aufgabenteilung innerhalb der Gesellschaft (Genossenschaft, Verein), wie sie der Beschwerdeführer ins Treffen führte, das verantwortliche Organ von seiner Schuld entlastete. Vielmehr kommt auch in einem solchen Fall der in ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargestellte Grundsatz zum Tragen, daß zumindest Fahrlässigkeit vorliegt, wenn eine Partei, die mit der Erfüllung ihrer Verpflichtungen einen anderen betraut, sich nicht davon überzeugt, daß ihr Auftrag im Sinne des Gesetzes befolgt wurde (vgl. die Erkenntnisse vom 2. Juni 1966, Zl. 577/65, vom 15. Februar 1967, Zl. 666/66, vom 5. Februar 1968, Zl. 548/67, vom 19. November 1969, Zl. 1887/68, und vom 5. November 1970, Zl. 96/69). Ist der Verpflichtete nicht selbst in der Lage, für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften zu sorgen, so trifft ihn nur dann kein Verschulden, wenn er beweist, daß er es bei der Auswahl der von ihm Beauftragten und deren Überwachung nicht an der pflichtgemäßen Aufmerksamkeit habe fehlen lassen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1971, Slg. N.F.Nr. 8108/A). Entgegen dem Rechtsstandpunkt, den der Vertreter des Beschwerdeführers bei der mündlichen Verhandlung vortrug, bietet das Gesetz keinen Anhaltspunkt für eine andere, „geänderten gesellschaftlichen Verhältnissen“ entsprechende Auslegung. Eine Änderung der Rechtslage bleibt dem Gesetzgeber vorbehalten.
Der Beschwerdeführer hat nichts vorgebracht, was darauf schließen läßt, er habe die Besorgung der der Kommanditgesellschaft oblegenen Instandhaltungspflicht durch die damit betraute Person entsprechend überwacht. In der vom Beschwerdeführer gerügten Unterlassung der Prüfung, in welcher Weise die Arbeit bei der Kommanditgesellschaft zwischen dem Beschwerdeführer und anderen Personen aufgeteilt gewesen sei - darauf läuft das Beschwerdevorbringen hinaus -, ist daher eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erblicken.
Die Beschwerde erweist sich somit als nicht begründet; sie war demzufolge gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. Nr. 4/1975.
Wien, 1. Dezember 1975
Schlagworte
Verantwortung für Handeln anderer Personen AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1975:1975000592.X00Im RIS seit
24.07.2020Zuletzt aktualisiert am
24.07.2020