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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
VwGG §31 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über den Antrag der Mag. A B in G, vertreten durch Dr. Florian Perschler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Heinrichsgasse 4/6, auf Ablehnung der Hofrätin des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Julcher im Verfahren Ra 2020/08/0033 betreffend „Wiederaufnahme des Verfahrens über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 14.05.2020, Zl. Ra 2020/08/0033-7, zurückgewiesene ao. Revision der Antragstellerin vom 24.02.2020 gegen das Erkenntnis des BVwG vom 18.07.2019, GZ: W228 2114277-1/16E“, denBeschluss gefasst:
Spruch
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
1 Mit Schriftsatz vom 9. Juni 2020 legte die Antragstellerin im Wesentlichen dar, dass das eingangs erwähnte Verfahren wiederaufzunehmen sei, weil im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen worden sei.
2 Die Antragstellerin stellte einen Ablehnungsantrag. Sie legte in einem umfangreichen Vorbringen dar, dass sich die Begründung im zurückweisenden Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 2020 „als sachverhaltswidrig (und aktenwidrig)“ erweise.
3 Sie begründete darauf aufbauend die Ablehnung folgendermaßen (Schreibfehler im Original):
Es ist anzunehmen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes anders gelautet hätte, hätte die Berichterin alle in der Revision geltend gemachten Rechtsverletzungen in ihrem Erledigungsentwurf bzw. Beschlussantrag und Vortrag im Senat berücksichtigt und den Grundsatzbeschluss des EuGH vom 28.07.1977, den EuGH Rs 106/77, Simmenthal, sowie den VwGH -Stammrechtssatz (weiter oben), nachvollziehbar berücksichtigt.
Der unionsrechtlich nicht nachvollziehbare Antrag der Berichterin auf Zurückweisung der Revision verletzt die Antragstellerin in ihren subjektiv öffentlichen Rechten auf den zuständigen Richter und auf Unterlassung von Willkür.
Die klaren Vorschriften des Verwaltungsgerichtshofes stellen jedoch sicher, dass Mitglieder und Ersatzmitglieder des Gerichtshofes an Beratungen und Entscheidungen nicht teilnehmen, wenn im konkreten Fall auch nur der Anschein einer Befangenheit entstehen könnte.
Infolge des objektiven Anscheins der Befangenheit war die Berichterin von der Erstattung eines Beschlussantrages bzw. Erledigungsentwurfes, einem Vortrag im Senat und von der Abstimmung im Senat gemäß Artikel 4 Abs 10 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes (kurz: GO) ausgeschlossen und ist die objektiv nachvollziehbare Besorgnis des Anscheins der Befangenheit der Richterin und Berichterin des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Angela Julcher nachvollziehbar und begründet.
Die Richterin und Berichterin des Verwaltungsgerichtshofes, Dr. Angela Julcher, ist aus allen angeführten Gründen gemäß § 62 Abs 1 VwGG iVm § 7 Abs 1 Z 3 AVG von der Ausübung ihres Amtes in der Revisionssache der Antragstellerin insoweit ausgeschlossen, als zufolge des objektiven Anscheins der Befangenheit ein wichtiger Grund vorliegt, der geeignet ist, in ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu setzen.“
4 Gemäß § 31 Abs. 1 Z 4 VwGG haben sich die Mitglieder des Gerichtshofes und Schriftführer unter Anzeige an den Präsidenten der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit zu enthalten, wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, in ihre volle Unbefangenheit Zweifel zu setzen.
5 Aus den in § 31 Abs. 1 VwGG angeführten Gründen können die Mitglieder des Gerichtshofes und Schriftführer gemäß § 31 Abs. 2 VwGG auch von den Parteien abgelehnt werden. Stützt sich die Ablehnung auf § 31 Abs. 1 Z 4 VwGG, so hat die Partei die hiefür maßgebenden Gründe glaubhaft zu machen.
6 Das Wesen der Befangenheit besteht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Hemmung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive. Der Befangenheitsgrund des § 31 Abs. 1 Z 4 VwGG liegt vor, wenn aus konkreten Umständen der Mangel einer objektiven Einstellung des Richters gefolgert werden kann (vgl. den hg. Beschluss vom 20.10.2015, Ra 2015/05/0053, mwN).
7 Es ist Sache der Ablehnenden, Gründe geltend zu machen, die auf die Möglichkeit des Vorhandenseins solcher unsachlichen psychologischen Motive hindeuten. Nach ständiger Rechtsprechung vermag der Umstand, dass eine Partei eine Entscheidung in materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Hinsicht für unzutreffend erachtet, sofern nicht damit im Zusammenhang konkrete Umstände glaubhaft gemacht werden, die auf den Mangel einer objektiven Einstellung des Richters hindeuten, keine hinreichende Grundlage für die Annahme einer Befangenheit zu bieten (vgl. den zitierten hg. Beschluss vom 20.10.2015, mwN).
8 Die Antragstellerin macht zwar die Unrichtigkeit des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 2020 geltend, sie bringt aber keine konkreten Umstände vor, die auf den Mangel einer objektiven Einstellung der abgelehnten Richterin gegenüber der Antragstellerin hindeuten könnten.
9 Dem Ablehnungsantrag war demnach gemäß § 31 Abs. 2 VwGG nicht stattzugeben.
Wien, am 1. Juli 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020080033.L01Im RIS seit
15.10.2020Zuletzt aktualisiert am
19.10.2020