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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Dipl.Ing. Ivan und der Margit Trifonov in Pürstendorf, vertreten durch Dr. Karl Claus, Rechtsanwalt in Mistelbach, Marktgasse 1-3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 10. September 1997, Zl. RU1-V-95253/02, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Wolfgang Meisel in Pürstendorf, vertreten durch Dr. Georg Stenitzer, Rechtsanwalt in Laa an der Thaya, Rathausgasse 4, 2. Marktgemeinde Ladendorf, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der erstmitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 23. Juni 1995 beantragte der Erstmitbeteiligte die Baubewilligung für einen Schweinezuchtstall und eine Güllegrube auf dem Grundstück Nr. 541, KG Pürstendorf. Über dieses Ansuchen wurde eine mündliche Verhandlung für 19. Juli 1995 anberaumt, zu der zahlreiche Anrainer, nicht jedoch die Beschwerdeführer, unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurden. In der Verhandlung vom 19. Juli 1995 sprachen sich die Anrainer gegen das Bauvorhaben wegen befürchteter Geruchsimmissionen aus. Die Behörde erster Instanz holte das Gutachten eines agrartechnischen Amtssachverständigen ein, der zusammengefaßt zu dem Schluß kam, daß eine Geruchszahl von 74,6 anzusetzen sei, die in einem sehr hohen Bereich liege, was letztlich auf die Größe der Anlage und des Tierbestandes zurückzuführen sei, wegen der landtechnischen Ausgestaltung des Stalles sei das Emissionsverhalten jedoch sehr günstig. Die Ausbreitungsbedingungen für die Stallabluft (Windverteilung und Geländeklimatologie) seien insbesondere für das nächstgelegene Bauland günstig und die Entfernung zum Bauland von 110 m und mehr bewirke zusätzlich eine starke Abschwächung und Verdünnung der Immissionen. Die in diesem Bauland zu erwartenden Immissionen würden daher das in einem Agrargebiet übliche und typische Ausmaß nicht überschreiten. Weiters führte der Gutachter aus, daß bei der weitesten Entfernung (240 m) im Falle des Zusammentreffens ungünstigster meteorologischer und betriebstechnischer Umstände aus immissionstechnischer Sicht eine vereinzelte, geringfügige Geruchswahrnehmung von diesem Stall nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne, es werde daher allen Personen, die in diesem Entfernungsbereich liegen, Parteistellung zuerkannt werden müssen,.
Der medizinische Sachverständige gab am 12. Oktober 1995 aufbauend auf dem agrartechnischen Gutachten, ein Gutachten ab, in dem er feststellte, die Entfernung zwischen den Abluftöffnungen des Stalles und den Grenzen fremder Nachbargrundstücke sei mit 110 m ausreichend weit, an 10 % der Tage wehe jedoch ein Wind von Süd-Südost, der Emissionen direkt in den Ort hineintrage, so ergebe sich, daß es zu Immissionen kommen könne, die durchaus in der Lage sein könnten, das Wohlbefinden zu stören bzw. Erkrankungen auszulösen. Abschließend müsse festgestellt werden, daß diese Situation nicht ortsuntypisch sei, da bereits mehrere andere Schweinezuchtbetriebe in einer vergleichbaren Größenordnung im Ort vorhanden seien.
Mit Erledigung vom 17. Oktober 1995 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung. Gegen diese Erledigung erhob ein Nachbar Berufung, die der Gemeinderat mit Erledigung vom Dezember 1995 abgewiesen hat. Die gegen diese Erledigung erhobene Vorstellung hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 12. März 1996 als unzulässig zurückgewiesen. Dies mit der Begründung, daß die Unterschrift auf dem Bescheid des Gemeinderates weder leserlich sei noch der Name des Vizebürgermeisters leserlich beigefügt worden sei, dasselbe gelte auch für die erstinstanzliche Erledigung. Es liege demnach kein Bescheid im Sinne des AVG vor, weshalb die Vorstellung als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.
Mit Bescheid vom 22. April 1996 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde dem Erstmitbeteiligten die Baubewilligung. Gegen diesen Bescheid erhoben zahlreiche Anrainer, unter ihnen die Beschwerdeführer, Berufung. Die mitbeteiligte Marktgemeinde holte medizinische Gutachten ein, in denen ausgeführt wurde, daß die zu erwartenden Immissionen das örtlich zumutbare Ausmaß nicht überschreiten würden.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 24. September 1996 wurde aufgrund der Berufung der Anrainer der Bescheid des Bürgermeisters vom 22. April 1996 ersatzlos aufgehoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Mehrheit des Gemeinderates sei der Ansicht, daß die Immissionsbelastung in der Katastralgemeinde Pürstendorf bereits jetzt schon unzumutbar sei und der geplante Schweinestall diese Geruchsbelästigung noch verstärken würde.
Aufgrund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung des Erstmitbeteiligten hat die belangte Behörde ein ergänzendes agrartechnisches Gutachten eingeholt. Mit Bescheid vom 3. April 1997 hat die Vorstellungsbehörde den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 24. September 1996 behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen "Verhandlung" und Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde zurückverwiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Gemeinderat hätte die notwendigen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch die Behörde erster Instanz durchführen lassen müssen oder selbst vorzunehmen gehabt. Jedenfalls hätte er den Bescheid des Bürgermeisters nicht ersatzlos beheben dürfen, ohne die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Baubehörde erster Instanz zu verweisen.
Mit Bescheid vom 9. April 1997 wurde der Bescheid vom 3. April 1997 dahingehend berichtigt, daß im Spruch des Bescheides das Wort "Verhandlung" durch "Behandlung" zu ersetzen sei.
Mit Bescheid vom 14. Mai 1997 hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufungen der Beschwerdeführer und anderer Anrainer "abgelehnt" und den Bescheid des Bürgermeisters vom 22. April 1996 betreffend die Baubewilligung bestätigt.
Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, gemäß § 66 Abs. 4 AVG sei immer in der Sache selbst zu entscheiden. Nach einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes sei die Errichtung eines Schweinestalles mit Massentierhaltung im Grünland (oder Bauland-Agrar) zulässig. Vom agrartechnischen Sachverständigen sei das Vorhaben positiv begutachtet worden. Aus den medizinischen Gutachten vom 15. April, 1. Juli und 18. September 1996 gehe hervor, daß das örtlich zumutbare Ausmaß an zu erwartenden Emissionen nicht überschritten werde. Immissionen bereits bestehender Betriebe dürften aufgrund der Rechtslage nicht in Zusammenhang mit der zu beurteilenden Immission aus einem konkreten Bauvorhaben gebracht werden.
Gegen diesen Bescheid erhoben zahlreiche Anrainer, unter ihnen die Beschwerdeführer, Vorstellung. In einem von der Vorstellungsbehörde beigeschafften Gutachten des Gebietsbauamtes I Korneuburg vom 13. Juni 1997, gerichtet an die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach, wurde ausgeführt, daß bei der Begutachtung des vorgelegten Bauvorhabens laut § 5 des Nö. Naturschutzgesetzes zu überprüfen sei, ob eine Beeinträchtigung des inneren Gefüges des Landschaftshaushaltes oder eine Beeinträchtigung des Erholungswertes hervorgerufen werden könne. Beides könne bei plan- und beschreibungsgemäßer Ausführung weitgehend ausgeschlossen werden. Die Vorschreibung näher ausgeführter Auflagen sei erforderlich, die Boden- und Wandflächen der Güllegrube seien flüssigkeitsdicht herzustellen. Im wasserrechtlichen Verfahren holte die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach ein Gutachten vom 24. Juni 1997 ein, das der Vorstellungsbehörde ebenfalls vorgelegt wurde. In diesem Gutachten ist ausgeführt, daß dann, wenn die Abwasserkanäle und die Güllegrube ordnungsgemäß flüssigkeitsdicht und beständig gegen die Art der abgeleiteten Abwässer (säurebeständig) hergestellt werden, hiefür keine wasserrechtliche Bewilligungspflicht abgeleitet werden könne. Durch die Versickerung der Dachflächenwässer auf dem zu bebauenden Grundstück sei eine Verunreinigung des Grundwassers bei fachgerechter Herstellung der Anlage nicht zu erwarten. Bei der Herstellung von Anlagen zur Versickerung seien diese ausreichend zu bemessen. Aufgrund der Inbetriebnahme des Schweinestalles könne eine wasserrechtliche Bewilligung gemäß § 32 Abs. 1 lit. f und g des Wasserrechtsgesetzes 1959 ausgelöst werden. Die Vorstellungsbehörde holte selbst ein weiteres Gutachten des agrartechnischen Sachverständigen ein, der in seinem Gutachten vom 14. Juli 1997 ausführte, mit dem agrartechnischen Gutachten vom 18. September 1995 sei nur die Entfernung der Abluftöffnungen des geplanten Stalles zu den Anrainergrundstücken, nicht aber der wesentlich geringere Abstand der Güllegrube angeführt und in die Begutachtung miteinbezogen worden, dies deshalb, da nur der Stall wegen seiner kontinuierlichen Zwangsentlüftung als dauernde Quelle von Geruchsemissionen einzustufen sei. Im Normbetrieb seien nur diese Emissionen für die Nachbarschaft von Bedeutung. Eine geschlossene Güllegrube sei im ungeöffneten Zustand außerhalb der Zeiten der Entleerung praktisch ohne Geruchsemission. Je größer die Güllegrube dimensioniert werde, desto weniger oft müsse diese geöffnet und entleert werden. Im vorliegenden Fall sei diese Öffnung und Entleerung gerade wegen der großzügigen Dimensionierung maximal 2 mal pro Jahr für insgesamt wenige Tage notwendig und es seien diese kurzfristigen Emissionen aus der Güllegrube im Vergleich mit den kontinuierlichen Stallemissionen aus emissionstechnischer Sicht zu vernachlässigen. Die hohe Lagerkapazität bedeute aber auch, daß der Zeitpunkt der Ausbringung flexibel sei und auf günstige Witterungssituationen und Bodenzustände abgestimmt werden könne. Es seien zwar auch für das Grünland Zumutbarkeitsgrenzen zu beachten, es lägen diese jedoch im Hinblick auf eine widmungsbezogene Abstufung zweifellos höher als in einem Bauland-Agrargebiet. Die Situation treffe auch für den hier zu beurteilenden Standort zu, an dem die unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstücke als Acker genutzt würden. Aufgrund der Widmung und Zweckbestimmung seien diese Grundstücke nicht für den ständigen Aufenthalt für Personen bestimmt, sondern für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung. Zusammenfassend ergebe daher die vergleichende, standortbezogene Abschätzung der Emissionen für die als Grünland-Landwirtschaft gewidmeten, unmittelbar angrenzenden Grundstücke, daß das hier eintreffende Ausmaß an Geruchsemissionen ein im Grünland widmungsgemäßes, widmungstypisches und in zahlreichen Fällen anzutreffenden Ausmaß keinesfalls überschreiten werde.
Nach Vorhalt dieses Gutachtens an die Beschwerdeführer hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 10. September 1997 unter Spruchpunkt 1 die Vorstellung von drei Einschreitern als unzulässig zurückgewiesen, die Vorstellung der übrigen Vorstellungswerber, unter ihnen der Beschwerdeführer, als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Beschwerdeführer wurde ausgeführt, die Betrachtung einer von den Beschwerdeführern gewünschten Gesamtgeruchssituation könne aufgrund bestehender Betriebe mit minderer technischer Ausstattung zur Benachteiligung eines Projektes, das dem Stand der Technik entspreche, führen. Wie der agrartechnische Sachverständige in seinem schlüssigen, nachvollziehbaren und mit den Denkgesetzen nicht im Widerspruch stehenden Gutachten ausgeführt habe, sei eine geschlossene Güllegrube außerhalb der Zeiten der Entleerung praktisch ohne Geruchsemission und führe deren Entleerung bei der gegenständlichen großzügigen Dimensionierung maximal 2 mal pro Jahr insgesamt einige wenige Tage zur Geruchsbelastung. Aufgrund der gegenständlichen Lüftungsanlage (des Stallgebäudes) sei gerade in der nächsten Umgebung die Geruchsemission gering. Den Ausführungen des Agrartechnikers, daß eine Geruchszahl von 74,6 im Grünland als eine vergleichsweise geringfügige, unterdurchschnittliche Emissionsquelle einzustufen sei, seien die Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Entgegen dem Vorstellungsvorbringen habe die Baubehörde nicht die Wasserrechtsbehörde beizuziehen; es könne gegebenenfalls ein Bauwerber verhalten sein, sich um die wasserrechtliche Bewilligung zu kümmern. Nach § 77 Abs. 1 erster Satz der Nö. Bauordnung 1996 seien die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes (1. Jänner 1997) anhängigen Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und, ebenso wie der Erstmitbeteiligte, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist festzustellen, daß die dem Bauvorhaben (Güllegrube) nächstgelegenen Grundgrenzen der Liegenschaften der Beschwerdeführer (Parzellen Nr. 107, 208, 209, 210 und 211) von diesem ca. 110 m entfernt sind, die nächstgelegenen Abluftöffnungen des Stallgebäudes sind noch ca. 16 m weiter von den Grundstücksgrenzen der Beschwerdeführer entfernt. Da aufgrund des agrartechnischen Gutachtens vom 18. September 1995 nicht auszuschließen war, daß auch die Beschwerdeführer, die dem erstinstanzlichen Verfahren nicht zugezogen worden waren, durch das Bauvorhaben in subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sein könnten, hat die Berufungsbehörde zu Recht die Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid inhaltlich behandelt und somit deren Parteistellung anerkannt. Einem diesbezüglichen Vorbringen in der Gegenschrift des Erstmitbeteiligten ist aber entgegenzuhalten, daß die Beschwerdeführer, da sie nicht unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG zur mündlichen Verhandlung am 19. Juli 1995 geladen wurden, mit ihrem Berufungsvorbringen nicht präkludiert sein konnten.
Gemäß § 118 Abs. 8 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Gemäß Abs. 9 dieses Paragraphen werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über
1.
den Brandschutz;
2.
den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;
3.
die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;
4.
die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.
Die Beschwerdeführer haben im verwaltungsbehördlichen Verfahren wegen der zu befürchtenden Geruchsbelästigung gegen das hier zu beurteilende Projekt in ihrer Berufung fristgerecht Einwendungen erhoben (vgl. zur Beachtlichkeit fristgerechter Einwendungen das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1987, Zl. 84/05/0043, BauSlg. Nr. 1021).
Gemäß § 62 Abs. 2 BO sind für Bauwerke, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Maß übersteigen, die zur Abwehr dieser Gefahren und Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen; diese Auflagen haben sich insbesondere auf Größe und Ausstattung der Stiegen, Gänge, Ausfahrten, Ausgänge, Türen und Fenster, besondere Konstruktionen der Wände und Decken, die Errichtung von Brandwänden sowie das Anbringen von Feuerlösch- und Feuermeldeanlagen zu beziehen. Zur Vermeidung von Umweltbelastungen kann die Baubehörde auch die Pflanzung und Erhaltung von Grünanlagen vorschreiben.
Gemäß § 100 Abs. 2 BO ist die Bewilligung zu versagen, wenn durch die Ausführung des Vorhabens Bestimmungen dieses Gesetzes, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, der NÖ Mineralölordnung, LGBl. 8270, einer auf Grund dieser Gesetze erlassenen Verordnung oder des NÖ Raumordnungsgesetzes, LGBl. 8000, über die Zulässigkeit von Bauführungen auf Flächen mit bestimmten Widmungs- und Nutzungsarten sowie über Vorbehaltsflächen und Bausperren verletzt werden.
§ 62 Abs. 2 leg. cit. verpflichtet somit die Baubehörde, wenn die in einer geplanten Baulichkeit nach deren Zweckbestimmung zu erwartenden Vorgänge erfahrungsgemäß das ortsübliche Maß übersteigende Belästigungen der Nachbarschaft erwarten lassen, durch Auflagen dafür Sorge zu tragen, daß durch eine entsprechende bautechnische Ausgestaltung der Baulichkeit ein erhöhter Schutz vor den zu erwartenden Belästigungen dieser Art sichergestellt ist. Diese Vorschrift dient nicht nur den öffentlichen Interessen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/05/0284, mwN). Aus § 62 Abs. 2 BO i.V.m. § 118 Abs. 8 und 9 leg. cit. erwächst daher den Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz z.B. vor Geruchsbelästigung. Der im § 62 Abs. 2 leg. cit. normierte allgemeine Schutz des Nachbarn vor Belästigungen durch Immissionen gewährt allerdings - anders als der durch einzelne Widmungs- und Nutzungsarten eingeräumte Immissionsschutz - keinen absoluten, zu einer Versagung des Bauvorhabens führenden Immissionschutz des Nachbarn. Die Baubehörde hat aber jene Anordnungen zu treffen, die Belästigungen der Nachbarn, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, hintanhalten. Unter der Voraussetzung der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Widmungs- und Nutzungsart haben die Nachbarn einen Anspruch darauf, daß sie durch die Vorschreibung nötiger Vorkehrungen vor das örtlich zumutbare Maß übersteigenden Gefahren und Belästigungen geschützt werden (vgl. nochmals das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, mwN). Die Grenze des zulässigen Ausmaßes an Immissionen richtet sich nach dem örtlichen Ausmaß, welches je nach der Umgebung der Örtlichkeit verschieden sein kann. Vorweg hat aber die Baubehörde zu prüfen, ob das Vorhaben mit der vorgeschriebenen Flächenwidmung vereinbar ist, dies insbesondere auch dann, wenn mit dem Bauvorhaben eine Erweiterung (Änderung) der Betriebstype vorgesehen ist (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, Seite 737).
Auf einem Grundstück mit der Widmungs- und Nutzungsart Grünland-Landwirtschaft ist die Errichtung eines Schweinestalles mit Massentierhaltung grundsätzlich zulässig (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 13. April 1993, Zl. 92/05/0028, betreffend die Errichtung eines Schweinestalles im Bauland-Agrargebiet gemäß § 16 Abs. 1 Z. 5 NÖ ROG). Auch wenn die Widmungskategorie Grünland-Landwirtschaft dem Anrainer keinen Schutz auf Einhaltung der Widmungskategorie gewährleistet, bietet ihm doch § 62 Abs. 2 BO einen Immissionsschutz. In einem Gebiet mit der Widmung Grünland-Landwirtschaft ist das örtlich zumutbare Maß von Geruchsbelästigungen höher anzusetzen als im Bauland-Agrargebiet, weil vor allem die durch eine Tierhaltung verursachten Geruchsbelästigungen in einem für die Massentierhaltung in Betracht kommenden Gebiet mit der Widmung Grünland-Landwirtschaft wohl intensiver sind. Das örtlich zumutbare Maß von Geruchsbelästigungen ist aber auch in einem Gebiet mit der Widmung Grünland-Landwirtschaft dann überschritten, wenn die - weder gesundheitsgefährlichen noch lebensgefährlichen - Geruchsbelästigungen das Wohlbefinden von Menschen in einem örtlich nicht mehr zumutbaren Maß stören (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1992, Zl. 92/05/0004). Schon an der Grundgrenze des Nachbarn dürfen keine solchen das örtlich zumutbare Maß übersteigenden Belästigungen eintreten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. März 1987, Zl. 86/05/0132, und vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/05/0217).
Ob eine Gefahr oder Belästigung seitens eines - als zulässig erkannten - Betriebes zu befürchten ist, hat die Behörde im Ermittlungsverfahren festzustellen. Sie hat sich hiebei im allgemeinen der Mithilfe von Sachverständigen, und zwar eines technischen und eines medizinischen Sachverständigen, zu bedienen. Sache des technischen Sachverständigen ist es, über das Ausmaß der zu erwartenden Immissionen und ihre Art Auskunft zu geben, während es dem medizinischen Sachverständigen obliegt, seine Meinung hinsichtlich der Wirkungen der Immissionen auf den menschlichen Organismus darzulegen (vgl. auch hiezu das schon erwähnte hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995).
Die Beschwerdeführer erblicken die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides in dem Umstand, daß der agrartechnische Sachverständige die Geruchszahl 74,6 aus der isolierten Beurteilung des Bauvorhabens gewonnen hat, also ohne Berücksichtigung der in Pürstendorf bereits bestehenden "Altlasten durch insgesamt 3 Schweinezucht- und Mastbetriebe."
Wie bereits ausgeführt, bietet die Widmungskategorie Grünland-Landwirtschaft dem Nachbarn keinen Anspruch auf Einhaltung der Widmungskategorie. Ihren Immissionsschutz können die Beschwerdeführer ausschließlich aus der Bestimmung des § 62 Abs. 2 BO ableiten. Diese Bestimmung ist jedoch ausschließlich auf das zu errichtende Bauwerk (und dessen Betrieb) ausgerichtet, nur im Hinblick auf dieses Bauwerk sind die erforderlichen Auflagen vorzuschreiben. Eine Rechtsgrundlage dafür, daß bei der Frage, ob für den geplanten Betrieb Auflagen erforderlich sind, bereits die in der Umgebung bestehenden "Altlasten" mitzuberücksichtigen sind, bietet die Bestimmung des § 62 Abs. 2 BO nicht. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer waren die Baubehörden auch nicht gehalten, im baubehördlichen Bewilligungsverfahren einen Vertreter der Wasserrechtsbehörde beizuziehen. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, ist die Berücksichtigung einer Gefährdung des Grundwassers bei verfassungskonformer Auslegung als zum Wasserrecht gehörig anzusehen. Es ist lediglich der Bauwerber gehalten, dann, wenn sein Bauvorhaben auch einer Bewilligung der Wasserrechtsbehörde bedarf, diese Bewilligung einzuholen.
Hinsichtlich der Güllegrube hat der agrartechnische Amtssachverständige darauf hingewiesen, daß diese aufgrund ihrer Größe nur zweimal jährlich entleert wird und daß es sich hiebei um kurzfristige Immissionen handelt, die im Vergleich mit der kontinuierlichen Stallimmission zu vernachlässigen sind. Diesen Ausführungen sind die Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat der agrartechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten vom 14. Juli 1997 nicht ausgeführt, daß eine Gruchszahl von 74,6 im Grünland überdurchschnittlich hoch sei, diese Feststellung bezog sich vielmehr auf das Bauland-Agrargebiet. Hinsichtlich des Grünlandes stellte der Sachverständige vielmehr fest, daß eine Emissionsquelle mit einer Geruchszahl von 74,6 als eine vergleichsweise geringfügige, unterdurchschnittliche Emissionsquelle einzustufen sei. Die Vorschreibung von Auflagen im Sinne des § 62 Abs. 2 BO kam somit nicht in Betracht.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Das Mehrbegehren des Erstmitbeteiligten war abzuweisen, da im pauschalierten Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits berücksichtigt ist.
Schlagworte
Planung Widmung BauRallg3Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6Auflagen BauRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997050286.X00Im RIS seit
03.05.2001Zuletzt aktualisiert am
08.08.2009