TE Vwgh Beschluss 2020/6/23 Ro 2019/11/0011

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Veröffentlicht am 23.06.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs1a

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der E M in W, vertreten durch Dr. Peter Sellemond, Dr. Walter Platzgummer und Mag. Robert Sellemond, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Speckbacherstraße 25, gegen das am 5. Oktober 2017 verkündete und mit 1. Februar 2019 ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW-021/054/8983/2016-12, betreffend Übertretung nach dem Tabakgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wurde die Revisionswerberin, im Wesentlichen in Bestätigung des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 17. Juni 2016, schuldig erkannt, sie habe es als zur Vertretung nach außen Berufene zu verantworten, dass eine näher genannte Gesellschaft als Inhaberin eines Wettlokals, welches von einem nicht von vornherein beschränkten Personenkreis betreten werden könne und daher als öffentlicher Ort im Sinn des § 1 Z 11 Tabakgesetz, BGBl. Nr. 431/1995, in der Fassung BGBl. I Nr. 120/2008, zu qualifizieren sei, insofern gegen die Obliegenheiten betreffend den Nichtraucherschutz gemäß § 13 Tabakgesetz verstoßen habe, als zu einem näher genannten Zeitpunkt nicht dafür Sorge getragen worden sei, dass an diesem aus mehr als einem Raum bestehenden öffentlichen Ort nicht geraucht werde. Zum Zeitpunkt der Kontrolle seien in dem als Raucherraum verwendeten Raum, in welchem sich deutlich mehr Sitzplätze und Wett- und Fernsehbildschirme befunden hätten als im vorderen, als Nichtraucherraum verwendeten Raum, Aschenbecher aufgestellt und das Rauchen durch entsprechende Piktogramme gestattet gewesen und hätten dort drei Personen geraucht, obwohl in diesem Raum Rauchverbot bestanden habe.

2        Die Revisionswerberin habe dadurch § 14 Abs. 4 iVm § 13 Abs. 1 und § 13c Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 Z 3 Tabakgesetz übertreten, weswegen über sie eine Geldstrafe verhängt werde.

3        Unter einem sprach das Verwaltungsgericht Wien aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

4        Das Verwaltungsgericht stellte fest, das Wettlokal verfüge über zwei für Kunden zugängliche Räume, wobei der unmittelbar von der Straße aus zugängliche Kundenraum mit einer Größe von rund 146 m2 als Nichtraucherraum verwendet werde. In diesem Raum befänden sich neben einer Theke, an der Wetten angenommen würden, Sitzgelegenheiten mit niedrigen Tischen und Hochtischen, Fernseh- und Wettschirme sowie der Zugang zur Toilettenanlage. Von diesem Raum gelange man durch eine Türe in den etwas tiefer gelegenen zweiten, augenscheinlich schmäleren Kundenraum mit 138,32 m2, welcher als Raucherraum verwendet werde, und in welchem sich ausschließlich niedrige Tische mit je vier Sitzgelegenheiten sowie Wett- und Fernsehschirme befänden. Der Stil der Ausstattung und Einrichtung der beiden Räume sei annähernd ident. Zum Zeitpunkt der Kontrolle hätten sich in dem als Raucherraum verwendeten hinteren Raum deutlich mehr Sitzplätze und Wett- und Fernsehbildschirme sowie Wettterminals befunden als im vorderen, als Nichtraucherraum verwendeten Raum. In beiden Räumen habe es Getränkeautomaten gegeben. Im Raucherraum seien Aschenbecher aufgestellt und das Rauchen durch Piktogramme gestattet gewesen und hätten drei Personen geraucht. In diesem Raum hätten sich mehr Personen als im vorderen Raum befunden.

5        Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, bei dem Wettlokal handle es sich um einen öffentlichen Ort iSd § 1 Z 11 Tabakgesetz. Strittig sei, ob es sich bei dem hinteren Kundenraum, der als „Raucherraum“ gekennzeichnet sei und als solcher den Kunden zur Verfügung stehe, um einen Raum iSd § 13 Abs. 2 Tabakgesetz handle. Nach diesem Ausnahmetatbestand seien die Voraussetzung für eine Bezeichnung von Räumen, in denen das Rauchen gestattet sei, das Verbot, dass Tabakrauch in den mit Rauchverbot belegten Bereich dringe, und dass das Rauchverbot mit der Einrichtung des Raucherraumes nicht umgangen werde, was etwa dann der Fall wäre, wenn der Raucherraum eine für die Kunden „bessere“ Ausstattung und Infrastruktur bzw. ein größeres Flächen- bzw. Platzangebot als der Nichtraucherraum aufweise. Zwar sei in dem gegenständlichen Wettlokal der Nichtraucherraum geringfügig größer als der Raucherraum, könne unmittelbar von der Straße aus betreten werden und seien von diesem Raum aus die Toiletten erreichbar. Der Raucherraum sei jedoch eindeutig für länger Verweilende „besser“ ausgestattet gewesen, weil sich dort deutlich mehr Sitzplätze, Wett- und Fernsehbildschirme sowie - mit Ausnahme der Wettannahmetheke - Wettterminals befunden hätten. Für Kunden, die das Wettlokal nach Abgabe einer Wette nicht sofort wieder verlassen würden, sondern dort verbleiben und den Spielverlauf auf Bildschirmen verfolgen würden, stelle sich der Raucherraum - auch als Ergebnis eines Ortsaugenscheins durch das erkennende Gericht - als „attraktiver“ dar. Der Ausnahmetatbestand des § 13 Abs. 2 Tabakgesetz sei daher nicht vorgelegen. Der Raucherraum müsse gegenüber dem Raum, in dem das Rauchen nicht gestattet gewesen sei, auf Grund seiner Ausstattung als „übergeordnet“ angesehen werden. Es widerspreche der Intention des Gesetzgebers, einen Raucherraum zum Schutz der Nichtraucher als „Nebenraum“ (gemeint wohl: „Hauptraum“) einzurichten. Für den Raucherraum habe als Raum eines öffentlichen Ortes Rauchverbot bestanden. In diesem Raum seien aber Aschenbecher aufgestellt und das Rauchen durch Piktogramme gestattet gewesen. Drei Personen hätten dort tatsächlich geraucht.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (ordentliche) Revision, die das Verwaltungsgericht unter Anschluss der Verfahrensakten und der Revisionsbeantwortung der belangten Behörde vorgelegt hat.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

10       Ein Revisionswerber hat nach ständiger hg. Rechtsprechung auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Dies ist so zu verstehen, dass eine ordentliche Revision zurückzuweisen ist, wenn die in der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs des Verwaltungsgerichts vertretene Auffassung über das Vorliegen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG, von deren Lösung die Entscheidung über die Revision abhänge, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt wird und in der ordentlichen Revision unter Zulässigkeitserwägungen keine andere Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung konkret dargelegt wird (vgl. VwGH 25.2.2020, Ro 2018/11/0012 bis 0025, mwN).

11       Das Verwaltungsgericht begründet die Zulassung der Revision damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, wie die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Tabakgesetz „in einem Fall wie dem vorliegenden auszulegen sind“.

12       Die Revision schließt sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts an. Ergänzend führt sie aus, „allzu unbestimmte Strafnormen“ seien grundrechtswidrig. So wie die belangte Behörde und das Verwaltungsgericht § 13 Abs. 2 Tabakgesetz ausgelegt hätten, herrsche in diesem Bereich ohne Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof absolute Unvorhersehbarkeit in Hinblick auf die Anwendung der Strafvorschrift. Die einzige gesetzliche Vorgabe, dass nämlich Tabakrauch nicht in den Nichtraucherbereich dringen dürfe, werde „mit den aus anderen Quellen“ hervorgehenden Begriffen „Hauptraum“ und „Nebenraum“ sowie „übergeordnet“ vermengt. Es würden Beurteilungsmaßstäbe angelegt, die weder durch das Gesetz noch durch bestehende Judikatur gedeckt seien. Eine grundsätzliche Klärung der tatsächlich anzulegenden Beurteilungskriterien sei „von weit über den Anlassfall hinausgehender grundsätzlicher Bedeutung“, insbesondere weil eine bis zum Jahr 2018 erwartete gesetzliche Änderung nicht erfolgt sei.

13       Weder in der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts noch in der vorliegenden Revision wird mit diesen Zulässigkeitsausführungen konkret eine Rechtsfrage formuliert, zu der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fehle und von deren Klärung die Behandlung der Revision abhinge. Inwiefern das Verwaltungsgericht durch die Verwendung der Begriffe „übergeordneter“ Raum und „Nebenraum“ (gemeint wohl: „Hauptraum“) von der hg. Rechtsprechung abgewichen sei, legt die Revision ebenfalls nicht konkret dar.

14       Die Revision begründet ihre Zulässigkeit weiters damit, dass angesichts des Zeitpunktes der Tat (24. August 2015), der Entscheidung im Beschwerdeverfahren („7. September 2017“; richtig: 5. Oktober 2017) und der Zustellung der Entscheidung (18. Februar 2019) eine überlange Verfahrensdauer vorliege, welche „in Hinblick auf und in Abstimmung mit den zur Verjährung ergangenen Rechtsnormen“ die Aufhebung des in Revision gezogenen Erkenntnisses erfordere.

15       Auch damit legt die Revision keine konkrete Rechtsfrage dar, von deren Klärung die Behandlung der Revision abhinge, zumal angesichts der unstrittigen Zeitpunkte der Tatbegehung (24. August 2015), der Zustellung des Straferkenntnisses (23. Juni 2016), des Einlangens der Beschwerde bei der belangten Behörde (6. Juli 2016) sowie der mündlichen Verkündung des in Revision gezogenen Erkenntnisses (5. Oktober 2017) nicht erkennbar ist, dass das Straferkenntnis der belangten Behörde gemäß § 43 Abs. 1 VwGVG außer Kraft getreten wäre (die 15-monatige Frist endete nach der Aktenlage am 6. Oktober 2017) oder dass gemäß § 31 Abs. 2 VStG Strafbarkeitsverjährung eingetreten wäre (die dreijährige Frist endete nach der Aktenlage am 24. August 2018) (vgl. VwGH 11.12.2017, Ra 2017/03/0111, mwN, wonach durch die mündliche Verkündung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sowohl die Frist des § 31 Abs. 2 VStG als auch jene des § 43 Abs. 1 VwGVG gewahrt wird).

16       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 23. Juni 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019110011.J00

Im RIS seit

12.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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