TE OGH 2020/5/27 5Ob24/20w

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Veröffentlicht am 27.05.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** H*****, vertreten durch Dr. Othmar Knödl, Mag. Manfred Soder, Rechtsanwälte in Rattenberg, gegen die beklagte Partei e***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Schubert, Rechtsanwalt in Wien, wegen 7.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 5.100 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 15. November 2019, GZ 53 R 210/19t-31, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 9. Juli 2019, GZ 12 C 837/18s-26, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 912,41 EUR (darin 152,07 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.216,91 EUR (darin 83,65 EUR USt und 715 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin und die Beklagte schlossen im August 2013 einen Leasingvertrag über einen Personenkraftwagen mit einer auf insgesamt 5 Jahre verlängerten Laufzeit.

Bestandteil dieses Leasingvertrags waren die Allgemeinen Leasingbedingungen (ALB) der Beklagten. Die für das Revisionsverfahren wesentlichen Klauseln der ALB lauten:

„[...]

8.3. Nach Rückstellung des LO [Anm.: Leasingobjekt] nach Ablauf der Vertragslaufzeit wird der LG [Anm.: Leasinggeber] die Schätzung des Händlerankaufswertes durch einen gerichtlich beeidigten Sachverständigen veranlassen, Kaufanbote einholen und auf Basis des Bestbotes verwerten. Der LN [Anm.: Leasingnehmer] hat dem LG einen allfälligen Mindererlös (Differenz aus kalkulatorischem Restwert zuzüglich anfälliger Zahlungsrückstände und Bestbot abzüglich aufgelaufener Verwertungskosten) aus dieser Verwertung des LO binnen 8 Tagen nach Bekanntgabe zu ersetzen. Ein allfälliger über die Restforderung (Differenz aus kalkulatorischem Restwert zuzüglich allfälliger Zahlungsrückstände und Bestbot abzüglich aufgelaufener Verwertungskosten) hinausgehender Verkaufserlös ist zu 75 % dem LN gut zu bringen, vorausgesetzt den LG trifft kein Verschulden an der Vertragsbeendigung. Erfolgt die Rückstellung bzw. Verwertung nicht aus Verschulden des LN, so hat er nur 75 % eines anfälligen Mindererlöses zu tragen. Resultiert der Mindererlös aus einer Obliegenheitsverletzung (insbesondere einem Verschulden des LN an der Leistungsfreiheit der Versicherung) so hat der LN den Mindererlös zur Gänze zu tragen.

8.4. Erklärt der LN nach Ablauf der Vertragslaufzeit zeitgleich mit der Rückstellungsaufforderung, das LO ankaufen zu wollen oder benennt er einen Dritten, der das LO gewährleistungsfrei gegen Barzahlung ankauft (diesfalls haftet der LN für die Einbringlichmachung des Kaufpreises), so steht es dem LG frei, dieses Anbot anzunehmen oder gemäß 8.3. vorzugehen.

[...]

8.6. Sollte der LG aus der Verwertung des LO, insbesondere wegen Mängel des LO, in Anspruch genommen werden, hat der LN dem LG hieraus resultierende Nachteile binnen 14 Tagen nach Aufforderung zu ersetzen (ausgenommen sind Mängel, die das LO bereits bei der ursprünglichen Übergabe aufwies).“

Im März 2018 – kurz vor Auslaufen des Leasingvertrags – übermittelte die Beklagte der Klägerin ein Kaufanbot für das geleaste Fahrzeug. Der Angebotskaufpreis von 8.265,80 EUR entsprach dabei dem vertraglichen Restwert. Das Kaufanbot sah vor, dass der Kaufgegenstand bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises im Eigentum des Verkäufers verbleibt. Die Klägerin nahm dieses Kaufanbot an und zahlte im April 2018 den Kaufpreis. Mit Schreiben vom 17. 5. 2018 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass durch die vollständige Zahlung des Kaufpreises das Eigentum am Fahrzeug auf sie übergegangen sei.

Am 19. 5. 2018 trat am Fahrzeug ein schwerer Motorschaden ein. Dieser ist darauf zurückzuführen, dass bei einer im März 2018 im Auftrag der Klägerin in einer Autofachwerkstätte durchgeführten Reparatur die Befestigungsschraube der Spannrolle des Keilriemens gelockert, aber nicht mehr festgezogen wurde.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten – gestützt auf Gewährleistung und Schadenersatz – die Zahlung von 7.000 EUR sA. Das zunächst geleaste und dann gekaufte Fahrzeug habe im Zeitpunkt der Übergabe einen Mangel aufgewiesen, der ursächlich für den Motorschaden gewesen sei. Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, das Fahrzeug vor Verkauf zu überprüfen. Dabei wäre der Mangel aufgefallen und die Beklagte hätte diesen beheben können. Die Kosten für die Reparatur des Fahrzeugs beliefen sich auf zumindest 7.000 EUR. Die Klägerin habe auch einen Preisminderungsanspruch in dieser Höhe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die von der Klägerin geltend gemachten Gewährleistungs- und/oder Schadenersatzansprüche bestünden aus mehreren, näher ausgeführten Gründen nicht zu Recht. Die Beklagte wandte zudem – gestützt auf die „Differenzhaftung“ der Klägerin nach Punkt 8.3. der ALB – eine Gegenforderung in Höhe der Klageforderung aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 6.800 EUR statt. Maßgebender Zeitpunkt für das Vorliegen eines Mangels sei die tatsächliche Übergabe. Diese Übergabe sei hier durch Besitzauflassung erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt sei die Befestigungsschraube, bereits gelockert gewesen was zum Motorschaden geführt habe. Die Beklagte habe daher für diesen „Weiterfresserschaden“ in Höhe der mit 6.800 EUR festgestellten Kosten der Behebung des Motorschadens einzustehen. Die Gegenforderung der Beklagten bestehe hingegen nicht zu Recht. Die Verpflichtung des Leasingnehmers nach Punkt 8.3. der ALB, dem Leasinggeber einen allfälligen Mindererlös aus der Verwertung des Leasingfahrzeugs zu ersetzen, könne nicht dazu führen, dass die Klägerin ihren Preisminderungsanspruch dadurch verliere, dass sie nach dessen Durchsetzung aufgrund dieser Verpflichtung der Beklagten einen Betrag in gleicher Höhe leisten müsse. Das führte im Ergebnis zu einer Umgehung des in § 9 Abs 1 KSchG normierten Verbots der Einschränkung oder des Ausschlusses der Gewährleistungsrechte des Verbrauchers.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es sprach aus, dass nicht nur die Klageforderung mit 6.800 EUR, sondern auch die Gegenforderung mit 5.100 EUR zu Recht bestehe und änderte das Urteil des Erstgerichts entsprechend ab. Das Erstgericht habe aus dem Kaufvertrag zutreffend den Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Reparaturkosten abgeleitet. Maßgebend für die Beurteilung, ob im Sinn des Gewährleistungsrechts ein Mangel vorliege, sei grundsätzlich der Zeitpunkt der tatsächlichen Übergabe. Die Sachinnehabung aufgrund des (früheren) Leasingvertrags bedeute nicht, dass diese Gefahr ausnahmsweise schon vor der Übergabe in Erfüllung des (späteren) Kaufvertrags auf den Erwerber übergegangen sei. Wollte man die im Leasingvertrag getroffene Regelung der Sachgefahr zur Beurteilung von Gewährleistungsansprüchen heranziehen, würde im Fall des Ankaufs des Fahrzeugs durch den Leasingnehmer nämlich dessen Gewährleistungsrecht entgegen § 9 Abs 1 KSchG beschränkt. Aber auch die aus dem Leasingvertrag abgeleitete Gegenforderung der Beklagten bestehe zum Teil zu Recht. Im Finanzierungsleasing sei es grundsätzlich zulässig, die Sach- und Preisgefahr für die Zeit nach ordnungsgemäßer mängelfreier Übergabe auf den Leasingnehmer zu überwälzen, sodass dieser das Risiko der Wertminderung trage. Die vereinbarten Leasingbedingungen für die Rückstellung des Leasingobjekts (Punkt 8. der ALB) seien daher zulässig. Im Zusammenhalt betrachtet ergebe sich aus den Bestimmungen der Punkte 8.3. und 8.6., dass der Leasingnehmer jenen Mindererlös – zur Gänze oder mit 75 % – zu tragen habe, der sich dadurch ergebe, dass der Leasinggeber wegen Mängel des Leasingobjekts Verbesserungskosten oder eine Preisminderung zu tragen habe. Es sei nicht sachgerecht, zwischen dem Ankauf des Leasingobjekts durch einen Dritten oder durch den Leasingnehmer selbst zu differenzieren, weil sonst die zulässige Verschiebung des Gefahrenrisikos als Wesensmerkmal eines Finanzierungsleasings ausgehebelt würde. Die Beklagte könne daher ihrerseits mit einer Gegenforderung aus dem Leasingvertrag in der Höhe von 75 % der Minderung des Kaufpreises aufrechnen. Eine Obliegenheitsverletzung könne der Klägerin nämlich nicht angelastet werden.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu. Der Beurteilung der Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche der Klägerin aus dem Kaufvertrag einerseits und der Ansprüche der Beklagten aus dem Leasingvertrag im Hinblick auf die dadurch bedingte Minderung des Restwerts des Fahrzeugs andererseits komme erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung abzuändern und das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der Klägerin als unzulässig zurückweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein das Zurechtbestehen der Gegenforderung der Beklagten. Nur die Klägerin ficht die Entscheidung des Berufungsgerichts insofern an, als die Gegenforderung mit einem Betrag von 5.100 EUR als zu Recht bestehend erkannt wurde.

2.1. Die Beklagte stützte ihre Gegenforderung auf die „Differenzhaftung nach Punkt 8.3.“ der ALB. Nach dieser Bestimmung des Leasingvertrags hafte die Klägerin für einen „Mindererlös“, das sei „die Differenz aus dem kalkulatorischem Restwert zuzüglich allfälliger Zahlungsrückstände und dem Bestbot abzüglich aufgelaufener Verwertungskosten“. Sei das Klagebegehren berechtigt und habe die Beklagte der Klägerin den entsprechenden Betrag zu zahlen, entstehe der Beklagten ein „Mindererlös“ in Höhe dieses Betrags.

2.2. Auf den hier zu beurteilenden Ankauf des Leasingobjekts durch den Leasingnehmer ist Punkt 8.3. der ALB schon seinem klaren Wortlaut nach nicht anzuwenden. Nach dieser Klausel hat der Leasingnehmer dem Leasinggeber einen allfälligen Mindererlös aus der Verwertung des zurückgestellten Leasingobjekts durch Verkauf an den Bestbieter – bei einer Obliegenheitsverletzung zur Gänze, sonst zu 75 % – zu ersetzen. Dieser Mindererlös ergibt sich aus der Differenz des kalkulatorischen Restwerts zuzüglich anfälliger Zahlungsrückstände und dem Bestbot abzüglich aufgelaufener Verwertungskosten. Eine solche Verwertung fand hier nicht statt. Die Beklagte übte vielmehr das ihr in Punkt 8.4. der ALB ausdrücklich eingeräumte Wahlrecht aus und bot der Klägerin den Ankauf des Fahrzeugs an. Der Kaufpreis entsprach dabei dem vertraglichen Restwert, sodass die Beklagte auch keinen Mindererlös iSd Punkt 8.3. erzielt hat.

2.3. Für die Frage, wen im Zuge der Verwertung das Gewährleistungs- und/oder Schadenersatzrisiko gegenüber dem Käufer des Leasingfahrzeugs wirtschaftlich trifft, ist vielmehr Punkt 8.6. der ALB einschlägig. Danach hat der Leasingnehmer dem Leasinggeber, sollte dieser aus der Verwertung des Leasingobjekts, insbesondere wegen bei der ursprünglichen Übergabe noch nicht vorhandener Mängel des Leasingobjekts, in Anspruch genommen werden, hieraus resultierende Nachteile zu ersetzen. Auch das Berufungsgericht gewinnt sein Ergebnis primär aus dieser Regelung, auch wenn es diese im Zusammenhalt mit den Punkten 8.3. und 8.4. liest und anwendet.

2.4. Der Revisionswerberin ist jedoch darin zuzustimmen, dass sich die Beklagte im Verfahren vor dem Erstgericht nicht auf eine Ersatzpflicht nach Punkt 8.6. der ALB berufen und auch kein (ausreichendes) Tatsachenvorbringen dazu erstattet hat. Die Gerichte haben aber nur alle jene relevanten Umstände festzustellen und zu berücksichtigen, die in den Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes fallen (RS0040318). Wenn der Entscheidung – wie hier Punkt 8.6. der ALB – in diesem Sinn unzulässige überschießende Feststellungen zugrunde gelegt werden, wird eine Rechtssache schon deshalb unrichtig beurteilt (RS0040318 [T2]; RS0036933 [T10, T11, T12]; RS0037972 [T11]; RS0112213 [T1, T4]). Eine Auseinandersetzung mit der Richtigkeit des Auslegungsergebnisses des Berufungsgerichts und der Frage der Rechtswirksamkeit einer so verstandenen Vereinbarung hat daher zu unterbleiben. Die von der Revisionswerberin aufgeworfene Frage, ob die Bestimmung des § 9 KSchG dieser Auslegung der relevanten Klauseln entgegensteht, weil damit wirtschaftlich betrachtet die Gewährleistungsrechte der Klägerin ausgeschlossen oder eingeschränkt würden, ist hier ebenso wenig zu klären, wie die Frage, ob dieses Auslegungsergebnis eine – unzulässige (RS0128735) – geltungserhaltende Reduktion einer iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligenden und/oder iSd § 6 Abs 3 KSchG intransparenten Klausel bedeutet.

3. Der von der Beklagten geltend gemachte Anspruchsgrund deckt deren Gegenforderung nicht. Der Revision war daher Folge zu geben und das Ersturteil im Ergebnis wiederherzustellen.

4. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E128603

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00024.20W.0527.000

Im RIS seit

22.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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