TE Lvwg Erkenntnis 2019/3/13 VGW-162/017/13096/2018

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Veröffentlicht am 13.03.2019
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Entscheidungsdatum

13.03.2019

Index

27/01 Rechtsanwälte

Norm

RAO §50 Abs2 litc sub litaa

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Föger-Leibrecht über die Beschwerde des Herrn Dr. A. B. vom 03.08.2018 gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 29.05.2018, GZ …,

zu Recht erkannt:

I.     Gemäß § 28 VwGVG wird der Beschwerde keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem angefochtenen, im Vorstellungsweg ergangenen Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien, GZ: …, wurde der Antrag des nunmehrigen Beschwerdeführers (in der Folge: Bf) vom 16.10.2017 auf Zuerkennung einer vorzeitigen Altersrente ab 01.11.2017 gemäß § 26 iVm § 29 Satzung Teil A 2018 abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gemäß der Satzung eine Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente nur unter der Voraussetzung des Verzichts auf die Rechtsanwaltschaft wo immer möglich sei und der Antragsteller auf seine Zulassung in Deutschland und der Schweiz nicht verzichtet habe, weshalb eine vorzeitige Altersrente nicht gewährt werden könne.

In seiner frist- und formgerecht erhobenen Beschwerde führt der Bf im Wesentlichen aus, dass er durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Erwerbstätigkeitsfreiheit und Freiheit der Berufsausübung sowie Unversehrtheit des Eigentums verletzt sei. Der Beschwerdeführer sei als österreichischer Rechtsanwalt und nicht als europäischer Rechtsanwalt in Österreich tätig. Er sei in Deutschland als deutscher Anwalt seit 08.03.1984 zugelassen und seit 2007 auch in der Schweiz als Rechtsanwalt zugelassen. Die Zulassung als Rechtsanwalt sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz sei unabhängig von der Zulassung in Österreich und werde durch die Zulassung in Österreich oder österreichischer Rechtsvorschriften in keiner Weise bestimmt oder geregelt. Mit seiner Satzungsbestimmung („wo auch immer“) maße sich der Beschwerdegegner an, über die Republik Österreich hinaus Regelungen zu treffen und somit „Rechtsnormen“ zu setzen und gleichsam Sachverhalte in anderen EU-Staaten, aber auch in der Schweiz verbindlich gestalten und regeln zu wollen, ohne hierzu durch irgendeine Rechtsnorm und Ermächtigungsgrundlage befugt zu sein. Die Rechtsanwaltsordnung könne nur das Berufsrecht der Rechtsanwälte im eigenen Land verbindlich regeln. Die österreichische Rechtsanwaltsordnung oder Satzung einer Rechtsanwaltskammer regle ausschließlich und könne daher ausschließlich lediglich die Anforderungen und Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Österreich regeln. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 RAO. Daher ergebe sich, dass die Regelung des § 50 RAO und Aufforderungen zum Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft „wo immer“ sich mangels Ermächtigungsgrundlage nicht auf die Fragen im Betreff anderer ausländischer Rechtsanwaltschaften beziehen könne. Eine Anwendung des § 50 RAO auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft in einem anderen Staat sei nicht erlaubt und rechtswidrig. Diese Regelung sei auch im Vergleich zu einschlägigen deutschen Regelungen unverhältnismäßig, zumal die deutschen Landesregelungen nicht einmal den Bezug der Rente von dem Verzicht auf anwaltliche Zulassungen in Deutschland bedingen, geschweige denn, maßen sich das Recht an, einen Verzicht auf die Anwaltszulassung in einem anderen europäischen Land zu verlangen. Berufsfreiheit und Berufsausübung seien sowohl durch das Grundgesetz als auch durch die Grundrechte der Europäischen Union garantiert und geschützt. Die Regelung des § 50 RAO verstoße daher gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, auf Erwerbsausübungsfreiheit und auf Unversehrtheit des Eigentums. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe die Verweigerung einer Alterspension als Eingriff in das Recht in den friedlichen Genuss des Eigentums qualifiziert.

Die belangte Behörde verweist in ihrer Stellungnahme vom 12.11.2018 auf die Ausführungen im Bescheid und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 02.12.2008, B 1989/06.

In seiner dazu abgegebenen Stellungnahme bekräftigt der Bf seine Beschwerdeausführungen und führt darüberhinaus aus, dass er 1996 österreichischer Rechtsanwalt geworden sei und habe damals weder das Gesetz noch die Satzung einen Verzicht auf die Zulassung im europäischen Ausland vorgesehen. Es sei eine belastende Maßnahme mit Rückwirkung, die in dieser Form und in der besonderen Konstellation als verfassungswidrig einzustufen sei.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

§ 50 Rechtsanwaltsordnung idgF lautet auszugsweise:

§ 50 (1) Jeder Rechtsanwalt und Rechtsanwaltsanwärter sowie deren Hinterbliebene haben bei Vorliegen der Voraussetzungen und bei Eintritt des Versorgungsfalls Anspruch auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung.

(2) Dieser Anspruch ist in den Satzungen der Versorgungseinrichtungen nach festen Regeln festzusetzen. Hiebei sind folgende Grundsätze zu beachten:

……

c) im Fall der Alters- und Berufsunfähigkeitsversorgung

aa) der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft im In- und Ausland;

…….“

Gemäß § 26 Abs. 1 der Satzung Teil A 2018 sind die Bedingungen für die Inanspruchnahme der Altersrente

1. der Erwerb eines Beitragsmonats,

2. die Erfüllung der Wartezeit gemäß § 19 Abs. 3,

3. die Vollendung

des 65. Lebensjahrs für Versicherte, die vor dem 1. Jänner 1949,

des 66. Lebensjahrs für Versicherte, die am oder nach dem 1. Jänner 1949 aber vor dem 1. Jänner 1959,

des 67. Lebensjahrs für Versicherte, die am oder nach dem 1. Jänner 1959, aber vor dem 1. Jänner 1969,

des 68. Lebensjahrs für Versicherte, die am oder nach dem 1. Jänner 1969, aber vor dem 1. Jänner 1979,

des 69. Lebensjahrs für Versicherte, die am oder nach dem 1. Jänner 1979, aber vor dem 1. Jänner 1989, 9 von 37

des 70. Lebensjahrs für Versicherte, die am oder nach dem 1. Jänner 1989 geboren sind,

4. bei Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten das Erlöschen des Rechts zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß § 34 RAO,

5.   bei niedergelassenen europäischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten der Nachweis der Beendigung der Zugehörigkeit der Rechtsanwältin oder des Rechtsanwalts zu diesem Beruf durch Bescheinigung der im Herkunftsstaat zuständigen Stelle oder der Beendigung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Ländern, die eine Eintragung als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt bei einer Standes- oder Registrierungsbehörde nicht vorsehen, und die Streichung aus allen Listen der niedergelassenen europäischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte,

6.  bei Rechtsanwaltsanwärterinnen und Rechtsanwaltsanwärtern der Verzicht auf die Eintragung in die Liste der Rechtsanwaltsanwärterinnen und Rechtsanwaltsanwärter,

7. der Verzicht auf die Eintragung in die Verteidigerliste (§ 39 Abs. 3 Strafprozessordnung 1975 in der vor Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes, BGBl. I Nr. 19/2004, geltenden Fassung) und

8. der Verzicht auf das Recht zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft wo immer.

Gemäß § 29 Abs. 1 Satzung Teil A 2018 kann eine vorzeitige Altersrente bis zu vier Jahre vor Erreichung des für die Altersrente maßgeblichen Alters
(§ 26 Z 3) in Anspruch genommen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen des § 26 vorliegen.

Gemäß Abs. 2 ist auf die vorzeitige Altersrente § 28 anzuwenden. Der sich daraus ergebende Betrag ist um 0,4 Prozent pro angefangenem Kalendermonat des vorzeitigen Rentenantritts zu kürzen.

Gemäß § 27 Abs. 1 Satzung Teil A 2018 entsteht der Anspruch auf Altersrente bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen mit dem auf die Antragstellung folgenden Monatsersten.

Zum Prüfungsumfang:

Gemäß § 27 VwGVG ist Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes der angefochtene Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG).

Auf Grund des Akteninhaltes steht folgender Sachverhalt/Verfahrensgang fest:

Der 1954 geborene Bf ist seit 24.05.1996 in die Liste der Rechtanwälte der Rechtsanwaltskammer Wien als Rechtsanwalt eingetragen und seit diesem Zeitpunkt in Österreich als Rechtsanwalt tätig. Der Bf ist weiter in der Schweiz und in Deutschland als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Schreiben vom 16.10.2017 beantragt der Bf die Auszahlung seiner Altersrente und erklärt sich bereit, seine Zulassung in Österreich aufzugeben. Seine Zulassungen in der Schweiz und in Deutschland werden von ihm nicht zurückgelegt.

Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien, Abt. VI vom14.11.2017 wurde der Antrag des Bf abgewiesen. Dagegen erhob der Bf Vorstellung und erging der nunmehr angefochtene Bescheid.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:

Der Bf bringt im Wesentlichen vor, dass § 50 Abs. 2 lit. c sub lit. aa) Rechtsanwaltsordnung als Ermächtigungsgrundlage für die hier anzuwendenden Satzungsbestimmungen verfassungswidrig sei und ihn in seinen Grundrechten verletze, weil die Rechtsanwaltsordnung nur das Berufsrecht der Rechtsanwälte im eigenen Land verbindlich regeln könne. Die Regelung müsse so ausgelegt werden, dass ein österreichischer Anwalt bei Bezug der Pension auf seine Tätigkeit als Rechtsanwalt in Österreich (Inland) und wenn er zusätzlich als europäischer Anwalt in einem anderen Mitgliedstaat tätig sei, auch auf diese verzichten müsse. Er übe jedoch seine Tätigkeit als deutscher oder Schweizer Anwalt in Deutschland oder in der Schweiz aus und werde daher auf keinen Fall Konkurrenz für die Rechtsanwälte in Österreich darstellen.

Die vom Bf getroffene Interpretation der hier anzuwendenden Gesetze bzw. Satzungsbestimmungen ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien nicht vom klaren Wortlaut der Regelungen umfasst. Der Anspruch auf Zuerkennung der vorzeitigen Alterspension ist klar daran geknüpft, dass ein Rechtsanwalt, der die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Alterspension bereits erreicht hat, seine Tätigkeit im In- und Ausland zurücklegen muss, unabhängig davon, ob es sich um einen österreichischen oder ausländischen Rechtsanwalt mit Zulassung in Österreich handelt. Der Verfassungsgerichtshof hat in der auch vom Bf zitierten Entscheidung vom 02.12.2008, B1989/06 folgendes ausgesprochen:

„Kein Verstoß des § 50 Abs 2 Z2 litc RAO gegen den Gleichheitssatz, das Eigentumsrecht und die Erwerbsausübungsfreiheit:

Keine Überschreitung des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums, wenn der Bezug der Altersrente an den Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft geknüpft wird, um im Zuge der Arbeitsmarktpolitik aktive Rechtsanwälte vor der Konkurrenz von bereits in den Ruhestand getretenen Rechtsanwälten zu schützen; auch keine verfassungswidrige Beschränkung des Eigentumsrechtes, Regelung im öffentlichen Interesse und nicht unverhältnismäßig; weiters kein Eingriff in das Recht auf Erwerbsausübung hinsichtlich der Ausübung der Rechtsanwaltschaft, zumal die Intention des Gesetzgebers nicht die Beschränkung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft, sondern die Einschränkung des Kreises der Pensionsbezieher auf emeritierte Rechtsanwälte ist.“

Der Verfassungsgerichtshof führt in diesem Erkenntnis auch aus, dass dem Gesetzgeber bei Regelungen der Berufsausübung – wie sie in der RAO getroffen werden – dem Gesetzgeber ein größerer Gestaltungsspielraum zukommt, als bei Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf beschränken.

Grund dieser Regelung ist der Schutz von aktiven Rechtsanwälten vor der Konkurrenz von bereits in den Ruhestand getretenen Rechtsanwälten. Der Konkurrenzschutz ist nach den hier anzuwendenden klaren und unbedenklichen Bestimmungen nicht in dem vom Beschwerdeführer eingeschränkten Sinn zu verstehen, sondern bezieht sich auch die Tätigkeit eines europäischen Rechtsanwalts und dessen Zulassungen im Ausland.

Aufgrund der eindeutigen Rechtslage und der dazu ergangenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes werden die Bedenken des Bf vom Verwaltungsgericht Wien nicht geteilt. Es bestehen auch vor dem Hintergrund der Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach zum Zeitpunkt der Aufnahme seiner anwaltlichen Tätigkeit im Jahr 1996 keine derartige Einschränkung im Hinblick auf den „europäischen“ Rechtsanwalt vorgesehen habe, keine verfassungs- bzw. grundrechtlichen Bedenken, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG war von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Vorzeitige Altersrente; Verzicht; Zulassung

Anmerkung

VfGH v. 12.6.2019, E 1515/2019; Ablehnung
VwGH v. 25.2.2020, Ra 2019/03/0120; Aufhebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.162.017.13096.2018

Zuletzt aktualisiert am

21.07.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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