TE Vwgh Erkenntnis 1998/2/24 97/05/0275

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Veröffentlicht am 24.02.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §59 Abs1;
AVG §59 Abs2;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Anton Blabensteiner in Mitterndorf, vertreten durch Dr. Franz Pruckner, Rechtsanwalt in Zwettl, Landstraße 17, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. September 1997, Zl. RU1-V-92071/01, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Hermine Hobel und 2. Gerhard Hobel, beide in Mitterndorf 3, 3. Marktgemeinde Martinsberg, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 18. Juli 1996 beantragten die erst- und zweitmitbeteiligten Bauwerber die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer im angeschlossenen Bauplan näher beschriebenen Jauchegrube auf ihren Grundstücken Nr. 157/1 und 157/2 der Liegenschaft EZ 7, KG Mitterndorf. An die vorbezeichneten Grundstücke der Bauwerber grenzt im Osten das Grundstück Nr. 154 der Liegenschaft EZ 8, KG Mitterndorf, des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer wurde zur mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG persönlich geladen.

In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 16. August 1996 findet sich nach Darstellung des Sachverhaltes zum Punkt "Erklärungen:" der Hinweis:

"Der erschienene Anrainer Anton Blabensteiner" (Beschwerdeführer) "hat sich vor Abfassung der Niederschrift entfernt, ohne konkrete Einwände zu Protokoll zu geben. Die übrigen ordnungsgemäß geladenen Anrainer sind zur Verhandlung nicht erschienen."

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 6. September 1996 wurde die beantragte Baubewilligung erteilt.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, es sei unterlassen worden, "auf den Bescheid so wie betont, den Anschlag über die Bauverhandlung zu vermerken und zu beurkunden, obwohl dies in der Niederschrift ausdrücklich angeführt ist". Weiters sei ihm nur ein Teil der Niederschrift der Bauverhandlung zugestellt worden. Es fehle der Teil, wo ausgeführt sei, welche Auflagen zu erfüllen seien. Diese Auflagen seien ihm völlig unbekannt. Es werde daher um die Zustellung der vollständigen Niederschrift ersucht. Die Ladung sei nicht entsprechend erfolgt. Es handle sich um eine Fotokopie, die nicht unterschrieben sei. Die Feststellung, daß sich der Beschwerdeführer vor Abfassung der Niederschrift entfernt hätte, sei unzutreffend. Zum Haus der Bauwerber, wo die Niederschrift abgefaßt worden sei, sei ihm der Zutritt verwehrt worden.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 13. März 1997 wurde die Berufung des Beschwerdeführers "gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1991 als unbegründet abgewiesen". In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, daß der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG zur Bauverhandlung geladen worden sei und an der Verhandlung auch bis zur Abfassung der Niederschrift teilgenommen habe. Von der Berufungsbehörde dürften nur diejenigen Einwendungen berücksichtigt werden, die spätestens bei der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden seien. Im übrigen wurden alle in der Berufung angeführten Punkte als unbegründet erachtet.

In seiner Vorstellung führte der Beschwerdeführer aus, obwohl auf der Ladung der Gemeinde Anschlage- und Abnahmedaten vorgedruckt seien, seien diese in seiner Ladung nicht angeführt worden. Zur Verhandlung seien entgegen der Anführung in der Ladung die Pläne nicht vorgelegt worden. Eine vollständige Niederschrift sei ihm nicht zugegangen. Die Gemeinde hätte die Verhandlung an einem neutralen Ort abhalten müssen und nicht im Privathaus der mitbeteiligten Bauwerber durchführen dürfen. Die Teilnahme an der Verhandlung sei ihm nicht ermöglicht worden. Bestimmungen des Luftreinhaltegesetzes und des Wasserrechtsgesetzes seien nicht beachtet worden. Durch das Projekt werde eine Geruchsbelästigung eintreten.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. September 1997 wurde "Die Vorstellung ... als unbegründet abgewiesen" (Inhalt des Spruches) und als Rechtsgrundlage § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-9, angeführt. In der Begründung wurde hiezu u.a. folgendes ausgeführt:

"Dem von der Marktgemeinde Martinsberg vorgelegten Auszug aus dem Sitzungsprotokoll der Gemeinderatssitzung vom 28. Februar 1997 ist zu entnehmen, daß im Punkt 2. lediglich der Beschluß gefaßt wurde, die Berufung als unbegründet abzulehnen. Die Begründung des nunmehr bekämpften Bescheides ist jedoch nicht Gegenstand der Beschlußfassung gewesen. Daher ist der Intimationsbescheid, welcher die oben angeführte Begründung enthielt, durch den Beschluß des Kollegialorganes Gemeinderat nicht gedeckt. Aufgrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird ein Vorstellungswerber dadurch in seinen Rechten verletzt und hat die Gemeindeaufsichtsbehörde diese inhaltliche Rechtswidrigkeit, auch wenn sie nicht geltend gemacht worden ist, wahrzunehmen, weshalb der bekämpfte Bescheid - lediglich aus diesem Grund - aufzuheben ist.

Inhaltlich ist Herrn Blabensteiner jedoch entgegenzuhalten, daß die Prüfungsbefugnis (sowohl der Berufungsbehörde als auch der Vorstellungsbehörde) auf rechtzeitig vorgebrachte Einwendungen beschränkt ist. Aus welchen Gründen auch immer der ordnungsgemäß geladene und zur Bauverhandlung erschienene Anrainer es unterlassen hat, an dieser wieder teilzunehmen und seine Einwände zu erheben, ist, wie der Begründung des bekämpften Bescheides zutreffend zu entnehmen ist, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtlich unerheblich. Im übrigen ist sogar vom Verwaltungsgerichtshof eine eingetretene Präklusion zu beachten, weshalb ein Eingehen auf die in der Vorstellung vorgebrachten Einwendungen unterbleiben muß.

Der Gemeinderat der Marktgemeinde Martinsberg wird daher einen neuerlichen Beschluß über die Abweisung der Berufung durch Herrn Blabensteiner zu fassen haben, wobei jedoch auch die Begründung dieses Bescheides vom Gemeinderatsbeschluß erfaßt sein muß."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich seinem gesamten Vorbringen in der Beschwerde zufolge offenkundig in dem Recht auf Versagung der baubehördlichen Bewilligung für das beschwerdegegenständliche Bauvorhaben verletzt.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 1997 legte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde einen den Parteien bereits zugestellten Bescheid des Gemeinderates vom 22. Dezember 1997 vor, mit welchem die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeistes vom 6. September 1996 als unbegründet abgewiesen wurde. In der Folge erstattete auch die mitbeteiligte Marktgemeinde eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 58 Abs. 1 AVG ist jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen und hat den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten.

Der Spruch des Bescheides gibt den Inhalt der mit dem Bescheid erlassenen Norm wieder und ist somit der wichtigste Bestandteil des Bescheides. Nur der Spruch erlangt rechtliche Geltung (Verbindlichkeit), nur er kann daher allenfalls rechtsverletzend sein (vgl. hiezu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 166 f, Rz 412, und die dort referierte hg.

Rechtsprechung). Begründungselemente des Bescheides vermögen einen normativ verbindlichen Abspruch, wie er mittels des Spruches eines Bescheides zu treffen ist, nicht zu ersetzen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. September 1982, Slg. Nr. 10.818/A). Die Begründung eines Bescheides kann nur zur Auslegung eines unklaren, allenfalls auch eines unvollständiges Spruches herangezogen werden (vgl. hiezu die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 445, dargestellte hg. Rechtsprechung).

Der Spruch des angefochtenen Bescheides der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. September 1997 ist weder unvollständig noch unklar. Die Formulierung des Spruches läßt keinen Zweifel daran, daß mit dem angefochtenen Bescheid die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Martinsberg vom 13. März 1997 abgewiesen wurde.

In der Begründung des die Vorstellung abweisenden Bescheides hat jedoch die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen, daß dem von der mitbeteiligten Marktgemeinde vorgelegten Auszug aus dem Sitzungsprotokoll der Gemeinderatssitzung vom 28. Februar 1997 zu entnehmen ist, daß im Punkt 2. lediglich der Beschluß gefaßt wurde, die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid als unbegründet abzuweisen. Die in der Ausfertigung dieses Bescheides enthaltene Begründung war offensichtlich nicht Gegenstand der Beschlußfassung. Kollegialorgane haben über die wesentlichen Begründungselemente der von ihnen erlassenen Bescheide zu beschließen. Ein Bescheid des Gemeinderates ist daher dann rechtswidrig, wenn nur der Spruch der Entscheidung Gegenstand der Abstimmung gewesen ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 94/05/0346). Da die belangte Behörde diese Rechtswidrigkeit ausschließlich in der Begründung des angefochtenen Bescheides aufgegriffen, die Vorstellung jedoch als unbegründet abgewiesen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der Vorstellungsbehörde Spruch und Begründung Verhältnis zu anderen Materien und Normen Gemeinderecht Vorstellung Vorstellung gemäß B-VG Art119a Abs5 Zurechnung von Bescheiden Intimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997050275.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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