RS Vfgh 2020/6/23 G297/2019, V104/2019

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Veröffentlicht am 23.06.2020
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Index

L5060 Hort, Kindergarten

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 Z1
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
Wr TagesbetreuungsG §1a, §5 Abs2 Z3
Wr TagesbetreuungsV §2, §4, §5
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Antrags des Verwaltungsgerichts Wien auf Aufhebung von Bestimmungen des Wr TagesbetreuungsG und der Wr TagesbetreuungsV; hinreichende inhaltliche Bestimmtheit der gesetzlichen Grundlage betreffend die bestmögliche Betreuung und Bildung der Kinder und Qualität der Pädagogik; keine Zweifel an der Zuständigkeit des Magistrates zur Genehmigung der Ausbildungslehrpläne

Rechtssatz

Keine Bedenken gegen §5 Abs2 Z3 des Wr TagesbetreuungsG idF LGBl 25/2019 (WTBG) sowie §2, §4 und §5 der Wr TagesbetreuungsV idF LGBl 26/2019 (WTBVO).

Die Wiener Landesregierung zieht im Ergebnis die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen in Zweifel, wenn sie ausführt, dass das antragstellende Gericht "kein rechtliches Interesse an der Fortführung des Beschwerdeverfahrens" habe, weil über das Einzelunternehmen der beteiligten Partei ein Insolvenzverfahren eröffnet und mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien dessen Schließung angeordnet worden sei. Diesem Vorbringen kann der VfGH nicht folgen. Ob im vorliegenden Fall die etwaige Genehmigung des von der beteiligten Partei beantragten Ausbildungslehrganges in Betracht kommt, hat das antragstellende Gericht denkmöglich im Ausgangsverfahren zu entscheiden.

Das antragstellende Gericht bezeichnet §5 Abs2 Z3 WTBG zwar in seinem Antrag als "§5 Z3 Wiener Tagesbetreuungsgesetz" bzw "§5 Z3 Wr Kindertagesheimverordnung", es gibt die Bestimmung jedoch in seinem Antrag wörtlich wieder, sodass für den VfGH erkennbar ist, dass §5 Abs2 Z3 WTBG Anfechtungsgegenstand ist. Die falsche Bezeichnung schadet daher im vorliegenden Fall nicht.

Die übrigen - nicht angefochtenen Regelungen - bilden keine untrennbare Einheit zu den angefochtenen Bestimmungen des 2. Abschnittes der WTBVO: Die nicht angefochtenen §3, §6 und §7 WTBVO wenden sich vielmehr an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an bestehenden Ausbildungslehrgängen bzw die Aufsichtsorgane des Magistrates.

Keine Bedenken gegen die Verordnungsermächtigung des §5 Abs2 Z3 WTBG und gegen §2, §4 und §5 WTBVO, wonach diese Bestimmungen keine gesetzliche Grundlage im WTBG hätten:

Nach den Erläuterungen zu §5 Abs2 Z3 WTBG komme dieser Bestimmung lediglich zur Verdeutlichung der bisherigen Verordnungsermächtigung eine ergänzende Funktion zu. Der Gesetzgeber erließ diese Ergänzung zur Verordnungsermächtigung durch LGBl 25/2019 zeitgleich mit der nunmehr teilweise angefochtenen WTBVO idF LGBl 26/2019.

Die Verordnung gemäß §5 WTBG hat unter anderem jene Bestimmungen zu enthalten, die sicherstellen, dass die Tagesbetreuung nach anerkannten Erkenntnissen der Pädagogik erfolgt und Gewähr für eine bestmögliche Betreuung und Bildung der Tageskinder bietet. Aus dieser Bestimmung wird die Absicht des Gesetzgebers deutlich, dass eine Durchführungsverordnung die Qualität der Pädagogik zu sichern hat. Darauf aufbauend stellt §5 Abs2 Z3 leg cit klar, dass eine derartige Verordnung insbesondere die "Voraussetzungen für die Genehmigung von Lehrplänen der Ausbildungslehrgänge für Kindergruppenbetreuungspersonen und Tagesmütter/-väter" festzulegen hat. Dieser Wortlaut umschreibt einen der Vollziehung zugänglichen Inhalt und bildet sohin eine ausreichende Grundlage für die Erlassung von Regelungen, welche die Ausbildungslehrgänge betreffen.

Die inhaltliche Bestimmtheit der zu erlassenden Verordnung ergibt sich insbesondere aus dem Umstand, dass auch §1a Abs1 WTBG konkrete Vorgaben festlegt, nach denen die Bildungsarbeit in der Tagesbetreuung zu erfolgen hat. Diese werden vom Gesetzgeber gemäß §1a Abs1 WTBG in den Anlagen 1 bis 5 zum WTBG, die Bestandteil des Gesetzes sind, spezifiziert. Weiters legt §1 Abs2 WTBG die Förderung bestimmter, im Gesetz genannter Kompetenzen fest. Schließlich sieht auch §2 WTBG vor, dass die Tagesbetreuung die altersspezifische Förderung der Tageskinder nach allgemein anerkannten, wissenschaftlichen Erkenntnissen der Pädagogik und nach den Grundsätzen der gewaltlosen Erziehung enthält.

Wenn das antragstellende Gericht im Ergebnis von einer formalgesetzlichen Delegation ausgeht, hat es unterlassen, sämtliche Bestimmungen heranzuziehen, die die gesetzliche Grundlage der WTBVO bilden und daher vor dem Hintergrund der vorgebrachten Bedenken der mangelnden gesetzlichen Determinierung inhaltlich zu §5 Abs2 Z3 WTBG hinzutreten. §§1a und 2 WTBG enthalten Grundlagen und Ziele für die Verordnung, die auch inhaltliche Voraussetzungen für die Genehmigung von Lehrplänen der Ausbildungslehrgänge für Kindergruppenbetreuungspersonen und Tagesmütter/-väter sind und damit eine gesetzliche Grundlage für die Erlassung einer Verordnung gemäß §5 Abs2 Z3 WTBG bilden.

Dem Verordnungsgeber kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn er insbesondere vor dem Hintergrund der Systematik des WTBG auf Grundlage des §5 Abs2 Z3 WTBG eine Genehmigungspflicht auf Grund der im Gesetz genannten inhaltlichen Vorgaben für Lehrpläne vorsieht, um die Ausbildung nach den im Gesetz genannten Zielen sicherzustellen. Auch gehen die in den §§4 und 5 WTBVO vorgesehenen Ausbildungsbereiche nicht über die in §§1a ff WTBG - bzw in den dort genannten Anlagen 1 bis 5 zum WTBG - festgelegten Inhalte hinaus.

Schließlich kann auch dem Vorbringen des antragstellenden Gerichtes, wonach das WTBG keine Regelung enthalte, welche Behörde zur Erteilung der "Ausbildungslehrgangslehrplangenehmigung" zuständig sei, nicht gefolgt werden. Wie die Wiener Landesregierung zutreffend ausführt, wird durch die §§2 ff WTBVO kein neuer Behördentypus geschaffen, vielmehr wird in der WTBVO auf den Magistrat als einschreitende Behörde verwiesen. Vor allem aber ordnet §10 WTBG die Vollziehung durch den Magistrat als Bezirksverwaltungsbehörde an. Deshalb hat die in Rede stehende "Ausbildungslehrgangslehrplangenehmigung" durch den Magistrat zu erfolgen. Vor diesem Hintergrund bestehen für den VfGH keine Zweifel daran, dass auch die WTBVO vom Magistrat zu vollziehen ist. Einer eigenen Vollziehungsbestimmung in der WTBVO bedarf es daher entgegen der Ansicht des antragstellenden Gerichtes nicht.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Kinder, Delegation formalgesetzliche, Auslegung eines Gesetzes, Legalitätsprinzip, Determinierungsgebot, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:G297.2019

Zuletzt aktualisiert am

08.09.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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