TE Vwgh Erkenntnis 1961/6/23 0346/59

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Veröffentlicht am 23.06.1961
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §236 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Wasniczek als Vorsitzenden und die Räte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Ministerialoberkommissärs Skarohlid als Schriftführer, über die Beschwerde der J S in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 24. Dezember 1958, Zl. GA VII - 2534/2 - 1958, betreffend Nachsicht von Einkommensteuerrückständen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines Mietwohnhauses, das durch Kriegseinwirkung schwer beschädigt worden war und in den Jahren 1946 bis 1951 unter Inanspruchnahme fremder Mittel wieder aufgebaut wurde. Dabei nahm die Beschwerdeführerin auch Baukostenzuschüsse von Mietern entgegen. Bei dieser Sachlage wäre sie berechtigt gewesen, gemäß Artikel IV des Steueränderungsgesetzes 1950, BGBl. Nr. 101/1950, die Steuerfreiheit der Baukostenzuschüsse, soweit ihnen Gebäudewiederherstellungskosten gegenüberstanden, in Anspruch zu nehmen, wie auch die Verteilung der Wiederaufbaukosten auf zehn Jahre zu beantragen. Sie machte jedoch von diesen rechtlichen Möglichkeiten infolge Gesetzesunkenntnis keinen Gebrauch. Ihr und ihres Ehemannes Einkommen wurde infolgedessen höher besteuert als es bei rechtzeitiger Inanspruchnahme der ihr auf Grund des Artikels IV des Steueränderungsgesetzes 1950 zustehenden Steuerbegünstigungen der Fall gewesen wäre.

Als sich dann im Zug einer Betriebsprüfung höhere Steuernachforderungen ergaben und der Steuerrückstand der Beschwerdeführerin schließlich die Höhe von S 32.412 erreicht hatte, beantragte die Beschwerdeführerin im Dezember 1954, daß ihr dieser Rückstand aus Billigkeitsgründen nachgelassen werde. Denn es bedeute eine Unbilligkeit, wenn die Steuer nur infolge der Unterlassung der Geltendmachung von gesetzlichen Steuerbegünstigungen in voller Höhe eingezogen würde.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit der Begründung ab, daß die Bestimmung des § 14 AbgEG nicht dazu mißbraucht werden dürfe, die Rechtskraftwirkung einer Veranlagung durch einfaches Nachholen von Anträgen zu umgehen, die rechtzeitig geltend zu machen schuldhaft verabsäumt worden sei.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie führte aus, daß die Entscheidung darüber, ob die Einziehung eines Steuerrückstandes unbillig sei, nicht in des freie Ermessen der Behörde gestellt sei, sondern einerseits von der Ermittlung des Sachverhaltes, andererseits von der Auslegung des Rechtsbegriffes der Unbilligkeit abhänge. Es käme dabei auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles an. Aus der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides sei jedoch nicht ersichtlich, warum bei dem gegenständlichen Sachverhalt eine Unbilligkeit nicht vorliegen sollte.

Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheide keine Folge. Sie begründete ihre abweisende Entscheidung damit, daß der Beschwerdeführerin zwar insofern zuzustimmen sei, daß es bei der Entscheidung über die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles anzukommen habe. Solche Umstände habe die Beschwerdeführerin aber gar nicht angeführt; sie habe vielmehr lediglich vorgebrach, daß sie es aus Unkenntnis der gesetzlichen Bestimmungen unterlassen habe, bestimmte steuerliche Begünstigungen in Anspruch zu nehmen. Nun habe der Gesetzgeber die Inanspruchnahme der hier in Rede stehenden Begünstigungen an eine bestimmte Antragsfrist geknüpft, die von der Beschwerdeführerin nicht eingehalten worden sei. Es würde der klaren Absicht des Gesetzgebers widersprechen, wenn im Weg einer Steuernachsicht die Folgen dieser Säumnis beseitigt würden, ohne daß Umstände des Einzelfalles diese Säumnis entschuldbar erscheinen ließen. In dieser Richtung habe aber die Beschwerdeführerin nichts vorgebracht. Auch könne eine Prüfung der Einkommensverhältnisse der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn wenn auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zur Rückzahlung von Darlehen verwendet werden müßten, sei doch der Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin und ihres Mannes durch die verhaltnismäßig hohen Einkünfte des Ehegatten aus nichtselbständiger Arbeit (Bruttobezug im Jahre 1957 von S 92.183) gedeckt und lasse die Abstattung der Steuerschuld in angemessenen Raten keineswegs als unbillig erscheinen.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde hat der Gerichtshof erwogen:

Gemäß § 14 Abs. 2 AbgEG können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einziehung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Eine solche Unbilligkeit kann unter Umständen auch gegeben sein, wenn der Steuerpflichtige es unterlassen hat, eine gesetzlich vorgesehene Steuerbegünstigung im Veranlagungsverfahren in Anspruch zu nehmen. Diesen Grundsatz hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 30. Jänner 1953, Slg. Nr. 705/F, ausgesprochen. Dabei kommt es jedoch immer entscheidend darauf an, aus welchen Gründen die Geltendmachung der Begünstigung unterblieben ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1956, Slg. Nr. 1371/F). Denn es kann selbstverständlich nicht jedes im Veranlagungsverfahren unterlaufene Versäumnis des Steuerpflichtigen durch ein Steuernachsichtsverfahren nachgeholt werden, weil ein solches Vorgehen zu einer unzulässigen Umgehung der Rechtskraftwirkung einer Veranlagung führen würde (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. März 1956, Slg. Nr. 1397/F, und vom 22. Dezember 1954, Slg. Nr. 1073/F). Die Beschwerdeführerin hätte daher besondere Umstände behaupten und nachweisen müssen, welche es in ihrem Fall ausnahmsweise rechtfertigen könnten, die durch die Unterlassung der Inanspruchnahme einer Steuerbegünstigung entstehende höhere Steuerlast im Weg einer Nachsicht zu verringern. Derartige Umstände hat aber die Beschwerdeführerin, wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheide zutreffend feststellt, überhaupt nicht dargelegt, ja sie hat nicht einmal irgendwelche Tatsachen vorgebracht, welche ihr seinerzeitiges Versäumnis als entschuldbar erscheinen ließen.

Dazu kommt noch, daß durch die Unterlassung des Antrages, die Wiederaufbaukosten auf zehn Jahre zu verteilen, kein totaler Rechtsverlust für die Beschwerdeführerin eingetreten ist. Denn es handelte sich bei der Absetzung der Wiederaufbaukosten - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. Dezember 1959, Slg. Nr. 2141/F, ausgeführt hat - um ein dreifaches Wahlrecht des Steuerpflichtigen. Die Möglichkeit, diese Absetzung im Wege der normalen AfA durchzuführen, blieb daher der Beschwerdeführerin auch im vorliegenden Fall erhalten.

Unter diesen Umständen hat die belangte Behörde das Vorliegen einer Unbilligkeit, die einen endgültigen Erlaß der Abgabenschuldigkeiten rechtfertigen würde, mit Recht verneint und im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse der Beschwerdeführerin bzw. ihres Ehemannes lediglich die Voraussetzungen für die ratenweise Abstattung der Steuerschuld als gegeben erachtet.

Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 23. Juni 1961

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1961:1959000346.X00

Im RIS seit

23.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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