TE Vwgh Erkenntnis 1998/2/24 97/11/0325

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Veröffentlicht am 24.02.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

AVG §68 Abs1;
VwGG §30 Abs2;
WehrG 1990 §35 Abs1;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2 idF 1997/690;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/11/0342

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerden des E in F, vertreten durch Mag. Michael Raffaseder, Rechtsanwalt in Freistadt, Hauptplatz 7, gegen die Bescheide des 1) des Bundesministers für Landesverteidigung vom 14. Oktober 1997, Zl. 777.848/1-2.7/96, betreffend Befreiung von der Präsenzdienstpflicht (hg. Zl. 97/11/0325), und 2) des Militärkommandos Oberösterreich vom 21. Oktober 1997, Zl. O/63/03/03/43, betreffend Einberufung zum Grundwehrdienst (hg. Zl. 97/11/0342), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Militärkommandos Oberösterreich wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 14. Oktober 1997 wurde der Antrag des im Jahr 1963 geborenen Beschwerdeführers vom 13. Mai 1996 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes gemäß § 36 a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 abgewiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Militärkommandos Oberösterreich vom 21. Oktober 1997 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 35 WG 1990 zur Leistung des Grundwehrdienstes vom 7. Jänner 1998 an einberufen.

In seinen an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerden macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes der angefochtenen Bescheide geltend und beantragt deren kostenpflichtige Aufhebung. Der belangte Bundesminister für Landesverteidigung hat zur Zl. 97/11/0325 eine Gegenschrift erstattet, in der er die kostenpflichtige Abweisung dieser Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerdesachen wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und darüber erwogen:

1) Der belangte Bundesminister für Landesverteidigung anerkannte das Vorliegen von wirtschaftlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers an seiner Befreiung von der Präsenzdienstpflicht. Deren besondere Rücksichtswürdigkeit wurde aber verneint.

Die wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers sah die belangte Behörde im Interesse an der Erhaltung und Führung seines landwirtschaftlichen Betriebes, die familiären Interessen in der Verpflichtung zur Obsorge gegenüber seinen zu 60 % in ihrer Erwerbsfähigkeit geminderten Eltern und gegenüber seinen beiden im Jahr 1996 geborenen Kindern.

Was die wirtschaftlichen Interessen anlangt, ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer neben der Führung seines landwirtschaftlichen Betriebes als Maurer "mit gewöhnlichen Arbeitszeiten" beschäftigt sei. Bei Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes sei ihm die Arbeitsleistung im eigenen Betrieb "in etwa ähnlichem Umfang" möglich. Darüber hinaus sei auch eine Mithilfe der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers (der Mutter der beiden Kinder des Beschwerdeführers und nunmehrigen Ehefrau) zumutbar. Die tägliche Arbeitszeit im landwirtschaftlichen Betrieb betrage ca. 4 Stunden.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen diese Argumentation mit dem Hinweis darauf, daß die Arbeiten im landwirtschaftlichen Betrieb täglich anfielen und aus diesem Grund bei Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes von ihm nicht verrichtet werden könnten. Es könne keine Rede davon sein, daß er zu den Arbeiten im landwirtschaftlichen Betrieb auch bei Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes "in ähnlichem Umfang" wie neben seiner unselbständigen Erwerbstätigkeit als Maurer zur Verfügung stehen könne, da er zumindest zeitweise "rund um die Uhr" in der Kaserne anwesend sein bzw. an Nachtübungen teilnehmen müsse.

Die belangte Behörde hat mit ihrer wiedergegebenen summarischen Begründung nicht ausreichend dargetan, daß dem Beschwerdeführer die Aufrechterhaltung des landwirtschaftlichen Betriebes, an der er nach der Feststellung der Behörde ein Interesse habe, auch während der Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes möglich sei. Auf den Umstand, daß er die Arbeiten täglich (zweimal) zu verrichten habe, wurde in der Begründung nicht eingegangen. Es liegt auf der Hand, daß es nicht vergleichbar ist, ob sich der Wehrpflichtige zur Verrichtung von Arbeiten im Rahmen einer unselbständigen Erwerbstätigkeit an Werktagen (nach Verrichtung eines Teiles der in der Betreuung von Vieh bestehenden Hof- und Stallarbeiten) von zu Hause weg begibt und nach der Rückkehr zu seinem Betrieb dort die restlichen Arbeiten verrichtet, oder ob er diese täglichen Arbeiten neben seiner Präsenzdienstleistung verrichten soll. Dazu kommt, daß die Behauptung der belangten Behörde, die Einberufung des Beschwerdeführers werde "in eine möglichst nahegelegene Garnison" erfolgen, dadurch relativiert wird, daß der (in Freistadt wohnende und betriebsführende) Beschwerdeführer mit dem zweitangefochtenen Bescheid nach Steyr einberufen wurde.

Was die Mithilfe der Lebensgefährtin (Ehefrau) des Beschwerdeführers im Betrieb anlangt, stellt diese Möglichkeit eine von der belangten Behörde auf keinerlei Ermittlungsergebnisse gestützte Behauptung dar. Zu einer solchen Aussage wären Feststellungen über Art und Umfang der im Rahmen der "Mithilfe" zu verrichtenden Tätigkeiten erforderlich gewesen. Das einzige Ermittlungsergebnis zu dieser Frage ist eine Stellungnahme der Bezirksbauernkammer Freistadt vom 27. Juni 1996, die freilich ihrem Inhalt nach den Standpunkt des Beschwerdeführers unterstützt. Wenn auch die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffenderweise auf den Grundsatz der auch in Ansehung der Verwertung dieser Stellungnahme Platz greifenden freien Beweiswürdigung hinweist, fehlt in der Begründung des angefochtenen Bescheides jegliche Ausführung, aus welchen Gründen und gestützt auf welche Umstände die belangte Behörde davon ausgeht, die Lebensgefährtin (Ehefrau) des Beschwerdeführers sei in der Lage, die erforderliche Substituierung der Arbeitskraft des Beschwerdeführers im Falle der Präsenzdienstleistung zu bewerkstelligen.

Bei diesem Ergebnis braucht auf die geltend gemachten familiären Interessen nicht eingegangen zu werden.

Der angefochtene Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 14. Oktober 1997 ist aus diesen Gründen mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

2) In Ansehung des zweitangefochtenen Bescheides (Einberufungsbefehles) des Militärkommandos Oberösterreich war die Beschwerde hingegen gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren abzuweisen. Die Beschwerde führt keine Gründe an, die die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides nach sich ziehen würden. Solange ein tauglicher Wehrpflichtiger nicht rechtskräftig von der Präsenzdienstpflicht befreit ist, kann er zur Präsenzdienstleistung einberufen werden. Das Militärkommando braucht diesbezüglich keine Ermittlungen anzustellen, ob etwaige Befreiungsgründe vorliegen. Die Anhängigkeit eines Befreiungsverfahrens allein hindert die Erlassung eines Einberufungsbefehles nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1993, Zlen. 92/11/0250, 0255). Ein Einberufungsbefehl bedarf daher im gegenständlichen Zusammenhang auch keiner Begründung. Mit der bloßen Behauptung, es lägen Befreiungsgründe vor, kann die Rechtswidrigkeit eines Einberufungsbefehles nicht dargetan werden (vgl. das Erkenntnis vom 28. Februar 1995, Zl. 95/11/0001).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997110325.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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