TE OGH 2020/5/27 8ObA29/20b

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Veröffentlicht am 27.05.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Bianca Hammer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei N*****, vertreten durch Dr. Peter Wallnöfer & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Gemeindeverband A.ö. Bezirkskrankenhaus *****, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Dezember 2019, GZ 15 Ra 48/19z-12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin war im Rahmen eines vom 9. 10. 2017 bis 8. 10. 2019 befristeten Dienstverhältnisses bei der Beklagten als OP-Schwester beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis gelangte das Tiroler Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz 2012 (Tiroler G-VBG) zur Anwendung. Am 30. 10. 2018 kündigte die Beklagte die Klägerin per 30. 11. 2018. Vom 23. 10. 2018 bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz (5. 6. 2019) befand sich die Klägerin durchgehend im Krankenstand.

Soweit revisionsgegenständlich, bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil mit der Maßgabe, dass festgestellt wird, dass die Beklagte der Klägerin, für den Fall und insoweit die Klägerin im Zeitraum 6. 6. 2019 bis 8. 10. 2019 ihre gesundheitliche Arbeitsfähigkeit wiedererlangen bzw wiedererlangt haben sollte, für die schadenersatzrechtlichen Ansprüche gemäß § 93 Abs 4 iVm § 50 Abs 3 Satz 2 bis 4 Tiroler G-VBG haftet.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Ein Dienstverhältnis endet nach § 93 Abs 1 lit f Tiroler G-VBG mit dem Ablauf der Zeit, für die es eingegangen wurde, bzw mit dem Abschluss der Arbeit, auf die es abgestellt war (vgl § 30 Abs 1 Z 8 VBG 1948). Auf unbestimmte Zeit eingegangene Dienstverhältnisse nach § 93 Abs 1 lit g leg cit enden durch Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist (vgl § 30 Abs 1 Z 9 VBG 1948).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung rechtsunwirksam war, ergibt sich bereits aus dem Gesetz, das eine Vertragsauflösung durch Kündigung (§ 94 Tiroler G-VBG) bei einem befristeten Dienstvertrag nicht vorsieht.

1.2 Das bezweifelt die Revisionswerberin auch gar nicht. Sie stellt sich vielmehr auf den Standpunkt, der Klägerin wäre die (von ihr gewählte) Option, die rechtsunwirksame Dienstgeberkündigung zu akzeptieren und dadurch tatsächlich eine (mit Schadenersatzansprüchen verbundene) Beendigung des Dienstverhältnisses herbeizuführen, nicht offengestanden.

Dem ist zu erwidern, dass nach § 93 Abs 3 und Abs 4 Tiroler G-VBG im Fall einer entgegen den Bestimmungen des § 94 leg cit ausgesprochenen rechtsunwirksamen Kündigung § 50 Abs 3 zweiter bis vierter Satz G-VBG sinngemäß gilt. Diese Bestimmungen sehen im Wesentlichen wortgleich zu den Regelungen des VBG 1948 (§§ 30 Abs 4 iVm § 17 Abs 3; vgl im Übrigen etwa auch § 29 Abs 1 AngG) vor, dass der Vertragsbedienstete (nicht nur bei einem durch den Dienstgeber verschuldeten vorzeitigen Austritt, sondern auch) bei einer „rechtsunwirksamen“ Kündigung seinen Anspruch auf das Monatsentgelt für den Zeitraum behält, der bis zum Ende des Dienstverhältnisses durch Ablauf der vertraglich bestimmten Zeit oder durch Kündigung durch den Dienstgeber hätte verstreichen müssen. Auch die Anrechnungsbestimmungen entsprechen jenen des VBG 1948.

Zu den gleichlautenden Bestimmungen des VBG 1948 hat der Oberste Gerichtshof – so wie das Berufungsgericht – bereits ausgesprochen, dass mit dieser Anordnung des Gesetzgebers dem Dienstnehmer die Möglichkeit der Geltendmachung eines der Kündigungsentschädigung vergleichbaren Schadenersatzanspruch eröffnet wird (4 Ob 12/84; vgl allgemein zum VBG 1948 etwa Ziehensack Vertragsbedienstetengesetz § 17 Rz 16). Die Revision macht insoweit im Wesentlichen nur geltend, dass es sich hier um Landesrecht handle, was aber im Hinblick auf im Wesentlichen übereinstimmende Systematik und Wortlaut und die bereits vorliegende Rechtsprechung eine Rechtsfrage der Qualität im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht darzustellen vermag.

2. Ob und in welchem Umfang der Dienstnehmer Anspruch auf „Kündigungsentschädigung“ hat, hängt davon ab, inwieweit ihm bei ordnungsgemäßer Beendigung des Dienstverhältnisses vertragsmäßige Ansprüche auf das Entgelt zugestanden wären (vgl 9 ObA 135/18w ua). Maßgeblich ist hier (entsprechend § 50 Abs 3 Satz 2 erster Fall Tiroler G-VBG) der „Zeitraum, der bis zum Ende des Dienstverhältnisses durch Ablauf der vertraglich bestimmten Zeit … hätte verstreichen müssen“. Da mangels Zulässigkeit eine Kündigung keine ordnungsgemäße Beendigung des befristeten Dienstverhältnisses darstellt, sind die Ansprüche der Klägerin auch nicht, wie die Beklagte meint, mit Ablauf einer fiktiven Kündigungsfrist begrenzt.

3. Nicht mehr strittig ist, dass der Klägerin wegen Ausschöpfung ihres Entgeltfortzahlungsanspruchs keine weiteren Ansprüche gegen die Beklagte bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz zustanden. Die Revisionswerberin argumentiert nun, dass der Klägerin auch das Feststellungsinteresse für allfällige Ansprüche ab 6. 6. 2019 fehle, weil es keinen Hinweis darauf gäbe, dass die Klägerin ihre Arbeitsfähigkeit vor Ablauf der Befristung am 8. 10. 2019 noch einmal wiedererlangen werde. Die Klägerin hat ihr Feststellungsinteresse allerdings bereits in der Klage darauf gestützt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie wiederum arbeitsfähig werde. Dem ist die Beklagte in erster Instanz nicht entgegengetreten, sodass schon das Erstgericht dieses Vorbringen ohne Weiteres seiner Entscheidung zugrunde legen konnte. Nach wie vor bestreitet die Beklagte zudem dem Grunde nach einen Schadenersatzanspruch der Klägerin. Das diesbezügliche Feststellungsinteresse der Klägerin fällt nicht weg, nur weil die Beklagte sich uneingeschränkt zu einer Lohnzahlungspflicht auf Grundlage eines aufrechten Dienstverhältnisses bekennen würde.

4. Schließlich wendet sich die Beklagte gegen die Maßgabebestätigung durch das Berufungsgericht, weil mit der Einschränkung auf den Fall der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit entweder ein Aliud oder ein Minuszuspruch vorliege.

Das Gericht darf dem Urteilsspruch eine klare und deutliche, auch vom Begehren abweichende, Fassung geben, sofern die Neufassung in den Behauptungen des Klägers ihre eindeutige Grundlage findet und sich im Wesentlichen mit seinem Begehren deckt (RS0037440 [T13]). Dies gilt auch noch im Stadium des Rechtsmittelverfahrens. (RS0037440 [T8]).

Die Klägerin hat schon in der Klage ihr Feststellungsbegehren an die Wiedererlangung ihrer Arbeitsfähigkeit geknüpft. Eine unvertretbare Rechtsansicht des Berufungsgerichts zeigt die Revisionswerberin mit ihren (darauf nicht Bezug nehmenden) Ausführungen nicht auf.

5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

Textnummer

E128595

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00029.20B.0527.000

Im RIS seit

21.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.07.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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