Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Stefula sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Bianca Hammer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Jelinek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** S*****, vertreten durch Mag. Doris Braun, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwalt in Graz, wegen 202,80 EUR und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Dezember 2019, GZ 7 Ra 56/19p-9, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Juni 2019, GZ 9 Cga 17/19p-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden
dahin abgeändert, dass
sie wie folgt lauten:
„1. Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 202,80 EUR brutto samt 8,58 % Zinsen aus 16,90 EUR seit 1. 3. 2018, 8,58 % Zinsen aus 16,90 EUR seit 1. 4. 2018, 8,58 % Zinsen aus 16,90 EUR seit 1. 5. 2018, 8,58 % Zinsen aus 33,80 EUR seit 1. 6. 2018, 8,58 % Zinsen aus 16,90 EUR seit 1. 7. 2018, 8,58 % Zinsen aus 16,90 EUR seit 1. 8. 2018, 8,58 % Zinsen aus 16,90 EUR seit 1. 9. 2018, 8,58 % Zinsen aus 16,90 EUR seit 1. 10. 2018, 8,58 % Zinsen aus 16,90 EUR seit 1. 11. 2018, 8,58 % Zinsen aus 33,80 EUR seit 1. 12. 2018, 8,58 % Zinsen aus 16,90 EUR seit 1. 1. 2019 und 8,58 % Zinsen aus 16,90 EUR seit 1. 2. 2019 binnen 14 Tagen zu bezahlen, und es werde festgestellt, dass der der klagenden Partei laufend ausbezahlte Firmenpensionszuschuss, gemäß der Richtlinie für die Gewährung von rechtsverbindlichen Pensionszuschüssen an Arbeitnehmer der S***** in der Fassung vom 30. 4. 1997, nicht zum Gesamtpensionseinkommen nach § 711 ASVG zähle und der Pensionszuschuss mit dem Prozentsatz der jeweiligen KV-Ist-Erhöhung zu valorisieren sei, wird abgewiesen.
2. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 556,03 EUR (darin 92,67 EUR USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und die mit 349,46 EUR (darin 58,24 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bis zum 30. 9. 2009 bei der Beklagten, die damals noch als S***** GmbH firmierte, als Sachbearbeiter beschäftigt. An diesem Tag trafen er und die Beklagte eine Vereinbarung, wonach das Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst wurde und der Kläger in ein Vorpensionsmodell analog zu den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung betreffend das Vorpensionsmodell 2005 vom 20. 12. 2005 eintrat. Dem Kläger wurde von der Beklagten der Pensionsbrief samt den einen integrierenden Bestandteil bildenden Richtlinien für die Gewährung der rechtsverbindlichen Pensionszusage übermittelt. Diese Richtlinien sehen in Punkt 12.6. eine Valorisierung des Pensionszuschusses im gleichen Verhältnis und zum gleichen Stichtag, wie sich der ruhegeldfähige Bruttobezug unter Annahme des Fortbestandes des Dienstverhältnisses aufgrund von Kollektivvertrag-Ist oder internen generellen Erhöhungen geändert hätte, vor.
Hauptgesellschafter der Beklagten ist die E***** AG, deren wirtschaftliche Eigentümer das Land Steiermark (zu 75 %) und ein Fonds (zu 25 %) sind.
Die E***** AG teilte dem Kläger im Jahr 2018 schriftlich mit,
- dass zu seinem Gesamtpensionseinkommen im Sinne des § 711 ASVG auch der von der Beklagten ausbezahlte Firmenpensionszuschuss zähle;
- dass die Pensionsversicherungsanstalt „je nach Höhe des Gesamtpensionseinkommens, den entsprechenden Erhöhungsfaktor fest[legt], der, auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen, dann auch für die Erhöhung des Firmenpensionszuschusses maßgeblich ist“;
- und dass aufgrund der Höhe seines Gesamtpensionseinkommens zum 31. 12. 2017 die Höhe seines Pensionszuschusses 833,36 EUR betrage und eine Anpassung rückwirkend durchgeführt werde.
Der Pensionszuschuss wurde in der genannten Höhe an den Kläger – wie stets von der Beklagten – ausbezahlt.
Der Kläger begehrt – nach einvernehmlicher Berichtigung – von der Beklagten die Zahlung jenes Betrags samt gestaffelten Zinsen, der sich als Mehrbetrag unter Zugrundelegung einer Valorisierung um 3 % (anstelle der von der Beklagten angenommenen Valorisierung in Höhe von nur rund 0,9 %) für den Zeitraum Februar 2018 bis einschließlich Jänner 2019 ergäbe. Weiters begehrt der Kläger die Feststellung, dass der ihm laufend ausbezahlte Firmenpensionszuschuss nicht zum Gesamtpensionsein-kommen nach § 711 ASVG zähle und derselbe mit dem Prozentsatz der jeweiligen KV-Ist-Erhöhung zu valorisieren sei.
Die Beklagte nahm im Verfahren einen ihren vorprozessualen Mitteilungen entsprechenden Standpunkt ein.
Das Erstgericht gab ausgehend von dem von ihm festgestellten, eingangs im Wesentlichen wiedergegebenen Sachverhalt der Klage statt. § 711 Abs 2 ASVG verweise zur Berechnung des Gesamtpensionseinkommens auf das SpBegrG, mit dem der Gesetzgeber im Jahr 2014 das BezBegrBVG sowie eine Vielzahl von Sondergesetzen novelliert habe. Der Begriff „Sonderpensionen“ erfasse Zusatzleistungen abseits der üblichen Pensionsregelungen. Dazu zählten auch Zusatzpensionsleistungen auf vertraglicher Grundlage. Mit dem SpBegrG seien die Sonderpensionsregelungen auf bisher nicht erfasste Rechtsträger ausgedehnt worden, konkret auf Rechtsträger, die auf einem Organisationsgesetz des Bundes beruhten oder aufgrund einer Mehrheitsbeteiligung vom Bund beherrscht würden und der Kontrolle des Rechnungshofs unterlägen. Der Gesetzgeber habe es dabei vermieden, Organisationen der Länder und Gemeinden und deren auszuzahlende Pensionen direkt miteinzubeziehen. Mit dem SpBegrG sei im BezBegrBVG bloß eine Bestimmung (§ 10 Abs 6) eingefügt worden, die den Landesgesetzgeber ermächtige, Pensionssicherungsbeiträge für die Landes- und Gemeindeebene zu erlassen. Von dieser Möglichkeit habe der Steiermärkische Landesgesetzgeber Gebrauch gemacht und das St-SpBegrG erlassen. Die Beklagte sei weder ein vom Bund geschaffener noch vom ihm beherrschter Rechtsträger und könne daher nicht unter das SpBegrG des Bundes subsumiert werden. Hauptgesellschafter der Beklagten sei jedoch ein ausdrücklich vom St-SpBegrG erfasster Rechtsträger. Damit fielen von der Beklagten ausbezahlte Sonderpensionen in den Anwendungsbereich des St-SpBegrG. § 711 Abs 2 ASVG spreche ausdrücklich nur von vom SpBegrG idF BGBl I 2014/46 erfassten Leistungen. Es müsse dem Gesetzgeber unterstellt werden, dass er Gesetzestexte in einem solch sensiblen Bereich wie dem nachträglichen Eingriff in privatrechtliche Verträge besonders klar normiere. Eine funktionale Auslegung von Begriffsbestimmungen sei hier auch vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber an anderen Stellen im ASVG ausdrücklich Verweisungen auf „der bundesgesetzlichen Regelung gleichartige landesgesetzliche Regelungen“ tätige, nicht geboten. Die eindeutige Bezugnahme auf das SpBegrG des Bundes im § 711 Abs 2 ASVG lasse im gegenständlichen Fall nicht zu, dass Pensionseinkünfte aus einem nicht vom SpBegrG, sondern ausschließlich vom St-SpBegrG erfassten Rechtsträger zum Gesamteinkommen hinzugezählt werden können.
Das Berufungsgericht gab mit der angefochtenen Entscheidung der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Beklagten unter Verweis auf die seines Erachtens zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts (§ 500a ZPO) nicht Folge. Ergänzend verwies das Berufungsgericht auf die Ausführungen von S. Zankel (Der neue § 711 ASVG. Eine kuriose Variante der Pensionsanpassung, ASoK 2018, 218). Nach diesem Autor ermächtige das SpBegrG nur den Landesgesetzgeber, in einem gewissen rechtlichen Rahmen Eingriffe in direkte Leistungszusagen vorzunehmen. Ein Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum sei jedoch innerhalb der verfassungsgesetzlichen Grenzen nur dann zulässig, wenn er auf Basis eines Gesetzes und nicht bloß auf Basis einer gesetzlichen Ermächtigung erfolge. Allein deshalb sei klar, dass für diese Bedienstetengruppen der gesetzliche Eingriff nicht durch das SpBegrG selbst erfolge, sondern durch die jeweilige landesgesetzliche Umsetzung erfolgen müsse. Um auch die vom jeweiligen Landessonderpensionenbegrenzungsgesetz umfassten Bedienstetengruppen zu erfassen, hätte § 711 ASVG nach den nach Ansicht des Berufungsgerichts zutreffenden Ausführungen Zankels auch die dem SpBegrG vergleichbaren landesgesetzlichen Regelungen nennen müssen. Abgelehnt wurden vom Berufungsgericht demgegenüber die Argumente von Resch (Die Sonderpensionserhöhung 2018 gemäß § 711 ASVG, RdW 2019, 397), dass die Gesetzesmaterialien sowie teleologische Überlegungen zum Normzweck des PAG 2018 eine Interpretation zuließen, dass auch die nur in § 10 Abs 6 BezBegrBVG „bedachten“ Sonderpensionen iSd § 711 ASVG „erfasst“ und damit einzurechnen seien.
Das Berufungsgericht ließ die Revision mit der Begründung zu, dass der Auslegung des § 711 Abs 2 ASVG eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beizumessen sei und der Oberste Gerichtshof sich mit der hier zu beurteilenden Frage noch nicht auseinandergesetzt habe.
Rechtliche Beurteilung
Gegen das Berufungsurteil richtet sich die aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit einem auf Abweisung der Klage gerichteten Abänderungsantrag.
In seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, der Revision den Erfolg zu versagen.
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig. Der Oberste Gerichtshof ließ – mangels Relevierung im dortigen Revisionsverfahren – in der Entscheidung 10 ObS 59/19b die Frage offen, ob sich durch die Schaffung des § 10 Abs 6 Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre (BezBegrBVG), BGBl I 1997/64, mit dem Sonderpensionsbegrenzungsgesetz (SpBegrG), BGBl I 2014/46, § 711 Abs 2 ASVG nicht nur auf die im SpBegrG ausdrücklich genannten Unternehmungen bzw auf die von diesen erbrachten Pensionsleistungen, sondern auch auf die auf dem SpBegrG beruhenden landesgesetzlichen Regelungen, bezieht.
Die Revision ist auch berechtigt.
In seiner Revision referiert die Beklagte im Wesentlichen die Ausführungen von Resch in dessen im Verfahren als Beilage ./5 vorgelegten und unter dem Titel „Die Sonderpensionserhöhung 2018 gemäß § 711 ASVG“ in RdW 2019, 397 ff veröffentlichen Rechtsgutachten. Resch befasst sich in erster Linie mit der Verfassungsbestimmung des § 711 Abs 6 ASVG, wonach die Anpassung für das Kalenderjahr 2018 von „Leistungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, BGBl I 2014/46, erfasst sind“, die Erhöhung nach § 711 Abs 1 ASVG unter Heranziehung des Gesamtpensionseinkommens (§ 711 Abs 2 ASVG) nicht überschreiten darf. Resch vertritt die Ansicht, dass der Gesetzeswortlaut auf die Frage, ob auch jene Sonderpensionen im Rahmen des § 711 Abs 6 ASVG einzurechnen sind, deren Begrenzung das SpBegrG selbst nicht regle, sondern deren mögliche Begrenzung das SpBegrG dem Landesrecht nur kompetenzmäßig übertragen habe, keine eindeutige Antwort gebe. Auf den ersten Blick würde man nach Ansicht Reschs eher sagen, dass nur jene Leistungen vom SpBegrG „erfasst sind“, die das SpBegrG unmittelbar anspricht und selbst regelt; eine bloße Kompetenzregelung, wie sie das SpBegrG für die Länder geschaffen habe, erfasse bzw begrenze die Leistung selbst noch nicht.
Man könnte aber nach Ansicht Reschs in gleicher Weise unter Berufung auf den Wortlaut argumentieren, dass auch diese Leistungen, da im SpBegrG wenn auch nur im Wege der Kompetenzregelung erwähnt, im Sinne des Gesetzes vom SpBegrG „erfasst sind“. In weiterer Folge stellt Resch den seines Erachtens aus den Materialien ersichtlichen Regelungswillen und mögliche teleologische Aspekte dar.
Ein gewichtiges Argument für einen weit gefassten Regelungswillen sei das klar postulierte öffentliche Interesse an einer nach oben begrenzten Pensionserhöhung, in welche die Sonderpensionen miteingerechnet werden sollen. Gerade dieser Normzweck sei dem Gesetzgeber des PAG 2018 ein zentrales Anliegen gewesen. Sozialausgleichsüberlegungen und allgemeine politische Gerechtigkeitsüberlegungen sprächen eher für einen weit gefassten Regelungswillen des Bundes in Bezug auf alle Sonderpensionen, also auch die in § 10 Abs 6 BezBegrBVG angeführten Sonderpensionen. Ein so verstandener Normzweck des PAG 2018 spreche dafür, alle Sonderpensionen miteinzubeziehen. Resch kommt zum Ergebnis, dass die Gesetzesmaterialien dafür sprächen, dass im Rahmen des § 711 Abs 6 ASVG auch die nur in § 10 Abs 6 BezBegrBVG bedachten Sonderpensionen einzurechnen seien. Die historische und teleologische Interpretation gäben den Ausschlag, möge auch der Wortlaut der Regelung auf den ersten Blick neutral sein, vielleicht sogar eher gegen eine so weite Auslegung sprechen.
1.1. Die durch Art 1 Z 4 Pensionsanpassungsgesetz 2018, BGBl I 2017/151, eingeführte Bestimmung des § 711 ASVG sieht in Abs 1 eine Erhöhung des – in Abs 2 definierten – Gesamtpensionseinkommens abhängig von dessen Höhe mit bestimmten Prozentsätzen vor. Beträgt es mehr als 4.980 EUR, findet nach Abs 1 letzter Satz keine Erhöhung statt. Als Teil des Gesamtpensionseinkommens gelten gemäß Abs 2 Satz 3 „auch alle Leistungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, BGBl I 2014/46, erfasst sind, wenn die pensionsbeziehende Person am 31. 12. 2017 darauf Anspruch hat“. Nach der Verfassungsbestimmung des § 711 Abs 6 ASVG darf die Anpassung für das Kalenderjahr 2018 „von Leistungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, BGBl I 2014/46, erfasst sind“, die Erhöhung nach Abs 1 unter Heranziehung des Gesamtpensionseinkommens (Abs 2) nicht überschreiten.
1.2. Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass der von ihr an den Kläger ausbezahlte Pensionszuschuss eine vom SpBegrG „erfasste“ Leistung sei und folgert – ersichtlich aus § 711 Abs 1 Satz 2 iVm Abs 6 ASVG – weiters, dass sich auch seine Erhöhung – abweichend von den dem Pensionsbrief zugrundeliegenden Richtlinien – nach den in § 711 Abs 1 ASVG festgesetzten Prozentsätzen richte. Dass ohne eine Anwendbarkeit der Sondervorschrift des § 711 ASVG die Valorisierung des Pensionszuschusses des Klägers nach den Richtlinien mit dem Prozentsatz der jeweiligen KV-Ist-Erhöhung erfolgen müsste, zog die Beklagte im Verfahren nicht in Zweifel. Entscheidend ist damit allein, ob § 711 ASVG entnommen werden kann, dass die Erhöhung des dem Kläger nach der vertraglichen Vereinbarung zustehenden Firmenpensionszuschusses abweichend von den Richtlinien nur in dem in § 711 Abs 1 ASVG festgesetzten Ausmaß zu erfolgen hat.
2.1. Mit dem Sonderpensionsbegrenzungsgesetz (SpBegrG), BGBl I 2014/46, einem 27 Einzelnovellen umfassenden Sammelgesetz, wurden einerseits (verfassungsändernd) das in Verfassungsrang stehende Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre (BezBegrBVG), BGBl I 1997/64, und andererseits eine Vielzahl von Sondergesetzen novelliert. Ziel des SpBegrG war die Fortsetzung der nachhaltigen Sicherung und verstärkten Harmonisierung von Pensionsregelungen in Bereichen mit Sonderpensionsrechten. Der Begriff „Sonderpensionen“ soll dabei Zusatzpensionsleistungen abseits der üblichen Pensionsregelungen erfassen. Über die Oesterreichische Nationalbank, die Sozialversicherungsträger und Kammern hinaus sollen von Sonderpensionsregelungen weitere Rechtsträger umfasst werden, soweit diese Rechtsträger der Kontrolle des (Bundes-)Rechnungshofs unterliegen (10 ObS 59/19b [Pkt 3.2.] mwN).
2.2. Obwohl § 10 Abs 6 BezBegrBVG nach dem Wortlaut nur eine Ermächtigung darstellt (8 Ob 142/17s [Pkt 1]; VfGH G 478/2015 [Pkt IV.2.1.1.7]; Zankel, Der neue § 711 ASVG. Eine kuriose Variante der Pensionsanpassung, ASoK 2018, 218 [219, 221]), sind die Länder nach den Gesetzesmaterialien dazu „angehalten“ im Rahmen der ihnen eingeräumten Gesetzgebungskompetenz vergleichbare Regelungen wie im SpBegrG zu treffen (ErläutRV 140 BlgNR 25. GP 2). Offenbar war es dem Bundesgesetzgeber ein Anliegen, dass vergleichbare legistische Maßnahmen auch auf Landesebene getroffen werden sollten (10 ObS 59/19b [Pkt 4.2]; eingehend Resch, Die Sonderpensions-erhöhung 2018 gemäß § 711 ASVG, RdW 2019, 397 [398 f]).
2.3. § 10 Abs 6 BezBegrBVG gibt der Landesgesetzgebung die Kompetenz, dem § 10 Abs 4 BezBegrBVG vergleichbare Regelungen für (ehemalige) Funktionäre sowie Bedienstete (und ihre Angehörigen und Hinterbliebenen) von Rechtsträgern im Sinn des Art 14b Abs 2 Z 2 B-VG zu treffen. § 10 Abs 4 BezBegrBVG betrifft die Festlegung von (Sicherungs-)Beiträgen. Davon ist die Frage der jährlichen Pensionserhöhung zu unterscheiden. Fußt die Pension auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Dienstgeber und dem Dienstnehmer, so fallen diesbezügliche gesetzliche Regelungen – sofern sie nicht dienstrechtlicher Natur iSd Art 21 B-VG sind und auch nicht land- und forstwirtschaftliche Arbeiter und Angestellte iSd Art 12 Abs 1 Z 6 B-VG betreffen – nach Art 10 Abs 1 Z 11 oder Z 16 B-VG in die Kompetenz des Bundesgesetzgebers (vgl Schrammel/Kietaibl, Betriebspensionsgesetz und Pensionskassengesetz2 [2018] §§ 1–2 BPG Rz 58 f). Eine landesgesetzliche Kompetenz für eine Regelung (Beschränkung) vertraglich vereinbarter Pensionsansprüche außerhalb der besonderen Kompetenz nach § 10 Abs 6 (iVm Abs 4) BezBegrBVG ist grundsätzlich nicht vorhanden.
2.4. Nach der Verfassungsbestimmung des § 711 Abs 6 B-VG darf die Anpassung für das Kalenderjahr 2018 von Leistungen, die vom SpBegrG (BGBl I 2014/46) erfasst sind, die Erhöhung nach § 711 Abs 1 ASVG unter Heranziehung des Gesamtpensionseinkommens (§ 711 Abs 2 ASVG) nicht überschreiten. Es handelt sich bei dieser speziellen Verfassungsbestimmung – anders als bei § 10 Abs 6 BezBegrBVG – nur um eine Inhalts-, nicht auch um eine Kompetenznorm.
2.5. Das SpBegrG regelt selbst keine Leistungen. Es enthält nur verschiedene Änderungen anderer Gesetze, in seinem Art 1 solche des BezBegrBVG, in seinen weiteren Artikeln verschiedener Gesetze in Hinsicht auf in diesen verankerte Pensions-(sicherungs-)beiträge. Wenn § 711 Abs 2 und 6 ASVG von vom SpBegrG erfassten Leistungen sprechen, so liegt dem von Vornherein ein mittelbares und folglich weites Verständnis von „erfasst“ zugrunde. Aus diesem Grund teilt der erkennende Senat die Ansicht von Resch, RdW 2019, 398, dass der Wortlaut des § 711 ASVG gestattet, auch Leistungen als „vom SpBegrG erfasst“ zu qualifizieren, wenn diese von der Kompetenz nach § 10 Abs 6 BezBegrBVG erfasst sind. Diese weite Auslegung entspricht dem Ziel des Gesetzgebers, Sonderpensionen einheitlich zu begrenzen (vgl Pkt 2.2). Anhaltspunkte dafür, dass der (Verfassungs-)Gesetzgeber hier vom umfassenden Konzept des BezBegrBVG, auf das er auch Bezug nimmt, abweichen wollte, indem er weder eine Kompetenz der Landesgesetzgebung vorsieht (§ 10 Abs 6 BezBegrBVG ist beschränkt auf die Sicherungsbeiträge), noch selbst eine Anordnung trifft, sind nicht ersichtlich (vgl § 711 Abs 6 ASVG).
2.6. Der Pensionszuschuss des Klägers unterliegt unstrittig dem Steiermärkischen Sonderpensionenbegrenzungsgesetz 2015 (St-SpBegrG, LGBl 2016/45). Er ist im maßgeblichen weiten (mittelbaren) Sinn eine Leistung iSd SpBegrG. Seine Erhöhung für das Jahr 2018 ist folglich durch § 711 Abs 6 ASVG limitiert. Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen bestehen nicht; diese Bestimmung steht selbst im Verfassungsrang.
Das Klagebegehren erweist sich daher als nicht berechtigt. Die Urteile der Vorinstanzen waren im klagsabweisenden Sinn abzuändern.
3. Die Entscheidungen über die Kosten gründen sich auf § 2 ASGG iVm § 41 (hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren iVm § 50) ZPO. Arbeitsrechtliche Rechtsmittelverfahren mit einem Berufungs- bzw Revisionsinteresse bis 2.500 EUR sind gemäß Anm 5 zu TP 2 bzw TP 3 GGG gebührenfrei.
Textnummer
E128596European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00027.20H.0527.000Im RIS seit
21.07.2020Zuletzt aktualisiert am
23.04.2021