Entscheidungsdatum
19.06.2020Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
NAG 2005 §19 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Zach über die Beschwerde der Frau A. B. (geb.: 1991, StA.: Deutschland), vertreten durch Erwachsenenvertreter RA Dr. C., gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 11.05.2020, Zl. …, betreffend Ausstellung einer Dokumentation des unionrechtlichen Aufenthaltsrechts nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG),
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, und der angefochtene Bescheid bestätigt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Zusammenfassung des Verfahrensganges:
Die Beschwerdeführerin stellte durch den für sie mit Urkunde vom 25.6.2019 vom BG D. bestellten Erwachsenenvertreter bei der belangten Behörde mit E-Mail vom 12.6.2019 einen Antrag auf Ausstellung einer Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltes für die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich.
Mit Schreiben vom 20.11.2019, dem Erwachsenenvertreter zugestellt laut vorliegendem Rückschein am 25.11.2019, forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin zuhanden des Erwachsenenvertreters zur Behebung von Verfahrensmängeln auf, insbesondere auch betreffend der fehlenden persönlichen Antragstellung. Die belangte Behörde setzte dafür eine Frist bis 18.12.2019.
Am 4.12.2019 wurde ein Antrag auf Fristerstreckung hinsichtlich der geforderten Unterlagen vom Erwachsenenvertreter an die belangte Behörde übermittelt und weiters eine Stellungnahme zur Aufforderung der persönlichen Antragstellung abgegeben, worin vorgebracht wird, dass die Bestimmung des § 19 Abs. 1 NAG dahingehend teleologisch zu reduzieren sei, dass mit gesetzlicher Vertreter nicht berufsmäßigen Parteienvertreter (Rechtsanwälte) in ihrer Eigenschaft als gerichtliche Erwachsenenvertreter gemeint sind. Dies sei sachlich nicht zu rechtfertigen, da der gerichtliche Erwachsenenvertreter durch sein persönliches Erscheinen keinerlei für das Verfahren relevante personenbezogene Angaben machen könne, die nicht auf schriftlichem Wege übermittelt werden könnten. Eine andere Auslegung wäre jedenfalls verfassungswidrig. Die inhaltliche Absprache über den gestellten Antrag werde beantragt.
Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 11.5.2020 wies die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag vom 12.6.2019 mangels persönlicher Antragstellung gemäß § 19 Abs. 2 NAG und § 13 Abs. 3 AVG zurück.
In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde wird sinngemäß zusammengefasst vorgebracht, dass § 19 Abs. 1 NAG teleologisch zu reduzieren sei. Der Vertreter der Beschwerdeführerin zitiert dafür aus dem Erkenntnis des VwGH 2009/22/0197, ergangen zur Fassung des § 19 Abs. 1 NAG vor dem FRÄG 2015. Zur damaligen Rechtslage hat der VwGH folgenden Rechtsatz ausgesprochen: „[…]Ebenso fordert § 19 Abs. 1 NAG beim Fremden selbst die persönliche Antragstellung, nicht jedoch die persönliche Einbringung des Antrags durch den gesetzlichen Vertreter. […]“
Es wird weiters vorgebracht, dass mit dem FRÄG 2015 zwar der Wortlaut des § 19 Abs. 1 NAG derart abgeändert worden sei, dass nunmehr normiert wird, dass (auch) der gesetzliche Vertreter den Antrag persönlich einzubringen hätte. Aufgrund der Regierungsvorlagen, aus denen hervorgehe, dass diese Änderung dadurch erforderlich gewesen sei, dass die gezielte Einbringung von Anträgen auf Erteilung quotenpflichtiger Aufenthaltstitel per E-Mail durch einen Rechtsvertreter, entsprechend der Judikatur des VwGH im Erkenntnis vom 26. Februar 2015, RA 2014/22/0145-0147, nicht zu einem Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG führen solle: „Die bewusst fehlerhaft eingebrachten Anträge sind vielmehr zurückzuweisen, wenn der Mangel der persönlichen Antragstellung rechtsmissbräuchlich vom Rechtsvertreter herbeigeführt wurde, um auf dem Umweg des Verbesserungsverfahrens einen Rangvorteil zu erzielen. […]“
Eine bewusste rechtsmissbräuchliche (nicht persönliche) Einbringung eines Aufenthaltstitels zur Erlangung eines Rangvorteils (Sicherung eines Quotenplatzes) liege gegenständlich nicht vor. Eine derartige Konstellation sei hier wiedergegeben noch denkmöglich. Daher sei auch § 19 Abs. 1 NAG hinsichtlich der persönlichen Antragstellung durch einen gesetzlichen Vertreter bei sonstiger Verfassungswidrigkeit teleologisch der zu reduzieren, dass sie auf gerichtliche Erwachsenenvertreter nicht anzuwenden sei.
Weiters habe zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides § 19 Absatz 1a NAG zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 gegolten. Das Datum der Bescheiderlassung sei maßgeblich, da die Behörde anführe, der Erwachsenenvertreter wäre bis zum heutigen Tage der Aufforderung zum persönlichen Erscheinen vor der Behörde nicht nachgekommen.
Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt steht als erwiesen fest:
Unstrittig ist, dass Rechtsanwalt Dr. C. vom BG D. am 25. Juni 2019 zum Erwachsenen Vertreter der Beschwerdeführerin bestellt wurde. Er ist durch diese Bestellung auch zur Vertretung der Beschwerdeführerin vor Gerichten, Behörden, Dienststellen und Sozialversicherungsträgern berufen.
Unstrittig ist weiters, dass die Antragstellung durch den Erwachsenenvertreter für die Beschwerdeführerin am 12. Juni 2019 per E-Mail erfolgte und eine persönliche Antragstellung durch den Erwachsenen Vertreter nicht nachgeholt wurde.
Weiters wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 20.11.2019, dem Erwachsenenvertreter zugestellt am 25.11.2019, von der belangten Behörde gemäß § 13 Abs. 3 NAG zur Behebung von Verfahrensmängeln aufgefordert wurde, unter anderem auch zur persönlichen Antragstellung gemäß § 19 Abs. 1 NAG. Dabei wurde eine Frist bis 18.12.2019 NAG gesetzt. Mit Schreiben vom 4.12.2019 brachte der Erwachsenenvertreter vor, dass die persönliche Antragstellung durch den Erwachsenen Vertreter aus seiner Sicht sachlich nicht zu rechtfertigen sei und die Bestimmung des § 19 Abs. 1 NAG teleologisch zu reduzieren sei.
Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der unstrittigen Aktenlage und dem eigenen Vorbringen des Erwachsenenvertreters der Beschwerdeführerin.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 19 Abs 1 NAG sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder auf Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts persönlich bei der Behörde zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter persönlich einzubringen.
Gemäß § 19 Abs 1a NAG sind, solange aufgrund von Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen werden, die Bewegungsfreiheit oder der zwischenmenschliche Kontakt eingeschränkt ist, Verlängerungsanträge und Zweckänderungsanträge abweichend von Abs. 1 nicht persönlich, sondern postalisch oder auf elektronischem Wege bei der Behörde einzubringen. (In Kraft getreten am 5.4.2020, BGBl. I Nr. 24/2020)
Gemäß § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
Wie bereits in den Feststellungen ausgeführt, ist unstrittig, dass eine persönliche Antragstellung durch den ausgewiesenen Erwachsenenvertreter der Beschwerdeführerin nicht erfolgt ist. Der Erwachsenenvertreter ist der Ansicht, dass § 19 Abs. 1 NAG teleologisch zu reduzieren sei, da im hier gegenständlichen Fall einerseits kein Verbesserungsauftrag rechtsmissbräuchlich herbeigeführt werden könne, da keine Quotenpflicht für die beantragte Dokumentation bestehe und zitiert diesbezüglich die erläuternden Materialien zur Regierungsvorlage betreffend die Änderung von § 19 Abs. 1 NAG durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 (siehe Seite 3 oben). Weiters sei eine persönliche Antragstellung durch den Erwachsenenvertreter auch hinsichtlich der Identitätsfeststellung und der Feststellung des Aufenthalts der Beschwerdeführerin sinnlos.
Richtig ist, dass laut Regierungsvorlage zu BGBl. I 70/2015 die Änderung des § 19 Abs. 1 in Hinblick auf das Judikat des VwGH vom 26.2.2015, RA 2014/22/0145-0147 erfolgt ist, um zukünftig bei rechtsmissbräuchlich fehlerhaft eingebrachten Anträgen (wegen fehlender persönliche Antragstellung) bei quotenpflichtigen Aufenthaltstitel kein Verbesserungsverfahren gemäß § 13 Abs. 3 AVG mehr zu ermöglichen. Die Konsequenz der Änderungen von § 19 Abs. 1 und § 12 Abs. 2 NAG durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 ist, dass rechtsmissbräuchlich fehlerhaft eingebrachte Anträge auf Erteilung von quotenpflichtigen Aufenthaltstitel sofort zurückzuweisen sind und kein Verbesserungsverfahren durchzuführen ist; RV: […] “Die bewusst fehlerhaft eingebrachten Anträge sind vielmehr zurückzuweisen, wenn der Mangel der persönlichen Antragstellung rechtsmissbräuchlich vom Rechtsvertreter herbeigeführt wurde, um auf dem Umweg des Verbesserungsverfahrens einen Rangvorteil zu erzielen. […]“
Aus den erläuternden Bemerkungen zur RV ist jedoch nicht erkennbar, dass – wie vom Erwachsenenvertreter der Beschwerdeführerin vorgebracht – § 19 Abs. 1 NAG hinsichtlich der persönlichen Antragstellung durch Erwachsenenvertreter teleologisch zu reduzieren wäre. Es kann auch keinen Unterschied machen, auf welcher Rechtsgrundlage eine Person ein gesetzlicher Vertreter eines Fremden ist, oder ob es sich um einen berufsmäßigen Parteienvertreter als gesetzlichen Vertreter handelt. § 19 Abs. 1 NAG in derzeit gültiger Fassung stellt ausschließlich darauf an, dass ein Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist und über einen gesetzlichen Vertreter verfügt. Dieser ist verpflichtet, den Antrag persönlich einzubringen. Ob diese gesetzliche Vertretung nun auf § 271 ABGB (Erwachsenenvertreter) oder auf einer anderen gesetzlichen Bestimmung beruht, kann keinen Unterschied machen.
Richtig ist, dass es sich bei der beantragten Dokumentation und keinen quotenpflichtigen Aufenthaltstitel handelt. Wäre ein solcher quotenpflichtiger Titel beantragt worden, hätte die belangte Behörde ohne vorherigen Verbesserungsauftrag umgehend den Antrag zurückweisen können. Insofern ist auch verfahrensrechtlich eine unterschiedliche Vorgehensweise zwischen quotenpflichtigen Aufenthaltstiteln und der hier gegenständlichen nicht quotenpflichtigen Dokumentation gegeben. Auch aus diesem Grund ist keine teleologische Reduktion des § 19 Abs. 1 NAG geboten.
Zusammengefasst ergibt sich weder aus dem (eindeutigen) Wortlaut der Bestimmung des § 19 Abs. 1 NAG, noch aus der dazu ergangenen Judikatur oder aus den Gesetzesmaterialien, eine schlüssige Begründung dafür, dass diese Bestimmung teleologisch zu reduzieren und hinsichtlich des normierten formalen Erfordernisses der persönlichen Antragstellung auf Erwachsenenvertreter nicht anzuwenden wäre. Die vom Erwachsenenvertreter der Beschwerdeführerin angesprochenen verfassungsrechtlichen Bedenken werden vom Verwaltungsgericht Wien nicht geteilt.
Zum Vorbringen, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides § 19 Absatz 1a NAG in Geltung gestanden ist, ist festzuhalten, dass es sich beim gegenständlichen Antrag weder um einen Zweckänderungsantrag, noch um einen Verlängerungsantrag handelt. § 19 Absatz 1a NAG ist daher schon aus diesem Grund nicht anwendbar. Weiters ist auch darauf hinzuweisen, dass der Auftrag zur Verbesserung des Antrags gemäß § 13 Abs. 3 AVG den Erwachsenenvertreter bereits am 25.11.2019 zugestellt wurde, mit Frist bis 18.12.2019, wobei der Erwachsenenvertreter schon mit Schriftsatz vom 4.12.2019 der belangten Behörde mitgeteilt hat, dass er die persönliche Antragstellung nicht nachholen wird. Im Dezember 2019 war § 19 Absatz 1a NAG noch nicht in Geltung (In-Kraft-Treten der derzeit gültigen Fassung von § 19 Absatz 1A NAG war am 5.4.2020).
Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.
Eine mündliche Beschwerdeverhandlung war nicht beantragt. Da ausschließlich eine Rechtsfrage zu klären war und der Sachverhalt unstrittig aus den behördlichen Akten ersichtlich war, konnte von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung abgesehen werden.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Persönliche Antragstellung; Erwachsenenvertreter; Verbesserungsauftrag; Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts; quotenpflichtiger AufenthaltstitelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.151.084.6807.2020Zuletzt aktualisiert am
20.07.2020